Die wundersame Geschichte von September, die unter das Feenland fiel und mit den Schatten tanzte - Catherynne M. Valente - E-Book

Die wundersame Geschichte von September, die unter das Feenland fiel und mit den Schatten tanzte E-Book

Catherynne M. Valente

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Beschreibung

Ein Jahr nach ihren aufregenden Abenteuern im Feenland sehnt sich September nach ihren Freunden, dem bibliophilen Lindwurm A-bis-L und dem blauen Dschinn Samstag. Als sie endlich wieder ins Feenland gelangt, muss September feststellen, dass die Bewohner ihre Schatten an das Unterfeenland verloren haben, und damit auch ihre magischen Fähigkeiten. Im Unterfeenland herrscht Halloween, die Hohle Königin – niemand anderes als Septembers eigener Schatten, den sie im Tausch für das Leben eines Púca hergegeben hatte. Und die Königin ist nicht gewillt, die Schatten wieder herzugeben – im Gegenteil, sie lässt den schrecklichen Alleenmann mehr und mehr Schatten hinabziehen! September muss die Ordnung im Feenland wiederherstellen, soll es nicht ein gänzlich entzauberter Ort werden. Doch kann sie sich auf die Schatten ihrer besten Freunde ebenso verlassen wie auf ihre wirklichen Freunde? Für Leser jeden Alters, die den Charme von «Alice im Wunderland» und die Phantasie der «Unendlichen Geschichte» lieben. Dieses Buch ist unvergesslich.

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Seitenzahl: 370

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Catherynne M. Valente

Die wundersame Geschichte von September, die unter das Feenland fiel und mit den Schatten tanzte

Aus dem Englischen von Sylke Hachmeister

Mit Illustrationen von Ana Juan

Rowohlt E-Book

Inhaltsübersicht

WidmungPersonenKapitel I Bühnenabgang mit einem Ruderboot, verfolgt von KrähenKapitel II Schatten im WaldKapitel III Das Rentier vom MondtraubenhügelKapitel IV Eine Tür in Gestalt eines MädchensKapitel V Ihr seid freie WesenKapitel VI Das feurige Herz des ElefantenZwischenspiel Zwei KrähenKapitel VII KoboldökonomieKapitel VIII Die stille Geschichte des NachtdodosKapitel IX Der Betrübliche BohrerKapitel X Die LustbarkeitenKapitel XI Suchende PhysikKapitel XII Die Minen der ErinnerungKapitel XIII Selbst die Blumen sind HerzoginnenKapitel XIV Die Entschuldigung des HaferrittersZwischenspiel Zwei KrähenKapitel XV Verrückte Assistentin auf ZeitKapitel XVI Ein praktisches MädchenKapitel XVII Ein Loch in der WeltKapitel XVIII Jedermanns HausKapitel XIX Silber, Blau und RotKapitel XX Lass mich lebenKapitel XXI Alles auf einmalKapitel XXII Was man in einem Krieg tut, kann man nie vergessen

Für alle, die einem Mädchen mit seltsamem Namen und ihrer fliegenden Bibliothek eine Chance gegeben haben.

 

Lasst das Fest beginnen!

Personen

SEPTEMBER

IHRE MUTTER

IHR VATER

TAIGA, eine Hreinn

RUNKEL, ein Hreinn

KLAAS KROSSKRABBE, ein Feenkönig

SCHRÄG, eine Sibylle

A-BIS-L, ein Bibliowurm

HALLOWEEN, Königin des Unterfeenlandes

DIE VIZEKÖNIGIN VON KAFFEE

DER HERZOG VON TEESTUNDE

Ihre Kinder: DARJEELING

KONA

MATCHA

CARACOLI

DER KLEINSTE GRAF

SAMSTAG, ein Marid

GRIPS, eine Krähe

FLEISS, seine Schwester, ebenfalls Krähe

GLASWURZ GRIMM, ein Kobold

DAS WACHSAME KLEID, ein nützliches Werkzeug

AUBERGINE, ein Nachtdodo

BERTRAM, der Weinende Aal

SCHIMMER, eine Papierlaterne

DER ALLEENMANN, ein Lutin

AVOGADRA, eine Monaciello

NHET, ein Järlhopp

DER ZWIEBELMANN

DER HAFERSPRINGER, ein Kelpie

BELINDA KRAUT, eine Feenphysikerin

MAUD, ein Schatten

IAGO, der Panther der rauen Stürme

LINKS, eine Minotaura

PRINZ MYRRHE, ein Junge

NICK, ein traumfressender Tapir

DER SILBERWIND, ein folgender Wind

DER SCHWARZE WIND, ein grimmiger Wind

DER ROTE WIND, ein Kriegswind

DER GRÜNE WIND, eine steife Brise

CYMBELINE, der Tiger der wilden Böen

BANQUO, der Luchs der sanften Schauer

IMOGEN, die Leopardin der leichten Lüfte

Kapitel IBühnenabgang mit einem Ruderboot, verfolgt von Krähen

Worin ein Mädchen namens September ein Geheimnis bewahrt, eine schwierige Zeit in der Schule hat, dreizehn Jahre alt wird und schließlich beinahe von einem Ruderboot überfahren wird, wodurch sie den Weg ins Feenland findet

Es war einmal ein Mädchen namens September, das ein Geheimnis hatte.

Geheimnisse sind heikle Dinger. Sie können uns mit Süße erfüllen, sodass wir uns fühlen wie eine Katze, wenn sie einen dicken, fetten Spatz erbeutet hat, ohne sich bei der Jagd auch nur einen Kratzer zu holen. Aber sie können auch in uns stecken bleiben und aus unseren Knochen langsam eine bittere Suppe kochen. Dann hat das Geheimnis uns und nicht andersrum. So können wir froh sein, dass September ihr Geheimnis im Griff hatte und es bei sich trug wie ein Paar prächtiger Handschuhe, die sie, wenn ihr kalt war, herausnehmen und anziehen konnte, um sich an die Wärme vergangener Tage zu erinnern.

Und dies war Septembers Geheimnis: Sie war im Feenland gewesen.

Das ist im Lauf der Weltgeschichte schon anderen Kindern passiert. Es gibt viele Bücher darüber, und die werden schon so lange von kleinen Jungen und Mädchen gelesen, die Holzschwerter schnitzen, Zentauren aus Papier basteln und darauf warten, dass sie an der Reihe sind. Für September hatte das Warten im letzten Frühjahr ein Ende gehabt. Sie hatte gegen eine böse Königin gekämpft und ein ganzes Land vor deren Grausamkeit gerettet. Sie hatte Freunde gefunden, die witzig, mutig und klug waren: einen Lindwurm, einen Marid und eine sprechende Laterne.

Leider steht in den Büchern über solche verwegenen Abenteuer nur selten, wie man sich nach der Heimkehr zu verhalten hat. September hatte sich grundlegend gewandelt – von einem Mädchen, das sich verzweifelt gewünscht hatte, es möge so etwas wirklich geben, zu einem Mädchen, das davon wusste. Eine solche Veränderung ist etwas anderes als ein neuer Haarschnitt – eher schon so etwas wie ein neuer Kopf.

