Die zerstörende Kraft des geistlichen Missbrauchs - David Johnson - E-Book

Die zerstörende Kraft des geistlichen Missbrauchs E-Book

David Johnson

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Beschreibung

Um es gleich vorwegzunehmen: Dieses Buch richtet sich weder gegen das gesunde Ausüben von Autorität noch gegen grundsätzliche Unterordnung. Es prangert jedoch „geistlichen Missbrauch“ in jeglicher Form an. Als die Publikation 1991 in den USA erschien, gehörten Johnson & VanVonderen zu den ersten, die dieses brisante Thema öffentlich machten. Ihr Buch wurde zu einem Klassiker, der seither ungezählten Menschen geholfen hat. 18 Auflagen und Übersetzungen in viele Sprachen belegen das. Die Autoren lehren fachkundig und illustrieren ihre Ausführungen mit ungezählten praktischen Beispielen. Hier sind echte Seelsorger am Werk. Zuerst beschreiben Johnson & VanVonderen die verschiedenen Arten geistlichen Missbrauchs. Dann nehmen sie Menschen unter die Lupe, die solche Taten begehen. Ihr Buch schließt mit wertvollen Kapiteln über Heilung nach geistlichem Missbrauch. Darum sollten christliche Älteste, Leiter und Pastoren dieses Buch lesen, damit sie erkennen, wie schädlich es wirkt, wenn Christentum auf das Einhalten äußerer Verhaltensregeln reduziert wird. Missbrauchte Menschen sollten es lesen, damit sie realisieren, was mit ihnen geschehen ist und wie sie durch die Gnade Gottes wieder heil werden können. Schließlich sollten sich Eltern und Erzieher mit der Thematik befassen, denn auch in christlichen Häusern und Einrichtungen geschieht mancher fromm verbrämte Missbrauch.

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David Johnson und Jeff VanVonderen

Die zerstörende Kraft des geistlichen Missbrauchs

Christlicher Mediendienst Hünfeld GmbH Titel der Originalausgabe:

The Subtle Power of Spiritual Abuse

© 1991 by David Johnson und Jeff VanVonderen Published by Bethany House Publishers 6820 Auto Club Road Minneapolis, Minnesota 55438 © 2016 der deutschen Ausgabe by Christlicher Mediendienst Hünfeld GmbH (CMD) Christlicher Mediendienst Hünfeld GmbH – CMD Postfach 1322 D-36082 Hünfeld Tel: (0 66 52) 91 81 87 Fax: (0 66 52) 91 81 89 e-Mail: [email protected] Internet: www.mediendienst.org ISBN: 978–3–945973–01–1 ISBN des Buchs: 978–3–945973–00–4 Die Bibelstellen wurden der Einheitsübersetzung entnommen. Übersetzung: Eva Weyandt Redaktionelle Überarbeitung: Wilfried Plock, Hünfeld

Dieses Buch ist den müden und schwer beladenen, aber von Gott geliebten Menschen gewidmet, die aufgrund von geistlichem Missbrauch zu der Überzeugung gekommen sind, dass die Gute Nachricht zu einer schlechten geworden ist.

David Johnson ist seit mehr als zehn Jahren Pastor der Church of the Open Door (Gemeinde der offenen Tür) in Crystal, Minnesota. Unter seiner Führung ist die Gemeinde von einhundert Mitgliedern auf mehr als 5.000 angewachsen. Er hat am Bethel College studiert und eine theologische Ausbildung am Bethel Seminary und der Trinity Evangelieal Divinity Sehool absolviert. In Amerika ist er ein gefragter Prediger.

Jeff VanVonderen ist Autor verschiedener Bücher (u. a. »Familien – von Gott getragen«), hält Vorträge über Themen wie »Das Wohlergehen von Gemeinde und Familie«. Er ist Pastor und Familienberater der Church of the Open Door in Crystal, Minnesota. Außerdem ist er Direktor des Damaseus Inc., ein auf Familien ausgerichtetes Erholungszentrum, und lehrt am Bethel College.

DANK

Besonderer Dank von Jeff VanVonderen

An meine Mutter, Beverly VanVonderen Nyberg. Sie hat trotz ihres sehr strengen religiösen Umfelds an meinen persönlichen Kämpfen immer großen Anteil genommen und mich bedingungslos geliebt und angenommen.

Besonderer Dank von David Johnson

An meinen Vater, William Johnson, der mir durch sein Leben gezeigt hat, was Gnade ist, und mir den Weg zu Jesus als meiner einzigen Hoffnung gewiesen hat. Für mich ist er ein Vorbild in dem Bemühen, Gott den Menschen näherzubringen.

Meiner Frau Bonnie möchte ich danken, dass sie mich kennt und liebt, für ihre Geduld und Unterstützung in diesem Projekt.

Meinen Kindern Aundrea, Erica, Caleb und Kristopher, dass sie mich immer wieder »nach Hause« gebracht haben.

Anmerkung der Autoren

Wie Sie beim Lesen dieses Buches sicherlich bemerken werden, weisen wir immer wieder darauf hin, dass die Probleme und Themen, mit denen dieses Buch sich beschäftigt, mit Vorsicht zu behandeln sind. Bitte nehmen Sie diesen Hinweis ernst. Unser Ziel ist es, den Lesern – Opfern wie Tätern – zu helfen, geistliche Manipulation und falsche geistliche Autorität innerhalb einer Gemeinde zu erkennen und zu vermeiden.

Vielleicht werden einige von Ihnen, die Sie dieses Buch lesen, zum ersten Mal in der Lage sein, schmerzliche Gefühle zu erkennen, die tief in Ihnen verschlossen sind. Andere werden vielleicht Gefühle und Wahrnehmungen bestätigt finden, die Sie bereits seit langem erkannt haben, die Sie aber für abwegig und absurd gehalten haben. Machen Sie sich das bewusst. Sie können sich dem hingeben und brauchen nicht sofort zu reagieren. Sie können sich Zeit nehmen, die Prinzipien, die wir dargelegt haben, zu verstehen und die Botschaft als Ganze zu erfassen. Wenn Sie aufgrund unserer Ausführungen zu dem Schluss kommen, dass Sie geistlich missbraucht wurden oder sich im Augenblick noch in einer solchen Situation befinden, brauchen Sie nicht nach dem Urheber Ihrer Situation auszuschlagen. Durch Schmerz oder Enttäuschung bedingte Reaktionen scheinen im Augenblick richtig und gut zu sein. Doch sehr häufig sind sie nicht konstruktiv; sie beeinträchtigen Ihre Glaubwürdigkeit und sind nicht selten Anlass zu weiterem Missbrauch. Nehmen Sie sich Zeit. Emotionale Heilung wird einsetzen, denn es gibt eine Heilung von geistlichem Missbrauch.

Und Sie können geistlichem Missbrauch angemessen und wirkungsvoll entgegentreten. Wenn Sie nicht in der Lage sind, dies sofort zu tun, dann können Sie mit einiger Hilfe und nach einer gewissen Zeit der Heilung schließlich mit neu gewonnenem Selbstvertrauen reagieren, einem Selbstvertrauen, das sich auf die Wahrheit des Wortes Gottes gründet, und mit einem Herzen, das durch die Liebe Gottes und seinen Geist erneuert worden ist. Und Sie brauchen sich später auch nicht für Ihre vielleicht überzogene Reaktion zu entschuldigen.

