Die Weltanschauung der indischen Denker - Albert Schweitzer - E-Book

Die Weltanschauung der indischen Denker E-Book

Albert Schweitzer

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Beschreibung

Albert Schweitzers Einführung in Die Weltanschauung der indischen Denker ist inzwischen ein Klassiker. Knapp, verständlich und kompetent erklärt der Theologe und Arzt das religiöse und philosophische Denken der Inder von den Upanischaden über Buddhismus und Jainismus bis hin zum modernen Neohinduismus. Aber das Buch ist mehr als eine informative Einführung: Schweitzer setzt sich kritisch mit den indischen Heilslehren auseinander. Er erklärt die grundsätzlichen Unterschiede zwischen westlichem und indischem Denken und geht der Frage nach, wie es zu der Welt- und Lebensverneinung in Indien kommen konnte. Sein Buch richtet sich an alle, die sich für die Ethik der Weltreligionen interessieren. In der vorliegenden Neuausgabe werden erstmals deutschsprachige Ergänzungen von Albert Schweitzer publiziert, die bisher nur in einer Rückübersetzung aus dem Englischen zugänglich waren.

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Albert Schweitzer

Die Weltanschauung derindischen Denker

Mystik und Ethik

Neu herausgegeben vonJohann Zürcher und Ulrich Luz

 

 

 

 

 

 

 

Verlag C.H.Beck

 

 

Zum Buch

Albert Schweitzers Einführung in die Weltanschauung der indischen Denker ist inzwischen ein Klassiker. Knapp, verständlich und kompetent erklärt der Theologe und Arzt das religiöse und philosophische Denken der Inder von den Upanischaden über Buddhismus und Jainismus bis hin zum modernen Neohinduismus. Aber das Buch ist mehr als eine informative Einführung: Schweitzer setzt sich kritisch mit den indischen Heilslehren auseinander. Er erklärt die grundsätzlichen Unterschiede zwischen westlichem und indischem Denken und geht der Frage nach, wie es zu der Welt- und Lebensverneinung in Indien kommen konnte. Sein Buch richtet sich an alle, die sich für die Ethik der Weltreligionen interessieren.

In der vorliegenden Neuausgabe werden erstmals deutschsprachige Ergänzungen von Albert Schweitzer publiziert, die bisher nur in einer Rückübersetzung aus dem Englischen zugänglich waren.

Über den Autor

Albert Schweitzer, 1875–1965, ist als Theologe, Philosoph, Musikwissenschaftler und Tropenarzt weltweit bekannt. 1952 wurde ihm für seine medizinische Tätigkeit in Afrika der Friedensnobelpreis verliehen.

Inhalt

Vorwort zur deutschen Erstausgabe

Vorrede für die englische Ausgabe

Vorwort zur Neuausgabe von 1965

Zur vorliegenden Neuausgabe

Aussprache und Betonung der indischen Worte

I Abendländisches und indisches Denken

Welt- und Lebensbejahung und Welt- und Lebensverneinung

Welt und Lebensverneinung und Ethik

Mystik und doktrinäre Weltanschauung. Monismus und Dualismus

Mystik ethischer Welt- und Lebensbejahung als Problem. Die wahre Vorstellung von Weltanschauung

II Das Aufkommen der Welt- und Lebensverneinung im indischen Denken

Die Welt- und Lebensverneinung bei den Yogin’s und den Brahmanen

Der Ursprung der brahmanischen Mystik

III Die Lehre der Upanishad’s

Die Entstehung der Upanishad’s

Das Eins-Sein mit dem reinen Sein (Brahman)

