Doktor Ingold heilt zweimal: Super Arztroman Doppelband - Anna Martach - E-Book

Doktor Ingold heilt zweimal: Super Arztroman Doppelband E-Book

Anna Martach

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Romane von Anna Martach: Die Sache mit dem Herzen Kunterbuntes unterm Grimstein Der Mann, der offensichtlich das Objekt einiger Träume war, saß gerade in seinem Sprechzimmer und erklärte einer älteren reizenden Dame, dass sie mit der Psoriasis, der gemeinen Schuppenflechte, keine größeren Probleme haben würde, dass sie aber auf ihr angegriffenes Herz zu achten hätte. Agatha Müller sah diese Notwendigkeit aber nicht so recht ein, was vielleicht daran lag, dass die Schuppenflechte sich deutlich sichtbar an den Ellenbogen und hinter den Ohren breit machte, während sie ihr Herz natürlich nicht sehen konnte und auch kaum Beschwerden daran verspürte. Agatha war in mancher Hinsicht bemerkenswert. Die alte Dame würde in ein paar Tagen ihren neunzigsten Geburtstag feiern. Sie bewohnte und bewirtschaftete noch immer allein ein kleines Haus, arbeitete recht fleißig im Garten und verwöhnte mittlerweile vierzehn Ur-Ur-Enkel. Eine stolze Leistung, wie nicht nur Daniel fand. Doch im mancher Beziehung konnte sie ausgesprochen dickköpfig sein, was der Doktor mal unter vier Augen der Bernie gegenüber als Altersstarrsinn bezeichnet hatte. Trotzdem fand er Agatha liebenswert, wenn auch manchmal etwas schwierig. „Und wie krieg‘ ich das Zeugs nun wieder weg?“, forschte sie nun wohl schon zum vierten Mal. Daniel seufzte auf und begann noch einmal von vorn.

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Seitenzahl: 229

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Anna Martach

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Inhaltsverzeichnis

Doktor Ingold heilt zweimal: Super Arztroman Doppelband

Copyright

Die Sache mit dem Herzen

Kunterbuntes unterm Grimsteig

Doktor Ingold heilt zweimal: Super Arztroman Doppelband

Anna Martach

Dieser Band enthält folgende Romane

von Anna Martach:

Die Sache mit dem Herzen

Kunterbuntes unterm Grimstein

Der Mann, der offensichtlich das Objekt einiger Träume war, saß gerade in seinem Sprechzimmer und erklärte einer älteren reizenden Dame, dass sie mit der Psoriasis, der gemeinen Schuppenflechte, keine größeren Probleme haben würde, dass sie aber auf ihr angegriffenes Herz zu achten hätte.

Agatha Müller sah diese Notwendigkeit aber nicht so recht ein, was vielleicht daran lag, dass die Schuppenflechte sich deutlich sichtbar an den Ellenbogen und hinter den Ohren breit machte, während sie ihr Herz natürlich nicht sehen konnte und auch kaum Beschwerden daran verspürte.

Agatha war in mancher Hinsicht bemerkenswert. Die alte Dame würde in ein paar Tagen ihren neunzigsten Geburtstag feiern. Sie bewohnte und bewirtschaftete noch immer allein ein kleines Haus, arbeitete recht fleißig im Garten und verwöhnte mittlerweile vierzehn Ur-Ur-Enkel. Eine stolze Leistung, wie nicht nur Daniel fand. Doch im mancher Beziehung konnte sie ausgesprochen dickköpfig sein, was der Doktor mal unter vier Augen der Bernie gegenüber als Altersstarrsinn bezeichnet hatte. Trotzdem fand er Agatha liebenswert, wenn auch manchmal etwas schwierig.

„Und wie krieg‘ ich das Zeugs nun wieder weg?“, forschte sie nun wohl schon zum vierten Mal. Daniel seufzte auf und begann noch einmal von vorn.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

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Die Sache mit dem Herzen

Alpendoktor Daniel Ingold – Band 30

von Anna Martach

Der Umfang dieses Buchs entspricht 102 Taschenbuchseiten.

Die junge Diplomatentochter und der bärbeißige Bildhauer – eine Mesalliance? Es gibt so einige Menschen, die dieser Meinung sind. Vom pflichtbewussten freundlichen Arzt Daniel Ingold kommt jedoch Unterstützung – in mehrfacher Hinsicht. Als der Künstler einen folgenschweren Fehler begeht, steht sein Schicksal auf Messers Schneide. Kann Hindelfingens Doktor noch rechtzeitig eingreifen?

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

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1

Maria Schwetzinger summte fröhlich vor sich hin. Eine lustige Melodie, die Petersburger Schlittenfahrt, machte der Kollegin Minchen, oder richtiger Hermine Walther, deutlich, dass die junge bildschöne Frau von Vorfreude erfüllt war. Noch sieben Wochen bis zum Christfest, und die ältere Frau wusste genau, dass der Freund von Maria endlich zu Besuch kommen würde.

