Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 623 - Katja von Seeberg - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 623 E-Book

Katja von Seeberg

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Beschreibung

Angela von Hechen ist an für sich ein hübsches Mädchen, aber leider mit einem schlimmen Makel behaftet: Seit einem Reitunfall und einer missglückten Operation hinkt sie stark. Von ihrer eigenen Familie wird sie deshalb wie eine Ausgestoßene behandelt und als "Hinkebein" verspottet. Oft vergießt Angela bittere Tränen über ihr schweres Los.
Da bittet sie eines Tages eine nette Dame mit schneeweißem Haar, als Haustochter bei ihr zu arbeiten. Leonore von Preetz hat den Springer-Hof in dem kleinen Ort gekauft, um den sich schaurige Gerüchte ranken. Angela nimmt das Angebot dankbar an. Und damit ist die erste Weiche für eine entscheidende Wende in ihrem bisher so trostlosen Leben gestellt ...


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Inhalt

Cover

Unser Tor zum Glück

Vorschau

Impressum

Unser Tor zum Glück

Sie wollten nicht ohne Liebe leben

Angela von Hechen ist an für sich ein hübsches Mädchen, aber leider mit einem schlimmen Makel behaftet: Seit einem Reitunfall und einer missglückten Operation hinkt sie stark. Von ihrer eigenen Familie wird sie deshalb wie eine Ausgestoßene behandelt und als »Hinkebein« verspottet. Oft vergießt Angela bittere Tränen über ihr schweres Los.

Da bittet sie eines Tages eine nette Dame mit schneeweißem Haar, als Haustochter bei ihr zu arbeiten. Leonore von Preetz hat den Springer-Hof in dem kleinen Ort gekauft, um den sich schaurige Gerüchte ranken. Angela nimmt das Angebot dankbar an. Und damit ist die erste Weiche für eine entscheidende Wende in ihrem bisher so trostlosen Leben gestellt ...

»Wie schön, liebe Leonore, dich einmal wiederzusehen!«

Mit diesen Worten hieß Adda Gräfin von Riefenbach ihre Jugendfreundin in ihrer Braunschweiger Villa willkommen.

Die Besucherin, die soeben einem Taxi entstiegen war, lächelte erfreut. Sie hatte wirklich das Gefühl, hier ein gern gesehener Gast zu sein.

»Auch ich habe den Tag der Ankunft bei euch kaum erwarten können«, sagte sie. »Wenn man über die fünfzig hinaus ist, schmilzt die Zahl der Freunde zusammen. Diejenigen, die übrig bleiben, sind dann desto wertvoller.«

Herzlich umarmten sich die Freundinnen in der elegant ausgestatteten Diele des Hauses.

Das knicksende Hausmädchen im schwarzen Kleid und mit weißem Schürzchen hatte inzwischen den Koffer des Gastes ins Haus getragen und den Taxifahrer mit einem Geldschein bezahlt, den Leonore von Preetz ihr gegeben hatte.

Nun erschien im Hintergrund Guido Graf von Riefenbach auf der Schwelle seines Arbeitszimmers.

»Wirklich, ein seltener Besuch!«, rief er aus. »Meine liebe Frau von Preetz, Sie haben sich die richtige Jahreszeit ausgesucht.«

»Wie meinen Sie das?« Die Dame mit der sehr gepflegten weißhaarigen Frisur und den immer noch jungen blauen Augen schaute ihn lächelnd an.

»So, wie ich's sage. Noch sind die Nächte lang, und es wird früh dunkel. Noch hat man Muße, sich einem guten Gespräch zu widmen. Wenn erst der Frühling eingezogen ist, treibt es einen doch mit Macht hinaus.«

»Aus Ihnen spricht der Landbewohner, der wohl niemals richtig in der Stadt heimisch werden wird«, stellte Frau von Preetz freundlich fest. »Adda, was hast du deinem Mann angetan, als du ihn hierher verpflanztest!«

In der Tat hatten die Riefenbachs ihr bisheriges Leben auf ihrem Gut verbracht, das jetzt der einzige Sohn des sympathischen Paares übernommen hatte.

»Da sind wir schon mitten im Gespräch«, erwiderte die Gräfin, »denn nun muss ich mich ja wohl verteidigen.«

Das Mädchen hatte dem Gast aus dem naturfarbenen Persianermantel geholfen, den Frau von Preetz offen hängend trug. Darunter sah ein schlichtes Lodenkostüm hervor, das nichtsdestoweniger im Stoff hervorragend war und einen ausgezeichneten Schneider verriet. Der warme Braunton stand ihr sehr gut.

