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Die Welt des Commissaire Le Floch E-Book

Jean-François Parot

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Beschreibung

"Ein neuer Maigret wurde geboren: Commissaire Nicolas Le Floch" ( Le Figaro)

Die erfolgreichste und anspruchsvollste Serie historischer Krimis aus Frankreich erscheint endlich in Deutschland - dieses E-Book berichtet über die Hintergründe der Serie: Es gewährt Einblick in die Arbeitsweise des Autors und enthält zwei Interviews mit ihm. Darüber hinaus gewährt es Einblick in die Alltagskultur des 18. Jahrhunderts, wie sie Parot in seiner Romanserie immer wieder darstellt: Hintergründe zum Straßenleben, zur Hygiene, zur Sexualmoral der Zeit, zur Kochkunst und zur Entwicklung der Gastronomie. Ungewöhnliche Bilder aus jener Zeit runden dieses Buch zu einer Romanserie ab, die nicht nur in Frankreich, sondern auch in zahlreichen anderen Ländern für Furore sorgte.

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Seitenzahl: 136

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Das Buch

Dieses Buch gibt Einblick in die Arbeitsweise des Autors und enthält zwei Interviews mit ihm. Darüber hinaus liefert es Informationen über die Alltagskultur des 18. Jahrhunderts, wie sie Parot in seiner Romanserie immer wieder darstellt: Hintergründe zum Straßenleben, zur Hygiene, zur Sexualmoral der Zeit, zur Kochkunst und zur Entwicklung der Gastronomie. Ungewöhnliche Bilder aus jener Zeit runden dieses Buch zu einer Romanserie ab, die nicht nur in Frankreich, sondern auch in zahlreichen anderen Ländern für Furore sorgte.

Der Autor

Jean-François Parot, 1946 geboren, wuchs in einem cineastischen Umfeld auf, studierte an der Sorbonne in Paris Geschichte und Ethnologie, absolvierte eine Ausbildung als Ägyptologe und spezialisierte sich auf das 18. Jahrhundert. 1969 verfasste er eine Arbeit über die Strukturen dreier typischer Pariser Stadtviertel der Aufklärungsepoche. Nach dem Militärdienst schlug er die diplomatische Laufbahn ein, war Vize-Konsul in Sofia, Athen, Tunis und französischer Botschafter in Guinée-Bissau. Er lebt heute in Guérande, Bretagne.

Jean-François Parot

Die Welt des Commissaire Le Floch

Leben und Sterben im Paris des 18. Jahrhunderts

BLESSING

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Umschlaggestaltung: Bauer+Möhring, Berlin, unter Verwendung einer Abbildung von akg-images, Paris, Saint Germain-des-Prés, Plan de Turgot 1739 Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH Neumarkter Str. 28, 81673 München Satz: Leingärtner, Nabburg

Inhalt

Vorbemerkung

I

Vom Diplomaten zum Autor: Jean-François Parot

II

Die Pariser Polizei im 18. Jahrhundert

III

Paris, eine schmutzige und gefährliche Hauptstadt

IV

Das Alltagsleben der Pariser

V

Die sanitären Verhältnisse

VI

Ein neuer Umgang mit dem Körper

VII

Die Freuden der Tafel: Parot, der Feinschmecker, in seinem Element

VIII

Spiele

IX

Zwei Interviews mit Jean-François Parot

X

Die historischen Ereignisse und die Ereignisse der Romanreihe

XI

Die Fernsehserie »Nicolas Le Floch«

Bildnachweise

Leseprobe Band I

Commissaire Le Floch und das Geheimnis der Weißmäntel

Vorbemerkung

Mit einem frankophilen Autor, der im Blessing Verlag eine große Künstlerbiografie geschrieben hatte, unterhielt ich mich eines Tages über die Kriminalromane von Fred Vargas, die wir beide sehr schätzen. »Ja, deren Romane werden hier in Deutschland munter verlegt«, sagte mir Ulrich Drüner, der zugleich Musikantiquar ist, »aber warum veröffentlicht eigentlich niemand die von Parot? Die sind auf ihre Art mindestens genauso gut.«

»Parot?«, fragte ich und musste, verlegen hüstelnd, zugeben, dass mir der Name nur vage bekannt war.