Der junge Mann war ein vielgefragter Architekt und leitete gerade irgendwo in den arabischen Emiraten ein gigantisches Bauprojekt. So blieb der Kontakt auf Telefonate und Briefe beschränkt, denn Maria weigerte sich hartnäckig den Mann ihres Herzens zu begleiten. Sobald das große Projekt fertig war, wollte der Mann sich endgültig hier niederlassen, bis dahin jedoch fieberte die hübsche Arzthelferin jedem Besuch entgegen.

Die beiden Frauen, die kaum unterschiedlicher sein konnten, waren die guten Geister der Praxis von Doktor Daniel Ingold, dem allseits beliebten Alpendoktor. Sie betreuten die Patienten, vergaben Termine und waren oft genug auch eine Art Anlaufstelle für Sorgen und Nöte aller Art. Maria war noch recht jung mit ihren zwanzig Jahren, und doch eiferte sie der älteren Kollegin nach und besaß auch schon einen ebenso guten Ruf.

Dennoch wünschte sie sich, dass es bald soweit sein mochte, den geliebten Mann ans Herz drücken zu können. Es tat gut, auch selbst einmal sagen zu können, man konnte sich an jemanden anlehnen, musste nicht stets gespannte Aufmerksamkeit sein, durfte sich selbst mal vertrauensvoll in starke feste Arme schmiegen und die ganze Welt ringsumher vergessen.

Minchen betrachtete Maria ohne Neid. Sie selbst kannte seit einiger Zeit einen Mann in ihrem Alter, mit dem sie ab und an ausging, der ihr jedoch nicht genug bedeutete, um ihrem Herzen wirklich nahe zu stehen. Da war der alte Doktor Alois Huber, Daniels Vorgänger in der Praxis, doch aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Aber ihn und Minchen verband nur eine wunderbare Freundschaft, und so war es eigentlich auch gut.

Doch das junge Glück in Maria Augen rührte die ältere Frau, und sie hatte Verständnis dafür, dass sie etwas mit den Gedanken spazieren ging.

„Sag mal, hast eigentlich schon mal Arbeiten vom Leopold Gabblicher gesehen?“, fragte Maria plötzlich.

„So richtig in Natur noch net, nein. Wie kommst denn darauf?“

„Ach, nur so. Der hat vorhin hier angerufen wegen eines Termins. Und da hab ich mich so unwillkürlich gefragt, was der denn als Bildhauer wohl tut. Ich denk’ ja immer, solche Künstler müssen doch auch mal Ausstellungen veranstalten und in der Zeitung stehen, oder so was. Schließlich lebt so einer doch davon, dass seine Werke gekauft werden. Aber unsereins weiß über den Gabblicher eigentlich nix weiter, als dass er halt ein Bildhauer ist und aus Stein was herausklopft.“

Minchen lachte vergnügt auf. Maria hatte da gerade eine recht kuriose Beschreibung geliefert, auch wenn die tatsächlich nicht so ganz falsch war.

„Da hast dann wohl doch was verpasst, oder hast net richtig zugehört bei der Vreni. Ist noch gar net so lang her, dass der Leopold seine Sachen ausgestellt hat in München. Aber natürlich ist’s net so leicht, was zu verkaufen. Wer stellt sich denn auch eine Statue ins Wohnzimmer, da fehlt es ja entweder an Platz oder am Geld? Und draußen im Garten hat man net so viel davon. Aber in der Zeitung hat’s dann auch gestanden. Damit er überhaupt leben kann, stellt er aber auch Grabmäler und so was her, allein von der Kunst hat er net genug zum Leben, da hast schon recht. Wenn er aber hierher kommt, kannst ihn ja mal fragen, ob er dir seine Skulpturen zeigt. Vielleicht kannst ihn ja auch mal besuchen, draußen auf dem alten Mühlbauer-Anwesen.“

Maria verzog das Gesicht. „Soweit wollt ich denn net gleich gehen, schließlich kenne ich den Mann ja gar net. Mich hat’s nur mal interessiert.“

„Musst doch net gleich einen Rückzieher machen. Der ist zwar ein bisserl ein Eigenbrötler, und er hat auch die Freundlichkeit net erfunden, aber sonst ist er schon recht – auch wenn er zum Lachen wahrscheinlich in den Keller geht. Na, wirst schon sehen. Nun schau aber zu, dass du deinen Apparat ans Laufen kriegst, wir haben noch eine Menge zu tun.“

Minchen stand auf Kriegsfuß mit dem Computer, und sie weigerte sich beharrlich, das Gerät zu benutzen. Also war Maria zuständig dafür, die nach anfänglichen Schwierigkeiten mit dem „Nummernkasten“ die Programme perfekt beherrschte.