Sportliche feste Schuhe hatte Leonore von Preetz an den Füßen. Unter dem Kostüm trug sie eine hochgeschlossene Bluse. Mit ihrem ganzen Äußeren zeigte sie ihren Lebensstil: schlicht und natürlich.

Die Gräfin war von ganz anderer Art.

Zu ihrem hübschen grauen Wollkleid trug sie eine schimmernde Perlenkette, und ihr Gesicht wies ein dezentes Make-up auf.

Als die drei Menschen jetzt an dem zierlich gedeckten Teetisch Platz nahmen, spann die Gräfin gleich den Faden des Gespräches weiter.

»Glaubst du, dass es gut gegangen wäre, Leonore, wenn auf Gut Riefenbach zwei Herren nebeneinander regiert hätten? Du wirst doch wohl nicht annehmen, dass Guido es fertiggebracht hätte, auf jeden Einspruch zu verzichten und Reiner schalten und walten zu lassen, wie er es wollte?«

»Nein, allerdings, das halte ich bei deinem Mann für unmöglich. Er ist zu impulsiv«, gab Frau von Preetz zurück.

»Siehst du, es wäre sehr bald zu Spannungen gekommen, und deswegen war es besser, das Feld zu räumen. Da wir diese Stadtwohnung in Braunschweig besaßen, lag ja nichts näher, als hierherzuziehen.«

»Adda kommt auf diese Weise endlich zu ihren geliebten Theaterbesuchen«, warf der Graf schmunzelnd ein.

Er war ein Mann, der so leicht nichts übel nahm. Und vor allem liebte er seine Frau nach nunmehr fast dreißigjähriger Ehe wie am ersten Tage.

»Wäre es nicht besser gewesen, ihr hättet ein Haus auf dem Lande erstanden? Es gibt so viele schöne Villen mit großen Gärten. Dein Mann hätte seinen Morgenspaziergang im Wald machen können und brauchte nicht auf seinen Jagdhund zu verzichten.«

»Gewiss, aber welch einen Umstand hätte dann jeder Stadtbesuch gemacht? Man hätte noch einen Chauffeur anstellen müssen, oder Guido hätte seinen Führerschein machen müssen. So gehe ich nur über die Straße und bin in der Oper.«

Die Gräfin schaute mit glänzenden Augen aus dem Fenster auf den Theaterwall hinaus, auf dem alte Bäume standen. Die Kuppel des Theaters war deutlich sichtbar.

»Sie ist glücklich«, sagte Graf Guido lächelnd, »und das habe ich immer gewollt.«

Diese Worte zeigten, in welchem Verhältnis die beiden Gatten zueinander standen. Gräfin Adda war das große Kind geblieben, das von Graf Guido verwöhnt wurde. Ihre Freude und ihre strahlenden Augen waren für ihn Lohn genug. Was wollte es da besagen, dass er selber auf lieb gewordene Gewohnheiten verzichten musste?

»Ich sehe ein, dass es so das Richtige war«, gab nun auch Leonore von Preetz zu. »Wenn ihr jetzt als Gäste nach Riefenbach kommt, seid ihr sicher herzlich willkommen.«

»Ja, sehr!«, rief Gräfin Adda aus. »Doppelt und dreifach sogar, seit ein Enkelkindchen unterwegs ist.«

»Man kann dir also zur baldigen Großmutterwürde gratulieren, Adda?«

»Ja, Leonore.« Rührung und Stolz schwangen in der Antwort mit.

Köstlich duftete der Tee, und der englische Kuchen mundete herrlich. Wenig später rauchte Graf Guido mit Erlaubnis der Damen seine schwere schwarze Brasil. Die Damen plauderten. Die Gemütlichkeit war vollkommen.

»Mit dem Besuch bei euch verbinde ich auch noch eine geheime Absicht«, ließ Frau von Preetz schließlich verlauten.

»Hört, hört! Nun aber heraus damit!«

»Ich möchte ein ländliches Anwesen kaufen. Das Gegenteil von dem möchte ich tun, was ihr gerade getan habt. Ihr werdet euer Alter in der Stadt verbringen. Ich wünsche mir ländliche Stille und Einfachheit.«

»Das verstehe ich gut«, erwiderte Gräfin Adda. »Da nun deine alte Mutter gestorben ist, liebe Leonore, hält dich nichts mehr in der Stadt. Nur ihretwegen bist du ja geblieben, um den Ärzten, die sie brauchte, nahe zu sein.«

»So war es.«

»Ich weiß, dass es dich immer wieder aufs Land gezogen hat.«

»Ja, und seit ich euch besucht und Riefenbach kennengelernt habe, habe ich mich in die Landschaft des Harzes verliebt.«

»Schau an, es war also nicht nur eine flüchtige Neigung?«

»Nein. In den Harzbergen möchte ich alt werden. Und da dachte ich, da meinte ich ...«

Leonore von Preetz geriet ins Stottern und brach hilflos ab.