Inhaltsverzeichnis

Teil I – Geistlicher Missbrauch und seine Opfer

Einführung: Eine Botschaft, die aus dem Herzen kommt

1 »Helfen Sie mir …«

Anatomie geistlichen Missbrauchs

Was ist geistlicher Missbrauch?

Ist das Wort »Missbrauch« zu hart?

Dies ist keine »Hexenjagd«

Mit einem Auge die Freiheit im Blick behalten

2 Geistlicher Missbrauch ist nicht neu

Ein biblisches Porträt

Im Alten Testament

Im Neuen Testament

Wer sind heutzutage die »Täter«?

»Schlangenbrut«

Reißende Wölfe

Der Kampf des Paulus

Gesetzlichkeit

Ein unterschwelliger Vorwurf

Leiter, die der Herde dienen und sie beschützen

Schlussfolgerung

3 Missbrauchte Christen

Opfer geistlichen Missbrauchs haben vor allem in den folgenden Bereichen Schwierigkeiten

Sie haben ein verzerrtes Bild von Gott

Sie können über Gebühr mit geistlicher Leistung beschäftigt sein

Ein verzerrtes Selbstbild von sich als Christ

Geistliche Autorität macht Ihnen vielleicht zu schaffen

Sie haben vielleicht Schwierigkeiten mit der Gnade

Sie haben vielleicht Schwierigkeiten mit persönlicher Verantwortung

Sie sind vielleicht lebensuntüchtig

Vielleicht fällt es Ihnen schwer, den Missbrauch einzugestehen

Vielleicht fällt es Ihnen schwer zu vertrauen

Schlussfolgerung

4 Missbrauch hat Wegbereiter

»Erlernte Kraftlosigkeit«

Beziehungen, die Opfer vorprogrammieren

1. Ausdrückliche Beschämung

2. Konzentration auf richtiges Verhalten

3. Manipulation

4. Götzendienerei

5. Sehr starke Beschäftigung mit Fehlern und Schuldzuweisung

6. Verschleierte Wirklichkeit

7. Unausgewogene Wechselbeziehungen

Schlussfolgerung

5 Ein System identifizieren, das Missbrauch betreibt

1. Machtstellung

2. Allzu große Betonung des Verhaltens

3. Unausgesprochene Regeln

Die »Kann-nicht-sprechen-Regel«

4. Mangelnde Ausgewogenheit

Extremer Objektivismus

Extremer Subjektivismus

6 Wenn Sie nicht gehen können

5. Schizophrener Wirklichkeitsbezug

Menschen in ihrem Verletztsein gefangenhalten

6. Unangebrachte Loyalität

»Wir allein haben recht«

Einschüchterungstaktik

Demütigung

Geheimniskrämerei

Schlussfolgerung

7 Missbrauch der Bibel

Den Boden bereiten

Falsche Anwendung des Gesetzes Gottes

Warum hat Gott dann das Gesetz gegeben?

Lernen, wie man es »macht«, ein Christ zu sein

Selbstverleugnen

Geben

Einheit und Frieden in der Gemeinde

Gemeindezucht

Schlussfolgerung

8 Wenn Opfer immer wieder zu Opfern werden

Niemals Widerstand leisten

Ihr Frauen, seid untertan – selbst, wenn es euch umbringt

Vergeben Sie einfach

Sich nie an öffentliche Behörden wenden

Lass die Vergangenheit ruhen

Schlussfolgerung

Teil II – Missbrauch betreibenden Leiter und warum sie gefangen sind

Einführung: Jesus und die religiösen Leiter

9 »Weil ich der Pastor bin, darum!«

Falsche Autorität

Eine Einstellung, die zornig macht

Authentizität

Den Zauberer sehen

Schlussfolgerung

10 »Du kannst mir vertrauen …«

Das Doppelleben falscher geistlicher Führer

Welches ist unsere einzige Hoffnung?

Doppelzüngiges Reden

Eine Frage kann nie richtig formuliert sein

11 Image ist alles

Geistliche »Show«

Der Ehrenplatz

Ich möchte Ihnen Edythe vorstellen

Den Ehrenplatz einfordern

Wirkliche Leiter

Achten Sie auf diese »Merkmale«

12 Mücken aussieben und Kamele schlucken

Verkehrte geistliche Einstellung

Von Mücken und Kamelen

»Els Bells«

Zwei bezeichnende Beispiele

Das Böse in Musikform

Den Gesetzen des Landes gehorchen

Ein wirklicher Freudentanz

13 Die Last der Religion

Heftige Reaktionen

Was ist mit dem Volk?

Schlussfolgerung

14 »Zugang nicht gestattet«

Die Tür vor Gottes Herrschaft verschließen

Menschen ködern

Eine unvergleichliche Pilgerfahrt

Jesus reagiert

15 Die »Gute Nachricht« weitergeben

Die »Gute Nachricht« weitergeben – oder »Menschen rekrutieren«?

Zur Religion bekehrt

Der Proselyt des Tors

Der Proselyt der Gerechtigkeit

»Ich halte zu Paulus, ich zu Apollos«

Meine erste große Überraschung – alles andere als glücklich

Schlussfolgerung

16 Menschen werden »verschlungen«

Eine »verschlungene« Kindheit

Rollentausch

»Verschlingen« geschieht auf unterschiedliche Weise

Auch kleine Schafe werden »verschlungen«

Schlussfolgerung

Teil I – Heilung nach geistlichem Missbrauch

Wiederherstellung

17 Wie man einer geistlichen Falle entgehen kann

»Gute« Fallen

Geistliche Fallen

Wie wir zur »Beute« werden

Merkmale des geistlichen Missbrauch betreibenden Systems (die Falle)

1. Machtanspruch

2. Sehr stark verhaltensorientiert

3. Unausgesprochene Regeln

4. Fehlendes Gleichgewicht

5. Geistliche Schizophrenie

6. Unangebrachte Loyalität

7. Code des Schweigens

Täuschung

Religiöse »Abhängigkeit«

Schlussfolgerung

18 Den Geist erneuern

Das ist »Lawman«!

Kein Test

Ein Problem von Anfang an …

… und auf dem ganzen Weg

Schäm dich!

Die falsche Antwort

Eine überraschende Wendung

Unser Denken auf das richten, was Gott von uns möchte

Schlussfolgerung

19 Die richtige Blickrichtung zurückbekommen

Einige mögliche Erklärungen

Wenn die Gemeinde als ein Leib handelt

Unsere Aufgabe

Gott liebt uns sehr:

Er ist verschwenderisch mit seiner Gnade:

Er hilft uns zu stehen:

Man kann ihm vertrauen:

Wir sind vollkommen neu gemacht worden:

Wir sind auserwählt:

In seinen Augen sind wir schuldlos:

Was ihm gehört, hat er uns geschenkt:

Gott trägt uns nichts nach:

Ihm sind unsere Kämpfe und Nöte kein Problem:

Wir brauchen das, was er getan hat, nicht zu verbessern:

Wenn wir versagen, tritt Jesus für uns ein:

Lernen, wieder ganz neu zu leben

Im Einklang mit Christus leben

Wie wir Leben bekommen

20 Eine Reaktion – Flucht

Wie entscheidet man?

Hat die Gnade wirklich eine Chance?

Unterstützen Sie, was Ihnen nicht gefällt?

Was macht man mit einer solchen Antwort?

Und wenn Sie im Recht sind?

Können Sie bleiben und trotzdem gesund bleiben?

