Die zehn Stufen - Vom Haben zum Sein - Ben D. Schwandt - E-Book

Die zehn Stufen - Vom Haben zum Sein E-Book

Ben D. Schwandt

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Beschreibung

Stell Dir eine Welt vor ohne Geld, ohne Gier, eine Welt in der Dein Engagement zählt - nicht Dein Kontostand. In "Die Zehn Stufen" entwirft Ben D. Schwandt einen radikal neuen Gesellschaftsentwurf: Menschen steigen nicht durch Besitz auf, sondern durch Mitgefühl, Fleiß und Verantwortung. Ein intelligentes Punktesystem ersetzt Geld, sichert Gerechtigkeit und belohnt Menschlichkeit. Gewalt, Korruption und Ausgrenzung gehören der Vergangenheit an. Dieser Roman ist nicht nur eine fesselnde Geschichte - sondern ein möglicher Bauplan für die Zukunft.

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Seitenzahl: 135

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Die zehn Stufen - Vom Haben zum Sein – Anleitung für eine bessere Welt

Ein Roman von

Ben D. Schwandt

Inspiriert durch DROR

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Kapitel 1: Der Nebel der alten Welt

Die Stadt war grau. Grau wie der Atem eines müden Riesen, der nie ganz erwacht war. Die Gebäude ragten wie Betonstümpfe in den Himmel, und dazwischen irrten Menschen umher, als suchten sie nach einem verlorenen Traum. Inmitten dieses Nebels bewegte sich Elyas. Mit einem leichten Rucksack, festen Schritten und dem Blick nach vorn.

Er hatte lange gezögert. Die Entscheidung, alles hinter sich zu lassen, fiel keinem leicht. Aber irgendetwas in ihm hatte schon immer gewusst: So konnte es nicht weitergehen. Die alte Welt war am Ende. Es gab keinen Platz mehr für Gier, Krieg und das ständige Streben nach mehr.

Die Einladung kam unerwartet. Kein Brief, keine Behörde – nur ein Licht, das eines Tages an seiner Haustür flackerte. Ein warmes, lebendiges Licht. Und darunter ein Symbol: zehn konzentrische Kreise, mit einer Linie, die von außen nach innen führte. Niemand hatte es ihm erklärt. Aber Elyas verstand. Es war der Ruf. Der erste Schritt in eine neue Welt.

Kapitel 2: Die Einladung

Elyas saß am Fenster seines kleinen Zimmers und starrte in den dunstigen Himmel, der über den Außenbezirken der alten Welt hing. Die Mauern waren dünn, die Luft stickig, und draußen bellte ein Hund im Nebel. Er hatte die Einladung seit Tagen auf dem Tisch liegen, aber sie war wie ein Rätsel, das er nicht zu lösen wagte.

Ein schlichtes weißes Blatt. Kein Absender. Nur ein Satz:

„Wenn du bereit bist, deine Welt zu verlassen, folge dem Licht.“

Er hatte das Armband bekommen – ein einfaches, graues Band aus leichtem, fast hautfarbenem Material. Es war mehr als ein Schmuckstück. Seit er es trug, schien die Stadt sich zu verändern. Türen öffneten sich, Menschen blickten ihn anders an. Und irgendwo tief in ihm begann sich etwas zu regen, das er lange verloren geglaubt hatte: Hoffnung. Am Morgen dieses Tages war die Stadt in Aufruhr. Wieder hatte es Auseinandersetzungen gegeben. Die Nachrichten sprachen von Streiks, von Hungerrevolten in den Bezirken jenseits der Mauer. Elyas hörte die Worte nicht mehr. Er spürte nur noch das Dröhnen der Welt, die ihn festhielt wie mit eisernen Ketten.

„Ich gehe“, sagte er leise.

Seine Schwester Mira sah auf. Sie saß am Boden, ein Notizbuch auf den Knien, und malte. Immer malte sie. Farben, die sie nur im Kopf kannte. „Gehst du wirklich?“ „Ich muss“, sagte Elyas. „Wenn das hier wirklich der Ausstieg ist… dann will ich wissen, was dahinter liegt.“

Mira nickte. Keine Träne, kein Widerstand. Sie wusste, dass ihr Bruder anders war. Immer schon. Der, der Fragen stellte, wenn alle anderen schwiegen.

Er trat hinaus. Vor dem Haus brannte ein kleines Licht – kaum mehr als ein Schimmer. Doch als er sich ihm näherte, wurde es heller. Er hörte das Armband summen, wie ein Herzschlag. Der Weg war vorgezeichnet – nicht mit Worten, sondern mit Vertrauen.