»Du meintest, wir könnten dir zu einem geeigneten Objekt verhelfen oder dir ein zum Verkauf stehendes nennen, nicht wahr?«, vollendete die Gräfin den Satz.

»Ja, das hoffe ich.« Ihre Freundin war sichtlich erleichtert, dass sie sogleich verstanden worden war.

Doch Graf und Gräfin Riefenbach schüttelten beide bedauernd den Kopf.

»Leider können wir Ihnen nicht helfen, gnädige Frau«, sagte der Graf. »Seit zwei Jahren leben wir jetzt in der Stadt und haben ganz den Kontakt zu den alten Bekannten verloren. Unsere Verbindung mit der Heimat beschränkt sich auf die Besuche bei unserem Sohn.«

»Aber ich weiß einen Rat!«, rief die Gräfin lebhaft aus. »Du solltest deinen Aufenthalt bei uns, liebe Leonore, dazu nutzen, einmal den Makler Meißner aufzusuchen.«

»Von den Leuten seines Metiers halte ich nicht viel«, äußerte sich Leonore ablehnend.

»Er hat einen sehr guten Ruf, ist seriös und zuverlässig. Vielleicht hat er ein Grundstück mit Haus in St. Andreasberg oder Silberhütte an der Hand.«

»Ich kann ihn ja einmal aufsuchen«, stimmte der Gast zögernd zu.

Damit waren die Weichen gestellt für den Lauf des Schicksals, das noch sehr eigenartige Wendungen nehmen sollte.

♥♥♥

Wie kam es, dass der elegante Makler Meißner in Braunschweig sich ausgerechnet mit einem bäuerlichen Anwesen in einem so weltabgeschiedenen Dörfchen befasste? Für seinen Kundenkreis kam dergleichen doch eigentlich nicht infrage.

Viel geschah in Altenhausen seit dem Tage, da der Bürgermeister den Auftrag erhalten hatte, den Springer-Hof zu verkaufen.

Am sechzehnten März musste seine Frau ihn mehrfach zu Tisch rufen. Er hatte ihre Stimme nicht gehört.

»Bist du denn taub geworden, Heinrich?« Mit diesen Worten trat sie schließlich über die Schwelle zum Arbeitszimmer ihres Mannes.

»Nein, meine Liebe, ich bin sehr beschäftigt«, lautete seine Antwort, und er beugte sich dabei tief über die Schreibtischplatte.

Lächelnd trat die trotz ihrer fünfzig Jahre noch gut aussehende Frau näher.

»Was beschäftigt dich so sehr?«

Sie beugte sich über ihn und las, an seine Schulter gelehnt, was er schrieb:

Öffentliche Versteigerung!

Am 20. März wird das Anwesen der Familie Springer mit allem Inventar, Vieh und Maschinen von Auktionator Mathissen öffentlich meistbietend versteigert. Interessenten werden gebeten, sich im Wohnhaus einzufinden.

»Aha!«, machte die Bürgermeisterin und nickte. Sie schien genau Bescheid zu wissen. »Hat August Springer jetzt geschrieben?«

»Ja, das hat er«, bestätigte ihr Mann und legte den Stift nach dem letzten schwungvollen Schnörkel beiseite. »Das heißt, sein Rechtsanwalt hat geschrieben, ein Mr. McIrvin aus Boston.«

Was aus August Springer, diesem ehemaligen Gemeindemitglied, geworden war, interessierte die Bürgermeisterin natürlich sehr.

»Was macht er denn in Amerika?«, wollte sie wissen.

Der Bürgermeister zuckte die Schultern.

»Dieser Mr. McIrvin schreibt nur, dass er im Auftrage seines Mandanten, des Kaufmanns August Springer, die Sache bearbeitet.«

»Kaufmann ist er also geworden. Und jetzt wird er auch noch einen schönen Batzen Geld kriegen, wenn der alte Familienbesitz verkauft wird.«

Leiser Neid klang aus ihren Worten.