Können Sie sich Ihre eigenen Grenzen setzen und sich daran halten?

Können Sie glauben, dass Gott die Gemeinde mehr liebt als Sie?

Ist es möglich, dass das System vielleicht sterben sollte?

Versuchen Sie, dem System zu helfen, obwohl Sie erschöpft sind?

Sind Sie in der Lage, auf die Stimme der Vernunft zu hören?

Wissen Sie wirklich, wo Sie säen sollen?

Lied für die geistlich Missbrauchten

21 Eine zweite Reaktion – Kampf

Entscheiden Sie, wem Sie dienen wollen

Seien Sie klug im Kampf

Bereiten Sie sich auf Widerstand vor

Sagen Sie auch weiterhin die Wahrheit

Sie müssen Ihren Feind kennen

Halten Sie sich an den Hirten

Unordnung ist nicht per se schlecht

Gehen Sie gegen den Sauerteig an

Sie müssen wissen, wie ein gesundes geistliches System funktioniert

Verantwortung und Autorität

Schlussfolgerung

Nachwort

Der Wunsch, uns bei sich zu haben

Unser eigener Wille

Orientierungsmarken

Inhaltsverzeichnis

Teil I

Geistlicher Missbrauch und seine Opfer

Einführung

Eine Botschaft, die aus dem Herzen kommt

David Johnson:

Auf den Anblick der ungewöhnlichen Frau, die am Ende des Gottesdienstes zum Gebet nach vorne kam, war ich nicht vorbereitet. Ihre Augen blickten müde, besorgt. Doch vor allem sah ich Angst darin. Und als sie zu sprechen begann, wurde mir klar, dass sie tatsächlich Angst hatte – und zwar vor mir!

Sofort fragte ich mich, was ich gesagt oder getan hatte, dass sie sich vor diesem einfachen Schritt so sehr fürchtete. Im Laufe unserer Unterhaltung wurde mir jedoch klar, dass sie nicht vor mir persönlich Angst hatte, sondern vor dem, was ich repräsentierte. Ich war Pastor, eine Autoritätsperson. Und nicht nur irgendeine Autorität, ich war eine geistliche Autorität, ein »Repräsentant Gottes«. Sie hatte große Furcht vor solchen Repräsentanten, und zu mir zum Gebet zu kommen, war für sie ein sehr schwerer und mutiger Schritt.

Als ich später über unsere Begegnung nachdachte, wurde mir klar, dass sie alle Merkmale eines Opfers von Missbrauch trug. Es handelte sich jedoch nicht um einen sexuellen, körperlichen oder emotionalen Missbrauch; ihr Missbrauch war geistlicher Natur. Dies ist vermutlich ein sehr viel ernsteres Problem, weil diese Art von Missbrauch in vielen Bereichen als »Tabu« gilt.

Im Umfeld ihres christlichen Elternhauses und ihrer evangelischen Gemeinde war diese Frau durch eine Verzerrung des Evangeliums beschämt, manipuliert und niedergedrückt worden. Obwohl Jesus mit der »Guten Nachricht« gekommen ist, um uns alle frei zu machen, war sie von anderen Christen gedrängt worden, noch härter daran zu arbeiten, ein »guter Christ« zu werden. Missglückten ihre Versuche, wurde sie als undiszipliniert und unwillig verurteilt – vielleicht unterstellte man ihr sogar, sie sei nicht gerettet. Dann bemühte sie sich noch stärker, alles zu tun, was vorgeschrieben war: Sie las häufiger in der Bibel, betete mehr, spendete noch mehr Geld. Schließlich war sie so ausgelaugt, dass sie bei mir Hilfe suchte. Doch mittlerweile war sie sicher, dass auch ich sie verurteilen würde. Sie brachte es fast nicht über sich, Hilfe bei einer »geistlichen Autorität« zu suchen. Die Gute Nachricht war zu einer schlechten Nachricht geworden; die Botschaft des Lebens war so verdreht worden, dass diese Frau beinahe innerlich zerbrochen war.

Die Folge für sie war, dass der Begriff der Gnade vollkommen in den Hintergrund gedrängt worden war und sie sich in der Gemeinde nicht mehr sicher fühlte. Als Pastor stand ich an der Stelle dessen, der ihre Seele verwundet hatte.

In den mehr als zehn Jahren als Pastor der Church of the Open Door habe ich mich bemüht, die Gnade Gottes als unsere einzige Hoffnung auf ein Leben mit Gott, das uns innerlich stark macht, zu predigen. Gott wendet sich den Zerbrochenen zu, tröstet die Trauernden und sättigt die Hungernden. Immer wieder werden wir mit der frommen Regelbeachtung der pharisäischen Gesetzlichkeit konfrontiert. Wir erleben, dass verletzte Menschen Heilung erfahren – und religiöse Menschen darüber zornig werden.

Doch diese eine Frau hat mir die Augen dafür geöffnet, welche Auswirkungen diese ungesunden Vorstellungen von einem »geistlichen Leben« auf Männer, Frauen und Kinder haben können. Christus hat uns zur Freiheit und zur Ruhe berufen (Hebr&nbps;4), doch leider werden die leidenden, sich abmühenden Menschen nur selten ermutigt, Heilung zu suchen, indem sie sich in der Gnade Gottes ausruhen. Im Gegenteil, sie werden aufgefordert, noch härter für ihre Erlösung zu arbeiten. Und wenn die »Formeln und Regeln« in Frage gestellt werden, fühlen sich die geistlichen Autoritätspersonen bedroht. Um eine bestimmte Doktrin oder ihre eigene Position zu schützen, weisen sie die Menschen ab, die bei ihnen Hilfe suchen.

Was ich darin erkenne, kann ich nicht ignorieren. Ich sehe die Symptome einer Krankheit, für die ich endlich einen Namen gefunden habe: geistlicher Missbrauch.

Es war bestimmt kein Zufall, dass ich gerade zu der Zeit, als diese Frau zu mir kam, über Matthäus, Kapitel 23 predigte: das Kapitel, in dem Jesus die Kennzeichen und den Einfluss von falschen geistlichen Führern aufzeigt, und in dem er von seinem Auftrag spricht, ihre Opfer zu schützen. Da ich das Wort Gottes auslege, bin ich beständig auf der Suche nach Beispielen, um die Aussagen der Bibel zu verdeutlichen. Durch diese Begegnung gab Gott mir eine sichtbare Hilfe, die Menschen zu erkennen, für die Jesus sich einsetzt. In diesem Sinne wurde das Wort Fleisch und der Begriff des geistlichen Missbrauchs in mir lebendig.

Sicherlich werden sich einige an dem Begriff »geistlicher Missbrauch« stören, doch ich glaube, dass diese Krankheit weiter verbreitet ist, als wir für möglich halten. Darum habe ich mich entschieden, dieses Buch zu schreiben. Ich wünsche mir, dass sowohl »Opfer« als auch »Täter« durch dieses Buch Hilfe und Heilung finden.

Jeff VanVonderen:

Frank wurde von einem Therapeuten einer christlichen Klinik an mich überwiesen. Seine Beziehung zu Gott schien zu stagnieren, und der Therapeut war der Meinung, ich könnte ihm vielleicht helfen. Man erzählte mir, dass Frank nur sehr ungern bereit sei, mit einem Pastor zu sprechen, dass er jedoch zu einer, maximal zu zwei Sitzungen kommen würde.