„Guten Morgen, die Damen.“ Die warme sympathische Stimme von Doktor Ingold klang durch den Raum, als er aus seiner Wohnung kam und die Praxis betrat. Maria schickte ihm einen glühenden Blick. Insgeheim verehrte sie den Arzt noch immer, auch wenn sie schon in festen Händen war, so blieb Daniel doch der unerreichbare Märchenprinz. Sie und Minchen gaben den Gruß fröhlich zurück. Die ersten Patienten warteten schon, so dass auch aus dem Wartezimmer ein netter Gruß erklang. Alles nahm seinen geregelten Gang, bis die Eingangstür heftig aufgestoßen wurde.

Ein Mann stützte eine Frau, die sich offenbar verletzt hatte und nicht richtig auftreten konnte.

„Ja, da schau her, der Leopold“, wunderte sich Minchen. „Sammelst jetzt unsere Patienten für uns ein? Find’ ich aber sehr freundlich von dir.“

Der Mann mochte etwa Mitte dreißig sein, die Haare waren etwas zu lang und wirkten ungekämmt, die Kleidung bestand aus einer derben Hose und einem Hemd, die beide mit Steinstaub bedeckt waren. Es handelte sich in der Tat um Leopold Gabblicher, den Bildhauer.

„Hast sonst nix zu tun, als dumme Sprüche von dir zu geben“, knurrte er Minchen an, doch die lachte nur über seine grimmigen Worte. Er und ihr Neffe waren gemeinsam zur Schule gegangen, sie kannte den Mann schon seit seiner Kindheit und wusste ihn wohl zu nehmen.

„Wirst meine dummen Sprüche wohl ertragen können, die beißen wenigstens net. Kannst ja schließlich selbst welche herausgeben.“

„Dann schaust erst mal nach der jungen Dame hier. Die ist mir fast ins Atelier gefahren, da musst ich wohl was tun.“

Die schöne blonde Frau verzog das Gesicht und schaute hilfesuchend auf Minchen.

„Ist dieser Mensch immer so ungehobelt?“, stöhnte sie.

Leopold ließ sie abrupt los. „Sie werden meine Unhöflichkeit hoffentlich net länger ertragen müssen. Von hier kommen S’ ja wohl allein zurecht. Pfüat di, Minchen.”

Alle anderen Menschen hier im Raum schienen für den Leopold gar nicht zu existieren. Hinter ihm fiel die Tür ins Schloss, und Maria schaute entgeistert hinterher.

„Das war Leopold Gabblicher?“, fragte sie fassungslos.

„Haben Sie ihn bisher nicht gekannt? Dann haben Sie auch nicht viel verpasst, glaube ich“, erklärte die verletzte Frau.

„Na, dann schaun wir mal“, wandte Minchen ablenkend ein. Es gehörte sich nicht, über Patienten zu reden. Und der Leopold war ein Patient, seit er einen Termin ausgemacht hatte.

2

Gut eine Stunde vorher war Valentina von Windeck noch mit dem Auto unterwegs. Die hübsche Tochter des Diplomaten Henning von Windeck wollte einen Ausflug in die Umgehung unternehmen. Sie wohnte noch immer daheim bei ihren Eltern, und der Vater war wieder einmal versetzt worden. In ihren gerade mal 26 Jahren hatte die junge Frau bereits in sechs Ländern gelebt, aber jetzt schien es so, als sollte dies der letzte größere Umzug gewesen sein. Man hatte den Grafen als Attaché auf vielen wichtigen Posten gebraucht, doch nun war der Mann in die Jahre gekommen, hatte keine große Lust mehr, in der Welt herumzureisen, und war nun als Mann für besondere Aufgaben im Auswärtigen Amt tätig. Dieser Titel sagte nicht viel darüber aus, dass es sich um einen besonders verantwortungsvollen Posten handelte.

Valentina arbeitete als Fotografin und war deswegen nicht darauf angewiesen, fest an einem Ort zu leben. Sie hatte bisher noch nicht den Wunsch verspürt, das Elternhaus zu verlassen, und jetzt freute sie sich darüber, dass auf längere Zeit ein fester Wohnsitz in Aussicht war. Jedenfalls waren die Eltern auf der Suche nach einem passenden Haus, in dem auch Valentina ein Atelier einrichten konnte.

Die Gegend hier um Hindelfingen hatte es ihr angetan. Der majestätische Grimsteig überragte und beschützte das malerische Tal, in dem der stille Fluss durch eine Schlucht gezwungen wurde und sich plötzlich in einen reißenden Strom verwandelte, der mit Wildwasser aus den Felsen heraustrat.