»Ja, Jean-François Parot. Jedes Mal, wenn ein neuer Roman seiner Reihe um Nicolas Le Floch erscheint, nimmt meine ganze Familie sich eine Auszeit und liest. Meine Frau, meine Tochter, mein Sohn und ich sowieso. Wir sind sozusagen süchtig.«

Als ich wenige Tage später die beiden ersten Romane von Jean-François Parot in den Händen hielt und zu lesen begann, entstanden in meinem Kopf Bilder von einer aufregenden Zeit, in der unbändige Lebenslust und soziale Vorurteile, Höflichkeit, formvollendetes Auftreten und Verrohung, Frömmigkeit und Durchtriebenheit, Tugendhaftigkeit und Korruption, taktvolle Diskretion und Klatschsucht hart aufeinanderstießen, oft in ein und derselben Person. Ich hatte sehr schnell das Gefühl, dass es sich hier um eines dieser Bücher handelte, die man gar nicht gesucht hat, die in der Lektüre aber einen solch starken Eindruck hinterlassen, dass alle kommerziellen Bedenken hinweggespült werden.

Jean-François Parot, das fällt sofort auf, schreibt über das Paris des 18. Jahrhunderts, als habe er diese Zeit selbst miterlebt. Man geht mit ihm durch die Gassen, speist mit ihm die damaligen Gerichte, hört gelehrten Unterhaltungen ebenso fasziniert zu wie dem Kauderwelsch der halb kriminellen Unterwelt, und gemeinsam mit dem Hauptprotagonisten, dem unerfahrenen Nicolas Le Floch, begegnet man Romanfiguren, die glaubwürdig und interessant sind, egal ob sie oberster Polizeichef, tugendhafte Gläubige, verruchte Bordellbesitzerin, Kriegsveteran, Schauspielerin, Kammerdiener am Hofe oder bestechlicher Polizist sind.

Taucht man tiefer in diese Romanserie ein, etwa in den zweiten und dritten Roman, so merkt man, dass sich das Ganze auch als ein klassischer Bildungsroman betrachten lässt: Nicolas Le Floch macht eine Entwicklung durch. Er läuft sich, wie es Hegel über die Helden der Bildungsromane in einer berühmten Wendung formuliert hat, die Hörner ab und wandelt sich Stück für Stück. Zugleich erscheint er oft genug auch als ein Spielball vermeintlich höherer Interessen: Er ist, das zeugt vom Realismus dieser Romane, keineswegs immer Herr seines Geschicks, trotz vieler Talente, trotz rascher Auffassungsgabe, großen Mutes und ausreichender Entschlussfreudigkeit. Und ohne seinen treuen Helfer, den Inspektor Pierre Bourdeau, hätte er nicht einmal die Anschläge auf sein Leben in Band I, Commissaire Le Floch und das Geheimnis derWeißmäntel, überlebt.

Gleichwohl bleibt bei Romanen über ferne Zeiten und Orte immer ein Restzweifel, ob auch wirklich alles stimmt oder, besser gesagt, stimmen könnte, also plausibel wirkt. Die deutschen Leser von historischen Romanen achten mehr auf die Stimmigkeit von Details als die französischen Leser. Und was französische Romanautoren mitunter ihren deutschen Kollegen und Kolleginnen an Fantasie in der Kühnheit des Entwurfs, an Scharfsinn bei den Dialogen voraushaben, das mangelt ihnen manchmal an gewissenhafter Detailrecherche. Wir begannen also, neben der Lektüre des Romans auch über den Autor zu recherchieren, und fanden schnell heraus, dass seine Werke in Frankreich eine ungeheure Verbreitung haben. Sie werden vom Taxifahrer ebenso gelesen wie vom Hochschullehrer, von der einfachen Kassiererin ebenso wie von anspruchsvollen Leserinnen, die sich mit konventionellen Krimis nicht zufriedengeben. Die Versicherung des französischen Verlages, dass man pro Band etwa 100 000 Exemplare verkaufe, schien glaubwürdig, denn inzwischen war die Edition Plon mit der Herausgabe des 13. Bandes beschäftigt.

Die Vita des Autors sprach, so fanden wir, auch für sich: Jean-François Parot, 1956 geboren, wuchs in einem cineastischen Umfeld auf, studierte ab 1968 an der Sorbonne in Paris Geschichte und Ethnologie, absolvierte eine Ausbildung als Ägyptologe und spezialisierte sich auf das 18. Jahrhundert. 1969 verfasste er eine Arbeit über die Strukturen dreier typischer Pariser Stadtviertel der Aufklärungsepoche. Nach dem Militärdienst, den er zum Teil im Senegal leistete, schlug er eher aus Zufall, wie er sagt, die diplomatische Laufbahn ein, war Vizekonsul unter anderem in Sofia, Athen und Tunis und seit 2006 französischer Botschafter in Guinea-Bissau. Auf die Idee, eine Serie über das Paris das 18. Jahrhunderts zu schreiben, kam er in den langen Winternächten in Sofia, angeregt von seinem Sohn, der seine Fantasie und sein unerschöpfliches Wissen über diese Zeit bewunderte. Heute lebt Jean-François Parot in der Bretagne, in Guérande, rein zufällig genau jener Ort, in dem auch seine Hauptfigur Nicolas Le Floch geboren wurde, aufwuchs und sich erstmals verliebte.