Es machte Septembers Schulalltag nicht gerade leichter.

War sie früher bloß auf stille Weise merkwürdig gewesen, wenn sie während der Mathestunde aus dem Fenster geschaut und in Gemeinschaftskunde unter dem Tisch große bunte Bücher gelesen hatte, so nahmen die anderen Kinder jetzt etwas Wildes und Fremdes an ihr wahr. Die Mädchen in ihrer Klasse hätten nicht sagen können, was sie an September so störte. Hätte man sie dazu befragt, hätten sie allenfalls gesagt: «Sie ist nicht wie wir.»

Und so luden sie September nicht zu ihren Geburtstagspartys ein und fragten sie nicht, was sie in den Sommerferien gemacht hatte. Sie nahmen ihr die Bücher weg und erzählten den Lehrern Lügengeschichten über sie. «September hat bei den Rechenaufgaben geschummelt», verrieten sie ihnen. «September liest während der Sportstunde hässliche alte Bücher. September verschwindet mit Jungs hinter dem Chemiegebäude.» Sie kicherten hinter ihrem Rücken und ließen damit Dornenhecken um ihre Grüppchen aus Spitzenkleidern und mit Schleifen gebändigten Locken wachsen. Inmitten der Hecken standen sie und flüsterten, und September stand immer davor.

Nichtsdestotrotz behielt September ihr Geheimnis für sich. Wenn sie sich einsam fühlte und fror, holte sie es heraus und blies darauf wie auf ein glimmendes Stück Holz, bis es sie mit seiner Glut erfüllte: A-bis-L, ihr Bibliowurm, der Samstag zum Lachen brachte, wenn er an seiner blauen Wange schnupperte, und der Grüne Wind, der mit seinen smaragdgrünen Schneeschuhen durch den Weizen stapfte. Sie alle warteten darauf, dass September zurückkam, und das würde sie auch tun – bald, schrecklich bald, jeden Augenblick konnte es so weit sein. So ähnlich musste es ihrer Tante Margaret gegangen sein, die nie ganz dieselbe war, wenn sie von einer ihrer Reisen zurückkehrte. Dann erzählte sie lange Geschichten von Paris und Seidenhosen, roten Akkordeons und Bulldoggen, und niemand verstand sie so ganz. Doch alle hörten höflich zu, bis sie allmählich verstummte und aus dem Fenster schaute, als könnte sie dort die Seine sehen und nicht Kornfelder über Kornfelder. Jetzt verstand September ihre Tante und nahm sich vor, besonders nett zu ihr zu sein, wenn sie das nächste Mal kam.

Abend für Abend erledigte September ihre Pflichten. Sie wusch die gelb-rosa Teetassen ab, die sie immer abgewaschen hatte, kümmerte sich um den zunehmend besorgten kleinen Hund, um den sie sich immer gekümmert hatte, und lauschte dem großen Radio aus Walnussholz, um Nachrichten über den Krieg zu hören, über ihren Vater. Das Radio stand so riesig in ihrem Wohnzimmer wie eine schreckliche Tür, die jeden Moment aufgehen und schlechte Nachrichten hereinlassen könnte. Jeden Tag, wenn die Sonne auf der weiten gelben Prärie unterging, hielt September am Horizont nach einem grünen Schimmer Ausschau, einem gefleckten Pelz, der durch das Gras huschte, lauschte auf ein gewisses Lachen oder Schnurren. Doch der Herbst verteilte seine Tage wie ein goldenes Kartenspiel, und niemand kam.

Ihre Mutter musste sonntags nicht in der Flugzeugfabrik arbeiten, und deshalb verliebte September sich in die Sonntage. Sie saßen dann gemütlich am Feuer beisammen und lasen, während der Hund an ihren Schnürsenkeln zerrte, oder ihre Mutter zwängte sich unter Mr. Alberts erbärmlichen alten Ford und schlug von unten dagegen, bis September den Zündschlüssel herumdrehen konnte und er sich noch einmal knatternd zum Leben erwecken ließ. Vor gar nicht so langer Zeit hatte ihre Mutter ihr noch Bücher über Feen, Soldaten oder Pioniere vorgelesen, doch jetzt lasen sie einträchtig zusammen, jede ihr eigenes Buch oder ihre Zeitung, genau wie die Mutter es früher, vor dem Krieg, mit ihrem Vater gemacht hatte. Die Sonntage waren die besten Tage, wenn die Sonne nicht untergehen wollte und September unter dem strahlenden Lächeln ihrer Mutter aufblühte. Sonntags tat ihr nichts weh. Da vermisste sie den Ort nicht, den sie keinem Erwachsenen je beschreiben konnte. Da wünschte sie nicht, ihr kleines Abendessen mit der kärglichen Portion Dosenfleisch wäre ein magisches Festessen mit Süßigkeiten, mit geröstetem Backobst und lila Melonen voller Regenwasserwein.

Sonntags dachte sie fast gar nicht ans Feenland.

Manchmal erwog sie, ihrer Mutter alles zu erzählen, was passiert war. Manchmal brannte sie drauf, es zu erzählen. Aber eine ältere, weisere Stimme in ihrem Inneren sagte: Es gibt Dinge, die im Verborgenen bewahrt werden wollen. Wenn sie es aussprach, so fürchtete sie, würde alles verschwinden, dann wäre es nie gewesen, es würde davonwehen wie die Samen einer Pusteblume. Wenn nun nichts davon wahr gewesen war? Wenn alles nur ein Traum gewesen war oder, schlimmer noch, wenn sie den Verstand verloren hatte wie der Cousin ihres Vaters in Iowa City? Beides war zu schlimm, um es sich auszumalen, und doch malte sie es sich aus.

Immer wenn diese dunklen Gedanken kamen – dass sie nur ein dummes Mädchen war, das zu viele Bücher gelesen hatte, oder dass sie verrückt sein könnte –, schaute September hinter sich und erschauerte. Denn sie hatte einen Beweis dafür, dass alles wirklich passiert war. Sie hatte im Feenland ihren Schatten verloren, auf einem fernen Fluss, in der Nähe einer fernen Stadt. Sie hatte etwas Großes, Wahrhaftiges verloren und konnte es nicht zurückbekommen. Und falls einmal jemandem auffiel, dass sie keinen Schatten vor sich oder hinter sich warf, dann würde sie es erzählen müssen. Doch solange ihr Geheimnis geheim blieb, hatte sie das Gefühl, alles ertragen zu können – die Mädchen in der Schule, die langen Schichten ihrer Mutter, die Abwesenheit ihres Vaters. Sogar das große Radio konnte sie ertragen, das vor sich hin knisterte wie ein endloses Feuer.

