Doctor Who - Die Hand des Omega - Ben Aaronovitch - E-Book

Doctor Who - Die Hand des Omega E-Book

Ben Aaronovitch

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Beschreibung

Nein, die Vergangenheit ist noch längst nicht abgeschlossen - und so kehrt der Siebte Doktor dorthin zurück, wo alles begann: an die Coal Hill School in London im Jahr 1963. Das letzte Mal, als er hier war, hat er etwas zurückgelassen: ein mächtiges Artefakt der Time Lords, der Schlüssel zum Geheimnis der Zeitreisen. Kann der Doctor das Artefakt bergen, bevor zwei rivalisierende Fraktionen der Daleks es aufspüren? Und selbst wenn - wie will er verhindern, dass sich ganz London in ein Schlachtfeld verwandelt, sobald die Daleks aufeinandertreffen?


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Seitenzahl: 234

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Inhalt

Cover

Über den Autor

Titel

Impressum

Einführung

Widmung

Zitat

Prolog

1

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Über den Autor

Ben Aaronovitch ist ein britischer Schriftsteller und Drehbuchautor. Er wurde 1964 in London geboren und war in den 1980er-Jahren einer der Autoren der Kultserie DOCTOR WHO. In Deutschland ist er vor allem für seine Bestseller aus der Reihe DIE FLÜSSE VON LONDON bekannt, die sich um die Abenteuer des Polizisten und Zauberlehrlings Peter Grant drehen. Ben Aaronovitch lebt mit seiner Familie in Wimbledon.

Ben Aaronovitch

DOCTOR WHO

DIE HANDDES OMEGA

Aus dem Englischen vonAxel Merz

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Deutsche Erstausgabe

Für die Originalausgabe:Main text copyright © Ben Aaronovitch 1990Introduction copyright © Ben Aaronovitch 2013

Doctor Who is a BBC Wales production for BBC One.Executive producers: Steven Moffat and Caroline SkinnerBBC, DOCTOR WHO and TARDIS (word marks, logos and devices) aretrademarks of the British Broadcasting Corporation and are used under licence.Daleks created by Terry Nation. Dalek image © BBC/Terry Nation 1963.

Cover Design: Two Associates © Woodlands Books Ltd, 2012

Titel der englischen Originalausgabe:»Doctor Who – Remembrance of the Daleks«Originalverlag: BBC Books, an imprint of Ebury Publishing.A Random House Group CompanyFirst published in 1990 by WH Allen & Co plc.

Für die deutschsprachige Ausgabe:Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, KölnLektorat: Stefan Bauer; Textredaktion: Frank Weinreich, Bochum

eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-3957-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Einführung

Als mir der Script Editor von Doctor Who, Andrew Cartmel, berichtete, dass W.H. Allen mir definitiv anbieten würde, die Romanfassung von Remembrance of the Daleks zu schreiben, war ich begeistert.

Hurra, dachte ich. Ich hatte nicht nur das Glück, dass mein erstes Fernsehdrehbuch überhaupt angenommen worden war, sondern man würde mich auch noch dafür bezahlen, dass ich lernte, Prosa zu schreiben. Nicht eine Sekunde lang kam mir in den Sinn, dass es schwierig werden könnte, mein Skript in einen Roman von vierzigtausend oder mehr Wörter zu verwandeln, zwanzigmal länger als jeder meiner bisherigen prosaischen Ergüsse. Ich stürzte mich mit dem hohlköpfig-irren Enthusiasmus der Jugend in die Arbeit. Wie viele Erstlingswerke kann auch diese Romanfassung als ein Amalgam verschiedener Einflüsse gesehen werden, die meisten davon aus der Science Fiction. Folglich gibt es zahlreiche Zitate aus imaginären Büchern à la Frank Herbert, dazu die überbordende Cyberpunk-Bilderwelt der Dalek-Schlachten im Stile William Gibsons sowie Geistesblitze von Charakteren in höchster Not, die ich mit ziemlicher Sicherheit auch irgendwo ausgeliehen habe, auch wenn ich mich nicht mehr genau daran erinnern kann, bei wem.

Der Produzent, John Nathan Turner, der Wind bekam von meinem verwegenen literarischen Ausritt in die Lücken der TV-Serie, bat mich inständig, wenigstens zu versuchen, die Erzählung an der zeitlichen Abfolge der Episoden auszurichten. Er hatte einen wehklagenden Unterton in der Stimme – ich denke, er hatte sich schon einmal verbrannt.