Elyas trat ein in die erste Stufe der neuen Welt.

Und er war nicht allein.

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Kapitel 3: Der Ruf der Veränderung

Der Morgen dämmerte in weichen Goldtönen über die noch junge Siedlung am Rande des

ehemaligen Industriegebiets. Zwischen neu bepflanzten Alleen und solarbetriebenen

Mobilstationen wirkte der Himmel beinahe zu schön, um echt zu sein – ein Bild von Hoffnung,

das über einer Welt lag, die sich neu erfand.

Elyas stand auf dem Balkon des Gemeinschaftshauses der Stufe Eins. Sein Blick schweifte

über die Stadt, in der noch so vieles unfertig war – aber auch so vieles neu entstand. Hinter

ihm summte leise sein Armband, das ihn daran erinnerte, dass heute der Tag seiner ersten

Bewertung war. Ein Moment, den viele fürchteten, aber auf den Elyas seit Wochen

hingearbeitet hatte.

Mira, seine Mitbewohnerin, trat zu ihm. „Bereit?“, fragte sie mit einem Lächeln, das zwischen

Aufregung und stiller Zuversicht schwankte. Elyas nickte. Er war bereit – nicht weil er sicher

war, sondern weil er wusste, dass diese Welt nicht die Fehler der alten wiederholen durfte.

Hier zählte nicht, was man besaß, sondern was man beitrug. Und Elyas wollte beitragen.

Unten auf dem Platz versammelten sich schon andere. Die KI-gesteuerte Verwaltung hatte

die Reihenfolge festgelegt, und Elyas war unter den ersten zehn. Ein Ältester winkte ihn

freundlich heran, während ein leiser Ton aus seinem Armband signalisierte, dass seine Zeit

gekommen war.

„Elyas, Sohn der neuen Ordnung“, sagte der Älteste mit ruhiger Stimme, „heute wirst du

gehört. Erzähle uns von deinem Weg.“

Und Elyas begann zu sprechen. Von seiner Entscheidung, sich freiwillig um traumatisierte

Neuankömmlinge zu kümmern. Von den Gesprächen mit Rafi, dem stummen Jungen aus der

alten Welt. Von Ada, die ihre Stimme wiederfand, als sie zum ersten Mal ein Beet bepflanzte.

Von Tayo, der ihm zeigte, was echte Geduld bedeutet.

Die Menschen lauschten – und die KI hörte mit. Nicht, um zu richten, sondern um zu

verstehen. Elyas’ Worte waren keine Bewerbung. Sie waren ein Zeugnis. Und während er

sprach, wusste er: Dies war nur der Anfang.

Kapitel 4 – Lichtungen und Schatte

Mira saß allein auf der Holzplattform am Rand des kleinen Walddorfs. Die Sonne hing tief

über den Baumkronen und malte goldene Muster auf den Boden. In der Ferne hörte sie

Kinder lachen und das leise Surren eines Energierads, das sich in der Nähe der

Gemeinschaftswerkstatt drehte. Alles war friedlich – fast zu friedlich.

Seit Wochen spürte sie ein leises Unbehagen in sich. Nicht wegen der neuen Welt – die war

schön, gerecht, freundlich. Sondern wegen ihrer eigenen Unruhe, die sie sich nicht erklären

konnte. Früher hätte sie dafür Tabletten genommen oder sich abgelenkt. Jetzt aber hatte sie

Raum, sich selbst zu begegnen. Und das war nicht immer einfach.

Tayo gesellte sich zu ihr, barfuß wie immer. Er sagte nichts, setzte sich einfach neben sie.

Eine Weile schwiegen sie gemeinsam. Dann fragte er: „Denkst du manchmal an früher?“

Mira nickte. „Jeden Tag. Aber nicht mit Sehnsucht. Eher mit ... einer Mischung aus Wut und

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Staunen.“

„Ich auch“, sagte Tayo. „Und manchmal frag ich mich, ob wir uns das alles wirklich verdient

haben.“

Sie sah ihn an. „Wir alle sind hier, weil wir bereit waren, loszulassen. Vielleicht ist das schon

genug.“

Ein sanfter Wind zog durch die Bäume, als hätte er den Gedanken gehört. Und für einen

Moment fühlte sich Mira wieder ein Stück freier.