Zu dieser Zeit lag schon der erste Schnee, auf den Straßen gab es hier und da tückische Stellen, an denen sich Glatteis gebildet hatte. Valentina war eine gute Fahrerin, und sie ging kein Risiko ein. Bei diesen Wetterbedingungen musste man eben vorsichtig fahren. Die Straße, auf der sie sich befand, war eng und kurvenreich, vereinzelt standen Häuser wie verstreut in der Landschaft und bildeten einen malerischen Hintergrund. Eine ganze Reihe von ansprechenden Motiven, die Valentina in ihrem Hinterkopf vermerkte. Sie würde zurückkommen, mit der Kamera, und sie würde all das auffangen, was ihr jetzt nur kurz ins Auge viel. Vielleicht sollte sie sogar eine ganze Serie schießen, quer durch den Wandel der Jahreszeiten. Eine gute Idee.

All diese erfreulichen Gedanken lenkten die junge Frau aber doch etwas zu sehr ab, die Konzentration auf die Straße ließ nach, und von einem Augenblick auf den anderen begann der Wagen zu schleudern. Valentina kurbelte, handelte instinktiv, machte auch nicht den Fehler, wild auf die Bremse zu treten, denn dadurch wäre das Auto völlig ausgebrochen, hatte jedoch keine große Chance gegen die Eigendynamik eines schleudernden Autos.

Ein Haus stand in der Nähe, vielleicht gelang es ihr auf der Zufahrt, den Wagen wieder unter Kontrolle zu bekommen, wenn es dort nicht mehr glatt war. Das war jedoch das Problem. Gerade als die junge Frau glaubte, die gefährliche Situation hinter sich zu haben, geriet sie erneut auf eine Eisplatte. Das Auto wirbelte auf das Gebäude mit den großen, hell beleuchteten Fenstern zu.

Valentina schrie auf. Nahm das denn gar kein Ende? Würde sie womöglich in das Haus hineinfahren? Das grässliche Kreischen der Räder und der Bremsen klang nervenzerfetzend in den Ohren, und sie wusste auch gar nicht mehr, was sie noch tun sollte.

Intuitiv trat sie wieder auf die Bremse, dann erneut die Kupplung – ein stechender Schmerz fuhr von ihrem Knöchel hoch durch das ganze Bein, augenblicklich schossen ihr die Tränen in die Augen. Dann war plötzlich alles vorbei.

Das Auto kam zum Stillstand, und die nachfolgende Stille dröhnte in den Ohren, im Kopf hämmerte jeder Herzschlag wie ein Schmiedehammer, und der Schmerz im Bein kam Valentina erst jetzt richtig zu Bewusstsein. Ihr Kopf sank vornüber, die Spannung fiel von ihr ab, und sie schloss die Augen.

Jemand riss die Fahrertür auf, eine wütende Stimme erklang und beschimpfte sie mit wüsten Worten.

„Ja, haben S’ denn gar keinen Verstand im Kopf? Was soll denn diese Narretei, mit dem Auto hier herumzufahren und fast mein Haus zu beschädigen? Können S’ denn net lesen? Zutritt verboten. Was soll denn das hier, noch dazu, fast in mein Studio zu fahren? Wie dumm kann ein Mensch eigentlich sein? – Ach, herrjeh, eine Frau.“

Valentina war durch den Aufprall und den Schock noch immer benommen, und eigentlich kamen diese Worte noch nicht richtig bei ihr an. Der letzte Satz aber brachte sie schlagartig in die Wirklichkeit zurück.

„Haben S’ was gegen Frauen, oder nur gegen Autos?“, fragte sie ein wenig mühsam und versuchte den Schwindel zu unterdrücken, der von ihr Besitz ergriffen hatte.

Der wütende Mann schien nun endlich einzusehen, dass Valentina nicht so ganz freiwillig auf seinem Grundstück gelandet war, denn er bot ihr den Arm, um aussteigen zu können.

„Ich hab was gegen jeden, der hierher kommt, und den ich net eingeladen hab“, knurrte er.

Als Valentina mit dem Fuß auftrat, entfuhr ihr ein kleiner Schmerzenslaut, und sie knickte ein.

„Haben S’ sich arg verletzt? Dann sollten S’ beim nächstenmal Acht geben. Um diese Jahreszeit muss man mit Eis rechnen. Sie fahren wohl noch net lang?“

Der Frau blieb fast die Luft weg. Was war denn das für ein Verrückter?

Wie hätte sie aber auch wissen sollen, dass es sich bei diesem etwas ungehobelten Klotz um den Bildhauer Leopold Gabblicher handelte, der wie ein Einsiedler in seinem abseits gelegenen Anwesen lebte und allgemein den Ruf eines Eigenbrötlers besaß. Jeden, der es wagte ihn zu stören, fuhr er so grob an, warum sollte er also bei Valentina eine Ausnahme machen, auch wenn sie eher unfreiwillig hier gelandet war?