Lebensverneinung und Lebensbejahung

Die brahmanische Mystik und die Ethik

Das Gebot der Wahrhaftigkeit

Die brahmanische Mystik und die Wiedergeburtslehre

Die Wiedergeburtslehre und die Ethik

Probleme der Upanishad’s: Das Brahman

Probleme der Upanishad’s: All-Seele und Sinnenwelt

Probleme der Upanishad’s: All-Seele und Einzelseele

Probleme der Upanishad’s: Wiedergeburtslehre

Probleme der Upanishad’s: Einzelseele und Leiblichkeit

Probleme der Upanishad’s: Erfüllung der Kastenobliegenheiten

Sāṃkhya-Lehre. Jinismus. Buddhismus

IV Die Sāṃkhya-Lehre

Die Erlösungsvorstellung der Sāṃkhya-Lehre

Seele und Materie in der Sāṃkhya-Lehre

Weltperioden

Theosophie, Anthroposophie und Sāṃkhya-Lehre

V Der Jinismus

Wiedergeburt und Lebens- und Weltverneinung

Die Entstehung des Ahiṃsā-Gebotes

Das chinesische Gegenstück zum Ahiṃsā-Gebot

Die jinistische Ethik

Die nicht-ethische Wiedergeburtslehre des Gosāla

VI Buddha und seine Lehre

Buddha’s Leben. Die Quellen

Buddha und Luther. Verneinung der Askese

Buddha und Paulus. Buddhistische Nonnenorden

Verneinung des Willens zum Leben

Nirvāṇa. Buddha’s Ethik

Buddha’s Ethik des Mitleids

Buddha’s Gedankenethik. Ethik des Sich-Versenkens

Die Gedanken-Ethik als wirkende Kraft

Buddha’s Laien-Ethik

Die Ethik Buddha’s und die Ethik Jesu

Die Frage der Welterlösung

Buddha’s Ethik und die Welt- und Lebensverneinung

Der Einfluß von Buddha’s Ethik auf den Hinduismus

VII Der Spät-Buddhismus in Indien

Buddha und die Buddha’s. Der Buddhismus als Religion

Hīnayāna- und Mahayāna-Buddhismus

Das Mahayāna-Mitleid

Nicht-Wirklichkeit der Welt. Zwiefache Wahrheit

Das Verschwinden des Buddhismus in Indien

VIII Der Buddhismus in China, in Tibet und in der Mongolei

Das Aufkommen des Buddhismus in China

Buddhismus und Taoismus

Verschiedene Lehren im chinesischen Buddhismus

Verfolgungen

Der Buddhismus in Tibet (Lamaismus) und in der Mongolei

IX Der Buddhismus in Japan

Shintō-Buddhismus

Welt- und lebensbejahender Buddhismus. Jōdo-Shinshū-Buddhismus

Nichiren

Katholizismus. Shintō Restauration

Missionierung durch japanische Buddhisten. Welt-Buddhismus

X Die spät-brahmanische Lehre

Die Brahmasūtra’s

Śaṃkara

Lehre von der zwiefachen Wahrheit

Śaṃkara und der monotheistische Hinduismus

Saṃkara und die Welt- und Lebensbejahung

XI Brahmanische Weltanschauung im Gesetzbuch Manu’s

Rechte und Pflichten der Brahmanen

Rechte und Pflichten der Könige

Gesetze, Kastenwesen

Sühnehandlungen

Nietzsches Urteil

XII Hinduismus und Bhakti-Mystik

Entstehung des monotheistischen Hinduismus

Entstehung der Bhakti-Mystik

Der Hinduismus und die Welt- und Lebensverneinung

Das Mahābhārata

Die Bhagavad-Gītā

XIII Die Bhagavad-Gītā

Gleichberechtigung der Tat und der Tatenlosigkeit

Tun in Hingebung an Gott

Die Bhagavad-Gītā und Fichte. Die Welt als Spiel

Ethisches und Nicht-Ethisches. Mystik der Tat

XIV Von der Bhagavad-Gītā zur Neuzeit

Zurücktreten der brahmanischen Mystik hinter der hinduistischen

Das Problem der Ethik tätiger Liebe

Ethik im indischen Volksdenken. Der Kural

Ethische Rāma-Verehrung

Rāmānanda

Tulsī-Dās. Kabīr

XV Das neu-indische Denken

Rām Mohan Rāi

Debendranāth Tagore. Keshab Candra Sen

Dayānand Sarasvatī

Rāmakrishṇa

Vivekānanda

Freiwerden von der Wiedergeburt

Zurücktreten der Wiedergeburtslehre

Mahatma Gandhi. [Sein Leben]

Gandhi und das Ahiṃsā-Gebot

Gandhi. Ahiṃsā und passiver Widerstand

Gandhi’s [Tendenzen zur Weltverneinung: Ablehnung westlicher Medizin], Befürwortung der Ehelosigkeit

Rabīndranāth Tagore

Tagore und die alten Texte

Tagore. Begründung der ethischen Welt- und Lebensbejahung

Aurobindo Ghose

XVI Rückblick und Ausblick

Welt- und Lebensverneinung und -bejahung im indischen Denken

Abendländisches und indisches Denken

Verzicht auf Welterklärung

Indisches Denken und sachliches Denken

Sachliches Denken und Mystik

Weltanschauung und Welterkenntnis

Die grenzenlose Ethik

Ethisch gedeutete Mystik und ethische Mystik

Ergänzende Texte

Englische Indianervorrede

Versuch einer Umarbeitung der Seiten über tätige Ethik bei Buddha

Bemerkungen von [Charles Freer] Andrews über Indianer [Auszug].Notizen für die neue Fassung der Indianer [Auszug]

 

Anmerkungen

Literatur

Quellen

Register

Vorwort [zur deutschen Erstausgabe]

Im Folgenden versuche ich, die Weltanschauung, wie sie sich im indischen Denken findet, in Kürze und allgemeinverständlich darzulegen. Damit möchte ich dazu beitragen, daß den Gebildeten unserer Zeit die großen Persönlichkeiten des indischen Denkens, die Probleme, mit denen es beschäftigt ist, und die Ideen, die es vertritt, besser bekannt werden, als sie es sind.

Es kann für unser Denken ja nur eine Klärung und Bereicherung bedeuten, in das indische Einblick zu gewinnen und sich mit ihm auseinanderzusetzen.

Um es wirklich zu verstehen, müssen wir uns aber darüber klar werden, wie sich ihm die Probleme der Weltanschauung stellen und in welcher Weise es sich mit ihnen beschäftigt. Es gilt, die Entwicklung, die es von der Zeit der vedischen Hymnen an bis zur Gegenwart durchmacht, aufzuzeigen und zu erklären.