Eines war sicher: Es würde nicht einfach nur ein Skript werden, bei dem am Ende eines jeden Satzes »sagte er« oder »sagte sie« stehen würde. Meine Charaktere würden ein Innenleben haben und meine fiktiven Welten Tiefe. Nun ja, vielleicht nicht gerade Tiefe, aber auch definitiv nicht geeignet für unbegleitete Kinder unter sechs Jahren.

Nicht ein einziges Mal kam mir der Gedanke, es anders zu machen.

Glücklicherweise gab es Vorbilder, und sogar Vorbilder, mit denen ich aus meiner eigenen Kindheit vertraut war in Form der Romanfassungen von Malcolm Hulke. Meine Mutter drückte mir eine Ausgabe von Dr. Who and the Doomsday Weapon in die Hand (adaptiert von Hulke nach seinem eigenen Drehbuch Colony in Space). Sie mochte Hulke, weil sie ihn aus der Partei kannte (die Communist Party of Great Britain, um genau zu sein), was die Tatsache bei weitem überwog, dass es sich um Science Fiction handelte – ein Genre, das sie verachtete.

Hulke hatte seine Charaktere ebenfalls mit Hintergrund erfüllt (insbesondere den bösen Commander) und außerdem die Special Effects aufgemotzt, während er Form und Inhalt seiner Geschichte bewahrt hatte. Mit diesem Beispiel im Hinterkopf stürzte ich mich in meinen ersten ernsthaften Versuch, Prosa zu verfassen. Im Verlauf meiner Arbeit lernte ich zwei wichtige Lektionen. Zum einen, dass vierzigtausend Wörter eine wirklich ziemlich große Menge Text sind, während sie eigenartigerweise nicht ausreichen. Und zum anderen, dass der größte Unterschied zwischen Prosa und Drehbuch in der Art und Weise besteht, wie man die Übergänge von einer Szene zur anderen gestaltet. Im Fernsehen zeigen die Bilder dem Zuschauer, wer in welcher Szene spielt. In einem Buch muss man Wege finden, den Leser daran zu erinnern, wer spielt, und wichtiger noch, auf wen genau die Szene sich, dramatisch ausgedrückt, fokussiert, und warum der Leser sich dafür interessieren sollte.

Ich habe Remembrance of the Daleks nicht mehr gelesen, seit es Anfang der 1990er-Jahre erschienen ist. Es ist schwierig für mich, meine eigene Arbeit zu lesen, und davon abgesehen bin ich nicht objektiv, was die Qualität betrifft. Ich hielt es für ein gutes Buch, als ich es schrieb. Es kam auch gut an, den Lesern schien es zu gefallen. Mehr kann man eigentlich nicht verlangen von seiner Arbeit.

Und es lehrte mich, Prosa zu schreiben – oder dirigierte mich zumindest in die richtige Richtung.

Wenn Sie also vorhaben, den Rest des vorliegenden Buches zu lesen, so hoffe ich, dass Sie milde sind in Ihrem Urteil darüber. Es war mein erstes Werk, und wenn es ein wenig hastig erscheint, oder ein wenig zu ernst – und sich ein wenig zu sehr um sich selbst zu drehen scheint –, dann kennen Sie jetzt zumindest den Grund dafür.

Wenn man all das nicht sein darf, solange man jung ist, welchen Sinn hätte es dann?

Ben AaronovitchAugust 2012

Für Andrew, der die Tür öffnete,

… Ich, um dies schöne Ebenmaß verkürzt,Von der Natur um Bildung falsch betrogen,Entstellt, verwahrlost, vor der Zeit gesandtIn diese Welt des Atmens, halb kaum fertigGemacht, und zwar so lahm und ungeziemend,Dass Hunde bellen, hink ich wo vorbei;Ich nun, in dieser schlaffen Friedenszeit,Weiß keine Lust, die Zeit mir zu vertreiben …

Richard III., 1. Aufzug, 1. Szene(in der Übersetzung von August W. v. Schlegel)

Prolog

Der alte Mann hatte einen Schopf weißer Haare, zurückgekämmt von einer hohen Stirn, und erstaunlich glitzernde Augen in einem ernsten Gesicht mit hohen Wangenknochen. Obwohl er gebeugt ging, verriet sein schlanker Körper verborgene Kraft. Das Licht der Straßenlaternen, eingetrübt vom aufkommenden Nebel, glänzte auf den Facetten des blauen Steins in dem Ring an seinem Finger.

Er hielt vor einem Tor inne, um sich zu orientieren. Auf einem der Flügel standen, kaum zu erkennen im Licht der Nacht, die Worte:

I M ForemanSchrotthändler

Behutsam bahnte sich der alte Mann den Weg über den Schrottplatz in Richtung der Polizei-Zelle, die genau in der Mitte stand.