„Ich fahre nicht erst seit gestern, und ich weiß recht gut, dass ich mit Eis zu rechnen habe. Das heißt trotzdem nicht, dass ich deswegen eine schlechte Fahrerin bin. Wenn Sie wenigstens hier auf Ihrer Zufahrt ein bisschen geräumt hätten, dann wär dieser Unfall gar nicht so schlimm geworden“, protestierte sie jetzt auch zornig.

„Das ist mein Privatgelände, da kann ich machen, was ich will. Und ich hab niemanden eingeladen, warum sollt’ ich also räumen?“

Diese Logik war einfach verblüffend, und ihr fiel im Augenblick nichts ein, was sie darauf erwidern sollte.

Dabei benahm sich Poldi, wie ihn seine Familie und die ganz wenigen Freunde nannten, noch ausgesprochen freundlich. Er hatte die schöne blonde Frau erblickt und war beeindruckt. Als er dann auch noch bemerkte, dass sie sich verletzt hatte, war er fast milde gestimmt. Doch er fühlte sich etwas hilflos. Nur selten suchte er noch den Kontakt zu anderen Menschen, nicht so sehr, weil er menschenscheu war, sondern vielmehr, weil er sich stets in seiner Arbeit gestört fühlte. Seine Gedanken beschäftigten sich ständig mit der Bildhauerei. Natürlich war es jedesmal ein großes Vorhaben, aus einem riesigen ungeformten Stein ein Bildnis zu erschaffen, und es erforderte eine Menge Phantasie und Können, um in einem Block Marmor eine Skulptur fertig zu sehen.

Leopold hielt nicht viel von abstrakter Kunst, seine großen Vorbilder waren die Bildhauer der vergangenen Zeiten, denen es gelungen war, die Statuen fast lebendig wirken zu lassen. Der Mann war so auch auf der Suche nach den perfekten Vorgaben, also einem Menschen, der es wert war, in Stein gehauen zu werden. Den würde er allerdings nicht finden, wenn er sich weiterhin in der Einsamkeit verkroch, doch diese Erkenntnis hatte er noch nicht gewonnen.

Jetzt jedoch betrachtete er die ebenmäßigen Züge der Frau, die schlanke sportliche Gestalt – alles an ihr wirkte in seinen Augen vollkommen. Was machte es da schon, dass sie so dumm war, auf eisglatter Straße die Kontrolle über ihr Fahrzeug zu verlieren?

Leopold nahm jede Einzelheit von Valentina in sich auf, um sie später auf den Skizzenblock wiederzugeben. Natürlich wäre es noch besser, wenn sie noch einmal zu ihm käme, und Modell stehen würde. Aber er sah keine Notwendigkeit, Kontakt zu einer Fremden aufzubauen. Sollte er tatsächlich noch Details brauchen, würde er sie aus der Phantasie hinzufügen.

Das alles konnte Valentina nicht wissen. Sie spürte nur die Abneigung und ärgerte sich über das unfreundliche Benehmen des Mannes. Das hatte sie nach dem überstandenen Schrecken nun wirklich nicht erwartet. Ihr Fuß schmerzte höllisch, und sie musste sich von dem Mann stützen lassen.

„Ich werd’ S’ hinunter in den Ort bringen, da können S’ dann zum Doktor gehen“, brummte Leopold, obwohl ihm das schon als Zumutung erschien. Aber die grundsätzlichen Regeln des menschlichen Miteinanders waren auch ihm vertraut, nicht einmal er würde eine selbstverständliche Hilfeleistung verweigern. Kritisch betrachtete er den kleinen schnellen Flitzer von Valentina und schüttelte den Kopf.

„Das Auto werden S’ noch hier stehenlassen müssen. Wenn S’ mir den Schlüssel geben, will ich den Wagen wohl drüben an den Rand stellen, dann können S’ den abholen lassen, ohne dass jemand erst zu mir kommen muss.“

Fast hätte Valentina schon freundliche und dankbare Gefühle für den Mann entwickelt. Diese letzte Bemerkung zerstörte aber gleich wieder jede Anwandlung eines positiven Gefühls. Wortlos hielt sie ihm den Schlüssel hin und stand dann etwas angespannt da, während Leopold mit aufheulendem Motor den Wagen an die Seite fuhr. Dann holte er sein eigenes Auto, bei dem Valentina ihren Augen nicht trauen wollte.

Ein uraltes Fahrzeug, umgebaut mit einer großen Ladefläche Marke Eigenbau, die ursprüngliche Farbe war nicht mehr zu erkennen, und die letzten möglichen Reste wurden von einer Schicht aus Steinmehl überdeckt.