 

Fast ein Jahr war vergangen, seit September aus dem Feenland zurückgekehrt war. Da sie praktisch veranlagt war, interessierte sie sich seit ihren Heldentaten auf der anderen Seite der Welt für Mythologie und lernte alles über Feen, alte Götter, Erbmonarchen und andere magische Gestalten. Nach allem, was sie herausfand, schien ein Jahr genau die richtige Zeitspanne zu sein. Eine volle Umrundung der Sonne. Sicher würde der Grüne Wind ganz bald lachend und hüpfend über den Himmel angesegelt kommen. Und da die Marquess besiegt war und die Schleusen ins Feenland offen standen, musste September diesmal keine schrecklichen Taten vollbringen, keine Mutproben bestehen, dann gab es nur Spaß und Freude und Brombeerquark.

Doch der Grüne Wind kam nicht.

Als der Frühling sich dem Ende neigte, begann September sich ernsthafte Sorgen zu machen. Im Feenland tickten die Uhren anders – wenn sie nun achtzig wurde, ehe dort ein Jahr um war? Wenn der Grüne Wind kam und eine alte Dame antraf, die über ihre Gicht jammerte? September würde natürlich trotzdem mitkommen – sie würde nicht zögern, ob sie nun achtzehn oder achtzig war! Aber für alte Frauen war das Leben im Feenland nicht ungefährlich, zum Beispiel könnten sie sich bei einem wilden Ritt auf dem Veloziped die Hüfte brechen, oder womöglich hörten alle auf ihr Kommando, bloß weil sie Falten hatten. Letzteres wäre gar nicht so übel – vielleicht könnte September eine herrlich hutzlige alte Hexe sein und Hexenkichern lernen. Dazu hatte sie bestimmt Talent. Aber es war noch so lange bis dahin! Selbst der kleine Hund mit dem traurigen Gesicht sah sie schon scharf an, als wollte er sagen: Musst du nicht langsam mal los?

Oder, noch schlimmer, wenn der Grüne Wind sie nun vergessen hatte? Oder wenn er ein anderes Mädchen gefunden hatte, das genauso gut wie September das Böse bekämpfen und kluge Sachen sagen konnte? Wenn alle im Feenland nur höflich geknickst und sich dann wieder ihren Angelegenheiten zugewandt hatten und keiner mehr einen Gedanken an ihre kleine Menschenfreundin verschwendete? Wenn nun niemand mehr kam, um sie zu holen?

September wurde dreizehn. Sie dachte nicht einmal daran, jemanden zu einer Party einzuladen. Doch ihre Mutter schenkte ihr einen Stapel Lebensmittelmarken mit einem braunen Samtband drum herum. Sie hatte sie monatelang zusammengespart. Butter, Zucker, Salz, Mehl! Und im Laden gab Mrs. Browman ihnen als Krönung noch ein kleines Päckchen Kakao. September und ihre Mutter backten den Kuchen gemeinsam in der Küche, und der verrückte kleine Hund sprang ihnen um die Beine, um am Holzlöffel zu schlecken. In dem Kuchen war so wenig Schokolade, dass er die Farbe von Staub hatte, aber September fand ihn köstlich. Hinterher schauten sie im Kino einen Film über Spione. September bekam eine ganze Tüte Popcorn für sich allein und dazu noch Sahnebonbons. Das alles war so überwältigend, dass ihr schwindlig wurde. Es war fast so gut wie ein Sonntag, zumal sie drei neue Bücher bekommen hatte, die extra in grünem Papier verpackt waren, eins davon auf Französisch, und das war den ganzen Weg von einem Dorf gekommen, das ihr Vater befreit hatte. (Wir können davon ausgehen, dass Septembers Vater bei der Befreiung Hilfe hatte, aber für September hatte er es ganz allein getan. Vielleicht mit vorgehaltenem Schwert auf einem prächtigen schwarzen Ross. Manchmal fand September es sehr schwer, an den Krieg ihres Vaters zu denken, ohne gleichzeitig an ihren eigenen zu denken.) Natürlich konnte sie das Buch nicht lesen, aber auf die Umschlagseite hatte er geschrieben: «Wir sehen uns sicher bald, mein Mädchen.» Und dadurch wurde es das großartigste Buch, das je geschrieben worden war. Es waren auch Illustrationen darin – auf einer saß ein Mädchen im Alter von September auf dem Mond und streckte die Hände nach den Sternen aus. Auf einer anderen stand sie auf einem hohen Mondberg und sprach zu einem komischen roten Hut mit zwei langen Federn daran, der frech neben ihr herschwebte. Den ganzen Weg zum Kino war September in das Buch vertieft, versuchte die merkwürdigen Wörter auszusprechen und zu erraten, wovon die Geschichte handelte.

Sie verputzten den staubfarbenen Geburtstagskuchen, und Septembers Mutter setzte einen Kessel mit Wasser auf. Der Hund stürzte sich auf einen herrlichen Markknochen. September nahm ihre neuen Bücher und ging hinaus auf die Felder, um der hereinbrechenden Dämmerung zuzuschauen und nachzudenken. Als sie zur Hintertür hinausging, hörte sie das brabbelnde, knisternde Radio, die knackenden atmosphärischen Störungen, die ihr folgten wie ein grauer Schatten.

September legte sich ins lange Maigras. Durch die grüngoldenen Kornhalme schaute sie nach oben. Der Himmel glühte tiefblau und rosa, und ein kleiner gelber Stern ging wie eine Glühlampe an dem lauen Abend auf. Das ist die Venus, dachte September. Die Göttin der Liebe. Es ist schön, dass die Liebe sich am Abend als Erste zeigt und am Morgen als Letzte geht. Die Liebe lässt die ganze Nacht das Licht an. Wer die Idee hatte, diesen Stern Venus zu nennen, müsste eine 1 bekommen.

Wir sollten September verzeihen, dass sie das Geräusch zunächst überhörte. Ausnahmsweise einmal hatte sie nicht auf merkwürdige Geräusche oder Zeichen geachtet. Sie hatte überhaupt nicht an das Feenland gedacht, sondern an ein Mädchen, das mit einem roten Hut sprach, und was das wohl zu bedeuten hatte und wie wundervoll es war, dass ihr Vater ein ganzes Dorf befreit hatte. Und außerdem ist Rascheln kein besonders ungewöhnliches Geräusch, wenn man in einem Weizenfeld und wildem Gras liegt. Sie hörte es, und eine kleine Brise ließ die Blätter ihrer Geburtstagsbücher flattern, doch sie schaute erst auf, als das Ruderboot rasend schnell auf den Spitzen der Ähren über ihrem Kopf fuhr, als wären es Wellen.

September sprang auf und sah zwei kleine Gestalten in einem schwarzen Bötchen, das mit wild wirbelnden Rudern über die Felder sauste. Eine der Gestalten trug einen breiten Hut, schwarz glänzend wie ein Fischerhut. Die andere fuhr mit einer langen silbernen Hand über die pelzigen Köpfe des trockenen Korns. Der Arm blitzte metallisch, das glänzende schlanke Handgelenk einer Frau, eine Hand mit eisernen Fingernägeln. Die Gesichter der beiden konnte September nicht erkennen – bis auf den Arm war die Frau von dem breiten, vorgebeugten Rücken des Mannes verdeckt.

«Wartet!», rief September und rannte, so schnell sie konnte, hinter dem Boot her. Es musste aus dem Feenland kommen, und jetzt entfernte es sich mit den beiden darin. «Wartet, ich bin hier!»