Als Frank zu unserer Verabredung erschien, begrüßte ich ihn und stellte fest, dass er mir nur sehr widerwillig die Hand gab.

Wir gingen zu meinem Arbeitszimmer, und Frank schien von einer unsichtbaren Schranke aufgehalten zu werden. Er blieb stehen und konnte mir nicht in mein Büro folgen.

Es dauerte tatsächlich mehr als eine Viertelstunde, bis er den Raum betreten konnte. Im Laufe der folgenden zwei Jahre erzählte Frank mir eine Geschichte unglaublichen geistlichen Fehlverhaltens.

Er hatte unterschiedliche Formen des Missbrauchs erlebt, von Vernachlässigung bis hin zu offenem körperlichen und sexuellen Missbrauch. Als ob dies noch nicht genug gewesen wäre, wurde er über einen Zeitraum von fünfzehn Jahren hinweg von mehreren Pastoren und christlichen Therapeuten, bei denen er Hilfe suchte, gedemütigt, manipuliert und auch sexuell missbraucht.

Als Therapeut bringe ich in dieses Buch einen anderen Aspekt des geistlichen Missbrauchs ein. Dave Johnson, mein Kollege in der Church of the Open Door, schreibt über Probleme des falschen Denkens im Bereich der geistlichen Autorität und Lehre. Ich beschäftige mich vorwiegend mit den Fällen, in denen der falsche Umgang mit Christen, die emotionale und geistliche Heilung suchten, weiteren Schaden angerichtet hat.

Dave und ich arbeiten bereits seit mehr als zehn Jahren gemeinsam in der Church of the Open Door in Minneapolis. In dieser Zeit haben wir viele tiefverletzte Menschen kennengelernt. Doch erst vor kurzem haben wir die Ursache für viele dieser Wunden herausgefunden. Vorher konnten wir sie nicht in Worte fassen. Heute ist uns klar, dass wir den größten Teil unserer Zeit und Kraft dafür aufgewendet haben, die Wunden eines geistlichen Missbrauchs zu heilen. Dave und ich sehen die dringende Notwendigkeit, ganz bewusst in der Gemeinde von geistlichem Missbrauch zu sprechen, weil viele andere beschlossen haben, darüber zu schweigen.

Wenn ein Mensch einem anderen körperlichen Schaden zufügt, dann sprechen wir von körperlichem Missbrauch. Einen anderen emotional zu schädigen, ist emotionaler Missbrauch. Gehirnwäsche ist eine Umschreibung für psychologischen Missbrauch. Geistlicher Missbrauch ist, wenn jemand durch den Umgang mit einem anderen geistlichen Schaden nimmt. Die weitreichende Folge davon ist eine Störung seiner Beziehung zu Gott – sofern er überhaupt in der Lage ist, eine Beziehung zu Gott aufzubauen. In diesem Buch werden wir darüber sprechen, wie das vor sich gehen kann, und denen Hilfe anbieten, die diese Form des Missbrauchs erlebt haben.

Wir schreiben dieses Buch, weil wir helfen, nicht weil wir verurteilen wollen. Uns beiden ist wichtig, dass unsere Absichten richtig verstanden werden.

1. Wir wollen den geschädigten Menschen Linderung und Befreiung bringen. Doch diejenigen, die sich ihrer so lange unterdrückten Wut, Traurigkeit oder Trauer stellen, werden Schmerz empfinden. Das bedauern wir sehr.

2. Es ist nicht unsere Absicht, dass Erkenntnisse, die aus dem Lesen dieses Buch gewonnen werden, dazu verwendet werden, einem anderen Menschen Schaden zuzufügen oder ihn zu zerstören – nicht einmal Menschen, die geistlichen Missbrauch ausüben. Wir gehen davon aus, dass viele dieser Menschen selbst getäuscht worden sind. Nur wenn jemand seine Sünde nicht zugibt, sollten weitere Schritte unternommen werden. Bitte gehen Sie sorgfältig mit diesem Material um.

Dieses Buch enthält viele Beispiele, und wir danken denen, die uns ihre Erlebnisse erzählt haben, damit andere Hilfe erfahren können. Einige der Beispiele wurden wiedergegeben, wie sie sich abgespielt haben, andere sind in den Einzelheiten ein wenig abgeändert worden, um die Anonymität der Menschen zu wahren, gleichzeitig jedoch die Hauptaussage der Geschichte wiedergeben zu können.

Unser Anliegen ist es, den Opfern geistlichen Missbrauchs zu sagen: Wir haben die Botschaft Ihres Herzens verstanden. Gott hat nie gewollt, dass Sie in seinem Namen missbraucht werden. Er steht immer auf Ihrer Seite (vgl. Röm 8).

Möge dieses Buch Ihnen helfen; eine neue, gesunde Beziehung zu Gott zu finden!

Das Phänomen des geistlichen Missbrauchs ist tatsächlich in der Gemeinde Christi zu finden. Diejenigen, die geistlichen Missbrauch an anderen ausüben, sind in ihren ungesunden Glaubensüberzeugungen genauso gefangen wie die, die sich bewusst oder unbewusst missbrauchen lassen. Was ist geistlicher Missbrauch? Wie geschieht er? Sind Sie ein Opfer?

1 »Helfen Sie mir …«

Jeri saß im Büro eines christlichen Beraters und erklärte, sie sei verzweifelt und hätte den Eindruck, sie würde verrückt werden. »Entweder das«, sagte sie trocken, »oder ich stehe vor einem großen Durchbruch in meinem geistlichen Wachstum.«

»Das sind aber zwei vollkommen entgegengesetzte Dinge«, bemerkte der Seelsorger. »Wie kommen Sie zu dieser Schlussfolgerung?« »Nun«, begann sie, »vor einigen Monaten ging ich zu meinem Pastor, weil ich so deprimiert war. Er legte sofort den Finger auf mein Grundproblem, doch anscheinend kann ich nichts dagegen tun.«

»Das Grundproblem …«, wiederholte der Berater. »Welches ist das?« Jeri senkte den Blick. »Ich schätze, ich bin an allem selbst schuld. Mein Pastor sagt, ich würde mich gegen Gott auflehnen.«

Was folgte, war die unglückliche und nur zu häufig vorkommende Geschichte: In Jeris Gemeinde wird gelehrt, dass die Bibel das Wort Gottes und damit der Maßstab ist, nach dem wir leben sollen. Doch für diese Gemeinde sind die in der Bibel dargelegten Regeln nicht eine Richtlinie für unser Leben, sondern nur, wenn wir sie befolgen, werden wir von Gott angenommen. Als Jeri ihren Pastor um Hilfe bat, nannte er ihr als »Rezept« einige Bibelstellen, die Gott loben. Sie sollte sie auswendig lernen und sich immer wieder vorsagen. Auf diese Weise würden ihre Gedanken von sich selbst abgelenkt und auf Gott ausgerichtet. Die Depression würde verschwinden, wenn sie ihre sündige Ichbezogenheit überwinden würde.

Jeri hatte den Vorschlag des Pastors ausprobiert, ihre Depression jedoch nicht überwinden können. Im Gegenteil, körperliche Probleme kamen dazu. Außerdem, so vertraute sie ihrem Pastor an, sei die Beziehung zu ihrem Mann im Augenblick gestört, weil er die Verantwortung für ihre beiden Teenager nicht mit ihr teilte, die anfingen, ziemliche Probleme zu machen.