Diese Zellen waren ein verbreiteter Anblick im England der 1960er-Jahre, doch in dieser Umgebung wirkte sie merkwürdig deplatziert – und was noch eigenartiger war, sie summte. Der alte Mann blieb vor der Zellentür stehen und kramte in einer Tasche nach dem Schlüssel.

»Da bist du ja, Großvater«, ertönte die Stimme eines Mädchens aus dem Innern.

Sein scharfes Gehör vernahm die geflüsterte Antwort einer Frauenstimme hinter sich. »Es ist Susan«, sagte die Stimme.

Das Gesicht des alten Mannes verzog sich irritiert, als ihm bewusst wurde, dass er für eine ganze Weile aufgehalten werden würde. Andererseits war Zeit relativ, ganz besonders für jemanden wie ihn.

1

Shoreditch, November 1963Freitag, 15:30 Uhr

Eins zwei drei vier,Wer klopft denn da an meine TürFünf sechs sieben achtEs ist der Doktor in der Nacht

Kinderreim

»Was starrt die mich denn so an?«, verlangte Ace zu erfahren, während ihr Blick missmutig auf einem der vielen Mädchen ruhte, die sich um den Eingang der Coal Hill School drängten.

»Ihre Kleidung ist anachronistisch für diese Epoche«, sagte der Doktor. »Das wird es sein.«

Ace schob das schwere schwarze Ono Sendai Tapedeck nonchalant in eine bequemere Position auf ihrer Schulter und sah das Mädchen weiter finster an. Niemand starrt mich nieder, dachte sie, schon gar kein zwölfjähriges Rotzgör in Schuluniform. Das Mädchen wandte sich ab.

»Ha!«, rief Ace mit deutlich hörbarer Befriedigung aus und wandte sich dem Doktor zu. »Ist es vielleicht meine Schuld, dass dieses Jahrzehnt keinen Stil hat?« Ace wartete auf eine Reaktion vom Doktor, doch es kam nichts. Er schien sich völlig auf einen hässlichen schwarzen Van zu konzentrieren, der gegenüber der Schule parkte.

»Eigenartig«, murmelte der Doktor.

»Hey, Professor. Können wir jetzt endlich was zu essen organisieren?«

Der Doktor schien Aces Frage nicht zu hören. »Wirklich sehr eigenartig«, wiederholte er.

»Professor?«

Endlich richtete der Doktor seine Aufmerksamkeit auf Ace. Seine Augen wanderten misstrauisch zu ihrem Rucksack. »Sie haben nicht zufällig Sprengstoff dabei oder etwas in der Art?«, fragte er.

»Nein.« Ace wappnete sich gegen den »Blick«. Die merkwürdig intensiven Augen des Doktors glitten über sie hinweg und dann weiter. Ace stieß langsam den Atem aus. Sie war vom »Blick« verschont geblieben.

»Was halten Sie von diesem Van?«

Ace nahm pflichtergeben das Fahrzeug in Augenschein. Es war ein Bedford, schwarz, mit Schiebetüren und einer kompliziert aussehenden Antenne auf dem Dach.

»Keine Ahnung.« Sie zuckte die Schultern. »Vielleicht ein Fernsehdetektor, der säumige Gebührenzahler aufspüren soll? Professor, ich bin am Verhungern!«

Der Doktor war ungerührt von Aces Flehen um Nahrung. Er schüttelte den Kopf. »Falscher Antennentyp dafür. Nein, für diese Epoche ist das ein äußerst komplexes Stück Equipment.«

In diesem Jahrzehnt stellt ein Röhrenradio wahrscheinlich schon ein komplexes Stück Equipment dar, dachte Ace für sich. »Was ist daran denn so komplex? Ich hab schon CB-Funker mit besserer Ausrüstung gesehen. Ich bin hungrig.«

»Sie hätten den Nahrungssynthesizer nicht deaktivieren sollen«, entgegnete der Doktor.

»Ich dachte, es ist ’ne Mikrowelle.«

»Warum sollte jemand Plutonium in eine Mikrowelle packen?«

»Ich wusste nicht, dass es Plutonium war. Sie hätten das Zeug nicht einfach rumliegen lassen sollen.«

»Was haben Sie denn gedacht, was es ist?«

»Suppe.«

»Suppe?«

»Suppe. Und ich bin immer noch hungrig, Doktor. Mangel an Nahrung macht mich hungrig, wissen Sie?«

»Mangel an Nahrung lässt Sie aufmüpfig werden.« Endlich applizierte der Doktor seinen vielgepriesenen Verstand auf das Problem. »Warum gehen Sie nicht einfach und kaufen sich etwas zu essen? Es gibt ein Café ein Stück weit die Straße runter.« Er deutete in die Richtung, wo sie die TARDIS gelandet hatten. »In der Zwischenzeit werde ich eine detaillierte, wissenschaftliche Untersuchung dieses Vans vornehmen, der Ihrer Aufmerksamkeit auf so einzigartige Weise entgangen ist.«

»In Ordnung.« Ace wandte sich ab und ging davon, während sie den »Blick« im Rücken spürte. Der Doktor rief nach ihr, und sie fuhr herum.