«Halt lieber Ausschau nach dem Alleenmann!», rief der Mann mit dem schwarzen Regenmantel über die Schulter zurück. Sein Gesicht lag im Schatten, doch die Stimme kam ihr vertraut vor, ein gebrochenes Krächzen, das sie beinahe erkannte. «Der Alleenmann kommt mit seinem Lumpenkarren und seinem Knochenwagen, er hat uns alle auf der Liste stehen.»

«Wartet bitte!», rief September ihnen nach. Ihre Lunge krampfte sich zusammen. «Ich kann nicht so schnell!»

Doch sie ruderten nur noch schneller über die Felder, und die Nacht zeigte jetzt ihr ganzes Gesicht. Oh, ich kann sie nicht einholen, dachte September verzweifelt, und ihr Herz schnürte sich zusammen. Denn obgleich Kinder, wie wir schon sagten, alle herzlos sind, so trifft das auf halbwüchsige Herzen nicht ganz zu. Diese Herzen sind rau und neu, schnell und wild, und sie wissen nicht, wie stark sie sind. Ebenso wenig kennen sie Vernunft oder Beherrschung, und wenn ihr die Wahrheit wissen wollt: Ziemlich viele erwachsene Herzen lernen das niemals. Und so können wir jetzt, im Gegensatz zu früher, sagen, dass sich September das Herz zusammenschnürte, denn es hatte in ihr zu wachsen begonnen wie eine Blume im Dunkeln. Und wir können uns einen Moment Zeit nehmen, um sie zu bedauern, denn wenn man ein Herz hat, führt das zu den eigenartigen Kümmernissen der Großen.

September, deren junges, ungebildetes Herz sich vor Panik zusammenzog, rannte schneller. Sie hatte so lange gewartet, und jetzt entkamen sie ihr. Sie war zu klein und zu langsam. Wie sollte sie es ertragen, wie sollte sie es je ertragen, wenn sie die Gelegenheit verpasste? Ihr Atem ging zu kurz und zu schnell, und sie spürte Tränen in den Augenwinkeln. Im Weiterlaufen wischte sie sie weg und zertrat dabei altes Korn und die eine oder andere blaue Blume.

«Hier bin ich!», schrie sie. «Ich bin’s! Wartet auf mich!»

Die Silberfrau glitzerte in der Ferne. September strengte sich so sehr an, sie zu sehen, sie einzuholen, schneller zu rennen, nur ein kleines bisschen schneller. Beugen wir uns nah zu ihr heran, zwicken wir sie in die Fersen und flüstern wir ihr ins Ohr: Na komm schon, Mädchen, das kannst du besser, du schaffst das, reck die Arme noch ein Stückchen weiter!

Und da lief sie schneller, reckte sich noch mehr, sie lief durchs Gras, und erst als sie stolperte und hinfiel, sah sie die niedrige, moosbewachsene Mauer, die da plötzlich durch das Feld verlief. Sie fiel mit dem Gesicht auf eine Wiese, die so weiß war, als hätte es geschneit, doch die Wiese war kühl und roch herrlich süß, wie Zitroneneis.

Ihr Buch lag vergessen auf dem nun verlassenen Gras unserer Welt. Ein plötzlicher Wind, der ganz entfernt nach Grünem roch, nach Minze, Rosmarin und frischem Heu, blätterte die Seiten hastig um, als wollte er möglichst schnell herausfinden, wie die Geschichte ausging.

Septembers Mutter trat aus dem Haus und hielt mit verweinten Augen nach ihrer Tochter Ausschau. Doch da war kein Mädchen mehr im Weizen, nur drei nagelneue Bücher, ein wenig Toffee, noch in Wachspapier eingewickelt, und zwei Krähen, die davonflogen und einem Ruderboot hinterherkrächzten, das bereits verschwunden war.

Das Nussbaumradio hinter ihr knarzte und knackte.

Kapitel IISchatten im Wald

Worin September einen gläsernen Wald entdeckt, sehr praktische Fähigkeiten einsetzt, einem ziemlich unfreundlichen Rentier begegnet und feststellt, dass im Feenland irgendwas ganz furchtbar schiefläuft

September schaute von dem weißen Gras auf. Mit wackligen Beinen erhob sie sich und rieb die schmerzenden Schienbeine. Die Grenze zwischen unserer Welt und dem Feenland hatte sie diesmal reichlich unsanft begrüßt, und das, wo sie doch allein unterwegs war, ohne grüngewandeten Begleiter, der sie heil über alle Grenzübergänge brachte. September putzte sich die Nase und schaute, wo sie gelandet war.

Um sie herum erhob sich ein Wald. Die helle Nachmittagssonne schien hindurch und verwandelte jeden Zweig in goldfunkelnde Prismen, denn all die hohen Bäume bestanden aus verwachsenem, schwankendem Glas. Glaswurzeln standen knorrig nach oben oder wuchsen in die schneebedeckte Erde, gläserne Blätter wogten und klimperten gegeneinander wie winzige Schlittenglöckchen. Leuchtend rosa Vögel flitzten hinein und schnappten mit ihren runden grünen Schnäbeln nach den gläsernen Beeren. Triumphierend trällerten sie mit tiefen Altstimmen etwas, das sich anhörte wie Habshabshabs und Dukomische! Dukomische! In was für einem trostlosen, kalten und schönen Wald diese Vögel lebten! Wirres weißes Unterholz schlang sich um knorrige, feuerrote Eichen. Glastau zersplitterte auf den Blättern, und Glasmoos knackste unter Septembers Füßen. Silberblaue Glasblümchen reckten hier und dort ihre Köpfe aus Kreisen von rotgoldenen Glaspilzen.

September lachte. Ich bin wieder da, oh, ich bin wieder da! Mit ausgestreckten Armen wirbelte sie herum, dann schlug sie eine Hand vor den Mund – ihr Lachen hallte in dem gläsernen Wald seltsam wider. Es klang nicht hässlich, eigentlich sogar ganz schön, wie wenn man in eine Muschel spricht. Oh, ich bin hier! Ich bin wirklich hier – das ist das allerbeste Geburtstagsgeschenk!

«Huhu, Feenland!», rief sie. Das Echo spritzte durch die Luft wie leuchtende Farbe.

Dukomische! Dukomische!, antworteten die rosa-grünen Vögel. Habshabshabs!

Wieder lachte September. Sie reckte sich nach einem niedrigen Zweig, auf dem ein Vogel saß und sie aus neugierigen Glasaugen beobachtete. Er reichte ihr einen schillernden Fuß.