»Glaubst du denn, dass sich ein Käufer finden wird? Hier in der Gegend wissen doch alle, was es mit dem Haus auf sich hat.«

Bürgermeister Heinrich Terlade blinzelte seiner Frau über die Schulter zu und fasste den Bogen mit der noch feuchten Schrift an einer Ecke, um ihn hinauszutragen.

Seine Frau verschwand besänftigt. Sie sah ein, dass die dienstlichen Obliegenheiten vorgingen.

Ihre Gedanken beschäftigten sich noch mit dieser Angelegenheit, als sie die Suppe in die Teller füllte.

Was war denn nun übrig geblieben von der Springer-Familie, die zu den ältesten des Dorfes gehört hatte? Gar nichts. Ein leeres Haus, das unter den Hammer kam.

Lag es daran, dass Anton Springer und seine Frau so früh gestorben waren? Sie waren in den Vierzigern gewesen, als sie mit dem Auto verunglückt waren. Plötzlich hatten drei Kinder keine Eltern mehr gehabt.

Anton, der älteste Sohn, hatte den Gutshof geerbt. Die anderen Kinder mussten ausgezahlt werden. Ein halbes Jahr nach dem Tode der Eltern hatte Anton geheiratet. Aber die Ehe war von Anfang an unglücklich gewesen, weil der junge Ehemann zu viel getrunken hatte.

Antons Schwester Elisabeth war aus dem Hause gegangen. Sie hatte nach Braunschweig geheiratet, denn sie hatte ja schließlich eine große Mitgift aufzuweisen, weil sie ausgezahlt worden war. Von Elisabeth Springer sah und hörte man nie wieder etwas. Es hieß, sie hätte einen Jungen bekommen und ihr Mann hätte sie verlassen.

Vergeblich hatte Bürgermeister Terlade jetzt nach Elisabeth und ihrem Kind geforscht. Keine Spur von ihnen war zu entdecken gewesen.

Und August, der jüngste Springer-Sohn, war nach Amerika gegangen, als der Bruder geheiratet hatte.

Anton Springers Ehe wurde mit einem einzigen Nachkommen gesegnet, dem Sohn Mathias.

Ein hübscher Junge war Mathias Springer gewesen, schlank und groß, blond und blauäugig. Die Mädchen im Dorf hatten ihn gern gemocht. Neunzehn Jahre war er alt geworden, und jetzt war er tot. Auf dem Friedhof von Altenhausen hatte er sein Grab neben Vater und Mutter.

Die Bürgermeisterin seufzte, während sie den leeren Suppentopf ins Spülbecken stellte.

Zu jung war Mathias Springer gestorben. Zu wenig hatte er von seinem Leben gehabt. Darum konnte er auch keine Ruhe finden in seinem Grabe. Wenigstens glaubten die abergläubischen Dorfbewohner das. In jüngster Zeit wollten ein paar Leute von Altenhausen den Toten gesehen haben. Auf dem Felsen, an den sich das Springer-Haus lehnte, hätte er gestanden und so bleich und unheimlich ausgesehen, behaupteten sie.

Sie behaupteten, dass niemand dieses alte Haus kaufen würde – wenigstens niemand aus der Gegend.

Währenddessen stand der Bürgermeister vor dem rechteckigen hölzernen Kasten, der auf zwei kräftigen Pfählen vor dem Gartenzaun angebracht war. Der Kasten hatte vorn eine Glasscheibe, sodass man die ausgehängten Mitteilungen bequem lesen konnte, und wurde mit einem Vorhängeschloss gesichert, zu dem der Bürgermeister den Schlüssel besaß.

Es ging ein ganz hübscher Wind an diesem Märztage. Der Schnee bedeckte die Dorfstraße und war an beiden Seiten zu kniehohen Wellen zusammengefegt. Dem Bürgermeister wurden die Finger steif, während er an dem Schloss herumfingerte und den flatternden Bogen festzuhalten suchte.

»Komm, Heinrich, ich werde dir das Papier halten!«, sagte Gustav Pohl und trat an des Bürgermeisters Seite. Er kam gerade aus dem Wirtshaus, wo er einen heißen Disput mit dem Viehhändler Kronsberg gehabt hatte.

Auch der dicke Viehhändler schlenderte heran, und von der anderen Seite kam Klaus Seesebach, der am Ausgang des Dorfes einen großen Hof besaß.

Sie alle lasen den Aushang.