Am Horizont kündigte sich eine Versammlung an – das Lichtsignal über dem

Gemeinschaftszentrum wurde blau. Es war Zeit für Entscheidungen.

Kapitel 5 – Ankömmlinge

Am Morgen nach dem Gespräch mit Nari stand Elyas früh auf. Er fühlte sich auf merkwürdige

Weise wach – nicht nur körperlich, sondern innerlich. Etwas hatte sich verändert. Die Worte

der jungen Frau hallten noch in ihm nach, als er auf dem großen Platz an der zentralen Info-

Kuppel ankam. Die Sonne spiegelte sich auf der gläsernen Oberfläche, darunter pulsierte

Leben. Menschen flanierten, lachten, diskutierten. Es war keine Hektik, eher ein lebendiger

Strom.

Er trat an einen Terminal heran. Sein Armband summte leicht. "Elyas“, sagte eine warme,

synthetische Stimme, "du wurdest zur Orientierungssitzung für neue Ankömmlinge

eingeladen. Deine Teilnahme ist freiwillig."

Freiwillig. Das Wort klang neu. Kein Zwang, kein Drängen – nur ein Angebot. Elyas bestätigte

mit einem Nicken. Auf dem Display erschien der Ort: Pavillon der Stufen. Uhrzeit: in zwanzig

Minuten.

Er ging langsam dorthin. Der Pavillon war rund, von Bäumen umgeben, mit weichen

Sitzflächen und einem offenen Dach. Andere neu angekommene Menschen warteten dort,

darunter auch Mira. Sie winkte ihm. "Du hast auch zugesagt?", fragte sie. Elyas nickte.

Ein Mann mittleren Alters trat vor die Gruppe. Keine Uniform, kein Abzeichen. Nur ein

ruhiger Blick. "Willkommen. Ich heiße Jaro. Ich begleite euch heute. Es gibt viel zu

entdecken, und alles beginnt mit einer Entscheidung: Seid ihr bereit, euch selbst neu zu

begegnen?“

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Kapitel 6 – Die Prüfung

Elyas saß auf einer Holzbank unter dem offenen Dach des Bewertungszentrums. Der Wind spielte

mit seinem Haar, während die Sonne über dem Horizont aufstieg. Mira stand einige Schritte

entfernt und sprach mit einer Frau mittleren Alters, die einen hellblauen Umhang trug – das

Erkennungszeichen der Mentorinnen der ersten Stufe.

„Bist du bereit?“, fragte sie sanft, als sie sich ihm wieder näherte.

Elyas nickte. „Ich glaube schon. Was passiert jetzt genau?“

„Du wirst in den nächsten drei Tagen verschiedene Aufgaben erledigen“, erklärte Mira. „Es geht

nicht nur darum, ob du hilfst – sondern wie. Ob du dich einbringst, ob du zuhören kannst, ob du

Verantwortung übernimmst, ohne dich aufzudrängen. Es geht um Haltung, nicht um Heldenmut.“

Elyas atmete tief durch. Er erinnerte sich an sein altes Leben – den ständigen Druck, die

Konkurrenz, das Gefühl, nie zu genügen. Diese Welt war anders. Aber würde er ihren

Erwartungen gerecht werden?

Am Nachmittag begleitete er eine kleine Gruppe beim Wiederaufbau eines alten Gebäudes, das

nun als Begegnungszentrum dienen sollte. Während die anderen mit Werkzeug hantierten, sprach

Elyas mit einer älteren Frau, die dort täglich vorbeikam. Sie hieß Lale und hatte früher in einem

Flüchtlingslager gearbeitet. Ihre Geschichten berührten ihn – und veränderten etwas in ihm.

Am Abend schrieb er alles auf, was er erlebt hatte. Er merkte, dass es gar nicht darum ging,

perfekt zu sein. Sondern darum, echt zu sein. Lernfähig. Menschlich.

Die Prüfung hatte begonnen – und sie würde ihn mehr verändern, als er dachte.

Kapitel 7: Die erste Aufgabe

Der nächste Morgen war still und klar. Die Sonne kroch über den Horizont und warf goldenes

Licht über das weite Tal. Mira war bereits auf den Beinen, als Elyas aus dem Schlafhaus trat.

Auch Tayo und Ada kamen hinzu, noch etwas verschlafen, aber wachsam.

Heute würde jeder von ihnen seine erste Aufgabe erhalten – die erste Gelegenheit, sich in der

neuen Welt zu beweisen. Nicht durch Worte, sondern durch Taten. Es war kein Test, sondern ein

Schritt in Richtung Vertrauen.

