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Bei einem Besuch des Oktoberfestes wird Anne Zandler im Gedränge von ihren Freundinnen getrennt. Dafür begegnet ihr ein gut aussehender, blonder Mann mit graublauen Augen. Und mit ihm vergnügt sie sich ausgelassen auf dem Fest. Sie fahren Karussell, trinken Bier, albern herum, und Peter, so heißt der sympathische Mann, schießt Anne einen hübschen Teddybären.
Das junge Mädchen ist zum ersten Mal in seinem Leben verliebt und fiebert ungeduldig dem nächsten Tag entgegen, dann wollen sie sich wiedersehen. Doch bevor es dazu kommt, wird Anne dringend zurück nach Hannover gerufen. Ihre Mutter liegt dort lebensgefährlich verletzt im Krankenhaus. Peter kann sie nicht verständigen, denn außer seinem Vornamen weiß sie nichts von ihm, nur, dass er wunderschöne graublaue Augen hat ...
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Seitenzahl: 142
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Ein Schleier trocknet keine Tränen
Vorschau
Impressum
Ein Schleier trocknet keine Tränen
Erfolgsroman um ein liebendes Herz in Not
Bei einem Besuch des Oktoberfestes wird Anne Zandler im Gedränge von ihren Freundinnen getrennt. Dafür begegnet ihr ein gut aussehender, blonder Mann mit graublauen Augen. Und mit ihm vergnügt sie sich ausgelassen auf dem Fest. Sie fahren Karussell, trinken Bier, albern herum, und Peter, so heißt der sympathische Mann, schießt Anne einen hübschen Teddybären.
Das junge Mädchen ist zum ersten Mal in seinem Leben verliebt und fiebert ungeduldig dem nächsten Tag entgegen, dann wollen sie sich wiedersehen. Doch bevor es dazu kommt, wird Anne dringend zurück nach Hannover gerufen. Ihre Mutter liegt dort lebensgefährlich verletzt im Krankenhaus. Peter kann sie nicht verständigen, denn außer seinem Vornamen weiß sie nichts von ihm, nur, dass er wunderschöne graublaue Augen hat ...
Das Rasseln des Weckers zerreißt auf grausame Weise die Träume des jungen Mädchens.
»Puh! Wer macht denn solchen Lärm mitten in der Nacht?«
Ein brauner Lockenkopf schiebt sich unter einer himmelblauen Decke hervor, und ein verschlafenes Augenpaar blinzelt in den hellen Morgen.
»Tatsächlich, es ist schon hell draußen! Müssen wir wirklich schon aufstehen, Doris?«, fragt Anne und gähnt herzhaft.
Nun reibt sich auch die blonde Doris Heisterbach an der gegenüberliegenden Wand den Schlaf aus den Augen.
»Das Leben ist grausam«, sagt sie dann. »Jeden Morgen stelle ich das fest, wenn man aus dem weichen Bett hinausgetrieben wird ins feindliche Leben! Aber was hilft das alles, Anne? Pflicht bleibt Pflicht, auch für zwei bescheidene Kunststudentinnen, wie wir es sind!«
Sie reckt und dehnt wohlig die jungen Glieder, dann klingt helles Lachen auf.
»Ich kann ja noch ein paar Minuten ruhen, Anne. Heute bist du nämlich dran, als Erste ins Bad zu steigen! Also bitte keine Müdigkeit vorschützen, mein Goldkind! Morgenstund' hat Gold im Mund'!«
»Ach du mit deinen ewigen Sprichwörtern!«, gibt Anne Zandler lachend zurück und springt aus dem Bett »Bei mir verfangen deine Weisheiten nicht. Spar sie dir für dein geliebtes Mäxchen auf! Er ist ja so blind verliebt in dich, dass er dir jeden Blödsinn abnimmt!«
»Wer's haben kann, hat Freude dran!«, stößt Doris übermütig hervor, setzt sich auf und schlingt beide Arme um ihre angezogenen Knie. »Und ich habe unsagbare Freude an meinem Mäxchen und an unserer Liebe, wenn auch die äußeren Umstände nicht gerade segensreich zu nennen sind! Aber wozu brauchen wir Geld, wenn wir glücklich sind? Du in deiner kindlichen Unerfahrenheit verstehst ja doch nichts von solchen Dingen!«
»Vielleicht verstehe ich es doch, Doris!«
Anne Zandler, das schlanke braunlockige Mädchen mit den großen leuchtend blauen Augen, wendet sich schnell ab und läuft zum Badezimmer.