Der Schwierigkeiten, Linien einer Entwicklung in einem Denken festzulegen, das in so einzigartiger Weise das Bestreben und das Vermögen besitzt, Gegensätze nicht als solche zu empfinden, sondern Verschiedenartiges nebeneinander bestehen zu lassen und miteinander zu vereinigen, bin ich mir voll bewußt. Ich glaube aber, daß wir Abendländer das, was das indische Denken ist und für das Denken der Menschheit bedeutet, erst richtig erfassen, wenn wir in das, was in ihm vorgeht, Einblick gewinnen.

*

Wie jeder, der sich mit indischem Denken beschäftigt, bin ich den Meistern der Indologie, die die Texte veröffentlicht und die grundlegenden Untersuchungen veranstaltet haben, zu tiefem Dank verpflichtet.

Der älteren Generation dieser Meister – die Erwähnung beschränkt sich auf die deutschen und unter diesen auf die nicht mehr lebenden und ist notwendig unvollständig und etwas willkürlich – gehören an: Theodor Aufrecht (gest. 1907), Theodor Benfey (gest. 1881), Otto Böhtlingk (gest. 1904), Georg Bühler (gest. 1898), Alfred Ludwig (gest. 1902), F. Max Müller (gest. 1900), Rudolph v. Roth (gest. 1895) und Albrecht von Weber (gest. 1901).

Zu den jüngeren zählen: Paul Deussen (gest. 1919), R.Otto Franke (gest. 1928), Richard Garbe (gest. 1927), Karl F. Geldner (gest. 1929), Alfred Hillebrandt (gest. 1927), Eugen Hultzsch (gest. 1927), Julius Jolly (gest. 1932), Franz Kielhorn (gest. 1908), Ernst Kuhn (gest. 1920), Ernst Leumann (gest. 1931), Hermann Oldenberg (gest. 1920), Richard Pischel (gest. 1908), Leopold von Schroeder (gest. 1920) und Ernst Windisch (gest. 1918).

Der mir zur Pflicht gemachten Kürze wegen mußte ich leider darauf verzichten, im Texte auf Literatur zu verweisen. Von Arbeiten noch lebender deutscher Forscher hätte ich unter anderen solche von Wilhelm Geiger, Hermann Jacobi, Heinrich Lüders, Johannes Hertel, Lucian Scherman, F. Otto Schrader, Walter Schubring, Heinrich Zimmer, Willibald Kirfel, J. W. Hauer und H. v. Glasenapp anzuführen gehabt.

Besonders wertvoll waren mir die Darstellung der indischen Philosophie durch Otto Strauß (1925), die deutsche Übersetzung der Reden Buddha’s von Karl Eugen Neumann (3 Bände 1895– 1901) und die Geschichte der indischen Literatur von M. Winternitz (3 Bände 1908–1922).

Tiefen Dank schulde ich Herrn Professor M. Winternitz überdies noch dafür, daß er mich durch so manche wertvolle Auskünfte, die er mir auf meine Anfragen hin gab, an seinem großen Wissen teilhaben ließ.[1]

Für die Darstellung des chinesischen Buddhismus leisteten mir die betreffenden Kapitel in Heinrich Hackmann’s Werk über chinesische Philosophie (1927) und die Angaben, die mir der Herr Verfasser brieflich machte, große Dienste.

Als Kenner des japanischen Buddhismus beriet mich freundlichst Herr Superintendent D. Emil Schiller.

Viel boten mir Romain Rolland’s feinsinnige Studien über Rāmakrishṇa (1930) und Vivekānanda (2 Bände 1930).

Für Mithilfe bei der Korrektur habe ich auch diesmal meiner Frau Dank abzustatten.

Daß ich mich für einige indische Namen und Ausdrücke an die ältere, dem Publikum gewohnte Schreibweise halte, möge man mir verzeihen.

 

Straßburg, den 11. Oktober 1934

Albert Schweitzer

Vorrede für die englische Ausgabe[1]

Durch diese Darstellung des indischen Denkens und seiner Entwicklung möchte ich dazu beitragen, daß den Menschen Europas die Probleme, mit denen es beschäftigt ist, die Ideen, die es vertritt, und die großen Persönlichkeiten, in denen sich diese verkörpern, besser bekannt werden, als sie es sind.

Es kann für das europäische Denken ja nur eine Klärung und Bereicherung bedeuten, in das indische Einblick zu gewinnen und sich mit ihm auseinanderzusetzen.

Um es wirklich zu verstehen, müssen wir uns aber darüber klar werden, wie sich die Probleme für es stellen und in welcher Weise es sich mit ihnen beschäftigt. Es gilt, die Entwicklung, die es von der Zeit der vedischen Hymnen an bis zur Gegenwart durchmacht, aufzuzeigen und zu erklären.

Die Schwierigkeit, Linien einer Entwicklung in einem Denken festzulegen, das in so einzigartiger Weise das Bestreben und das Vermögen besitzt, Gegensätze nicht als solche zu empfinden, sondern Verschiedenartiges nebeneinander bestehen zu lassen und miteinander zu vereinigen, bin ich mir voll bewußt. Ich glaube aber, daß wir Abendländer das, was das indische Denken ist und im Denken der Menschheit bedeutet, erst richtig erfassen, wenn wir in das, was in ihm vorgeht, Einblick gewinnen.