Die KI hatte die Aufgaben zugeteilt. Jeder bekam etwas, das seinem inneren Wesen entsprach,

etwas, das forderte, aber nicht überforderte. Elyas sollte bei der Reparatur eines Wasserkanals

helfen. Tayo wurde einem kleinen Kind zugeteilt, das gerade neu angekommen war – ein

besonders sensibler Auftrag. Ada durfte im Heilgarten mitarbeiten. Und Mira sollte einen

Redekreis für Ankömmlinge leiten – sie hatte das Talent, Menschen zu öffnen.

Sie verabschiedeten sich mit kurzen Blicken. Es war nicht mehr nötig, viel zu reden. Jeder

wusste, was zu tun war. Und sie alle spürten: Die erste Aufgabe war nicht nur Arbeit. Sie war der

Beginn von etwas Größerem.

Kapitel 8 – Das Rätsel

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Kapitel 9 – Entscheidung am See

Am Ufer des Sees stand Mira mit nackten Füßen im Sand, die Morgensonne spiegelte sich auf der

Wasseroberfläche. Neben ihr saß Elyas, der einen flachen Stein über das Wasser hüpfen ließ. Sie

hatten zum ersten Mal einen Tag frei – nach Wochen intensiver Arbeit, Beobachtung und

Gespräche. Die Ruhe wirkte fast unwirklich.

„Weißt du, was mich beeindruckt hat?“, fragte Elyas. „Nicht die Häuser oder die Technik. Sondern

dass niemand hier Besitz braucht, um sich sicher zu fühlen.“ Mira nickte. „Und dass es trotzdem

Struktur gibt. Keine Anarchie, aber auch kein Zwang.“

Ein Signal ertönte von ihrem Armband. Eine Nachricht erschien: *„Beratungsteam lädt ein zur

freiwilligen Reflexion – heute um 14:00.“* Sie sahen sich an. Es war der Moment der

Entscheidung. Die Reflexion war keine Bewertung im alten Sinne. Es war ein Gespräch mit den

Ältesten über die eigene Haltung, die nächsten Schritte, das Leben.

„Gehst du hin?“, fragte Mira leise. Elyas atmete tief durch. „Wenn wir verstehen wollen, wie man

aufsteigt, müssen wir ehrlich sein. Auch mit uns selbst.“ Sie nahm seine Hand. Gemeinsam

gingen sie zurück, bereit für das, was kommen mochte.

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Kapitel 10 – Der Wert eines Tages

Die Sonne stand hoch über dem Tal, als Elyas an diesem Morgen erwachte. Noch lag Stufe 1 unter

dem feinen Dunst der Nacht, doch in der Luft lag die Energie eines beginnenden Tages voller

Möglichkeiten. In Stufe 1 war jeder Tag kostbar, weil er die Chance bot, über sich

hinauszuwachsen. Hier begann alles: der erste Dienst in der Gemeinschaftsküche, die erste

Schicht in der Solarfarm, das erste Gespräch mit einem Mentor.

Elyas wusste, dass sein Handeln heute zählte. Nicht, weil jemand ihm dabei zusah – sondern weil

er selbst für seine Entwicklung verantwortlich war. Es gab keinen Lohn, keinen Applaus, nur den

inneren Antrieb, sich ein Leben aufzubauen, das Sinn machte.

Im Gemeinschaftshaus sammelten sich die Neuankömmlinge. Einige waren noch unsicher,

andere blickten entschlossen nach vorn. Mira stand in der Mitte, hielt ein Glas Wasser in der

Hand und sprach leise, aber eindringlich: „Was wir heute tun, formt das Morgen. Jeder kleine

Beitrag zählt.“

Elyas half einem älteren Mann beim Tragen der Werkzeuge. Es war keine große Geste, aber der

Mann dankte ihm mit einem Lächeln, das Elyas tiefer berührte als jedes Lob, das er früher im

alten System je erhalten hatte.

Am Abend, als sie am Feuer saßen, schrieb Elyas in sein Armband-Tagebuch: „Heute war ein

guter Tag. Nicht, weil etwas Außergewöhnliches geschah – sondern weil ich mich nützlich fühlte.“

Und in diesem einen Satz lag der wahre Wert des neuen Lebens.