»Was?«

»Geld«, sagte der Doktor und hielt ihr einen Geldbeutel hin.

Na, womit sonst hätte ich wohl zahlen sollen?, dachte Ace, als sie die Geldbörse entgegennahm. Coupons zur Rettung der Eiswelt? »Danke.«

Der Doktor lächelte.

Am Schultor beobachtete das Mädchen mit den blonden Haaren, das Ace zuvor so angestarrt hatte, wie sie sich abwandte und davonging.

Ace folgte der Straße bis zu der Stelle, wo sie in die Shoreditch High Road einmündete. Auf der gegenüberliegenden Seite lag das Café. Ein Schild über dem Fenster verkündete den Namen: Harry’s Café.

Endlich was zu essen, dachte Ace.

Sergeant Mike Smith schob seinen Teller von sich, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und wandte sich der Sportseite des Daily Mirror zu. Die Musikbox in der Ecke von Harry’s Café legte eine Schallplatte auf den Teller, der Samowar dampfte, die Musik setzte ein.

Mike genoss das kühle Wetter aus vollen Zügen, während sich seine Erinnerungen an die grüne, feuchte Hitze von Malaya in dem Geruch nach gerissenem Linoleum und frittiertem Essen auflösten. Achtzehn Monate im Ausland voller Hitze und Langeweile wichen allmählich dem Gefühl von East End, Harry’s Café und Zuhause.

Die Tür des Lokals flog krachend auf, und ein Mädchen kam herein. Mikes Blick ging nach oben zu einem Fetzen schwarzer Seide. Das Mädchen trug eine schwarze Seidenjacke mit merkwürdigen Stickern an den Armen. Sie wand sich aus einem Rucksack, auf dessen Rückseite das Wort Ace gestickt war. Ein Ding, das unmöglich ein Transistorradio sein konnte, wurde achtlos auf einen Tisch neben dem von Mike geworfen.

Das Mädchen ging zur Theke.

Mike beobachtete, wie sie sich über den Tresen lehnte und umsah. Sie bewegte sich anders als irgendeines der Mädchen, das er kannte, und sie war auch nicht gekleidet wie irgendjemand, den er je gesehen hatte.

Sie hämmerte mit den Knöcheln auf den abgewetzten Tresen aus Resopal.

»Hallo?«, rief sie in reinstem Londoner Akzent.

Der Doktor runzelte die Stirn, als er die Antenne betrachtete. Sie stellte eine Störung seines Plans dar, und die sich daraus ergebenden Implikationen bereiteten ihm Sorgen. Er bemerkte eine Leiter, die ihm Zugang auf das Dach des Vans ermöglichte, und Sekunden später stand er dort, perfekt ausbalanciert mithilfe der Antenne. Ein Teil seines Verstandes löste eine Reihe von Gleichungen, in denen es um Winkel, Abstände und die optimale Wellenlänge ging, während ein anderer Teil sich daranmachte, wichtige Aspekte des Plans neu zu analysieren.

Die erste Antwort kam schnell. Die zweite verlangte nach weiteren Daten. Der Doktor seufzte. Manchmal hatte Intuition ihre Grenzen, selbst die seine. Er richtete seinen Blick an der Achse der Antenne aus und … starrte auf die bedrohliche Fassade der Coal Hill School.

Ace hämmerte erneut auf den Tresen. »Hallo!«, brüllte sie lauter als beabsichtigt. »Bedienung! Niemand zu Hause?« Keine Antwort.

»So nicht«, sagte eine Männerstimme.

Ace fuhr herum und sah sich einem jungen Mann gegenüber, der dicht vor ihr stand – viel zu dicht. Ace wich ein wenig zurück, um sich Raum zu verschaffen. »Wie dann?«, fragte sie.

Der Mann grinste und zeigte gute Zähne. Seine Augen waren blau, ihr Blick berechnend. »Beispielsweise so«, sagte er, indem er sich zum Tresen umdrehte und im Kommandoton rief: »Harry! Kundschaft!« Er drehte sich wieder zu Ace um, die vorsichtig die Hände von den Ohren nahm. »So.«

Eine Stimme antwortete aus dem hinteren Teil des Cafés.