Wie jeder Europäer, der sich mit indischem Denken beschäftigt, bin ich den Meistern der Indologie, die die Texte veröffentlicht und die grundlegenden Untersuchungen veranstaltet haben, zu tiefem Dank verpflichtet.

Besonderen Dank schulde ich Herrn Professor Moriz Winternitz (Prag) nicht nur für die Belehrung, die ich in seinem großen Werk über indische Literatur fand, sondern auch dafür, daß er mich durch so manche wertvolle Auskünfte, die er mir auf meine Anfragen hin gab, an dem Reichtum seines Wissens teilhaben ließ.

Als großen Vorteil habe ich es auch empfunden, daß ich mit meinem Freunde C. F. Andrews die Probleme des indischen Denkens besprechen konnte.

Viel boten mir Romain Rolland’s feinsinnige Studien über Rāmakrishṇa und Vivekānanda.

Die Hauptarbeit für die englische Ausgabe dieses Werkes hat Mrs. C. E. B. Russell geleistet. Ich danke ihr herzlichst dafür.

Seitdem[2] ich in meiner Jugend durch die Lektüre der Werke Arthur Schopenhauers mit dem indischen Denken bekannt zu werden anfing, hat es eine große Anziehungskraft auf mich ausgeübt. Von jeher war ich überzeugt, daß alles Denken es eigentlich mit dem großen Problem zu tun habe, wie der Mensch zum geistigen Eins-Sein mit dem unendlichen Sein gelangt. Weil das indische Denken sich mit diesem beschäftigt und seinem Wesen nach Mystik ist, war meine Aufmerksamkeit auf es gerichtet. Sympathisch war mir auch, daß es die indische Ethik mit dem Verhalten des Menschen zu allen Wesen, nicht nur zum Nebenmenschen und zur menschlichen Gesellschaft, zu tun hat.

Je mehr ich aber die Dokumente des indischen Denkens kennen lernte, desto mehr kamen mir Zweifel, ob die durch Arthur Schopenhauer, Paul Deussen und andere vertretene und uns Europäern geläufige Auffassung zutreffe, daß es ganz durch die Idee der Welt- und Lebensverneinung beherrscht sei. Ich sah mich zur Feststellung genötigt, daß in ihm von jeher auch Welt- und Lebensbejahung vorhanden ist und daß das Nebeneinander und Miteinander von Welt- und Lebensverneinung und Welt- und Lebensbejahung seine Eigenart ausmacht und seine Entwicklung bestimmt.

Mit der Darstellung des indischen Denkens verbinde ich eine Auseinandersetzung mit ihm. Eine wirkliche Auseinandersetzung zwischen indischem und abendländischem Denken ist, soweit ich zu urteilen vermag, noch nicht in Gang gekommen. Entweder geben die Abendländer, wie dies bei Schopenhauer, Deussen und anderen der Fall ist, das abendländische Denken auf und übernehmen dafür das von ihnen als reine Welt- und Lebensverneinung aufgefaßte indische, oder sie verhalten sich ihm gegenüber als zu etwas, das ihnen fremd bleibt und fremd ist, verständnislos und ablehnend. Auch von indischer Seite her ist kein wirklich tiefgreifender Versuch gemacht worden, unser Denken, das sich für einen Indier wie eine vulkanische Landschaft der verschiedenartigsten philosophischen Systeme ausnimmt, zu verstehen.

Eine totale Verschiedenheit des Denkens kann es aber nicht geben. Gemeinsam sind allem Denken die zwei großen, fundamentalen Probleme: das der Welt- und Lebensbejahung und Welt- und Lebensverneinung und das der Ethik mit ihrer Beziehung zu diesen beiden Arten des geistigen Verhaltens zum Sein.

Wie ich das abendländische Denken von diesen beiden Fundamentalproblemen aus zu verstehen und zu beurteilen suche, so auch das indische.

Denen, die im indischen Denken aufgewachsen sind, wird es vielleicht schwer fallen, sich mit der rein kritischen Art, in der ich verfahre, zu versöhnen. Ich bitte sie zum voraus um Entschuldigung. Wie bei dem abendländischen Denken, so lege ich es auch bei dem indischen Denken darauf an, zu untersuchen, welche Gedanken auf natürliche Weise miteinander zusammengehören und welche nur aneinander gelötet sind. Die höchste Ehrerbietung, die man einem Denken erweisen kann, ist, daß man es rücksichtslos auf seinen Gehalt an Wahrheit prüft wie den Stahl auf seine Festigkeit. Daß ich die Tiefe des indischen Denkens empfinde und zu seinen großen Vertretern, den alten und denen der Jetztzeit, ein innerliches Verhältnis habe, liegt in diesem Buche ausgedrückt.