»Halt!«, ruft die temperamentvolle Doris. »Meinst du etwa, du verstündest plötzlich etwas von der Liebe und vom Verliebtsein, Anne? Sag einmal, basiert diese Erkenntnis etwa auf dem gestrigen Abend, mein Herzchen? Hängt sie mit dem blonden jungen Mann zusammen?«
»Hm, vielleicht? Bin ich mit zwanzig Jahren nicht alt genug dafür? Ich konnte gestern vor Aufregung nicht einschlafen und musste immerzu nur an ihn und an seine blaugrauen Augen denken! Ist es so? Ich meine, wenn man sich verliebt hat?«
»Liebes, kleines Schäfchen! Und ob es so ist! Unsere Anne hat sich endlich zum ersten Male verliebt! Herrlich finde ich das! Wie heißt denn der Wunderknabe, Anne!«
»Peter!«
»Und wer und was ist er?«
»Aber Doris! Das weiß ich doch noch nicht.«
»Nein?«, staunt diese und schüttelt den blonden Schopf. »Aber gut sieht er aus, das habe ich mit einem Blick festgestellt, wenn ich ihn auch nur ganz kurz gesehen habe! Hm, und wie soll es nun weitergehen?«
»Ach, Doris, das weiß ich auch nicht! Es ist alles so plötzlich gekommen. Ich hatte euch in dem Gedränge verloren. Und als ich euch gesucht habe, da war er eben da und blieb ganz selbstverständlich an meiner Seite! Und ich konnte ihn nicht wegschicken. Vom ersten Augenblick war da etwas in seinen Augen, das mich festhielt. Ich war auch gar nicht mehr böse, dass ich euch verloren hatte!«
»Kann ich mir denken! Und was ist dann passiert?«
»Er hat meine Hand genommen und gesagt, er würde mir helfen, meine Freunde zu suchen! Zuerst haben wir wirklich gesucht, aber dann waren wir nur lustig und ausgelassen, wie man es nur auf dem Oktoberfest sein kann! Wir sind Karussell gefahren, haben geschaukelt, Wein getrunken, Bier getrunken und dann ...«
»... und dann?«, unterbricht Doris die Freundin. So hat sie Anne in den bald zwei Jahren, die sie einander kennen, noch nie erlebt.
»Dann hat er mir den braunen Teddy geschossen! Ach, es war einfach wundervoll! Wo habe ich den Teddy nur gelassen?«
»Der sitzt draußen in der Diele. Tante Henny wird sich bei seinem Anblick schon einen Reim auf unseren gestrigen Abend gemacht haben!«
»Doris, meinst du, ich habe mich unmöglich benommen? Ich bin extra mit dir nach Hause gegangen, was hätte Tante Henny sonst von mir gedacht? Peter wollte mich mit seinem Wagen fahren, aber da habe ich mich gerade noch rechtzeitig besonnen, dass sich so viel Entgegenkommen am ersten Abend nicht schickt!«
»Hast du etwa Angst gehabt vor deinem ersten Kuss, zu dem es im Wagen hätte kommen können?«
»Nein, ich hatte keine Angst, aber man muss ja nicht alles gleich am ersten Abend haben! Drei Tage bleibt Peter noch in München, und heute treffen wir uns schon am Nachmittag! Zu einem Stadtbummel, Doris! Mein Gott, ich höre Tante Henny schon drüben im Wohnzimmer!«, ruft Anne plötzlich und stürzt ins Bad.
Drüben im Wohnzimmer öffnet Henny Cremer gerade das breite Fenster und atmet tief die frische Morgenluft ein. Sie liebt den Blick von hier oben über die Dächer von Schwabing, wo sie sich vor drei Jahren die hübsche Wohnung im obersten Stockwerk eines modernen Wohnhauses eingerichtet hat.
Henny ist Grafikerin und schlägt sich recht und schlecht mit ihrem Beruf durch, denn sie steht seit Jahren allein im Leben. Die aparte schwarzhaarige Frau mit dem eigenwillig aufgesteckten Haarknoten ist begabt, fleißig und steht mit beiden Beinen auf der Erde.
Seit zwei Jahren lebt Doris Heisterbach, ihre Nichte, bei ihr, weil die Eltern das junge Mädchen während des Studiums an der Kunstakademie nirgends besser aufgehoben wussten.
Henny hat dem Kind ihrer Schwester eins der großen hellen Zimmer überlassen und keinen Einwand gehabt, als Doris ihr eines Tages ihre Freundin Anne Zandler gebracht hat mit der Bitte, mit Anne ihr schönes Zimmer bei der Tante teilen zu dürfen.