»Siehst du?«, sagte der Mann und trat wieder näher an Ace heran. »Ganz einfach, wenn man weiß, wie es geht.«

Ein kleiner vierschrötiger Kerl mit dem Gesicht eines Boxers tauchte aus den Tiefen des Cafés auf. Das war dann wohl Harry. »Gib Ruhe, Mike«, sagte er zu dem jüngeren Mann, der auflachte und zu seinem Tisch zurückkehrte. »Ich hatte genug Krach im Krieg!«

Harry wandte sich an Ace. »Kann ich Ihnen helfen, Miss?«

Ace untersuchte den Zustand ihres Magens. »Vier Schinkensandwichs und eine Tasse Kaffee bitte«, sagte sie sodann.

Der Doktor trat vorsichtig durch das Tor, während er Kindern auswich, die es eilig hatten, die Schule hinter sich zu lassen. Bar ihrer Insassen ragte die Coal Hill School finster wie ein Gefängnis über dem verlassenen Schulhof auf.

Eine Bewegung weckte die Aufmerksamkeit des Doktors. Das Mädchen, das zuvor Ace beobachtet hatte, war noch da. Es sang vor sich hin, während es von einem Kreidequadrat zum nächsten hüpfte. Schwarze Kreise waren rund um die Kleine in den Asphalt geritzt. Vier von ihnen waren quadratisch angeordnet wie die Vier auf einem Würfel. Mit einem raschen Seitwärtsschritt stand der Doktor dicht neben den Markierungen und bückte sich, um mit dem Finger an einer davon entlangzufahren. Als er ihn zurückzog, war die Kuppe schwarz, rußig von verbranntem Beton.

Er blickte auf und sah das Mädchen an, und für einen Moment begegneten sich ihre Blicke. Dann wirbelte es herum und war verschwunden.

Rachel war ganz versunken in die Beobachtung ihrer Umgebung. Das Innere des Vans war vollgestopft mit Equipment. Das Leuchten der Bildröhre erzeugte dunkle Schatten an den Wänden, und für einen Moment verlor Rachel das Signal in dem Gewirr, das die umliegenden Gebäude verursachten. Doch schnell fokussierte sie mit geschickten Bewegungen die Ortungsgeräte erneut. Da hab ich’s, dachte sie. Hinter ihr öffneten sich die Hecktüren des Vans, und das Fahrzeug schaukelte leicht, als jemand einstieg. Sie wusste, dass das nur Sergeant Smith sein konnte.

Sie wandte den Blick nicht vom Bildschirm. »Sie haben sich Zeit gelassen. Gehen Sie ans Funkgerät und informieren Sie den Colonel«, begann sie. »Ich denke, ich habe die Quelle lokalisiert …«

Intensiv dreinblickende graue Augen begegneten den ihren.

»Die Quelle einer magnetischen Fluktuation vielleicht?«, sagte der Mann hilfreich, während seine außergewöhnlichen Augen über die Instrumente flogen.

Sie hörte sich selbst wie aus großer Ferne antworten. »Eine rhythmisch pulsierende Fluktuation, ja.« Sie hatte die plötzliche bizarre Impression, dass sie bei dieser Konversation überflüssig war, weil der Mann mit den merkwürdigen Augen die Antworten bereits kannte.

Er streckte die Hand aus und justierte beiläufig die Abstimmung, so dass sich das Bild auf dem Oszilloskop zu einer scharfen gezackten Linie verstetigte. »Das dachte ich mir. Und es kann sich unmöglich um ein natürliches Phänomen handeln?«

»Unwahrscheinlich. Es handelt sich um eine stetig wiederholte Sequenz«, antwortete sie. »Das muss künstlichen Ursprungs sein.«

»Ja.«

Die Realität begann an den Rändern von Rachels Wahrnehmung zu materialisieren, und erst jetzt wurde ihr bewusst, wie sehr sich ihr Verstand benebelt hatte. »Verzeihung?«

Der Mann blickte auf. »Ja.«

»Wer sind Sie?«

»Ich? Ich bin der Doktor.« Er streckte ihr die Hand hin, und Rachel ergriff sie. Sie fühlte sich kühl an.

»Ich bin Rachel. Professor Rachel Jensen.«

»Erfreut, Sie kennenzulernen. Wissen Sie, ich bin sicher, dass ich schon von Ihnen gehört habe.« Eine Ahnung von Wiedererkennen durchzuckte sie.

Sie wusste, dass sie Fragen stellen sollte, doch wie sie sich da Nase an Nase gegenüberstanden, wollte ihr einfach nichts einfallen.