Sogar an den Universitäten beschäftigt man sich inzwischen mit dem Phänomen Parot. Pascale Arizmendi hat eine 400 Seiten lange Dissertation über die historischen Romane von Jean-François Parot geschrieben, die faszinierend zu lesen ist: »Nicolas Le Floch« – le Tableau de Paris, Perpignan 2010. Arizmendis Forschungen bestätigen eindrucksvoll die Solidität von Parots außergewöhnlichen Recherchen. Ob der Autor uns eine Schneiderwerkstatt schildert, uns in das berühmte Café Stohrer führt oder in die Polizeizentrale in der Rue Neuve-Saint-Augustin oder in die Kerker des Châtelet, immer stimmen die Details und Zuordnungen. Pascale Arizmendi erklärt Parots Erfolg unter anderem mit der ungewöhnlichen Vielfalt der Quellen, aus denen er schöpft: Polizei- und Gerichtsakten, authentische Memoiren, Stadtbeschreibungen (obenan natürlich Louis-Sébastien Merciers legendäres mehrbändiges Tableau de Paris, 1783–1789), Briefe und Erzählungen von Autoren wie Marivaux oder Marmontel, nicht publizierte Tagebücher, Stadtpläne, Bilder, Urkunden, Gefängnisverzeichnisse, Konzertberichte, Kunstwerke, aber auch wissenschaftliche Abhandlungen aus und über die Aufklärungsepoche. Entsprechend dicht und authentisch ist die Darstellung des Alltagslebens im Paris jener Zeit – egal ob es sich um die Kleidung, den Karneval, den Kirchgang oder das karnevaleske Treiben handelt.

Fast die Hälfte des Romanpersonals ist historisch verbürgt, so Le Flochs Dienstherr Monsieur Gabriel de Sartine, der Henker und Mediziner Charles-Henri Sanson, der Leibwächter de la Chaux, aber auch Prominente wie König Ludwig XV., Marie Antoinette, Madame Pompadour, Cagliostro, Turgot, Necker, Mercier, Katharina II., Franklin etc.

Abb. 1 Madame de Pompadour

Alle Romane zeichnen sich dadurch aus, dass sie sowohl Milieus der obersten Gesellschaftsklasse (Hof von Versailles, Richter und Adelige) als auch der untersten Gesellschaftsklassen (Bordelle, Glücksspielstätten, Abdeckereien, Theater, Wasserträger) ausleuchten. Die großen Konflikte und Krisen jener Zeit – Religionskonflikte (Jansenisten, Jesuiten), Aufbegehren des Dritten Standes, Missernten – spielen jeweils in die Handlung hinein. In den ersten Bänden lasten die Auswirkungen des Siebenjährigen Krieges (1756-1763), in dem Frankreich mit Österreich und Russland gegen Preußen und England/Kurhannover kämpfte, auf den Handlungen einiger Romanfiguren. In gewisser Weise leistet Parot so für das Paris des 18. Jahrhunderts das, was Balzac für das 19. Jahrhundert leistete. Mit jedem Band bringt er eine neue, bis dahin unterbelichtete Facette der Metropole hervor.

Auch die Bedenken, dass Romanstoffe, die französische Leser begeistern, deutsche Leser zuweilen gleichgültig lassen, Bedenken, die ja in diesem Fall umso näherlagen, als Jean-François Parot die französische Geschichte durchmisst, erhärteten sich nicht. England, Russland, Italien, Spanien, Japan, Korea und andere Länder veröffentlichten die Romane um Nicolas Le Floch, und alle Verlage führten die Reihe weit über die ersten Bände hinaus fort, ein untrügliches Zeichen, dass der Autor nicht nur den Nerv des französischen Publikums getroffen hat. Zudem gab es in allen Ländern auch großes Lob vonseiten der Literaturkritik.