»Wie hat der Pastor reagiert, als Sie ihm sagten, dass sein Rezept Ihnen nicht geholfen hat?«

»Das war der Moment, in dem er die Bombe auf mich geworfen hat«, gestand Jeri. Dem Seelsorger war ihre Wortwahl nicht entgangen – die Zerstörung, die dadurch zum Ausdruck kam – und fragte: »Welche ‚Bombe‘?«

Der Pastor hatte ihr gesagt: »Die Tatsache, dass Sie meinen Rat nicht annehmen, sondern alle diese Einwände erheben und andere Möglichkeiten in Betracht ziehen, hat mir klargemacht, Jeri, dass Ihr Grundproblem geistlicher, nicht körperlicher oder emotionaler Natur ist. Als Sie mir erzählt haben, dass Sie mit Ihrem Mann streiten, anstatt sich ihm unterzuordnen und Gott zu vertrauen, fand ich meinen Verdacht bestätigt.« Er schloss, die anderen Probleme – ihre Depression, die körperlichen Beschwerden, die gestörte Beziehung zu ihrem Mann und ihre rebellierenden Teenager – seien die Folge ihrer Unfähigkeit, sich Gott und seinem Wort ganz unterzuordnen.

Jeri hatte versucht, Einwände zu erheben. »Ich habe ihm gesagt, dass ich mich von ihm verurteilt fühlte, dass ich den Eindruck hätte, ich brauchte eine andere Art von Hilfe.«

»Was passierte?« hakte der Seelsorger nach.

»Das machte alles nur noch schlimmer. Mein Pastor lächelte und sagte, ich sei nicht bereit, seinen Rat anzunehmen – auch das würde ihm bestätigen, dass er recht hätte. Er sagte: ‚Jeri, Sie müssen Ihre Auflehnung gegen Gott bereuen. Dann werden auch alle diese nebensächlichen Probleme verschwinden.‘«

»Das ist aber ein sehr hartes Urteil gegen Sie«, bemerkte der Seelsorger. »Was halten Sie davon?«

Tränen traten in ihre Augen, und Jeri wischte sie mit einem Taschentuch fort. Nervös mit ihrem Taschentuch spielend, antwortete sie: »Ich fühle mich wie ein Käfer, der auf einem Stück Karton festgesteckt worden ist. Ich versuche, Gott zu loben – ich lobe ihn wirklich. Doch das Problem mit meinem Mann und den Kindern verschwindet einfach nicht. Und wenn ich ehrlich bin, ich werde verrückt, weil das Aufsagen von Bibelversen so hohl klingt, während meine Familie auseinanderbricht und unsere Gesundheit Schaden nimmt.

Doch dann wache ich mitten in der Nacht auf und höre die Worte meines Pastors. Und ich denke, ich muss ein schrecklicher Christ sein – in Auflehnung gegen Gott, wie er sagte –, sonst wäre mein Leben nicht ein solches Chaos. Er hat recht, nicht wahr? Auflehnung ist eine Sünde, mit der wir alle zu tun haben.

Vier Monate kämpfe ich nun schon mit mir, und immer wieder ertappe ich mich dabei, dass ich denke, ich sollte den Kopf einfach in den Gasofen stecken. Und dann wieder denke ich, dass ich vielleicht auf der Schwelle zu einem Durchbruch zu größerer ‚Heiligkeit‘ stehe wenn ich nur genügend loben oder mich richtig unterordnen könnte. Doch ich glaube nicht, dass ich das noch lange aushalte. Ich fühle mich so ausgelaugt. Ich habe das Gefühl, als würde ich den Verstand verlieren.

Ich kann diese Last nicht mehr tragen«, schloss sie flehend. »Helfen Sie mir …«

Jeris Dilemma ähnelt zahllosen anderen Fällen, denen wir begegnet sind und die für ein weitverbreitetes und ernstes Problem unter Christen stehen: dem Problem des geistlichen Missbrauchs.

Zweifellos wird dieser Ausdruck viele Menschen stören, wenn nicht sogar schockieren. Das ist jedoch nicht unsere Absicht. Auch wollen wir keine Schwarzseher sein. Doch wir müssen darauf hinweisen, dass es hier ein ernstes Problem gibt. Darum ist es wichtig zu definieren, was wir unter geistlichem Missbrauch verstehen. Von Anfang an wollen wir herausstellen, dass jeder von uns ein Opfer sein kann, manchmal sogar der Täter, weil uns nicht klar ist, was wir tun.

Zunächst wollen wir uns die Kräfte ansehen, die in Jeris Geschichte am Werk sind.

Anatomie geistlichen Missbrauchs

Mehrere beunruhigende Faktoren fallen ins Auge: Jeris Pastor ignorierte die körperlichen, emotionalen und beziehungsmäßigen Dimensionen ihres Problems und machte sich mit einem engen, »vergeistlichten« Ansatz an die Problemlösung. Ohne viel nachzufragen, glaubte er Jeris »Grundproblem« zu kennen. Doch hier sind weniger greifbare Faktoren am Werk, und dieses kaum Fassbare ist genau das, was den Tätern geistlichen Missbrauchs die Macht gibt, großen Schaden anzurichten. Sehen wir uns einmal an, welche seelische Dynamik hier am Werk war.

Jeri hatte sich freiwillig verletzlich gemacht, indem sie über ihr Problem gesprochen hat. Dabei ging sie von der Annahme aus, dass ihr Pastor in diesem Problembereich gesünder war als sie – oder dass er zumindest besser darüber Bescheid wusste – und ihr helfen konnte. Weil sie sich in diesem bestimmten Bereich schwach fühlte, suchte sie Hilfe von jemandem, der stärker war als sie. Wenn wir nun noch die Position des Pastors als geistliche Autorität hinzufügen, können wir sehr gut verstehen, warum seine Worte so viel Gewicht in Jeris Denken hatten.

Doch traurigerweise wurde Jeri keine Hilfe angeboten. Hier setzte eine zweite starke Dynamik ein: Die Ausrichtung des Problems wurde unter der Hand verändert.

Jeri wollte mit dem Pastor über ihre Depressionen sprechen. Der Pastor unterstellte ihr, selbst Ursache für ihr Problem zu sein. Seiner Meinung nach lehnte sie sich auf – also war sie das Problem. Er lenkte die Aufmerksamkeit von einem Gefühl auf den Menschen, von Jeris Gefühlswelt auf ihr Wesen. Jetzt war nicht mehr die Depression das Problem, das zusammen durchgesprochen werden sollte, sondern Jeri selbst. Der Pastor hielt sie für jemand, der sich auflehnte und der sich darum bemühen sollte, nach biblischen Maßstäben zu leben.

Jeri bemerkte nicht, dass sie gar nicht die Hilfe bekam, die sie suchte. Stattdessen wurde ihre geistliche Stellung vor Gott in Frage gestellt und anscheinend verurteilt.

Dieser traurigen, schmerzlichen Begegnung lag vielleicht die subtilste Dynamik zugrunde: Jeri hatte sich mit ihrer Frage an eine Autorität gewandt, die sich selbst über jeden Zweifel erhaben fühlte, sich vielleicht sogar für unfehlbar hielt.