»Guten Morgen, Tante Henny!«
Gleichzeitig kommt der Gruß von zwei hellen Mädchenstimmen. Tante Henny nickt Doris und Anne freundlich zu.
»Guten Morgen, Kinder! Es wird Zeit für euch, kommt zum Frühstück! Was habt ihr nur so lange gebummelt heute?«
»Das sollst du gleich erfahren, Tante Henny.« Doris kichert und wirft Anne einen verschmitzten Blick zu, während sie am Frühstückstisch Platz nehmen und sie den duftenden Kaffee in die Tassen gießt. »Unsere Anne hat sich zum ersten Male verliebt. Nun, was sagst du jetzt?«
»Ich freue mich für dich, mein Kind. Die erste Liebe wird immer das schönste Erlebnis für einen jungen Menschen bleiben. Das war schon zu Großmutters Zeiten so, und auch die Jugend bildet darin keine Ausnahme! Willst du mir von gestern erzählen?«
»Natürlich, Tante Henny! Eigentlich ist nicht viel zu sagen. Also, das war so ...«
Henny lächelt verstehend vor sich hin, während Anne munter von ihrem Erlebnis berichtet.
»Und du hast nichts dagegen, Tante Henny, dass ich mit Peter heute durch die Stadt bummeln möchte?«, endet Anne mit einem bittenden Blick der blauen Augen.
»Natürlich nicht, Anne. Ich weiß doch, dass du nichts Unrechtes tun wirst! Mich würde aber schon noch interessieren, ob er dir seinen vollständigen Namen nicht nennen wollte.«
»Doch! Aber ich war so übermütig und wollte seinen Nachnamen gar nicht wissen! Dass er Peter heißt, war mir genug! Er weiß von mir ja auch noch nicht mehr, Tante Henny!«
»Gedankenlose glückliche Jugend! Heute könnt ihr das nachholen, denn es gehört sich so! Und wenn du willst und dein junger Freund damit einverstanden ist, darfst du ihn für morgen zu einer Tasse Kaffee zu uns bitten! Es würde mich beruhigen, und es soll kein Misstrauen gegen dich sein, Anne!«
»Du bist doch die Allerbeste, Tante Henny! Peter wird bestimmt gern kommen, denn er sagte schon gestern, er wolle mich nach Hause bringen und wohlbehalten bei meinen Eltern abliefern, damit sie gleich wüssten, mit wem ich mich in den nächsten Tagen öfter treffen wollte!«
»Nun, das hört sich durchaus gut an, und ich muss sagen, nicht alle jungen Männer zeigen so viel Anstand heutzutage! Aber nun beeilt euch, Kinder! Ihr bekommt sonst eure Bahn nicht mehr!«
»Wiedersehen, Tante Henny!«
♥♥♥
Der junge Mann, der allein an einem der Tische des behaglichen Frühstückszimmers des exklusiven Münchener Hotels sitzt, vertieft sich zunächst in die Zeitungen, die er sich von einem der Pagen hat besorgen lassen. Er durchblättert deutsche und auch zwei amerikanische Blätter, aber seine Aufmerksamkeit scheint an diesem Morgen nicht sehr groß zu sein.
Er sieht gut aus, der hochgewachsene blonde Mann mit den graublauen Augen in dem schmalen, markant geschnittenen Gesicht, dessen gesunde Bräune ebenso wie die kräftige Gestalt auf den ersten Blick den Sportsmann verraten.
Kein Wunder, dass die anwesenden Damen immer wieder verstohlen zu dem Gast hinüberschauen.
Jetzt blicken seine Augen richtig verträumt, als wäre er weit weg mit seinen Gedanken, so verträumt und fast zärtlich, dass es in krassem Widerspruch zu den männlichen Gesichtszügen steht.
Der junge Diplomkaufmann, höchstens über die Mitte der zwanzig hinaus, denkt an ein entzückendes Erlebnis zurück, das ihm ein reizender Zufall am gestrigen Abend beschert hat. Ziel- und planlos schlenderte er durch das Menschengewimmel der Theresienwiese, und dann stand das Wunder plötzlich neben ihm!
Ein brauner Lockenkopf, ein allerliebstes Mädchengesicht, noch beinahe kindlich zu nennen mit den Grübchen in den Wangen und den blauen Wunderaugen, von denen er den Blick nicht mehr lösen konnte, seit er ein einziges Mal hineingesehen hat.
»Ein Gespräch aus Hannover für Herrn Arnsperger!«
Die Stimme aus dem Lautsprecher unterbricht seine Gedanken; er erhebt sich sofort.