«Hallo, Vogel!», sagte sie fröhlich. «Ich bin wieder da, und alles ist noch genauso seltsam und wundervoll, wie ich es in Erinnerung hatte! Wenn die Mädchen aus der Schule das hier sehen könnten, würde ihnen die Spucke wegbleiben, das sage ich dir. Kannst du sprechen? Kannst du mir alles erzählen, was passiert ist, seit ich fortgegangen bin? Ist jetzt alles gut? Sind die Feen zurückgekommen? Gibt es jeden Abend Gesellschaftstänze und eine Kanne Kakao auf jedem Tisch? Wenn du nicht sprechen kannst, ist es in Ordnung, aber wenn du es kannst, so sprich! Sprechen macht riesigen Spaß, wenn man gute Laune hat. Und ich hab gute Laune! Und wie, Vogel. Bessere Laune kann man gar nicht haben.» September lachte zum dritten Mal. Nachdem sie so lange für sich gewesen war und ihre Geheimnisse still gehütet hatte, sprudelten die Worte aus ihr heraus wie kühler goldener Champagner.

Aber da blieb ihr das Lachen im Hals stecken. Vielleicht hätte niemand anders es so schnell sehen oder darüber so erschrecken können, aber sie lebte selbst schon so lange damit.

Der Vogel hatte keinen Schatten.

Er legte den Kopf schräg, und falls er sprechen konnte, zog er es vor, den Schnabel zu halten. Er hüpfte davon, um zwei oder drei Glaswürmer zu jagen. September schaute über die eisigen Wiesen, über die Hänge, auf die Pilze und Blumen. Ihr Magen drehte sich um und versteckte sich unter den Rippen.

Nichts hatte einen Schatten. Weder die Bäume noch das Gras, noch die anderen Vögel mit der schönen grünen Brust, die sie immer noch beobachteten und sich fragten, was los war.

Ein gläsernes Blatt fiel herab und segelte zu Boden, ohne einen Schatten zu werfen.

Die niedrige kleine Mauer, über die September gestolpert war, ging weiter, als sie in beide Richtungen schauen konnte. Aus jeder Ritze der dunklen Oberfläche ragte blassblaues Moos heraus wie unbändige Haare. Die tiefblauen Glassteine glänzten. Sie waren von Adern aus weißem Kristall durchzogen. Der Spiegelwald übergoss sie mit verdoppeltem und verdreifachtem Licht, kleinen Regenbögen und langen blutorangenen Strahlen. Mehrmals machte September die Augen zu und wieder auf, nur um sich zu vergewissern, dass sie wirklich wieder im Feenland war, dass sie nicht nach dem Sturz bewusstlos gewesen war. Und noch ein letztes Mal, um sich zu vergewissern, dass es wirklich keine Schatten gab. Sie stieß einen langen Teekesselseufzer aus. Ihre Wangen glühten rosig wie die Vögel über ihr und die Blätter an den kleinen gläsernen Ahornbäumen.

Und obwohl sich die Ahnung, dass etwas nicht stimmte, im ganzen Wald ausbreitete, fühlte September sich doch voll, warm und froh. Immer wieder strichen ihre Gedanken über die wundervollen Worte wie über einen glatten, glänzenden Stein: Ich bin hier, ich bin zu Hause, keiner hat mich vergessen, und ich bin noch nicht achtzig.

Plötzlich drehte sie sich um und suchte A-bis-L, Samstag, Schimmer und den Grünen Wind. Bestimmt hatten sie schon gehört, dass September wieder da war, und wollten sie treffen, mit einem großen Picknick, Neuigkeiten und alten Witzen. Doch bis auf die rosigen Vögel, die neugierig das laute Etwas anstarrten, das auf einmal Platz in ihrem Wald einnahm, und ein paar längliche gelbe Wolken am Himmel war sie allein.

«Tja», sagte September verlegen zu den Vögeln, «es wäre wohl zu viel verlangt, dass alle meine Freunde sich hier wie zu einer Teegesellschaft versammelt hätten und auf mich warteten!» Ein großer Vogel pfiff und wackelte mit den prächtigen Schwanzfedern. «Da hat es mich wohl in eine aufregende abgelegene Provinz des Feenlandes verschlagen, und ich muss meinen Weg ganz allein finden. Der Zug bringt uns eben nicht bis zur Haustür! Manchmal brauchen wir eine freundliche Seele, die uns mitnimmt.» Ein kleinerer Vogel mit einem schwarzen Fleck auf der Brust guckte zweifelnd.

September dachte daran, dass Pandämonium, die Hauptstadt des Feenlandes, nicht an einem Ort blieb. Sie war mal hier und mal dort, damit jeder, der sie suchte, sie auch finden konnte. September brauchte sich bloß aufzuführen wie eine Heldin, tapfer und treu auszusehen, stolz etwas zu schwingen, dann fand sie sich gewiss schon bald in einer der herrlichen Wannen des Golem-Mädchens Lug wieder, das sie waschen und stadtfein machen würde. A-bis-L wohnte bestimmt in Pandämonium, wo er glücklich für seinen Großvater arbeitete, die Stadtbibliothek vom Feenland. Samstag besuchte sicher jeden Sommer seine Großmutter, den Ozean, und war ansonsten genau wie September mit dem Großwerden beschäftigt. Darüber machte sie sich keine Sorgen. Bald waren sie wieder zusammen. Dann würden sie herausfinden, was mit den Schatten des Waldes passiert war, und rechtzeitig zum Abendessen kriegten sie das wieder hin, genau wie Septembers Mutter Mr. Alberts ächzendes, keuchendes Auto immer wieder hinkriegte.

Mit geradem Rücken machte September sich auf den Weg, ihr Geburtstagskleid kräuselte sich im Wind. Das Kleid hatte ihrer Mutter gehört, und die hatte es gnadenlos abgenäht und gesäumt, bis es September passte. Es war von einem schönen, hellen Rot, das man fast Orange nennen konnte, was September auch tat. Sie leuchtete regelrecht in dem blassen Wald aus Glas, eine kleine Flamme, die zwischen durchsichtigen Baumstämmen über das weiße Gras lief. Ohne Schatten schien das Licht überallhin zu gelangen. Der Waldboden war so hell, dass September blinzeln musste. Doch als die Sonne wie ein scharlachrotes Gewicht am Himmel versank, wurde es kalt im Wald, und die Bäume verloren ihre eindrucksvollen Farben. Während die Sterne und der Mond aufgingen, wurde die Welt um September herum silberblau, und sie lief tapfer und beherzt weiter, ohne jedoch nach Pandämonium zu gelangen.

Aber das Seifenmädchen hat die Marquess geliebt, dachte September. Und die Marquess ist nicht mehr. Ich habe gesehen, wie sie in einen tiefen Schlaf fiel, der Panther der rauen Stürme hat sie fortgetragen. Vielleicht gibt es keine Wannen mehr, in denen der Mut gewaschen wird. Vielleicht gibt es auch Lug nicht mehr. Vielleicht ist Pandämonium jetzt immer an ein und derselben Stelle. Wer weiß, was im Feenland geschehen ist, während ich Algebra gelernt und die Sonntage am Kamin verbracht habe?

September schaute sich nach den rosafarbenen Vögeln um, die sie sehr gern hatte, weil sie ihr als Einzige Gesellschaft leisteten, aber sie waren zu ihren Nestern geflogen. Sie lauschte angestrengt auf Eulen, doch kein Ruf durchbrach die Stille des Abends. Milchiges Mondlicht strömte durch die gläsernen Eichen, Ulmen und Kiefern.