Das Summen des Funkgeräts durchbrach die Stille. Rachel griff hastig nach dem Headset. Es war Allison, die Physikerin, die eigens aus Cambridge hierhergeschickt worden war.

»Red Four hört.«

Allisons Stimme kam durch die Kopfhörer, zitternd vor Panik. »Red Six hier. Wir werden angegriffen!«

Auf dem Rückweg durch die schmale Seitenstraße bemühte sich Mike, Ace die Eigenheiten der britischen Währung klarzumachen.

»Also, damit ich das richtig verstehe«, sagte Ace. »Zwölf Pennys ergeben einen Schilling, acht Schillinge sind ein Pfund …«

»Nein«, unterbrach sie Mike, indem er um eine Polizei-Zelle herumging, die die halbe Straße blockierte. »Zwanzig Schillinge ergeben ein Pfund.« Er war sicher, dass die Polizei-Zelle vorhin noch nicht dort gestanden hatte.

»Ein bescheuertes System«, sagte Ace.

»Woher kommst du?«

»Perivale. Warum?«

Mike überdachte ihre Antwort. Lag das nicht irgendwo oben im Westen, hinter Shepherd’s Bush? »Ach, nur so.«

»Wenn zwanzig Schillinge ein Pfund ergeben, dann sind das zweihundertvierzig Pennys …« Sie sah ihn um Bestätigung fragend an, und er nickte. »Und was ist dann eine halbe Krone?«

Bevor Mike antworten konnte, hörte er, wie jemand ihn rief. Er blickte nach vorn zu dem Van. Professor Jensen stand neben dem Fahrzeug und winkte. »Sergeant!«, rief sie, als sie ihn erblickte. »Wir müssen los!«

Mike setzte sich in Bewegung. »Was ist denn?«

Professor Jensen erwiderte irgendwas vom Colonel und von Matthews. Mike schloss die Lücke zwischen sich und dem Van.

»Der Colonel hat gesagt, dass sie angegriffen werden und dass Matthews verwundet wurde.«

Mike riss die Schiebetür auf und kletterte auf den Fahrersitz. »Wo sind die?«, fragte er, während Rachel auf der anderen Seite einstieg.

»Bei der zweiten Quelle. Foreman’s Yard. Ganz in der Nähe von Totters Lane – haben Sie das gehört?«

»Was?«, fragte Mike, während er den Zündschlüssel drehte. Der Motor sprang beim ersten Mal an.

»Ich dachte, ich hätte die Hecktüren ins Schloss fallen gehört.«

»Festhalten«, sagte Mike und trat das Gaspedal bis zum Boden durch.

Im Heck des Wagens sah Ace den Doktor an. Sie hatte eines gelernt – wo auch immer sie waren, wie bizarr die Umstände auch sein mochten, der Doktor war konsistent.

Sie war mit Mike zusammen die Straße hoch gegangen, bevor er davongerannt war, und dann war der Doktor zwischen den offenen Hecktüren des Vans erschienen und hatte ihr zugewinkt.

Ace war ohne zu zögern an Bord gesprungen, der Doktor hatte die Türen zugeknallt, und der Van hatte beschleunigt – Ace nahm an, dass Mike auf dem Fahrersitz war. Sie hatte in dem Durcheinander ihr Essen verloren.

»Was ist denn los?«, fragte sie den Doktor.

»Abenteuer«, antwortete der Doktor und hielt ein Paket Schinkensandwichs hoch. »Aufregung und Abenteuer und dergleichen Dinge.«

2

Freitag, 16:03

Mike fluchte und trat auf die Bremse. Eine hohe rußende Rauchwolke erhob sich über der Totters Lane, die Basis selbst lag verborgen hinter einer Wand aus Zivilisten.

»Foreman’s Yard«, sagte Rachel und zeigte nach vorn. »Dort, der Eingang befindet sich hinter diesen Leuten.«

Behutsam steuerte Mike den Van durch die Menge und zeigte einem Polizeibeamten seinen Ausweis. Der Mann ließ sie passieren.

Der Hof war übersät mit rostigem Eisen und Industrieschrott. Der Rauch quoll aus einer schäbigen Hütte am Ende des Hofs.

Mike stoppte den Van und stieg aus. Zu seiner Linken zog Colonel Gilmore gerade eine Decke über eine Leiche. Er blickte auf, als Mike und Rachel herankamen.

»Wie ist die Lage?«, fragte eine Stimme hinter den beiden.

Mike drehte sich um und erblickte Ace und einen eigenartig aussehenden kleinen Mann.

»Wer zum Teufel sind Sie?«, verlangte Colonel Gilmore zu erfahren.

»Ich bin der Doktor«, sagte der Mann und nickte in Richtung von Professor Jensen.