Dem Kellner, der gerade sein Frühstück serviert, nickt er freundlich zu.
»Danke! Ich bin gleich zurück. Ein Ferngespräch!«
Aber es wird doch ein recht ausführliches Gespräch. Peter Arnsperger ist nun ganz bei der Sache und macht sich sogar verschiedene Notizen.
»Gut! Machen wir es so, Herr Doktor Merten. Ich werde meinem Onkel sofort telegrafisch Nachricht geben. Er kann dann bereits seine Überlegungen anstellen, bevor ich selber in New York bin! Wir beide treffen am Sechzehnten in Frankfurt zusammen, Hotel ›Frankfurter Hof‹. – Danke, dass Sie die Zimmervorbestellung übernehmen. Bis zum Sechzehnten denn, zwanzig Uhr im ›Frankfurter Hof‹! Auf Wiederhören, Herr Doktor Merten!«
In bester Laune kehrt Peter Arnsperger zurück und lässt sich sein Frühstück schmecken in dem beruhigenden Gefühl, die Angelegenheit seines Onkels bestens eingeleitet zu haben, und in der Vorfreude auf einen schönen Nachmittag.
♥♥♥
Gegen halb zwölf klingelt es an der Wohnungstür bei Henny Cremer. Ein Postbote steht vor ihr.
»Ein Telegramm für Fräulein Anne Zandler. Können Sie es annehmen?«
Henny nimmt den Umschlag, und der Postbote eilt mit einem freundlichen Gruß die Treppe hinunter.
Sie überlegt, um was es sich handeln könnte, und beschließt, das Telegramm am besten in die Akademie zu bringen. Irgendwie hat sie ein ungutes Gefühl.
Eine halbe Stunde später tritt Henny Cremer durch das hohe Portal der Kunstakademie, jenes Gebäudes, an das sich auch für sie so manche Erinnerung knüpft.
»Tante Henny, was ist los? Haben wir im Lotto gewonnen, dass du uns hier überfällst?«, ruft Doris, die ihr mit Anne entgegengelaufen kommt.
»Für Anne ist ein Telegramm gekommen, und da ich ohnehin in die Stadt musste, dachte ich mir, dass ich es dir gleich bringe, Kind! Sicher meldet sich jemand zu Besuch an von deiner Familie!«
»Ein Telegramm? Für mich? Ist es von Mama?« Sie entfaltet das Blatt und liest die wenigen Worte laut vor:
»Mama lebensgefährlich verunglückt ... stopp ... komme sofort ... stopp ... Marga.«
Beide Hände schlägt Anne vors Gesicht und schluchzt bitterlich.
♥♥♥
Unbeweglich steht Anne neben dem weißen Bett und sieht durch einen Tränenschleier auf das blasse Antlitz der geliebten Mutter.
»Werde wieder gesund, Mama«, betet sie leise in heißer Inbrunst, »und wenn es lange dauern wird und du noch so viel Pflege brauchst. Ich will alles tun und dir helfen! Nur bleibe bei mir! Bleibe bei mir!«
Behutsam bedeutet ihr die Schwester, das Zimmer zu verlassen, und Anne gehorcht ohne Widerspruch.
Als man später bei einer Tasse Kaffee in einem eleganten Restaurant sitzt, kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Schwestern.
»Wie konntest du eigentlich so schnell in Hannover sein, Anne?«, fragt die Baronin und schüttelt verwundert den Kopf. »Wir haben dich frühestens am Abend erwartet!«
»Ich bin geflogen, Marga! Zum Glück habe ich noch einen Platz bekommen.«
»Du bist geflogen! Ja, sag einmal, so sinnlos wirfst du mit dem Geld herum?«, empört Marga sich und blickt fassungslos von Anne zu ihrem Gatten.
»Marga! Auf das Telegramm hin musste ich doch mit allem rechnen«, rechtfertigt Anne sich. »Lebensgefährlich verunglückt, so habt ihr depeschiert. Ich hatte solche Angst, dass ich zu spät kommen könnte, und Mama ...«
»Wenn sie inzwischen gestorben wäre, hättest du auch nichts daran ändern können! Hattest du denn überhaupt so viel Geld? Oder hast du dir das Geld etwa für die Flugreise geborgt?«
»Doris und Tante Henny haben für mich die Flugkarte bezahlt und sie mir geschenkt! Sie haben kein Geld von mir angenommen.«
»Achim, hörst du? Das wird ja immer schöner! Die Schwester der Baronin Bernau lässt sich eine Flugkarte schenken!«
»Wir wollen es Annes Aufregung zugutehalten, liebe Marga! Sie hat im besten Glauben gehandelt und sich nichts dabei gedacht. Selbstverständlich werden wir das Geld zurückschicken, aber nun wollen wir nicht mehr darüber sprechen!«, gibt der Baron ruhig zurück, um das Thema zu beenden.