«Ich werde die Nacht wohl hier verbringen müssen.» September seufzte und schauderte, denn ihr Geburtstagskleid war für den Frühling gemacht und nicht für eine Übernachtung auf kaltem Boden. Aber jetzt war sie älter als bei ihrer ersten Ankunft an der Küste des Feenlandes und richtete sich klaglos auf die Nacht ein. Ein ebenmäßiges Grasfleckchen, von einem freundlichen Zaun aus gläsernen Birken umgeben und von drei Seiten geschützt, erklärte sie zu ihrem Bett. Sie sammelte kleine Glasstöckchen und häufte sie aufeinander. Das zitronenduftige Gras darunter kratzte sie größtenteils weg. Blauschwarze Erde kam zum Vorschein, die frisch und satt roch. September schälte gläserne Rinde ab und lehnte die gekräuselten Schalen so an die Stöcke, dass sie eine kleine Pyramide aus Glas bildeten. Sie drückte trockenes Gras hinein und war mit dem Ergebnis ganz zufrieden – wenn sie nur Streichhölzer gehabt hätte. September hatte von Cowboys und anderen interessanten Leuten gelesen, die Feuer mit zwei Steinen machen konnten – wenngleich sie bezweifelte, dass sie alle nötigen Informationen hatte. Dennoch suchte sie sich zwei glatte dunkle Steine, nicht aus Glas, sondern aus ehrlichem Gestein, und schlug sie fest aneinander. Es gab ein fürchterliches Geräusch wie ein knackender Knochen, das durch den ganzen Wald hallte. September versuchte es erneut, und wieder gab es nur ein lautes Krachen, das in ihren Händen vibrierte. Beim dritten Versuch schlug sie daneben und quetschte sich einen Finger. Sie saugte daran, um den Schmerz zu lindern. Der Gedanke, dass Feuermachen immer schon ein Problem der Menschheit gewesen ist, half ihr auch nicht weiter. Das hier war kein Menschenort – ließ sich hier kein Strauch finden, an dem schöne dicke Pfeifen wuchsen, oder Streichholzblumen oder, noch besser, eine Zauberin, die mit einer Handbewegung ein knisterndes Feuer entfachen könnte, gern noch mit einem Topf Suppe darauf?

Während September noch mit ihrem Finger beschäftigt war, schaute sie durch den dünnen Nebel und sah in der Ferne, irgendwo zwischen den Bäumen, etwas in der Nacht glühen. Ein Flackern, rot und orange.

Da war ein Feuer, ja, gar nicht so weit weg!

«Ist da jemand?», rief September. Ihre Stimme klang dünn in dem gläsernen Wald.

Nach einer langen Weile kam eine Antwort. «Jemand, vielleicht.»

«Ich sehe, dass du etwas Rotes und Orangenes und Flammiges hast, und wenn du so freundlich wärst, mir etwas davon abzugeben, könnte ich mich warm halten und Abendessen kochen, falls ich hier etwas zu essen finde.»

«Dann bist du ein Jäger?», sagte die Stimme, und so viel Angst und Hoffnung, Verlangen und Hass lagen darin, wie September es nie zuvor gehört hatte.

«Nein, nein!», beeilte sie sich zu sagen. «Na ja, einmal habe ich einen Fisch getötet, also bin ich vielleicht ein Fischer. Aber jemanden, der ein einziges Brot im Leben gebacken hat, würde man ja auch nicht als Bäcker bezeichnen! Ich dachte nur, ich könnte vielleicht einen Eintopf aus Glaskartoffeln oder Glasbohnen oder Äpfel kochen, wenn ich zufällig so was finde, was ein großes Glück wäre. Ich könnte ein großes Blatt als Kochtopf nehmen. Wenn ich ganz vorsichtig bin, hält es vielleicht, es ist ja aus Glas.» September war stolz auf ihren Erfindungsreichtum – einige Sachen fehlten zwar, zum Beispiel Kartoffeln, Bohnen und Äpfel, aber der Plan selbst saß fest in ihrem Kopf. Das Feuer war das Allerwichtigste, mit dem Feuer würde sie dem Wald beweisen, was in ihr steckte.

Das rote Glühen kam immer näher, bis September erkannte, dass es in Wirklichkeit nur ein kleines Stückchen Kohle in einer Pfeife mit einem sehr großen Pfeifenkopf war. Die Pfeife war zwischen die Zähne eines Mädchens geklemmt. Das Mädchen hatte weiße Haare, weiß wie das Gras, die im Mondlicht silberblau wirkten. Ihre Augen waren groß und dunkel. Ihre Kleider bestanden aus weichem blassen Fell und Glasrinde, dazu trug sie als Gürtel eine Kette aus ungeschliffenen violetten Steinen. In den Augen des Mädchens stand große Sorge geschrieben.

Zwischen ihren blassen Haaren entsprang ein kurzes weiches Geweih, und ähnlich wie bei einem Reh standen zwei lange, weiche schwarze Ohren hervor, die innen sauber und lavendelfarben glänzten. Das Mädchen schaute September in aller Seelenruhe an, und ihr weiches Gesicht nahm einen argwöhnischen, gequälten Zug an. Sie zog kräftig an ihrer Pfeife. Die leuchtete rot, orange, dann wieder rot.

«Heiße Taiga», sagte sie schließlich, klemmte die Pfeife zwischen die Zähne und streckte eine Hand aus. Sie trug einen flachsfarbenen Handschuh mit abgeschnittenen Fingern. «Vergiss das Gemurkse da.» Das merkwürdige Mädchen nickte zu den einsamen Teilen von Septembers Lager. «Komm mit mir zum Hügel, da kriegst du was zu essen.» 

September sah wohl gekränkt aus, denn Taiga fügte schnell hinzu: «Oh, das wäre bestimmt ein gutes Feuer geworden, das sieht man gleich. Absolut fachmännisch. Aber so tief im Wald findest du nichts Essbares, und hier sind überall Jäger, die nur darauf aus sind … sich eine Ehefrau zu schießen, wenn du mir das Schimpfwort verzeihst.»

September kannte eine ganze Menge Schimpfwörter. Die meisten hatte sie die Mädchen auf den Schulklos sagen hören, im Flüsterton, als könnten die Wörter etwas auslösen, wenn man sie nur aussprach, als wären sie Zauberwörter und müssten auch so behandelt werden. Aber das Rehmädchen hatte keines dieser Schimpfwörter benutzt.

«Schimpfwort? Meinst du Jäger?» Das kam ihr noch am wahrscheinlichsten vor, denn bei dem Wort hatte Taiga das Gesicht verzogen, als könnte sie es nur unter Schmerzen aussprechen.

«Nee», sagte Taiga und kickte mit einem Stiefel Dreck weg. «Ich meine Ehefrau.»