In einem normalen Gespräch zum Beispiel können Sie mich missverstehen oder nicht einer Meinung mit mir sein. Wenn Sie meine Denkweise in Frage stellen und Ihre Frage tatsächlich einen Fehler korrigiert, den ich mache, dann war Ihr Zweifel gut für mich. Er hat mich korrigiert. Die einfache Tatsache, dass Sie mich in Frage gestellt haben, setzt Sie also noch lange nicht ins Unrecht. Leider haben hier eine ganze Reihe versteckter Vermutungen gegen Jeri gearbeitet. Sie sahen ungefähr so aus:

Dieser Pastor war offensichtlich der Meinung, aufgrund seiner Autoritätsstellung müssten seine Gedanken und Überzeugungen absolut richtig sein. Wenn er etwas sagte, so konnte die einzig passende Antwort nur Zustimmung sein.

Zweitens, der Pastor ging davon aus, dass Jeris Fragen aus einer falschen Geisteshaltung heraus gestellt wurden und nicht aus dem ehrlichen Versuch heraus, ein offenes Gespräch zu führen. Mit anderen Worten, der Pastor nahm das Schlimmste von ihr an, nicht das Beste.

Doch noch beunruhigender war der Machtkampf, der nun stattfand. Jeri wurde manipuliert. Zweifellos war Jeris Pastor davon überzeugt, Jeri gegenüber offen und ehrlich zu sein. Er wollte ihr helfen, ihr Problem zu verstehen. Die Manipulation setzte erst ein, als Jeri eine ehrliche Frage stellte und er sich auf seine Position als Autoritätsperson zurückzog. Seine Haltung ihr gegenüber war: »Ich bin die Autorität, und weil ich die Autorität bin, dürfen meine Worte nicht in Frage gestellt werden. Du hast sie in Frage gestellt, und das ist der Beweis dafür, dass du falsch liegst.«

Was macht diese Haltung deutlich? Vielleicht Unsicherheit, verborgenen Frust und Wut. Sie zeigt auch, dass der Pastor, wenigstens in dieser Begegnung, nicht liebevoll auf Jeris Wohl bedacht war, obwohl sie ihn brauchte. Im Gegenteil, es scheint, als erwarte er Bestätigung seiner Person von ihr, indem sie ihm ungeachtet ihrer Gefühle und der Frage, ob seine Einschätzung ihrer Person richtig war, zustimmte. Ihm war allein wichtig, seine Autoritätsstellung aufrechtzuerhalten.

Was ist geistlicher Missbrauch?

Die geistliche Qual, die durch solche Vorgehensweisen verursacht wird, hat uns dazu gebracht, den Begriff »geistlicher Missbrauch« zu prägen. Nachdem wir dies nun mit einer Fallstudie verdeutlicht haben, wollen wir diesen Begriff definieren und anwenden:

Geistlicher Missbrauch ist der falsche Umgang mit einem Menschen, der Hilfe, Unterstützung oder geistliche Stärkung braucht, mit dem Ergebnis, dass dieser betreffende Mensch in seinem geistlichen Leben geschwächt und behindert wird.

Das ist eine sehr breitgefasste Aussage. Wir wollen sie mit einigen praktischen Beispielen verdeutlichen. Geistlicher Missbrauch kann geschehen, wenn eine führende Persönlichkeit seine oder ihre geistliche Stellung dazu benutzt, einen anderen Menschen zu kontrollieren oder zu dominieren. Dazu gehört auch, dass die Gefühle und Meinungen eines anderen missachtet werden, ohne dass sich der Betreffende Gedanken darüber macht, welche Auswirkungen dies auf das Leben, die Gefühlswelt oder das geistliche Wohlergehen des anderen hat. So angewendet, wird Macht dazu missbraucht, die Stellung oder Bedürfnisse dieser führenden Persönlichkeit zu bestätigen. So war es in Jeris Fall.

Geistlicher Missbrauch kann auch geschehen, wenn die eigene geistliche Stellung dazu missbraucht wird, andere zu veranlassen, einem bestimmten »geistlichen Standard« entsprechend zu leben. Ein äußeres »geistliches Verhalten« wird gefordert, ebenfalls ohne Rücksicht auf das Wohlergehen des Betroffenen, oder es wird als Basis genommen, um die geistliche Haltung eines anderen zu »beweisen«. Was ist denn eigentlich dieses »geistliche Verhalten«, von dem wir hier sprechen? Wann überschreitet eine Autoritätsperson ihre Grenzen und bietet Verurteilung, wo Hilfe gefragt ist? Lesen Sie die Erfahrungen einiger Christen, die von den Anforderungen ihrer geistlichen Führer überfordert wurden, dann bekommen Sie vielleicht eine klarere Vorstellung.

»Mein Bibelstundenlehrer sagt mir, ich würde meine Position als geistliches Oberhaupt meiner Familie nicht einnehmen. Ich sollte mehr beten, Autorität im Geist annehmen – dann würde meine Familie geistlich nicht angegriffen. Meine Frau würde keine Menstruationsprobleme haben und mein Sohn nicht unter Asthma leiden. Vermutlich bin ich schuld an deren Kranksein.«

»Einige von uns wollten ausführlichere Informationen über die Verwendung der Spendengelder in unserer Gemeinde. Wir wollten wissen, ob mehr Geld direkt an Missionswerke, Wohltätigkeitsorganisationen und so gezahlt werden könnte. Als ich bei der Ältestensitzung einige Fragen stellte, wurde die Stimmung im Raum eisig. Später sagte man mir, ich sollte aufhören, Zwietracht in der Gemeinde zu stiften.«

»Wir haben unser Haus verkauft und sind in einen anderen Staat gezogen, damit ich für dieses große Missionswerk arbeiten konnte. – Nach einem Jahr wurde ich auf mein Gewicht angesprochen. Ich bin übergewichtig, und man sagte mir, ich solle abnehmen, weil ich mit meinem Übergewicht nur ein armseliger Zeuge sein könnte. Meine Gehaltserhöhung und sogar meine Stellung standen auf dem Spiel.«

»Die Gemeinde ließ mich wissen, dass sie sehr enttäuscht von mir sei, weil ich einen zweimonatigen Urlaub haben wollte. Ich bin seit zwölf Jahren Pastor dieser Gemeinde und praktisch Tag und Nacht erreichbar, und nie habe ich zwei Wochen Urlaub an einem Stück gemacht. Ich fühle mich so entmutigt.«

»Unsere Gemeinde legt sehr großen Wert auf Privatunterricht und große Familien. Die Frauen sollen eine Kopfbedeckung tragen, um zu zeigen, dass sie sich ihren Männern unterordnen. Make-up ist nicht erwünscht. Schließlich kam es heraus. Unsere besten Freunde sagten uns, wir seien nicht geistlich, weil unser Kind eine öffentliche Schule besucht, und ich sei ‚von der Welt‘, weil ich Lidschatten und Lippenstift verwende.«

»Die Auseinandersetzung begann – können Sie es fassen? –, als ich in der Sonntagsschule für Erwachsene eine Frage stellte. Wir beschäftigten uns mit einem dogmatischen Thema, der Vorherbestimmung, das für mich schon immer eine »Grauzone« war. Sehr freundlich widersprach ich dem Lehrer. Zwei Tage später wurde mir gesagt, ich sei »streitlustig« gewesen und hätte dem Lehrer vor allen widersprochen. Man würde es gern sehen, wenn ich diese Gruppe bis auf weiteres verließe.«

»Mein Mann ist der Meinung, ich sollte eine Stunde pro Tag nach einem Schema beten, das auch er immer verwendet. Ich sagte ihm, ich hätte es versucht, doch es schiene mir nicht zu mir zu passen. Darauf sagte er nur: ‚Das ist dein ganzes Problem. Du kannst einfach nichts im Glauben annehmen.‘ Ich fühle mich so … minderwertig.«

In jedem dieser Beispiele ist eine ähnliche Dynamik am Werk. Der bedürftigen Person – sei es nun das Bedürfnis nach Information, Gespräch, Hilfe, Akzeptanz oder Rat – wurde die Botschaft übermittelt, dass sie nicht geistlich sei oder dass ihrem geistlichen Leben etwas fehle. In mehreren Fällen wurde die Taktik der Beschämung angewendet, um den Betreffenden von einer bestimmten Ansicht zu überzeugen oder berechtigte Fragen abzuschmettern.