Anne ist ihrem Schwager dankbar.
♥♥♥
Aus einer Hochgarage mitten in der City von New York rollt ein riesiger weißer Wagen mit blitzendem Chrom und ordnet sich in den Verkehr ein. Es ist die Stunde des Büroschlusses, und es sind zahlreiche Fahrzeuge auf den Straßen und hastende Menschen auf den Gehsteigen unterwegs.
Der weiße Traumwagen hat eines der imponierenden Hochhäuser verlassen, das mit seinen vielen Stockwerken in den Himmel zu streben scheint und an dessen Vorderfront in riesigen Lettern »Jones & Thomsen« geschrieben steht. Es ist das Geschäftshaus der bekannten Firma, die seit Jahrzehnten führend ist in der Autoindustrie.
Das alteingesessene Unternehmen war vor Jahren nur unter dem Namen »Jones« allein bekannt. Erst als die Tochter des letzten Alleinbesitzers ihrem Vater den deutschen Ingenieur Frank Thomsen als Schwiegersohn brachte, wurde der zweite Name aufgenommen. Dadurch bekundete der alte Jones, dass er seinen Schwiegersohn als gleichberechtigten Kompagnon neben den eigenen Sohn Allan gestellt hat.
Glückliche Menschen, denen es vergönnt ist, sorgenfrei im Reichtum zu leben und sich jeden Wunsch zu erfüllen, so könnte man meinen. Und doch ist es nicht so. Das Schicksal erteilte auch Frank Thomsen seine Schläge in den letzten Jahren, gegen die es kein Wehren gab.
Alles nahm es dem Mann, was sein Glück ausgemacht und wofür er den letzten Dollar gegeben hätte. Hilflos musste der schwerreiche Mann ein Leid nach dem anderen hinnehmen.
Bei der Geburt ihres zweiten Kindes schloss Frau Betty für immer die Augen, und das sehnlich erwartete Mädchen kam tot zur Welt. Die berühmtesten Fachärzte rief Frank Thomsen in seiner Angst zusammen, und keiner konnte das verlöschende Lebensflämmchen der lebenslustigen jungen Frau erhalten.
Mehr als zwei Jahre ist das schon her, und von Stund an galt Frank Thomsens Liebe nur noch seinem damals vierjährigen blonden Söhnchen Billy.
Ein Jahr ging alles gut, dann schlug das Schicksal abermals mit grausamer Hand zu. Mit einer leichten Erkältung fing es an, und dann hörte der entsetzte Vater zum ersten Mal das grausame Wort »Kinderlähmung« von den Ärzten.
Wochenlang bangte er um das Leben seines kleinen Sohnes, bis endlich die erste Besserung und Erleichterung für das ungeduldige Kind eintrat. Alles, was möglich war, wurde für seinen Liebling getan, und heute ist Billy ein schwächliches Kind, das noch immer nicht stehen kann auf den dünnen Beinchen und im Rollstuhl durch die Räume der Villa und durch den Park gefahren werden muss.
Eine junge Ärztin und eine Pflegerin sind ständig bei ihm, und man hat endlich die Hoffnung, dass Billy wieder selber wird laufen können. Aber bis dahin werden noch Monate vergehen.
»Was meinen Sie, Tom? Könnten wir jetzt nicht etwas schneller fahren?«, wendet Frank Thomsen sich in ruhiger Freundlichkeit an seinen Fahrer, als die belebten Straßenzüge hinter ihnen liegen.
Er ist immer sehr nett und freundlich und darum so beliebt bei seinen Leuten.
»Ich erwarte heute Professor Rooks!«
»Gewiss, Mr. Thomsen! Wenn Sie es wünschen, sind wir in einer halben Stunde zu Hause.«
Weit draußen vor der großen Stadt liegen unweit voneinander zwei wunderschöne Landhäuser im Grünen.
Vater Jones ließ vor zehn Jahren diese beiden herrlichen Landsitze für seine Kinder Allan und Betty anlegen, weil seine eigene ländliche Villa ihm zu klein erschien für zwei junge Familien und seine Enkelkinder nicht in Stadtwohnungen aufwachsen sollten.
Vor mehr als vier Jahren ist der gütige alte Herr gestorben.