Blieb die Frage der Übersetzung. Parot formuliert mit einer für Kriminalromane ungewöhnlichen Sorgfalt, ein Taugenichts spricht bei ihm anders als ein Gelehrter, ein Höfling anders als ein Kriegsveteran, eine Frömmlerin anders als eine Lebedame. In den Dialogen moduliert Parot ständig die Tonlage, ohne dass man es als Bruch empfindet. Man muss die Kultur des 18. Jahrhunderts kennen und schätzen, die großen Diskussionen der Aufklärung in Frankreich zumindest in Ansätzen kennen, um die feinen sprachlichen Nuancen und Anspielungen aus dem Original ins Deutsche zu übertragen. Mit Michael von Killisch-Horn fanden wir nach einigem Suchen einen Übersetzer, der diese anspruchsvollen Voraussetzungen erfüllt. Er erkannte sofort die Vorzüge und Besonderheiten dieses Werkes und stürzte sich mit großer Leidenschaft und Liebe zum Detail in diese Aufgabe. Erst nachdem wir diese Fragen geklärt hatten, machten wir dem französischen Verlag ein Angebot, das auch sofort akzeptiert wurde.

Als ich dem Musikantiquar und Autor Ulrich Drüner berichtete, dass seine Empfehlung dazu geführt hatte, dass wir diese Buchreihe im Blessing Verlag veröffentlichen, schrieb er zurück: »Ich freue mich wie ein Schneekönig«.

Edgar Bracht

Die Texte dieses E-Books sind größtenteils der Website von Jean-François Parot entnommen. Sie wurden von Michael von Killisch-Horn ins Deutsche übersetzt.

I

Vom Diplomaten zum Autor: Jean-François Parot

Obwohl er schon 1974 Diplomat wurde und dies über dreißig Jahre lang blieb, betont Jean-François Parot immer wieder, dass ihm diese Karriere nicht in die Wiege gelegt worden ist.

Geboren am 27. Juni 1946 in Paris, wuchs er zunächst in der Welt des Kinos auf; sein Großvater war am Schnitt von Abel Gances Film Napoléon beteiligt und seine Mutter unter anderem am Schnitt von Marcel Carnés Kindern des Olymp. Überdies war sein Großvater ein leidenschaftlicher Liebhaber der Hauptstadt und führte ihn schon als Kind in den Zauber der Stadt ein, indem er ihm erklärte, welche Gebäude früher wo standen und welche Bedeutung sie hatten.

Jean-François Parot studierte Geschichte und interessierte sich dabei besonders für das 18. Jahrhundert. Die Lektüre der Stadtbeschreibungen von Paris durch Louis-Sébastien Mercier, dem schonungslosen Beobachter des 18. Jahrhunderts, der in seinem Tableau de Paris (1781) die Hauptstadt in all ihren Details schildert, hat Jean-François Parot stark geprägt – so sehr, dass Roland Mousnier, sein Professor an der Sorbonne, ihm den Spitznamen »Monsieur Mercier« gab. Bei Roland Mousnier schrieb er eine Examensarbeit mit dem Titel Les Structures sociales des quartiers de Grève, Saint-Avoye et Saint-Antoine entre 1780 et 1785, in der er auf der Grundlage von Notariatsarchiven der Frage nachging, wie sich die Gesellschaft in diesen drei Pariser Vierteln herausbildete.

Parot studierte auch Ethnologie und wurde zum Spezialisten auf dem Gebiet der ägyptischen Mumifizierungstechniken. Er wohnte einigen Autopsien von Mumien bei, was ihm Kenntnisse auf diesem Gebiet vermittelte, die er später auch zum Teil auf die Nachforschungen eines Polizeikommissars übertragen konnte.

Nachdem er seinen Militärdienst als Entwicklungshelfer in Saint-Louis im Senegal absolviert hatte, wurde er vom Generalkonsul gedrängt, am Auswahlverfahren für den Auswärtigen Dienst teilzunehmen. Er wurde genommen und trat »fast aus Versehen«, wie er selbst sagt, in den diplomatischen Dienst ein. Zunächst Vizekonsul in Kinshasa von 1974 bis 1976, bekleidete er in der Folge Posten in Doha, Dschibuti, Ho-Chi-Minh-Stadt, Ouagadougou, Athen, Sofia und Tunis. 2006 wurde er französischer Botschafter in Guinea-Bissau. Heute genießt er seinen Ruhestand in der Bretagne.

Die Arbeit als Diplomat hat aber nie seine ausgeprägte Leidenschaft für Paris und das 18. Jahrhundert ausgelöscht. Gestützt auf sein profundes Wissen, begann Jean-François Parot 1994 in Sofia Kriminalromane zu schreiben.

