Dominante Leidenschaft - Lady Rosewood - E-Book

Dominante Leidenschaft E-Book

Lady Rosewood

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Beschreibung

Ihre dominanten Fantasien erlebt Lena nur in ihren Tagträumen. Doch dann besucht sie endlich eine Fetischparty. Dort begegnet sie dem charismatischen Tom, der dominant ist, sie anzieht und zugleich abstößt. Lena lässt sich darauf ein, seine Sub zu werden. Während sie weiter davon träumt, ihre Dominanz auszuleben, unterwirft sie sich Tom, der sich bald als skrupellose Sadist entpuppt. Lena beendet die Beziehung. Von BDSM hat sie erstmal die Nase gestrichen voll. Als Sie Marvin kennenlernt, scheint er ihr alles zu bieten, was sie braucht: einen ganz normalen Mann und Kuschelsex. Aber ist es wirklich das, was sie will? Wo gehört sie hin? Tom stalkt sie und sie trifft sich wieder mit ihm. Als Marvin davon erfährt, will er nichts mehr mit Lena zu tun haben. An ihrem Arbeitsplatz wird Ihre BDSM- und Fetischleidenschaft bekannt. Steckt Tom dahinter, oder wer sonst treibt das böse Spiel mit ihr? Dominante Leidenschaft ist ein erotischer BDSM-Liebesroman, in dem es um Selbstfindung und Liebe geht und dabei authentische Einblicke in die Kinky Szene gibt.

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Seitenzahl: 285

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Hinweis
Der Vortrag
Die Vorbereitung
Die Party
Der Tag der Strafe
Die Ernüchterung
Wieder Montag
Rendezvous mit einem Muggel
Der Verrat
Das zweite Muggeldate
Verliebt
Entdeckung droht
Tom kehrt zurück
Die Erpressung
Freundschaft
Entlarvung
Alles oder nichts
Leidenschaft
Die Autorin
Weitere SM-Bücher:
Impressum

Lady Rosewood

Dominante Leidenschaft

Lena

ISBN 978-3-96615-000-2

(c) 2021 Schwarze-Zeilen Verlag

2. Auflage 2021

www.schwarze-zeilen.de

Alle Rechte vorbehalten.

Die auf dem Cover abgebildeten Personen stehen in keinem Zusammenhang mit dem Inhalt dieses Buchs!

Hinweis

Der Inhalt dieses Buches ist der Fantasie der Autorinnen entsprungen. Es enthält erotische Szenen und es werden einvernehmlich ausgelebte Formen von BDSM dargestellt.

Deshalb ist der Text nicht für Kinder und Jugendliche geeignet. Verhalten Sie sich verantwortungsbewusst und lassen Sie Ihre Kinder dieses Buch nicht lesen.

Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und realen Orten sind nicht beabsichtigt und rein zufällig.

Allgemeiner Hinweis zu BDSM:

Wenn Sie BDSM praktizieren, überschätzen Sie sich nicht, weder als Top (dominanter Part) noch als Sub (devoter Part). Handeln Sie immer nach dem BDSM-Grundsatz: Safe (sicher), Sane (vernünftig) & Consensual (einvernehmlich).

Im Internet gibt es Foren, in denen Sie als Anfänger Fragen stellen können, wenn Sie unsicher sind.

Viel Spaß beim Lesen dieses Buches.

Der Vortrag

»Sei kein Verlierer! Verhalte dich wie ein Gewinner!« Die Worte des Redners klangen wie Peitschenhiebe.

Bevor Lena sich in Gedanken darin vertiefen konnte, wie sie mit der Peitsche in der Hand vor dem über einen Stuhl gebeugten Redner stand, sah sie sich um. Gut 300 Menschen lauschten dem Mann auf der Bühne, ›Deutschlands bestem Mentalcoach‹, so stand es im Programm. Das Publikum erschien ihr aufmerksam. Gläubig. Man musste sich nur richtig verhalten, dann war man ein Gewinner. Wer ein Verlierer war – in der Welt des Sprechers gab es nur zwei Typen von Menschen –, der war selbst schuld.

»Was aber tun Gewinner?« Den Worten folgte eine kunstvolle Pause, lange genug, dass die Zuschauer noch begieriger wurden, zu erfahren, was sie tun mussten, um zu den Gewinnern zu gehören, endlich die verdiente Beförderung, Gehaltserhöhung, den verzweifelt gesuchten Traumpartner, ein Haus, Kinder, eine schlankere Figur zu bekommen. Die Pause war kurz genug, um die Aufmerksamkeit nicht abreißen zu lassen. Das Licht im Zuschauerraum war gedimmt, was dem Sprecher auf der Bühne eine alles überstrahlende Wirkung verlieh. Lena war wider Willen von der Inszenierung des Redners fasziniert, musste anerkennen, wie geschickt er mit dem Publikum spielte und dessen tiefe Sehnsüchte erfolgreich zu sein, auf der Gewinnerseite zu stehen, ausnutzte, ebenso wie dessen Angst, zu verlieren. Sie hatte den richtigen Riecher gehabt als sie den Kerl als Keynote-Speaker für die alljährliche Teambuildingmaßnahme vorgeschlagen hatte. Immerhin würde ihr das Pluspunkte bei ihrem Vorgesetzten einbringen; für sie war der Vortrag also ein Gewinn.