„Damit fahren S’ noch herum?“, entfuhr es Valentina und erntete einen verweisenden Blick.

„Ist Ihnen der net gut genug? Dann können S’ auch gern ins Tal laufen. Der Weg geht da entlang.“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich hab ja nur gefragt.“

Im Innern des Autos sah es nicht viel anders aus, und die Frau fragte sich für einen flüchtigen Augenblick, ob sie dieses Zeugs jemals wieder aus der Kleidung heraus bekommen würde, verwarf diesen Gedanken dann gleich wieder. Jetzt war es tatsächlich wichtiger, zum Arzt zu kommen, die Schmerzen setzten nun doch immer stärker ein.

Der Motor des Autos tuckerte zuverlässig, zumindest schien also etwas bei diesem seltsamen Mann in Ordnung zu sein. Die Frau war dennoch froh, als Leopold, der sich bisher noch nicht einmal vorgestellt hatte, vor der Praxis von Doktor Ingold hielt. Und sie war regelrecht erleichtert, als er sich so schroff und unfreundlich verabschiedete. Aber ein kleines Gefühl in ihrem Innern ließ sie doch dem Mann hinterherschauen.

Er mochte tatsächlich ein ungehobelter Klotz sein, unfreundlich, garstig, abweisend – aber er wirkte auch faszinierend. Und unwillkürlich stellte sich Valentina eine Fotoserie mit ihm vor. Vielleicht würde es ihr gelingen, ihn noch einmal zu einem Gespräch zu bewegen, dann würde sie hoffentlich den Mut haben, ihn zu fragen.

3

„Das ist eine böse Verstauchung“, stellte Daniel Ingold fest. Er hatte Valentina mit einem aufmunternden Lächeln begrüßt, seine Augen ruhten freundlich auf ihr, und der Gegensatz zum Leopold stand sichtbar im Raum.

Fachkundig untersuchte der Arzt die Verletzung. Der sonst so schmale schlanke Knöchel war verfärbt und angeschwollen, zuerst musste geröntgt werden. Die erste Befürchtung, es könnte sich um einen Bänderriss handeln, bewahrheitete sich zum Glück nicht.

„Ich schreib Ihnen eine Salbe auf, die tragen S’ regelmäßig dünn auf – außerdem ist gut, wenn S’ das Bein hochlegen und kühl halten. Zwei Tage lang möglichst gar net laufen, und in drei Tagen würd’ ich S’ gern noch mal hier sehen, oder halt eben Ihr Hausarzt. Haben S’ jemand, der S’ jetzt nach Hause bringen kann?“

Valentina freute sich über die freundliche, sachliche, kompetente Art des Doktors.

„Ich kann meine Eltern anrufen, dann wird mich schon jemand holen“, gab sie zur Antwort.

„Dann ist’s gut. Sonst hätt’ man aber auch was organisieren können. Auf keinen Fall sollten S’ damit spaßen, Frau von Windeck. Sicher kann eine Verstauchung auch von allein heilen, aber das dauert seine Zeit. Und wer glaubt, zu früh wieder laufen zu müssen, der kann sich böse Nachwirkungen holen. Ich sag das net aus Langeweile, sondern in Ihrem Interesse.“

„Ist schon recht“, lächelte Valentina. „Ich will versuchen mich daran zu halten. Aber sagen S’ mal, Herr Doktor, was ist denn das für einer, der mir da geholfen hat? Wenn ich es net besser wüsst’, würd’ ich ihn fast als Waldschrat bezeichnen.“

Daniel lächelte herzhaft. „So hat den Poldi wohl noch niemand genannt, aber man könnt wirklich auf eine solche Idee kommen. Der Leopold Gabblicher ist Bildhauer, ein Sonderling, wenn man so will. Aber schließlich muss jeder selbst wissen, was er tut, da kann man niemandem dreinreden. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“, fragte er mit leichtem Spott, wohl wissend, dass die Frau durchaus eine andere Information hatte haben wollen. Doch es war nicht seine Sache, über andere Menschen zu klatschen oder gar ein Urteil über sie zu fällen. Dafür gab es nun wahrhaftig genug Menschen, die das mit größten Vergnügen taten. Leute wie Vreni Kollmannberger zum Beispiel, die als die größte Klatschbase von Hindelfingen galt und manchmal schon Gerüchte in die Welt setzte, bevor die Betroffenen selbst etwas davon wussten.

Valentina verstand, aber sie hatte schon noch ein Anliegen.

„Ich bin hier ein bisserl durch die Gegend gefahren und hab festgestellt, dass man sich hier wohlfühlen kann. Mein Vater arbeitet im Diplomatischen Dienst und kann jetzt endlich daran denken, auf Dauer an einem Ort zu bleiben. Deshalb sucht er ein großzügiges Haus. Ich würd’ ihm da schon Hindelfingen gern ans Herz legen. Mir scheint auch, dass nicht nur die Gegend, sondern auch die Leut’ hier liebenswert sind.“

„Soll ich jetzt den Immobilienmakler spielen?“, amüsierte sich der Arzt.