»Das Springer-Haus kauft doch keiner!«, rief Gustav Pohl. »Das ist vergebliche Liebesmüh. Der Auktionator kann gleich wieder abziehen.«

»Langsam, langsam!«, meinte Klaus Seesebach in seiner bedächtigen Weise. »Ich glaube ja auch, dass die Gebäude keiner haben will. Da soll es spuken des Nachts, hat man mir erzählt. Aber die Felder und Wiesen sind in Ordnung. Ich werde es mir noch überlegen, ob ich nicht ein paar Morgen kaufe.«

»Und die Maschinen sind auch nicht die schlechtesten«, meinte Gustav Pohl.

»Wenn man die Milchkühe und die Sauen billig kriegen könnte«, überlegte der Viehhändler, »dann wäre noch ein Geschäft damit zu machen.«

»Und was wird aus dem Wohnhaus?«, rief der Bürgermeister.

»Man müsste Leute von auswärts heranholen, die nichts wissen!«, schlug der Viehhändler vor.

»Glaubst du nicht, dass sie sich vorher erkundigen?«

Der Bürgermeister schüttelte den Kopf.

»Wir wollen auch keine Fremden hier haben!«, trumpfte Gustav Pohl auf. »Die Leute von Altenhausen sind seit hundert Jahren unter sich. Ein Zugezogener stört nur.«

»Ich muss gehen, Leute!«, brummte der Bürgermeister. »Meine Frau hat schon zum Mittagessen gerufen!«

»Ja, geh nur, Heinrich.« Die anderen nickten ihm zu. »Am besten besprichst du die Sache vorher mit dem Auktionator, damit es keinen Reinfall gibt.«

Der Bürgermeister kehrte ins Haus zurück, und die anderen setzten ihren Weg fort. Jeder trug die Nachricht vom Verkauf des stattlichen Springerschen Anwesens weiter. Abends wusste es schon das ganze Dorf.

Nicht sehr groß war Altenhausen. Der Ort zählte sechshundert Seelen. Die Kirche war eigentlich nur eine Kapelle. Die Schule hatte nur einen einzigen Klassenraum. Der nächste Arzt wohnte in St. Andreasberg. Das Dorf schmiegte sich direkt an den Fuß des Siebenberges im schönsten Teil des Harzes zwischen Bad Harzburg und Silberhütte.

Besonders romantisch lag das Springer-Haus. Es war direkt an eine Steinwand gebaut, die in zwanzig bis dreißig Meter Höhe vorwärts schwang wie eine Klippe. Wer auf dieser Felsnase stand, kam sich vor wie auf einer Kanzel. Von hier war der neunzehnjährige Mathias hinuntergestürzt, als er in jugendlichem Übermut hinaufgeklettert war beim Mondschein.

Jetzt hatte man ihn stehen sehen beim Mondschein, und dabei war er doch seit zwei Jahren tot.

Sein Vater und seine Mutter waren ihrem einzigen Sohn bald gefolgt. Die Mutter war an Herzeleid gestorben, der Vater hatte sich zu Tode getrunken. Und jetzt war nichts mehr da als ein verlassener Gutshof und ein alter Knecht.

Wer wollte das Haus haben und zu neuer Blüte bringen? Voller Spannung wartete Altenhausen auf die Fortsetzung der Geschichte ...

Bürgermeister Heinrich Terlade, der sich mit der leidigen Verkaufsangelegenheit befassen musste, wusste nur zu gut, dass die Einwände, die die drei Männer geäußert hatten, berechtigt waren.

Er telefonierte am Abend noch einmal mit dem Auktionator Mathissen in Bad Harzburg.

»Ja, ja«, meinte dieser, »ich kann ja eine Anzeige in die Zeitung einrücken lassen. Aber ich glaube, dass das wenig nützen wird. Hier kauft sich niemand ein verlassenes Gut. Das tun die reichen Leute aus den Großstädten, die einen Hang für das Landleben haben und bereit sind, dafür viel Geld auszugeben. Aber die wiederum legen keinen Wert auf die Ländereien, die Maschinen und das Vieh, die wollen nur die Gebäude mit ein bisschen Wiese rundherum für einen großen Garten.«

»Also läuft es doch auf eine Teilung des Ganzen hinaus!«

»Vielleicht sollte man sich nicht dagegen sträuben!«, meinte der erfahrene Auktionator bedächtig. »Schließlich kommt es dem Erben in Amerika nur darauf an, dass er zu seinem Geld kommt.«

Der Bürgermeister legte wenig befriedigt den Telefonhörer auf.

»Es wird doch Fremde im Dorf geben!«, teilte er seiner Ehehälfte brummend mit. »Irgendein Reicher lässt sich bestimmt auf dem Springerschen Anwesen nieder.«