Grund zum Anstoß kann indischen Lesern auch meine Ansicht geben, daß die Welt- und Lebensverneinung von sich aus nichts Ethisches an sich hat und daß das Ahiṃsā-Gebot ursprünglich nicht aus der Gesinnung des Mitleids, sondern aus der Idee des Rein-Bleibens von der Welt entstand und erst nachher das Motiv des Mitleids in sich aufnahm. Aber die Vorstellung, die man sich von der geschichtlichen Entstehung dieses großen ethischen Prinzips bildet, tut seiner Bedeutung keinen Eintrag.

Anlaß zu allerlei Mißverständnissen kann die gewollte Kürze meiner Darstellung geben. Meine Absicht ist nicht, das indische Denken im einzelnen zu beschreiben, sondern nur, darzutun, wie es die Probleme sieht und zu lösen unternimmt. Um dies möglichst klar zutage treten zu lassen, habe ich in großen, harten Linien gezeichnet. Darum wird der, der im indischen Denken heimisch ist, so manche Einzelheiten vermissen, die für ihn zu den betreffenden Vorstellungen und Gedanken gehören und ihnen ihre eigentümliche Bestimmtheit und Färbung verleihen.

Ich glaube aber, daß diese von den fundamentalen Problemen des Denkens ausgehende und sich daher streng auf das Wesentliche beschränkende Darstellung auch ihre Berechtigung hat.

Wie schwer es ist, die Bedeutung der Fachausdrücke des indischen Denkens in europäischen Worten wiederzugeben, weiß jeder, der sich darum bemühen mußte. Ich verwende diese Fachausdrücke nur, wo es unumgänglich nötig ist, und suche das, was sie enthalten, in gewöhnlichen Worten auszusprechen.

Fachausdrücke sind eine Gefahr für jede Philosophie, für die indische wie für die europäische. Sie können zu Formeln werden, die die natürliche Entwicklung des Denkens in derselben Weise hemmen, wie ausgefahrene Geleise den Verkehr. Darum hat es einen Sinn, daß man das Denken auf seinen eigentlichen Gehalt prüft, indem man von den Begriffen, die es sich geprägt hat, absieht und es nötigt, in allgemein verständlicher Sprache zu reden.

Mit Absicht beschränke ich mich darauf, nur das indische Denken und nicht auch das indische religiöse Glauben darzustellen, obwohl es manchmal schwer ist, die Grenzlinie zwischen beiden festzulegen. Nur insoweit als das religiöse Glauben offensichtlich durch Probleme des Denkens beherrscht ist, ziehe ich es in Betracht.

Alle geschichtlichen Erörterungen sind, wo es sich um das Denken handelt, nur von relativer Bedeutung, so notwendig und interessant sie an sich sind. Wenn das abendländische und das indische Denken sich miteinander auseinandersetzen, so haben sie dies nicht in dem Geiste zu tun, daß das eine gegen das andere recht behalten will. Beide hüten wertvolle Gedanken-Güter. Beide müssen sich aber auch in Hinbewegung auf ein Denken hin befinden, das über alle Unterschiede geschichtlicher Vergangenheit hinaus einmal allen Menschen gemeinsam sein wird. Eine Auseinandersetzung zwischen dem abendländischen und dem indischen Denken hat ihre eigentliche Bedeutung darin, daß jedes dadurch auf das, was beider Unzulänglichkeit ausmacht, aufmerksam wird und daraus Anregung empfängt, die Richtung auf das Vollkommenere hin einzuschlagen.

Es muß ja ein Denken kommen, das tiefer und lebendiger ist als das unsere und größere Kräfte des Geistigen und Ethischen enthält. Auf dieses vollendetere und machtvollere Denken, das fähig ist, die Menschen und die Völker zu bezwingen, haben wir in dieser furchtbaren Zeit, die die Menschheit durchmacht, von Ost und West aus auszuschauen. Um dieses haben wir uns zu bemühen.[3]

 

Günsbach (Elsaß), im Oktober 1935

Albert Schweitzer

Vorwort [zur Neuausgabe von 1965]

Im Folgenden versuche ich, die Weltanschauung, wie sie sich im indischen Denken findet, in Kürze und allgemeinverständlich darzulegen. Damit möchte ich dazu beitragen, daß den Gebildeten unserer Zeit die großen Persönlichkeiten des indischen Denkens, die Probleme, mit denen es beschäftigt ist, und die Ideen, die es vertritt, besser bekannt werden, als sie es sind.

Es kann für unser Denken ja nur eine Klärung und Bereicherung bedeuten, in das indische Einblick zu gewinnen und sich mit ihm auseinanderzusetzen.

Um es wirklich zu verstehen, müssen wir uns aber darüber klar werden, wie sich ihm die Probleme der Weltanschauung stellen und in welcher Weise es sich mit ihnen beschäftigt. Es gilt, die Entwicklung, die es von der Zeit der vedischen Hymnen an bis zur Gegenwart durchmacht, aufzuzeigen und zu erklären.