Bei dem Beispiel des erschöpften Pastors ist Ihnen hoffentlich aufgefallen, dass auch führenden Persönlichkeiten des Gemeindelebens geistlicher Missbrauch widerfahren kann. Keinesfalls wollen wir geistliche Führer angreifen. Wir weisen nur auf ein Phänomen hin, das sehr vielen Menschen wehtut.

Wie immer der Fall auch gelagert ist, die Folgen geistlichen Missbrauchs sind in der Regel dieselben: Der betreffende Mensch trägt die Last der Schuld, der Verurteilung oder Verdammung und kann nicht mehr an seinen Wert als Christ glauben.

Wenn es soweit gekommen ist, wurde unserer Meinung nach geistlicher Missbrauch betrieben.

Ist das Wort »Missbrauch« zu hart?

Das Phänomen, über das wir schreiben, aus einer leicht veränderten Perspektive zu betrachten, kann Ihnen vielleicht verstehen helfen, warum wir so weit gehen und den Ausdruck »geistlichen Missbrauch« verwenden. Wir sind uns sehr wohl darüber im Klaren, dass der Ausdruck vielleicht umstritten ist, und doch sind wir aufgrund unserer Beratertätigkeit auf anderen Gebieten der Meinung, dass seine Verwendung gerechtfertigt ist.

Viele sind mit den letzten Durchbrüchen in der Familienberatung vertraut. Da die Gemeinde eine »geistliche Familie ist, die aus vielen Familien besteht«, da sie die Familie Gottes ist, sind wir der Meinung, dass wir sehr viel Wertvolles lernen können, wenn wir uns die Grundlagen eines gesunden Familiensystems ansehen und das, was passiert, wenn dieses System nicht mehr gesund ist.

In einer gesunden, funktionierenden Familie nehmen die Eltern eine Autoritätsstellung ein, um den Kindern Erfahrungen, Botschaften und Beziehungen anzubieten, die ihren Bedürfnissen entgegenkommen. Die Eltern bestätigen die Persönlichkeit ihrer Kinder, während sie selbst gleichzeitig in ihrer Fähigkeit wachsen, angemessene Konsequenzen für Fehlverhalten einzusetzen und richtiges Verhalten zu lehren und zu fördern.

Natürlich machen auch gute Eltern Fehler. Das bedeutet nicht, dass sie missbrauchen. Sicher sind sie einerseits dazu da, die Bedürfnisse ihrer Kinder zu erfüllen, doch Eltern sind Menschen, die lernen und wachsen.

Wenn die Eltern dagegen ihre Stellung dazu missbrauchen, die Kinder zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen oder anhand von zu eng gesteckten Maßstäben zu beurteilen, oder wenn sie ihre eigene Machtposition dazu verwenden, ihre eigenen Bedürfnisse – Ansehen, Macht, emotionale oder sogar sexuelle Befriedigung – zu erfüllen, dann haben die Eltern die Grenze zum Missbrauch überschritten. Die Familie, die der »sichere Hafen« des Kindes sein sollte, wird zu einem unsicheren Ort. Die Beziehungen, die helfen und weiterbringen sollen, gebrauchen, missbrauchen und reißen nur noch nieder. Wenn ein Kind einem Erwachsenen vertraut und dann emotional, verbal, körperlich oder sexuell zu seiner Befriedigung gebraucht wird, dann ist das ein Missbrauch.

Ähnlich können auch Menschen, denen wir geistliche Autorität zuschreiben, unser Vertrauen missbrauchen. Sie können so fest entschlossen sein, ihre geistliche Autoritätsstellung, eine Doktrin oder eine Handlungsweise zu verteidigen, dass sie jeden missbrauchen, der sie in Frage stellt, anderer Meinung ist oder sich nicht so verhält, wie sie es für richtig halten. Wenn die Worte und Handlungsweisen solcher geistlichen Autoritäten einen anderen niederdrücken oder seine Stellung als Christ angreifen oder schwächen, um sich selbst, ihre Stellung und ihre Überzeugungen zufriedenzustellen, dann ist das geistlicher Missbrauch.

Es gibt geistliche Systeme, in denen die Meinungen, Gefühle und Bedürfnisse eines Menschen nicht zählen. Sie bleiben unbeachtet. In diesen Systemen sollen die Mitglieder die Bedürfnisse ihrer Leiter befriedigen – das Bedürfnis nach Macht, Ansehen, Nähe, Wert – also sehr egozentrische Bedürfnisse. Diese Leiter versuchen im religiösen Wohlverhalten der Menschen, denen sie eigentlich dienen und weiterhelfen sollten, Erfüllung zu finden. Das stellt die Gemeinde Christi auf den Kopf. Es ist geistlicher Missbrauch.

Dies ist keine »Hexenjagd«

Wir haben uns die Mühe gemacht zu definieren, was geistlicher Missbrauch ist. Es ist ein tatsächlich existierendes Phänomen und nicht auf irgendwelche Sekten beschränkt. Im Gegenteil: Leider müssen wir sagen, dass er auch in der Gemeinde Christi zu finden ist. Genauso wichtig ist uns jedoch, dass der Leser versteht, was geistlicher Missbrauch nicht ist. Auch müssen Sie Folgendes begreifen: Jeder von uns kann ungewollt die tragende Gnade vergessen, durch die wir als Christen leben, und so reden und handeln, dass wir andere geistlich missbrauchen. Obwohl der Leser vielleicht tatsächlich bestehende Missbrauchssituationen in seiner Gruppe oder Gemeinde erkennt, wollen wir niemanden auffordern, eine »Hexenjagd« zu beginnen, um die zu suchen und anzugreifen, die Missbrauch ausüben.

Nachfolgend einige wichtige Punkte, die wir im Hinterkopf behalten sollten:

Es ist kein Missbrauch, wenn ein geistlicher Leiter, dem die Verantwortung obliegt, Entscheidungen zu treffen, nach bestem Wissen und Gewissen eine andere Entscheidung als die von Ihnen vorgeschlagene trifft. Missbrauch ist jedoch, wenn die entgegengesetzte Meinung eines Menschen dazu benutzt wird, den geistlichen Stand des Betreffenden in Frage zu stellen.

Es ist kein Missbrauch, wenn ein Christ (Leiter oder nicht) einen anderen Christen mit einer Sünde, einem Fehlverhalten oder einem Fehler konfrontiert, der korrigiert werden muss. Das Ziel sollte natürlich nicht sein, zu beschämen oder in Misskredit zu bringen, sondern zu heilen, zu retten und zu erneuern.