Gilmore wandte sich an Rachel. »Gehört er zu Ihnen?«

Mike sah, wie Rachel für einen Moment zögerte und den Doktor ansah. Der erwiderte ihren Blick aus seinen eigenartigen Augen.

»Ja«, antwortete sie sodann, »er gehört zu uns.«

Gilmore schnaubte. Sein Blick ging zu Ace. »Sergeant!«, schnappte er an Mikes Adresse. »Nehmen Sie das Mädchen mit sich und beziehen Sie Position Red Six.«

Mike salutierte hastig, winkte Ace, ihm zu folgen, und machte sich auf den Weg zu Red Six, dem zweiten Detektorwagen. Er war dankbar, dass der Colonel viel zu beschäftigt gewesen war, um zu fragen, wer Ace war und was sie im Heck des Vans zu suchen gehabt hatte – Fragen, auf die Mike selbst gerne eine Antwort gewusst hätte.

Ist das klug?, hatte sich Rachel gefragt, als sie zusammen mit dem Doktor und Gilmore bei der Leiche niedergekniet war. Sie sah zu, wie der Doktor die Decke zurückzog. Matthews’ totes Gesicht starrte zu ihr hoch. Seine Haut war blass und klamm, durchzogen von geplatzten Kapillaren. Wie um alles in der Welt ist das passiert?, fragte sie sich.

Der Doktor öffnete das Hemd des Toten und drückte behutsam mit den Händen auf seine Brust.

»Keine sichtbaren Gewebeschäden«, stellte er fest. Irgendetwas gab unter dem Druck seiner Hände nach. »Ah«, sagte er und drückte an einer anderen Stelle weiter. »Massive innere Verschiebungen.«

»Was?«, fragte Gilmore.

»Seine Innereien wurden verdreht«, sagte der Doktor. »Sehr unangenehm.«

Das ist sicher untertrieben, dachte Rachel. »Aufgrund der Erschütterung?«, fragte sie.

»Nein. Eine fokussierte Energiewaffe.«

Eine was?, dachte Rachel verwirrt.

»Eine fokussierte was?«, fragte der Colonel.

»Ein Todesstrahl?«, sagte Rachel laut.

»Ganz genau«, bestätigte der Doktor. »Ich hoffe, Sie haben Verstärkung angefordert.«

»Sie müsste jeden Augenblick eintreffen. Aber das ist doch absurd!«, protestierte Gilmore. »Ein Todesstrahl – das ist unglaublich.«

Allison Williams starrte Mike an. »Tot? Sind Sie sicher?«, fragte sie zum dritten Mal.

Mike nickte. Er sah, dass Ace zurückblickte zu der Stelle, wo der Colonel, Professor Jensen und der Doktor den Toten untersuchten. Er hatte Matthews gemocht, und jetzt war der Mann tot. Genau so war es auch schon in Malaya gewesen.

Der Doktor kauerte hinter den Überresten eines Boilers. Abblätternde Flocken roter Farbe fühlten sich rau an unter seinen Händen. Er spähte zu dem Schuppen. »Wer auch immer die Waffe abgefeuert hat, er sitzt dort drin in der Falle«, sagte er. »Es gibt keinen Weg nach draußen.«

Gilmore blieb trotz seiner Zweifel bezüglich der Existenz von Todesstrahlen ebenfalls vorsichtig in Deckung und folgte dem Blick des Doktors. »Wie können Sie da so sicher sein?«

»Ich war schon einmal hier.«

Rachel vernahm hinter sich das Aufbrüllen einer großen Maschine. Sie wandte sich um und sah den schweren khakifarbenen Bedford in den Hof rollen.

»Gut«, sagte Gilmore mit offensichtlicher Befriedigung. »Wir holen ihn gleich da raus.«

Private Abbot schrak aus einem tiefen Schlaf hoch, als er einen stechenden Schmerz am linken Schienbein verspürte. Der ihm gegenübersitzende Amery grinste ihn an. Der Truck hatte angehalten. Er stieß Bellos neben sich an.

»Wo sind wir?«, fragte er.

Der große Mann aus Yorkshire zuckte die Schultern. »London.«

»Clever.«

Jemand hämmerte von draußen gegen die Seitenwand des Vans. »Also los, Jungs, kommt raus!«, brüllte die Stimme Sergeant Emberys.

Das Team packte die Waffen und kletterte aus dem Truck. Abbot hörte Bellos fluchen. Unter ihm knirschte der Dreck, als er mit den Füßen auf dem Beton aufkam. Gewohnheitsmäßig suchte er seine Umgebung ab: Sie befanden sich in einem rechteckigen Hof voll rostigem Schrott, der Deckung gab. Zu viel Deckung für seinen Geschmack – dahinter konnten sich Heckenschützen verbergen, insbesondere in den Gebäuden, die zwei Seiten des Hofs umgaben.