„Ach, Gott, nein. Aber ich denk’, jemand wie Sie kennt doch bestimmt einiges, was zum Verkauf steht.“

„Da könnten S’ hier einen jeden fragen, und Sie bekämen von jedem eine Auskunft“, lachte er. „Da muss ich Sie nämlich warnen, hier am Ort gibt’s keine Geheimnisse, jeder weiß alles über jeden.“

„Man lebt hier also als offenes Buch?“, fragte sie ungläubig.

„So ungefähr. Doch wer damit klarkommen kann, wird sich hier sicher wohlfühlen. Das sollten S’ bedenken, bevor S’ so weitgehende Pläne machen.“

„Ich werde dran denken, und auf jedem Fall erst mal mit den Eltern reden.“

„Eine gute Idee. Also, bis in drei Tagen. Es sei denn, Sie möchten zu Ihrem Hausarzt gehen, das steht Ihnen selbstverständlich frei.“

„Nein, nein, ich werde bestimmt hierher kommen. Haben Sie schon jetzt vielen Dank.“ Sie ließ sich von Maria noch das Bein verbinden und wartete dann auf ihren Vater. Der kam jedoch entgegen seiner Ankündigung nicht, hatte stattdessen seinen Sekretär geschickt, einen relativ jungen Mann, der in gewissen Kreisen als vielversprechend galt. Henning von Windeck hätte wahrscheinlich nichts dagegen, würde seine Tochter sich für Ulrich von Reitmann interessieren. Valentina fand ihn jedoch zu glatt und andererseits nicht reif genug, sie beantwortete seine vorsichtigen Andeutungen bisher nur mit freundlicher Ablehnung.

Jetzt war sie allerdings froh und dankbar, dass er auftauchte, um sie nach Hause zu bringen. Als sich Ulrich in auffälliger Freundlichkeit um sie kümmerte, fiel ihr der große Unterschied zu Leopold Gabblicher auf. Größere Gegensätze konnte es zwischen zwei Männern wohl kaum geben. Aber vermutlich unterschied sich Leopold von allen anderen Mannsbildern, weil man ihn mit seiner Grobheit und Unfreundlichkeit nirgendwo einordnen mochte. Dabei wollte er mit seiner rauen Art vermutlich nur vertuschen, dass er auch irgendwo sensibel war. Das würde ihn jedoch verletzlich machen, also tat er so, als wäre er ungehobelt und bärbeißig. Valentina glaubte, ihn längst durchschaut zu haben, bedachte dabei aber nicht, dass man nach so kurzer Zeit in keinem Fall ein Urteil über einen anderen Menschen fällen sollte. Sie würde noch früh genug feststellen müssen, dass ihre so rasch gefasste Meinung längst nicht in allen Punkten den Tatsachen entsprach.

4

„Dauert`s noch lang? Wenn ich denn schon einen Termin hab, kann ich doch wohl erwarten, dass ich net stundenlang warten muss, oder?“ Leopold stand am Tresen, trommelte mit seinen Fingern auf das Holz und knurrte Maria an. Die wirkte angesichts der Unfreundlichkeit zurückhaltend, behielt jedoch ihr höfliches Lächeln bei.

„Der Herr Doktor musste einen Notfall behandeln, und so was geht nun mal vor. Es kann jetzt aber net mehr lang dauern“, versuchte sie ihn zu beruhigen.

„Solange ich hier bin, kann ich net arbeiten. Das ist auch ein Notfall“, grantelte er.

„Nun bist aber stad. Wirst schon net gleich einen Herzanfall bekommen, nur weil du ein bisserl warten musst“, mischte sich Minchen ein, die gerade aus dem Raum mit dem EKG kam und die letzten Worte gehört hatte.

Poldi brummte etwas Unverständliches und ging zurück ins Wartezimmer.

„Du meine Güte, mit dem möcht’ ich auch net näher bekannt sein. Ich glaub’, wir täten uns dauernd in den Haaren liegen“, erklärte Maria mit einem Seufzer. „War der eigentlich immer schon so? Kennst ihn ja wohl schon länger.“