Kapitel IIIDas Rentier vom Mondtraubenhügel

Worin September über das Problem der Ehe nachdenkt, lernt, wie man zum Mond reist, Feenessen isst (schon wieder), Radio hört und beschließt, das Feenland so gut es geht zu reparieren

September umfasste ihre Ellbogen. Taiga und sie gingen jetzt schon eine ganze Weile schweigend nebeneinander her. Die Sterne bewegten sich in ihrem funkelnden Zug der Morgendämmerung entgegen. September hätte gern geredet – die Worte brodelten in ihr wie Suppe in einem Topf, den jemand nachlässig auf dem Herd stehen gelassen hat. Sie wollte fragen, was sich seit ihrem Fortgehen im Feenland zugetragen hatte. Und wo sie sich im Verhältnis zu den Herbstprovinzen und dem Einsamen Kerker befand – nördlich, südlich? Hundert Meilen entfernt oder tausend? Und am liebsten hätte sie die Arme um das Rehmädchen geschlungen, das so offensichtlich magisch war, so eindeutig feenhaft, und lachend gerufen: Weißt du, wer ich bin? Ich habe das Feenland gerettet!

September errötete in der Dunkelheit. Es kam ihr auf einmal unmöglich vor, so etwas zu sagen, und sie nahm es zurück, ohne es überhaupt ausgesprochen zu haben. Während das Land hügeliger wurde und sich zu den Glasbäumen Freunde aus festem, ehrlichem Holz in Schwarz und Weiß gesellten, lief Taiga immer weiter. Sie sagte nichts, das tat sie jedoch so deutlich, ernst und wohlüberlegt, dass September ebenfalls schwieg.

Schließlich krümmte sich die Wiese zu einem Hügel, der so aussah, als läge ein Elefant darunter begraben, und nicht eben ein kleiner. Überall auf dem Hügel wuchsen Reben mit großen, glänzenden Früchten daran. September konnte nicht erkennen, welche Farbe sie tagsüber haben mochten – im Moment schimmerten sie blauweiß.

«Na komm, probier eine», sagte Taiga, und zum ersten Mal lächelte sie. September kannte dieses Lächeln. Es war das Lächeln einer Bäuerin, die weiß, dass ihre Früchte so köstlich sind, dass sie beim Wettbewerb der Landwirte sämtliche Preise abräumen werden, doch die gute Erziehung verlangt, dass sie nicht damit prahlt. «Die besten Mondtrauben östlich von Asphodel, und lass dir nichts anderes erzählen. Morgen früh sind sie weg, also iss sie, solange reife da sind.»

September kroch den Hügel ein Stück hinauf und nahm eine kleine Traube, denn sie wollte ja nicht gierig erscheinen. Sie barg sie in ihrem Rock und machte sich an den Abstieg – doch Taiga rannte los und sauste an ihr vorbei bis zum Gipfel. Sie vollführte einen hohen Sprung, drehte sich in der Luft um und sauste dann geradewegs hinab in die Erde.

«Oh!», rief September.

Ihr blieb gar nichts anderes übrig, als Taiga auf den Hügel zu folgen. Rechts und links von ihr wuchsen riesige leuchtende Mondtrauben. Reben aus Glas schlängelten sich überall und brachten ihre Füße zum Stolpern. Als September auf dem Gipfel ankam, sah sie, wohin das Rehmädchen verschwunden war. Jemand hatte oben ein Loch in den Hügel gegraben, ein zerklüftetes, dunkles Loch, in dem einige Wurzeln, Steine und Gras zu sehen waren. September schätzte, dass es groß genug für ein Mädchen war, wenn auch nicht für einen Mann.

Zwar hätte sie gern einen Salto gemacht und wäre mit dem Kopf voran elegant hineingesprungen wie eine Turnerin, doch sie wusste nicht, wie das ging. Sie sehnte sich danach zu spüren, wie ihr Körper sich in der Luft drehte. Ihr neues, kopfloses Herz sagte: Kein Problem! Das schaffen wir mit links! Doch ihre vernünftigen Beine wollten nicht gehorchen. Stattdessen steckte September die blasse Frucht in die Tasche ihres Kleides, legte sich auf den Bauch und zwängte sich rückwärts in die Öffnung. Ihre nackten Beine baumelten im Innern des Hügels. September kniff die Augen zu, krallte sich bis zum letzten Moment im Gras fest – und sauste dann mit einem leicht schmatzenden, saugenden Geräusch hindurch.

Sie fiel etwa einen halben Meter tief.

Sie machte die Augen auf, erst das eine, dann das andere. Sie stand auf einem hohen Bücherregal, darunter befand sich ein kleineres Bücherregal, darunter ein noch kleineres, und noch eins und noch eins, ein hübsch gewundenes Büchertreppchen, das von der Kathedralendecke des Mondtraubenhügels herabführte. Unten unterbrachen mehrere Mädchen und Jungen wie Taiga ihre Arbeit, um den Neuankömmling zu betrachten. Einige webten große Decken aus Flechten. Andere kochten aus Mondtraubenreben eine dicke Suppe, die eigenartig, aber gar nicht übel roch. Wieder andere waren mit der Brille auf der Nase in die Buchhaltung vertieft. Manche füllten Öl in hübsche Lämpchen nach, manche ruhten sich aus und bliesen Pfeifenrauch in die Luft. Es sah so gemütlich aus, dass September, deren Füße und Finger immer noch vor Kälte kribbelten, ganz überwältigt war. In allen Ecken war irgendwas, was einem Haus Leben verlieh: Bilder an den Wänden, Teppiche auf dem Boden, eine Anrichte mit Porzellan und ein dick gepolsterter Sessel, der zu nichts passen wollte. Alle Kinder hatten zierliche nackte Füße.

«Ich muss sagen, Türen sind schon praktischer.» Lachend stieg September hinunter. «Sie sind auch gar nicht so schwer zu bauen. Es braucht nicht viel mehr als ein Scharnier und eine Klinke.»

Taiga reichte September eine Hand und half ihr vom letzten Regal herunter.

«Türen können aber auch von Jägern benutzt werden. So sind wir in Sicherheit.»

«Du redest immer von Jägern! Auf dem Weg hierher haben wir keinen einzigen getroffen und, ehrlich gesagt, kann ich mir nicht vorstellen, dass jemand Jagd auf Mädchen machen würde! Mädchen geben weder besonders leckeren Braten noch Mäntel ab.»

«Sie wollen uns nicht töten», sagte Taiga düster. «Sie wollen uns heiraten. Wir sind Hreinn.»

September biss sich auf die Lippe. Zu Hause war sie daran gewöhnt, Dinge zu wissen, die sonst niemand wusste. Das war ein gutes Gefühl. Fast so gut, wie wenn man ein Geheimnis hatte. Jetzt war sie wieder im Land des ständigen Unwissens.