Abbot spürte eine ungewöhnliche Anspannung in seinen Eingeweiden, als Embery sie in Reih und Glied antreten ließ. Spezielle Aufgaben, einfache Einsätze – das hier ist London, oder etwa nicht?, dachte er. Rauch quoll aus einem Schuppen am Ende des Hofs. Das ließ eine Bombe vermuten.

»Es ist Chunky«, sagte Bellos, als der Colonel herankam. Auf Kommando nahmen Abbot und der Rest des Teams Habachtstellung ein.

Gilmore überflog das Team mit geübtem Auge, während er die Lage umriss. Er beauftragte Sergeant Embery, zwei Männer mitzunehmen und die Gaffer am Tor zu vertreiben, dann rief er Mike zu sich. »Nehmen Sie sich zwei Leute und schaffen Sie Matthews weg von hier.«

Mike wählte zwei Männer aus und führte sie davon.

»Ich bin nicht sicher, ob Sie wissen, womit Sie es hier zu tun haben«, sagte der Doktor.

»Ich versichere Ihnen, das hier sind ausgewählte Leute. Die werden mit allem fertig«, entgegnete Gilmore mit vor Ärger abgehackter Stimme. Er blickte erneut zu der Wolke aus Ruß und Qualm, die den Schuppen halb verbarg. »Vorausgesetzt, sie können es sehen.«

Der Krieger hatte für eine Weile geruht. Empfindliche Sensoren hatten Daten durch ein feines Geflecht aus Kristall und Laserlicht geleitet bis hinunter in das Zentrum, wo seine Intelligenz saß. Die Daten verdichteten sich zu einem Konzept, ausgelegt im dreidimensionalen Raum.

Gestalten bewegten sich in sein Blickfeld oder verließen es, und als die Aktivitäten zunahmen, wurde die Art und Weise ihrer Bewegungen entschlossener. Subroutinen erwachten und aktivierten schlafende Systeme, verlangten Energie von der zentralen Versorgung des Kriegers, die sie auch bekamen.

Der Aufmerksamkeitsfokus des Kriegers wurde schärfer und wechselte in das infrarote Spektrum. Die Gestalten wurden phosphoreszierend, bewegte Schatten in Rot. Sie trugen harte metallene Objekte, die der Taktikrechner innerhalb einer Nanosekunde als Waffen identifizierte.

Zielsysteme fuhren hoch, und der Krieger lenkte Energie in seinen Blaster.

Mike bemerkte den Lichtblitz aus den Augenwinkeln. Sein Verstand registrierte ihn als Mündungsfeuer, noch während seine Augen die Bewegung verfolgten. Einen der Soldaten neben ihm erwischte es, als er sich über Matthews’ Leichnam beugte. Der Mann wurde zurückgeschleudert und kam reglos im Dreck zu liegen. In der Luft hing der beißende Gestank nach Ozon.

Ein Mann lag getroffen am Boden, und Gilmore brüllte nach Feuerschutz. Rings um Rachel gingen Soldaten in Stellung, während andere bereits das Feuer aus ihren Gewehren eröffneten. Sie hatte es gesehen: Ihre Augen waren auf den Schuppen gerichtet gewesen, als der Energieblitz herausgeschossen kam. Es war wie ein Lichtblitz, nur …

Ace hörte die Menge am Tor über den Lärm der Schüsse hinweg. Winzige Staubwolken erblühten auf den Mauern des Schuppens, als die Kugeln beim Einschlag kleine Löcher in die Steine rissen. Sie sah den Doktor hinter einem alten Boiler kauern und versuchte, seinen Gesichtsausdruck zu lesen. Für einen Moment meinte sie, so etwas wie Selbstekel zu bemerken, bevor das Gesicht wieder grimmig wurde und die Augen ausdruckslos.

Der Colonel, außerstande, ein Ziel zu erkennen, befahl seinen Männern, das Feuer einzustellen. In der plötzlichen Stille konnte er das dumpfe Rauschen des Verkehrs auf den umliegenden Straßen hören. Zur Linken von Matthews lag ein weiterer Toter. Es war MacBrewer: katholisch, verheiratet, vier Kinder, Berufssoldat, tot im Staub eines East Londoner Schrottplatzes. Plötzliche lähmende Wut erfüllte Gilmore, und mit dem Zorn kam eine dunkle Vorahnung.

»Was war das?«, fragte Professor Jensen hinter ihm.