„Ach, nein, er war net immer so. Als er noch ein Bub war, haben wir alle von ihm geglaubt, dass er mal ganz was Besonderes wird, was er ja eigentlich auch ist. Klug war er immer schon, ein Künstler auf seine Art sowieso. Doch dann ging er fort, um im München, Rom und Florenz, und sogar in Paris zu studieren. Von dort kam er völlig verändert zurück. Es geht das Gerücht, da wär’ eine unglückliche Liebe im Spiel gewesen, aber nix Genaues weiß man net. Ich persönlich denk’ eher, dass was Künstlerisches da gewesen sein muss, was ihm das Herz gebrochen hat. Jedenfalls weiß ich genau, dass er eine halb fertige Statue in seinem Atelier stehen hat, die niemand sehen darf. Immer ist sie abgedeckt, und als die Luzie, seine Mutter, doch mal putzen wollte, hat er ihr eine schreckliche Szene gemacht. Da kann man also nur was vermuten, aber einen Sinn macht das net so recht. Wenn er sich denn wohl fühlt, so wie er lebt, dann muss er das halt tun.“

Minchen plauderte ganz ungeniert, und Maria hing an ihren Lippen.

„Ich kann mir net vorstellen, dass man sich auf diese Art wohl fühlt“, erklärte die junge Frau voller Überzeugung. „Aber ein bisserl verständlicher wird er schon. Ich bin trotzdem froh, wenn er wieder weg ist. Ich hab fast Angst vor ihm.“

„Der Poldi könnt keiner Fliege was zuleide tun, der gibt sich nur so garstig.“

„Wie du meinst.“

Nun war der Doktor aber endlich soweit, und Leopold Gabblicher kam an die Reihe.

„Ein seltener Gast“, stellte Daniel fest und bat ihn Platz zu nehmen.

„Ich hab auch keine Zeit, um krank zu sein.“

„Nun treibt's dich aber doch hierher. Was kann ich also für dich tun?“

Leopold hob etwas hilflos die Hände. „Ich weiß gar net, wie ich das richtig beschreiben soll. Wie du vielleicht noch in deinen Unterlagen finden kannst, hab ich vor einem Jahr eine Verletzung gehabt. Da bin ich quasi mit einem Marmorblock zusammengestoßen. Nun gut, ist ja alles recht gut wieder ausgeheilt. Aber in der letzten Zeit hab ich ständig Probleme mit dem Arm. Der Schmerz ist eigentlich dauernd da, auch wenn ich ihn net bewege. Oft werd’ ich sogar des Nachts wach, weil’s so erbärmlich weh tut. Und wenn ich bei diesem Wetter nach draußen geh’, dann wird's besonders arg. Außerdem kann ich den Arm net richtig bewegen. Was das in meinem Beruf bedeutet, kannst dir sicher vorstellen.“

Aufmerksam hatte der Arzt zugehört und stand jetzt auf. „Lass mich mal sehen, ich muss mir das genau anschauen. Es könnte sich auf den ersten Blick um eine Art Sehnenscheidenentzündung handeln, aber da gibt’s eine Menge anderer Möglichkeiten.“

Aufmerksam betrachtete der Arzt den Unterarm, bis hin zu den Fingernägeln, drückte sachte auf verschiedene Stellen und spürte sofort den Widerstand im Innern. Der ganze Arm war außerordentlich schmerzempfindlich, die Haut schimmerte rötlich und wirkte glänzend, speziell um die eigentlich gut verheilte Narbe herum. Leopold musste zum Vergleich auch den anderen Arm ausstrecken, und nun wurden die Unterschiede selbst einem Laien deutlich. Es gab eine stärkere Behaarung, und offenbar wuchsen auch die Fingernägel schneller und ungleichmäßiger als an der rechten Hand.

„Au, willst mich umbringen?“, brüllte Leopold, als Daniel noch einmal etwas tiefer tastete. Dieser Ausruf bestätigte schon fast einen ersten Eindruck. Doch zuvor galt es noch eine Menge Fragen zu stellen und auch eine ausführliche Röntgendokumentation beider Arme zu erstellen, um einen wirklichen Vergleich zu haben.

„Na, was sagst nun dazu?“, erkundigte sich der Mann und hielt sich den Arm, wobei er versuchte, sich die Schmerzen nicht anmerken zu lassen.

„Als erstes sag ich dir, dass du längst mal hättest hierher kommen sollen. Kannst mir jetzt noch ein paar Fragen beantworten? Ich will mich vorher net festlegen“, erwiderte der Doktor ernst.

„Und was willst wissen? Du, sag mal, es ist doch nix Ernstes? Es wird mich doch net bei meiner Arbeit behindern?“ Jetzt wirkte Leopold zutiefst erschrocken, und Daniel versuchte ihn zu beruhigen.

„Noch kann ich nix Genaues sagen, aber wenn es tatsächlich das ist, was ich vermute, dann bist vielleicht noch rechtzeitig gekommen.“

Jetzt prasselten die Fragen nieder, und gerade bei der Vorgeschichte der Familie konnte der Mann nicht immer Auskunft geben. Bei den eigenen Beschwerden kamen die Antworten allerdings klar und präzise. Daniel notierte alles genau.