Es ist auch kein Missbrauch, wenn eine Person, die eine Führungsrolle einnimmt, gebeten wird, wegen emotionaler, körperlicher oder geistlicher Probleme von ihrem Amt zurückzutreten. Das Ziel muss jedoch sein, dem Betreffenden zu helfen, Hilfe zu finden, damit er schließlich sein Amt wieder übernehmen kann.

Es ist kein geistlicher Missbrauch, wenn man mit Lehrmeinungen oder anderen Themen nicht einer Meinung ist und diese gegensätzliche Meinung auch öffentlich äußert. Bedenken Sie jedoch, dass man den Respekt vor dem anderen behalten und ihn niemals heruntersetzen oder angreifen sollte.

Es ist kein Missbrauch, an bestimmten Maßstäben des Gruppenverhaltens festzuhalten (wie zum Beispiel Kleidung). Zum Missbrauch wird es erst, wenn andere geistlich degradiert oder beschämt werden, weil sie diese Ansicht nicht teilen.

Wir wollen klarstellen, dass geistlicher Missbrauch eine Falle ist. Diejenigen, die andere geistlich missbrauchen, sind genauso in ihren ungesunden Glaubensüberzeugungen und Handlungsweisen gefangen wie jene, die sie bewusst oder unbewusst missbrauchen. Und ebenso wichtig ist es, noch eine andere Warnung auszusprechen:

Ein starker Leiter übt nicht automatisch Missbrauch aus, weil er oder sie stark und entschlossen ist.

Eine Person kann gleichzeitig Opfer und Täter sein. Sie können zum Beispiel von einem christlichen Leiter niedergemacht oder bedrängt werden, richtig zu »funktionieren« und gleichzeitig Ihrem Teenager vorwerfen, rebellisch zu sein, weil er Sie gebeten hat, eine Entscheidung zu überdenken, die wirklich ungerecht ist, oder weil er versucht, das Glaubenssystem, das Sie ihm von klein auf vermittelt haben, zu überprüfen. Oder eine Frau kann sich von ihrem Mann, der seine geistliche Autorität mit schwerer Hand ausübt, schikaniert oder vernachlässigt fühlen, und gleichzeitig die Bibel benutzen, ihre Kinder dazu zu zwingen, sich wie kleine Engel zu benehmen.

Ein wichtiger Zweck dieses Buches ist es, Sie zu veranlassen, in erster Linie Ihr eigenes christliches Leben zu überprüfen. Ist die Gnade in Ihrem Leben wirksam, lassen Sie den Geist Christi durch sich leben, dass Sie anderen die drückende Last abnehmen und ihnen in ihrem Leben geistlich weiterhelfen? Oder zwingen Sie Menschen, unter Gesetzen, Regeln und Bestimmungen zu leben, die sie niederdrücken und ihnen ihre Unfähigkeit bewusst macht, Ihren Maßstäben gerecht zu werden?

Und dieses Buch verfolgt noch einen anderen wichtigen Zweck: Es soll Christen helfen, die geistlichen Systeme zu erkennen, die Missbrauch betreiben. Aus unseren vielfältigen Kontakten zu Opfern und Tätern wissen wir, welche tiefen Wunden dieses Problem dem Christentum geschlagen hat. Denjenigen, die erkennen, dass sie ein System aufgebaut haben, das geistlichen Missbrauch fördert – das die Menschen an ein System, einen Leiter oder ein Verhaltensmuster bindet –, können wir Rat und Hilfe anbieten, sich zu verändern und sich der Gnade wieder neu bewusst zu werden. Und denjenigen, die feststellen, dass sie in einem Missbrauch betreibenden, versklavenden System gefangen sind, bieten wir Rat und Hilfe an. Wir geben ihnen Ratschläge, welche Veränderungen sie vornehmen können, um zur Freiheit zurückzukehren, die ihnen in Christus geschenkt wurde. Der Apostel Paulus schreibt:

»Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Bleibt daher fest und lasst euch nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auflegen!« (Gal 5,1)

Und auch:

»Um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Macht euch nicht zu Sklaven von Menschen!« (1Kor 7,23)

Die Wurzel von allem ist, dass zu viele Menschen heutzutage vergessen haben, welchen unglaublichen Preis für unsere Freiheit Christus bezahlt hat. Denn wir sind aufgerufen zu einem geistlichen Leben, das auf der freien Gabe der Gnade Gottes beruht (Eph 2,8–9). Die Werke, die wir tun sollen, sind von unserem Gott und Vater für uns vorbereitet worden (V. 10). Gott allein werden wir Rechenschaft ablegen müssen über das, was wir in seinem Namen getan oder nicht getan haben (Mt 25).

Mit einem Auge die Freiheit im Blick behalten

Wie geschieht geistlicher Missbrauch? Wie kann ein System, das die Menschen freimachen soll, zu einem Mittel der Versklavung und Unterdrückung werden? Gibt es in der Bibel eine Parallele, die uns hilft, die Kräfte, die hier am Werk sind, besser zu verstehen?

Gibt es Anzeichen, an denen man geistlichen Missbrauch erkennen kann? Gibt es eine Möglichkeit, dem Therapeuten klarzumachen, dass geistlicher Missbrauch das eigentliche Problem hinter Zorn, Misstrauen, Furcht, Zweifel und Beziehungsproblemen ist?

In den folgenden Kapiteln werden wir uns mit diesen grundlegenden Fragen beschäftigen. Darüber hinaus werden wir sehen, wie wir ein solches, geistlichen Missbrauch betreibendes System umkehren und zu einem »sicheren Hafen« für die verletzten Christen machen können.

Das christliche Leben beginnt mit der Freiheit von toten Werken, von religiösen Systemen und von allen menschlichen Versuchen, »Gott zu gefallen«. Es ist an der Zeit, dass wir die religiösen Systeme und Erwartungen hinter uns lassen, die wir selbst geschaffen haben, und zu dieser fröhlichen Freiheit in Christus zurückkehren. Letztendlich ist dies unsere Hoffnung und unser Ziel.

Sowohl das Alte als auch das Neue Testament warnen uns vor falschen Propheten und geistlichen Systemen, die neben dem Tod Jesu am Kreuz religiöses Verhalten fordern, um von Gott angenommen zu werden. Uns allen wird aufgetragen, geistlich wachsam zu sein. Bringen Ihnen Ihre geistlichen Beziehungen die Ruhe und den Frieden, wie Jesus verheißen hat, oder mehr Unruhe und Last?

2 Geistlicher Missbrauch ist nicht neu

Geistlicher Missbrauch ist tatsächlich nichts Neues. Doch wir sind der Meinung, dass wir als Gemeinschaft der Gläubigen uns so sehr an dieses Phänomen gewöhnt haben, dass wir seine Symptome zwar wahrgenommen haben, aber nicht wussten, was genau daran falsch war. Wir haben uns mit diesem Ausdruck zuerst schwergetan, bevor wir durch intensives Bibelstudium erkannten, dass Jesus selbst diesem Problem bereits entgegengetreten war.

Vor einigen Jahren hörte eine christliche Therapeutin, dass wir begonnen hatten, den Ausdruck »geistlichen Missbrauch« zu verwenden, um eine bestimmte Kategorie therapeutischer Probleme zu umschreiben. Sie rief mich an und erzählte mir eine sehr traurige Geschichte. »Meinen Sie, dass meine Klientin wirklich – es fällt mir schwer, dies über die Lippen zu bringen –, dass sie geistlich missbraucht worden ist? Glauben Sie, dass es so etwas wirklich gibt?«