Kapitel 11 – Die Stunde der Wahrheit

Am dritten Morgen stand Rafi früh auf. Das Licht war noch weich, der Himmel ein zartes Grau mit

einem Hauch von Blau. Heute würde er zum ersten Mal seine Aufgabe im Gemeindekreis

übernehmen – nicht, weil er musste, sondern weil es ihn drängte, ein Teil des Ganzen zu sein.

Er war zugeteilt worden, gemeinsam mit Ada den Gemüsegarten der Gemeinschaft zu pflegen.

Der Gedanke daran hatte ihn zuerst überrascht – war das nicht eine Aufgabe für erfahrenere

Hände? Doch Mira hatte ihm erklärt: „Jeder Job ist wichtig. Und manchmal lernen wir mehr

durchs Tun als durchs Denken.“

Ada wartete bereits an der kleinen Hütte am Rand des Gartens. Sie lächelte, als sie ihn kommen

sah. „Bereit?“, fragte sie, und Rafi nickte.

Während sie zwischen Tomatenranken und Kräuterbeeten arbeiteten, sprach Ada kaum. Ihre

Ruhe wirkte ansteckend. Rafi begann, den Rhythmus der Natur zu spüren – das leise Plätschern

des Bewässerungssystems, das Summen der Insekten, das sanfte Knacken der Erde unter seinen

Fingern.

Am Ende des Vormittags setzten sie sich auf eine Bank und tranken Wasser. Rafi fühlte sich

erschöpft – aber nicht müde. Er fühlte sich gebraucht. Nicht als jemand, der etwas leisten muss,

sondern als jemand, der etwas beiträgt.

„Weißt du“, sagte Ada schließlich, „die Stunde der Wahrheit ist nicht irgendein Prüfungszeitpunkt.

Sie ist jeder Moment, in dem du entscheidest, ob du da bist. Wirklich da. Mit allem, was du bist.“

Rafi nickte. Er wusste nicht, ob er heute alles richtig gemacht hatte. Aber er war da gewesen. Und

das zählte.

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Kapitel 12 – Die nächste Stufe

Ein feiner Regen hatte die Wege bedeckt, als Elyas mit klopfendem Herzen den großen Platz

betrat. Er war nicht allein – Mira, Tayo, Rafi und Ada standen bereits dort. Auf ihren Armbändern

blinkte ein goldenes Symbol: eine stilisierte Spirale, die Einladung zur nächsten Stufe.

Ein leiser Gong hallte durch die Luft. Der Versammlungsraum öffnete sich und eine ruhige

Stimme bat sie hinein. Drinnen empfing sie eine Atmosphäre von Klarheit – keine Pracht, aber

eine fast heilige Einfachheit. In der Mitte stand ein älterer Mann in einem grauen Gewand, von

dem ein Gefühl tiefer Gelassenheit ausging.

„Willkommen“, sagte er. „Euer Verhalten wurde beobachtet. Nicht durch Kameras, sondern durch

euer tägliches Wirken, eure Entscheidungen, eure Haltung. Es geht nicht um Perfektion, sondern

um Entwicklung. Um eure Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen – für euch, für andere, für

das Ganze.“

Die jungen Menschen hörten gebannt zu. Die Regeln waren nicht starr. Jeder Aufstieg war

individuell. Aber immer war er verbunden mit innerem Wachstum – und mit dem Wunsch, der

Welt zu dienen, nicht sich über sie zu stellen.

„Der nächste Schritt liegt vor euch“, sagte der Mann schließlich. „Aber ihr müsst ihn selbst

gehen.“

Kapitel 13 – Der Schritt ins Vertrauen

Am nächsten Morgen stand Elyas früh auf. Die Sonne schien golden über die Dächer, und der

Geruch von frisch gebackenem Brot lag in der Luft. Heute war sein erster offizieller Tag als Teil

der Gemeinschaft. Er würde seine Aufgabe kennenlernen, und obwohl er aufgeregt war, war da

auch eine Ruhe in ihm, die er lange nicht gespürt hatte.

Beim Frühstück begegnete er Ada, die ihm ein freundliches Lächeln schenkte. „Bereit für den

nächsten Schritt?“, fragte sie und reichte ihm eine Tasse dampfenden Kräutertees. Elyas nickte.

Es fühlte sich an, als würde er nach und nach Schicht für Schicht ablegen, die ihn früher belastet

hatten.

Später begleitete ihn Tayo zu einem kleinen Atelier am Rand des Hangs, in dem Menschen

gemeinsam an Projekten arbeiteten. „Du wirst heute verschiedene Bereiche sehen – Handwerk,