Der Schwierigkeiten, Linien einer Entwicklung in einem Denken festzulegen, das in so einzigartiger Weise das Bestreben und das Vermögen besitzt, Gegensätze nicht als solche zu empfinden, sondern Verschiedenartiges nebeneinander bestehen zu lassen und miteinander zu vereinigen, bin ich mir voll bewußt. Ich glaube aber, daß wir Abendländer das, was das indische Denken ist und für das Denken der Menschheit bedeutet, erst richtig erfassen, wenn wir in das, was in ihm vorgeht, Einblick gewinnen.

*

Wie jeder, der sich mit indischem Denken beschäftigt, bin ich den Meistern der Indologie, die die Texte veröffentlicht und die grundlegenden Untersuchungen veranstaltet haben, zu tiefem Dank verpflichtet.

Besonders wertvoll war mir die Darstellung der Geschichte der indischen Literatur von Professor Moriz Winternitz, Prag. Tiefen Dank schulde ich ihm überdies dafür, daß er mich durch so manche wertvolle Auskünfte, die er mir auf meine Anfragen hin gab, an seinem großen Wissen teilhaben ließ.

Sehr vorteilhaft war für mich auch die Möglichkeit, die Probleme des indischen Denkens mit meinem Freund C. F. Andrews durchzusprechen.

Viel boten mir Romain Rolland’s feinsinnige Studien über Rāmakrishṇa und Vivekānanda.

Das indische Denken hat, seit ich in meiner Jugend durch Schopenhauer’s Werke zum erstenmal mit ihm bekannt wurde, immer eine große Anziehungskraft auf mich ausgeübt. Von allem Anfang an war es meine Überzeugung, daß sich in Wirklichkeit jedes Denken mit dem großen Problem beschäftigt, wie der Mensch zum geistigen Eins-werden mit dem unendlichen Sein gelangen kann. Weil sich das indische Denken mit diesem Problem auseinandersetzt, zog es meine Aufmerksamkeit auf sich, aber auch weil es seiner Natur nach Mystik ist. Überdies sagte mir zu, daß sich die indische Ethik nicht auf das Verhalten des Menschen zu seinem Nebenmenschen und zur menschlichen Gesellschaft beschränkt, sondern auch sein Verhalten zu allen Lebewesen einbezieht.

Aber je vertrauter ich mit den Zeugnissen des indischen Denkens wurde, desto stärkere Zweifel kamen mir, ob die Auffassung, die uns die Werke Arthur Schopenhauer’s, Paul Deussen’s und anderer nahebringen, berechtigt sei, die Auffassung nämlich, daß das indische Denken völlig von der Idee der Welt- und Lebensverneinung beherrscht wird. Ich konnte mich der Einsicht nicht verschließen, daß sich in diesem Denken hintergründig schon von den frühesten Anfängen seiner Geschichte an immer auch Welt- und Lebensbejahung findet, und daß dieses Nebeneinander und Miteinander von Welt- und Lebensverneinung und Welt- und Lebensbejahung seine Eigenart ausmachen und seine Entwicklung bestimmen.

Ich werde das indische Denken nicht nur beschreiben, ich werde es gleichzeitig auch kritisch beleuchten. Denn so viel ich weiß, hat man sich bis jetzt noch nicht mit den wesentlichen Unterschieden zwischen dem indischen und dem abendländischen Denken auseinandergesetzt. Die abendländischen Denker geben entweder, wie Schopenhauer, Deussen und andere, das abendländische Denken preis und ersetzen es durch die indische Denkweise, die sie als reine Welt- und Lebensverneinung auffassen, oder sie lehnen das indische Denken, aus einem völligen Unvermögen, es zu verstehen, als etwas Unbegreifliches ab, das uns immer fremd bleiben wird.

Auch von indischer Seite ist kein wirklich weitreichender Versuch unternommen worden, unser Denken, das mit der ungeheueren Vielfalt seiner philosophischen Lehren den Inder wie eine vulkanische Landschaft anmutet, zu verstehen.

Aber das Denken kann nicht gänzlich verschiedene Wege gehen. Jedes Denken muß sich mit zwei großen grundlegenden Problemen auseinandersetzen: mit dem Problem Welt- und Lebensbejahung und Welt- und Lebensverneinung und dann mit dem Problem der Ethik und des Verhältnisses zwischen der Ethik und jenen beiden Formen der geistigen Haltung des Menschen gegenüber dem Sein.

Wie ich versucht habe, das abendländische Denken vom Gesichtspunkt dieser beiden fundamentalen Probleme aus zu verstehen und zu beurteilen, so werde ich jetzt auch das indische Denken unter diesem Blickwinkel betrachten.

Vielleicht werden sich diejenigen, die innerhalb des indischen Denkens aufgewachsen sind, nur schwer mit der rein kritischen Natur meiner Untersuchung abfinden können. Ich bitte sie im voraus um Verzeihung. Wie das abendländische Denken untersuche ich jetzt das indische daraufhin, welche Ideen sich in ihm natürlich nebeneinander finden und welche einer anderen sozusagen nur aufgepfropft sind. Die höchste Ehre, die man einem Denksystem erweisen kann, ist, es unbarmherzig auf seinen Wahrheitsgehalt zu untersuchen, wie der Stahl auf seine Härte geprüft wird. Doch darüber hinaus ist das vorliegende Buch auch Ausdruck meiner Hochachtung vor der Tiefe des indischen Denkens, mit dessen großen Vertretern aus alter wie aus neuer Zeit ich mich innerlich verbunden fühle.