Die Strenge der langen, kalten und schneereichen Winterabendein Sofia, wo er seit 1994 einen diplomatischen Posten bekleidete, machte ihm zu schaffen. Als sein Sohn ihm an einem solchen Abend riet, sein Talent als Geschichtenerzähler nicht mehr nur im familiären Kreis aufscheinen zu lassen, begann er mit seinem ersten Roman.

Die Figur des Nicolas Le Floch, die also »an einem eisigen Schneeabend« seiner Vorstellung entsprungen ist, arbeitet als Polizeikommissar in Paris. Dieser Beruf verschafft Le Floch Zugang zu allen Milieus der Hauptstadt, sodass der Autor, indem er die Abenteuer des Kommissars erzählt, zugleich die Alltagsgeschichten der Menschen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nachzeichnen kann.

Der Almanach royal, eine Art Verwaltungsjahrbuch, erlaubte ihm, den zeitlichen Rahmen jeder Handlung sehr genau abzustecken. Aus diesem Nachschlagewerk schöpfte er auch wichtige Detailinformationen über das Pariser Leben. So sucht Gabriel de Sartine, der Polizeipräfekt jener Jahre im Roman wie in der historischen Wirklichkeit, beispielsweise im Almanach von 1761 die Bestätigung dafür, dass der bayerische Gesandte van Eyck noch kein Graf, sondern einfacher Baron ist (Commissaire Nicolas Le Floch und der Brunnen der Toten, Band II der Reihe), während Inspektor Bourdeau denjenigen von 1774 erwähnt, in dem der Schnitzer begangen wurde, das Amt des königlichen Getreideverwalters zu erwähnen sowie den Namen des Amtsinhabers, ein gewisser Demirlavaud (L’Affaire Nicolas Le Floch).

Aus den Sammlungen »handgeschriebener Chroniken« (die Bauchaumont zugeschriebenen Mémoires secrets oder die Correspondance secrète, politique et littéraire von Metra), täglichen Chroniken der Stadt, schöpfte Parot Material für die Unterhaltungen seiner Romanpersonen.

Zahlreiche Memoiren des 18. Jahrhunderts vermittelten ihm den Geist jener Epoche der Aufklärung, als die Monarchie sich ihrem Ende zuneigte.

Jean-François Parot stützt sich auch auf Stiche und Gemälde des 18. Jahrhunderts, um Szenen des Pariser Lebens lebendig werden zu lassen, wie beispielsweise die Szenen, die sich Nicolas’ Blick auf dem Quai de l’Apport Paris bieten, wenn er das Châtelet verlässt.

Stets auf der Suche nach den treffenden Wörtern, die den Dialogen Würze geben, vertiefte sich der Autor mit Begeisterung in die Wörterbücher der Zeit, um der »Musik« des Jahrhunderts nachzulauschen. Dasjenige von Boiste (1. Auflage 1801), das den Zustand der Sprache am Ende des 18. Jahrhunderts spiegelt, ist wohl sein Lieblingswörterbuch.

Wie wichtig für Parot die sprachlichen Details sind, zeigt seine folgende Äußerung aus dem März 2009:

»Die Beschwörung der Vergangenheit verlangt, dass man ihre Musik wiederfindet, und diese ist die Sprache. Sie ist fein und elegant, paart sich aber in ein und derselben Person mit einer derben und direkten Sprechweise. Dieser erstaunlichen Mischung muss man sich anzunähern versuchen, um zur Wahrheit der Epoche vorzudringen. Es geht darum, wahrscheinlich zu sein, klingende und holpernde Wörter zu benutzen, ohne darum eine unmögliche Rekonstruktion zu versuchen. Dies erreicht man auch, indem man sich in die Autoren der Zeit vertieft. Es entsteht eine unbewusste Synthese, die einem nach und nach die richtige Melodie liefert. Darüber hinaus messe ich den Wörtern und Ausdrücken eine große Bedeutung zu – diesen vergessenen Wörtern und Ausdrücken, die ich in meiner Schrulligkeit bewahren möchte, weil sie gute Dienste geleistet haben und immer noch leisten können. Nach acht Romanen findet jede der Personen unter meiner Feder schließlich spontan ihre Sprachgewohnheiten wieder und speist ganz selbstverständlich das Schreiben.«

Abb. 2 Der Arbeitstisch des Autors

II

Die Pariser Polizei im 18. Jahrhundert