Taiga seufzte. Sie zog Stiefel, Handschuhe und Mantel aus und legte alles ordentlich auf den unpassenden Sessel. Sie holte tief Luft und zupfte dann an einem ihrer Rehohren. Ihr ganzer Körper entrollte sich, als würde eine Jalousie hochgezogen – und jetzt stand kein Mädchen mehr vor September, sondern ein kleines Rentier mit schwarzem Fell und weißen Flecken auf der Stirn, einer großen feuchten Nase und einem schweren, flauschigen Geweih. Sie war etwas kleiner, als September sich ein Rentier vorgestellt hatte – groß genug, um ihr in die Augen zu schauen, aber nicht so groß, dass sie Angst bekommen hätte. Doch Taiga war nicht kuschelig oder niedlich wie ein Weihnachtsrentier in einer Zeitschrift – unter ihrer Haut bewegten sich Muskeln, und alles an ihrer schlanken, anmutigen Gestalt sprach von Kraft, Schnelligkeit und einer wilden Lust am Zubeißen. Taiga wandte den Kopf, nahm ein Ohr zwischen die Zähne und zerrte daran, und da rollte sich ihr geschmeidiges Rentier-Ich ab, bis es wie eine dunkle Pfütze dalag. Jetzt stand wieder das Mädchen mit den weißen Haaren und den schwarzen Ohren vor September.

Langsam hob Taiga die Pfütze auf. Sie war schwarz und pelzig. Liebevoll hielt sie das Etwas.

«Das ist meine Haut», flüsterte Taiga. «Wenn wir in Menschengestalt sind, haben wir immer noch dieses kleine Stückchen Rentier. Wir sind keine gewöhnlichen Hirsche. Hirsche sind Klatschmäuler, Possenreißer und Langfinger. Wir sind Rentiere. Hreinn. Rentiere sind nicht von hier, musst du wissen. Wir kommen vom Himmel – unser Mutterland ist der Mond.»

«Aber auf dem Mond kann doch niemand wohnen!», sagte September. «Da ist es zu kalt, und es gibt keine Luft. Ich bin in der Astronomie-AG bei Miss Gilbert, und sie hat uns das ganz genau erklärt.»

«Dann tut es mir leid, dass ihr so einen Mond habt – was für ein armer, trauriger Planet! Wir werden beim Abendessen aus Respekt ein Gedeck für ihn auftragen. Unser Mond ist reich und lebendig. Reisfelder und Mondtrauben, so weit das Auge reicht. Und Hreinn wie Moossporen, so viele und so weit verstreut. Und alle Arten Jäger – Feen, Satyrn, Blauherzen, Eiskobolde. Einst bot der Mond genug für uns alle. In unseren Rentierkörpern konnten wir wegrennen und uns vor Pelzhändlern und hungrigen Bogenschützen verstecken. Das war gut. So spielt der Mond seine Karten aus – er ist hart und wild. Wir essen, und sie essen. Werde schnell groß und schlau, das war unser Wiegenlied. Entwischst du heute dem Topf des Jägers, kannst du morgen deinen eigenen Tisch decken. Doch als die Jäger einmal gesehen haben, wie wir uns verwandeln, kannten sie unser Geheimnis und wollten mehr als nur Eintopf. Sie raubten unsere Häute und versteckten sie, und wenn einer deine Haut hat, musst du bei ihm bleiben, für ihn kochen und putzen und ihm Kitze gebären, bis er alt wird und stirbt. Und manchmal findest du deine Haut dann immer noch nicht wieder und musst die Hütte abbrennen, um sie schwebend aus der Asche zu fangen. Die ganze Landstraße runter bis ins Feenland haben sie uns gejagt. Runter vom Himmel und in den Wald, und sogar hier noch verstecken wir uns vor ihnen.»

«Jetzt kocht und putzt ihr doch auch», sagte September schüchtern. Ein Hreinnjunge schaute von dem Teig auf, den er knetete, Mehlstaub an den spitzen Ohren. September fielen die Selkies ein, über die sie eines Nachmittags gelesen hatte, als sie sich eigentlich mit dem Durchmesser und Umfang von Kreisen beschäftigen sollte: wunderschöne Robben mit geflecktem Fell waren das, die sich in Frauen verwandeln und an Land leben können. Sie stellte sich eine Landstraße zum Mond vor, die von Straßenlaternen wie Perlen gesäumt war. Es war so schrecklich schön, dass ihre Hände ein wenig zitterten.

«Wir kochen für uns selbst. Und putzen, um uns an dem glänzenden Fußboden zu erfreuen», sagte Taiga barsch. «Das ist was anderes. Wenn du ein Haus schön und stark machst, weil es dein Haus ist, ein Zuhause, das du geschaffen hast und auf das du stolz bist, ist das nicht dasselbe, als wenn du es für jemand anderen zum Glänzen bringst, der dir das befohlen hat. Ein Jäger will sein Rentier essen, genau wie immer. Aber hier im Hügel sind wir in Sicherheit. Wir züchten Mondtrauben, und sie nähren uns; wir lieben den Wald, und auf seine raue Weise liebt er uns ebenfalls – Glas glänzt, aber es schneidet auch, und man kann es nicht bitten, das eine zu tun und das andere zu lassen. Wir kümmern uns um unsere eigenen Angelegenheiten und gehen nur nach Asphodel, wenn wir neuen Lesestoff brauchen. Oder wenn ein Fremder so laut herumtrampelt, dass jemand nachschauen muss, woher der Lärm kommt.»

September lächelte entschuldigend. «Das war wohl ich. Ich bin gerade erst im Feenland angekommen, und es ist schwierig, leise hierherzureisen.» Schnell verbesserte sie sich, damit sie nicht dachten, sie wäre ein unwissender Niemand. «Ich war schon mal hier, in Pandämonium und sogar noch weiter. Aber ich musste zurück nach Hause, und jetzt bin ich wieder hier. Ich möchte euch keine Umstände machen, ich kann bei mir zu Haue ganz gut den Fußboden putzen, auch wenn ich darüber meckere. Aber ich glaube, ich würde sogar meckern, wenn es mein eigenes Häuschen wäre und nicht das meiner Eltern, denn ich würde immer lieber lesen und nachdenken als die Holzpolitur benutzen, die wirklich scheußlich riecht. Ich will einzig und allein wissen, wo ich bin – ich bin kein Jäger, und heiraten will ich noch lange nicht. Da, wo ich herkomme, behandelt ein Mann die Frau freundlich, die er heiraten will, er wirbt um sie und fragt sie, statt sie gefangen zu nehmen.»

Taiga kratzte sich an der Wange. «Willst du damit sagen, es gibt keine Verfolger und keine Verfolgten? Dass eine Vaia heiraten kann, wen sie will, und sich keiner bei Nacht auf sie stürzt, um sie zu erwählen? Dass sie sogar allein leben könnte, wenn sie wollte, ohne schief angesehen zu werden?»

September nagte an dem Inneren ihrer Lippe. Sie dachte an Miss Gilbert, die Französisch unterrichtete und die Astronomie-AG leitete, und an den Skandal, den es gegeben hatte, als sie mit dem Mathelehrer Mr. Henderson durchbrennen wollte. Die Hendersons hatten eine Menge Geld und große Häuser und Autos, und er unterrichtete nur deshalb Mathe, weil er so gern rechnete. Mr. Hendersons Familie hatte die Heirat verboten. Sie hatten für ihn ein Mädchen mit wunderschönen roten Haaren in St. Louis aufgetrieben und den beiden gesagt, sie sollten sich ans Heiraten machen. Miss Gilbert war untröstlich gewesen, aber den Hendersons widersprach man nicht, und so wurde die Astronomie-AG