Aber auch an meiner Meinung, daß die Welt- und Lebensverneinung an sich ohne Ethik ist, daß das Ahiṃsā-Gebot nicht aus einem Gefühl des Mitleids erwächst, sondern aus dem Gedanken, sich von der Welt rein zu halten, und daß das Motiv des Mitleids in der Ahiṃsā erst später Platz fand, könnten indische Leser Anstoß nehmen. Doch welche Meinung man auch in bezug auf den geschichtlichen Ursprung dieses großen ethischen Grundsatzes vertreten mag, seine Bedeutung wird dadurch nicht beeinträchtigt.

Die bewußte Kürze meiner Abhandlung könnte zu allerlei Mißverständnissen Anlaß geben. Ich hatte nicht die Absicht, die indische Philosophie im einzelnen zu beschreiben, sondern wollte nur aufzeigen, wie sie sich zu den großen Problemen des Lebens stellt und wie sie sie zu lösen versucht. Um das so deutlich wie möglich darzulegen, beschränkte ich mich auf eine Skizzierung in einfachen, festen Linien. Deshalb wird jeder, der mit dem indischen Denken vertraut ist, viele Einzelheiten vermissen, die in seinen Augen für seine Vorstellungen und Gedanken besonders charakteristisch sind und ihnen ihre Farbigkeit verleihen.

Ich glaube aber, daß eine Darlegung wie diese, die von den grundlegenden Problemen des Denkens ausgeht und sich streng auf das Wesentliche beschränkt, ihre Berechtigung hat.

Wer auf diesem Gebiet schon gearbeitet hat, weiß, wie schwierig es ist, die genaue Bedeutung der termini technici der indischen Philosophie in unsere Begriffe zu fassen. Ich bediene mich solcher Fachbegriffe nur, wenn es unumgänglich ist; sonst versuche ich ihre Bedeutung in gewöhnlichen Worten wiederzugeben.Termini technici sind für jedes philosophische System, ob indisch oder europäisch, eine Gefahr. Denn sie können zu Formeln werden, die die natürliche Entwicklung des Denkens behindern wie Gleise auf der Straße den Verkehr. Deshalb ist es, wenn man ein Denksystem auf seinen wirklichen Gehalt hin untersuchen will, vernünftig, die Begriffe, die es zu seinem eigenen Gebrauch geprägt hat, beiseitezulassen und es so zu zwingen, in einer allgemein verständlichen Sprache zu sprechen.

Ich habe mich auch bewußt auf das indische Denken beschränkt und habe den indischen Glauben, obwohl es oft schwierig ist, eine Trennungslinie zu ziehen, nicht mithereingenommen. Ich ziehe den Glauben nur dort in Betracht, wo er offensichtlich von den Problemen der Philosophie beherrscht wird.

Wo es um das Denken geht, sind alle Argumente aus der Geschichte, so notwendig und interessant sie an sich auch sind, nur von relativer Bedeutung. Wenn sich die europäische und die indische Philosophie auf eine Disputation einlassen, darf keine von beiden die eigene Meinung als die einzig richtige beweisen wollen. Beide sind Hüterinnen wertvollen Gedankenguts. Aber beide müssen nach einer Denkweise trachten, die sich über all die Unterschiede der geschichtlichen Vergangenheit hinwegsetzt und schließlich von der ganzen Menschheit geteilt wird. Die wirkliche Bedeutung einer Auseinandersetzung des abendländischen und des indischen Denkens liegt darin, daß jedes die Unzulänglichkeiten auf jeder Seite erkennt, und sich dadurch angespornt fühlt, nach einem vollkommenen Denken zu suchen.

Denn wir brauchen eine Philosophie, die tiefer und lebendiger ist und von größerer geistiger und ethischer Kraft getragen wird, als unsere bisherige. In der furchtbaren Zeit, die die Menschheit gegenwärtig durchlebt, müssen wir alle, im Osten wie im Westen, Ausschau halten nach diesem vollkommeneren und mächtigeren Denken, das die Herzen der einzelnen erobert und ganze Völker zwingt, seine Macht anzuerkennen. Das ist das Ziel, nach dem wir streben müssen.

 

Günsbach, Elsaß, Oktober 1935

Albert Schweitzer

Zur vorliegenden Neuausgabe

Im Vorwort von 1934 zur deutschen Erstausgabe (München/Bern 1935) schreibt Albert Schweitzer, daß er wegen der ihm zur Pflicht gemachten Kürze leider darauf verzichten mußte, im Text auf Literatur zu verweisen. Eine Anzahl von Literaturhinweisen und Stellenangaben in einer Maschinenschrift-Kopie der Druckvorlage (Günsbach) sowie auch im Manuskript (Sac 32, ZB Zürich) wurden erst in die englische Ausgabe (London 1936) aufgenommen.

Die vorliegende deutsche Neuausgabe ergänzt fehlende Literatur- und Stellenangaben nach den Ausgaben, die Schweitzer benutzt haben dürfte.

Für die englische Ausgabe hat Schweitzer Verbesserungen und Nachträge verfaßt und der Übersetzerin des Werkes, Mrs. C. E. B. (Liliane) Russell, gesandt, vermutlich in Maschinen-Abschriften, denn von den meisten der in Günsbach noch vorhandenen autographen Blätter liegen noch solche Abschriften vor. Der größere Teil dieser Nachträge aber ist verloren. Ein Nachlaß der am 1. Oktober 1949 verstorbenen Übersetzerin L. Russell, der die fehlenden Texte möglicherweise enthalten hätte, konnte bisher nicht aufgefunden werden. Auch beim Verlag Hodder & Stoughton in London, der die englische Ausgabe von 1936 veröffentlicht hat, sind die Originalmanuskripte nicht aufgefunden worden.

Albert Schweitzer hat auch eine deutschsprachige Neuausgabe seines Indienbands beabsichtigt. Das ergibt sich deutlich aus Notizen zu dem Band vor allem aus den Jahren 1935 und 1936, zuletzt aus einer Notiz von 1938.[1] Er ist aber damals, zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, nicht dazu gekommen – die Arbeit für Lambaréné brauchte alle seine Kräfte. Die 1965 in den Verlagen C.H.Beck (München) und Paul Haupt (Bern) erschienene Neuausgabe ist nicht die von Schweitzer geplante; sie ist vielmehr eine «auf Grund der englischen Ausgabe von 1935 neugefaßte Auflage». Diese Ausgabe liegt auch den 1982 im Deutschen Taschenbuchverlag und 1987 im Verlag C.H.Beck in München erschienenen Taschenbuchausgaben zugrunde.

In sie sind die Zusätze der englischen Ausgabe von 1936 aufgenommen. Es sind Rückübersetzungen aus dem Englischen durch zwei mit dem Verlag C.H.Beck verbundene Übersetzerinnen, Gerda Kurz und Siglinde Summerer in Nürnberg, die diese Texte aufgrund eines Vorschlages des Verlegers Heinrich Beck ins Deutsche zurückübersetzt haben. Von ihnen schreibt Heinrich Beck am 11. September 1964 an Albert Schweitzer: «Sie haben sich bemüht, Ihren Sprachstil nach Möglichkeit nachzuahmen.» Das ist ihnen nicht schlecht gelungen. Schweitzer hat ihnen, soweit wir wissen, nirgendwo widersprochen. Offenbar war er damals in Lambaréné nicht im Besitz der Originale oder von Abschriften davon. Die Zusätze der beiden Übersetzerinnen wurden in der Neuausgabe von 1965 nicht eigens gekennzeichnet.

Inzwischen sind einige der Originaltexte Schweitzers in seinem Nachlaß aufgefunden worden. In der hier vorliegenden Neuausgabe wurden die Zusätze dort, wo die Originaltexte entdeckt wurden, durch diese ersetzt (vor allem in den Schlußkapiteln). Dort, wo dies nicht möglich war, sind sie stehengeblieben und durch {…} gekennzeichnet (vor allem in den früheren Kapiteln).

Im Anhang werden drei Texte abgedruckt, die später als das Manuskript der deutschen Erstausgabe entstanden. Es handelt sich um eine Variante zur Vorrede der englischen Ausgabe von 1936, d.h. zum Anfang des in diesem Band S. 14–18 abgedruckten Textes, die sehr persönlich gehalten ist. Sie trägt den fast scherzhaft klingenden Titel «Englische Indianervorrede». Der zweite Text ist eine Variante zu den Ausführungen Schweitzers über buddhistische Laienethik, also zu dem in diesem Band S. 110–113 abgedruckten Text. Der dritte Text ist ein Auszug aus einer umfangreichen und unsystematischen Notizensammlung Schweitzers zum Indienband (sac 35 Nr. 1). Sie sind überschrieben mit «Bemerkungen von [C.F.] Andrews über Indianer» mit den Daten «Lausanne, 19. Sept. 35» und «Edinburgh, Nov. 1935». Aus dieser Notizensammlung sind vor allem solche Notizen ausgewählt worden, die darüber Auskunft geben, in welcher Richtung eine eigene Neubearbeitung des Bandes gegangen wäre.

Diese Ausgabe enthält außerdem ein Verzeichnis der im Text erwähnten von Schweitzer benutzten Literatur, wobei nach Möglichkeit die von Schweitzer benutzten Ausgaben angegeben sind, sowie ein Quellenverzeichnis. In den Anmerkungen sind alle vom Herausgeber stammenden Anmerkungen und Angaben in […] gesetzt.

Für die Transkription aller in dieser Ausgabe abgedruckten zusätzlichen Texte, für Hinzufügung von Belegstellenangaben aus den indischen Quellen und für das Literatur- und Quellenverzeichnis ist Johann Zürcher verantwortlich. Er dankt insbesondere dem verstorbenen Berner Religionswissenschaftler Ernst Zbinden, der ihm bei der Auffindung der Belegstellen wesentlich geholfen hat. Ulrich Luz ist für die Auswahl der Herausgeberanmerkungen und der ergänzenden Texte verantwortlich.