Beim Abendessen später würde sie über diesen Vortrag viel Anerkennendes hören. »Was der gesagt hat, wie inspirierend!«

»Was für ein toller Mann!«

Die einen wären voller guter Vorsätze, wie sie ab sofort ihr Leben verändern und sich wie Gewinner verhalten würden. Die anderen wären erleichtert, weil sie glaubten, bereits das eine oder andere Gewinnerverhalten draufzuhaben.

Der Sprecher setzte erneut an: »Gewinner stehen früh auf.« Das sollte ein Erfolgsrezept sein? Während der eine oder andere nun sicher schamhaft daran dachte, wie schwer er morgens aus dem Bett kam, wenn der Wecker klingelte, und jene, die morgens vor der Arbeit schon eine Runde joggten, stolz ihre Brust schwellten, stand Lena auf.

Sie näherte sich der Bühne, stieg die zehn Stufen an der Seite hinauf und ging auf den Sprecher zu. Der war irritiert, glaubte aber noch, Herr der Situation zu sein. »Guten Tag, mein Vortrag hat Sie so inspiriert, dass es Sie nicht auf dem Sitz gehalten hat? Aber warten Sie ab, es kommt noch besser.« Bevor er weiterreden konnte, sagte Lena: »Schweig!«, und stellte sich direkt vor ihn. Ihre Gesichter berührten sich fast, während sie ihm in die Augen blickte. Sie sprach nicht laut, aber klar und bestimmt. Der Sprecher hob erstaunt seine Augenbrauen. Und schwieg. Daraufhin hob auch sie ihre Augenbrauen. Bei ihr war es ein Befehl. Den verstand er und senkte seinen Blick. Lena ging einen Schritt zurück.

»Knie nieder!« Der Mann gehorchte und kniete sich vor sie.

»Entblöße deinen Oberkörper!« Er zog Jackett und Hemd aus. Darunter kam ein weißes Rippenunterhemd zum Vorschein.

Lena musste schmunzeln, ihrer Stimme war das aber nicht anzuhören.

»Hände auf den Rücken!« Bis jetzt hatte es im Publikum leise, aber vernehmliche Unruhe gegeben, Gemurmel war zu hören. Lena setzte sich in Bewegung, ging mit langsamen Schritten um den Mann herum, der nun mit gesenktem Kopf auf den Boden sah. Im Publikum war Stille eingetreten, man hätte die sprichwörtliche Nadel fallen hören können. Lena genoss jeden ihrer Schritte, während sie langsam im Kreis um den Mann herum ging, diesen ausgiebig begutachtete. Er war ihren Blicken ausgesetzt, durfte sie aber nicht erwidern. Dennoch, da war sich Lena sicher, spürte er jeden ihrer Blicke wie einen Nadelstich. Nadelstiche, sie dachte an das Nervenrad in ihrer Handtasche. Sie hatte die Umrundung beendet und wandte sich an das Publikum:

»So verhalten sich Gewinner.« Tosender Applaus setzte ein und die Leute standen beim Applaudieren auf.

***

»Lena!« Sie zuckte unter dem Finger, der ihr auf die Schulter klopfte, zusammen. Es war Rons Finger. Ron war der Projektleiter des heutigen Events, und als er sie nun zu sich winkte, war Lena klar, dass es Komplikationen gab. »Wo warst du mit deinen Gedanken?« Ron schien sie nicht nur einmal angesprochen zu haben, erst die Berührung hatte sie ins Hier und Jetzt zurückgeholt. Lena wurde rot. »Mit der Zeitmaschine ganz oben auf der Erfolgsleiter?« Er lachte dabei leicht spöttisch, Lena fühlte sich ertappt. In ihrer Fantasie war sie zwar nicht in einer anderen Zeit, aber in einem anderen Raum gewesen, sozusagen. In einem Raum, in den es sie immer wieder zog, schon seit vielen Jahren.

Sie wusste, dass Ron unter Stress zynisch wurde. Das war keine sympathische Eigenschaft, aber Lena ignorierte sie in der Regel. Erfolg war für Ron sehr wichtig, er wollte ein Gewinner sein. Sie folgte ihm in einen Nebenraum, während der Sprecher erläuterte, dass erfolgreiche Frühaufsteher gleich morgens wichtige Dinge erledigen würden, unter anderem Joggen gehen. Er täte das jeden Morgen um sieben Uhr, bei Wind und Wetter. Lena war froh, diesem blonden Hänfling mit welliger Föhnfrisur zu entkommen. Im Nebenraum, in dem eine Horde von Hilfskräften die Tische für das Essen danach zu Ende eindeckte, zeigte Ron auf den auf einem Podest stehenden Flügel. »Der Pianist hatte auf der Fahrt mit dem Fahrrad hierher einen Unfall und hat sich das Handgelenk gebrochen.«

Der ist wohl zu spät aufgestanden heute, dachte Lena, und dann: Das ist vielleicht eine Chance für Sonja, ihre Freundin Sonja, die zwar Langschläferin war, dafür aber ausgebildete Pianistin und Chansonsängerin. Rons Lippen zuckten. Eine Geste, die er unter Stress zeigte und der durchaus ein Wutanfall folgen konnte. Mit einer Handbewegung bedeutete sie Ron, still zu sein, suchte in ihrem Handy die Nummer und rief Sonja an. Die hatte zwar heute Abend ein Date mit einem Typen, den sie über Tinder angefunkt hatte und der ›echt ein Hoffnungsschimmer sein könnte‹, aber Lena dachte, bei Sonjas Händchen für Hoffnungsschimmer könnte dieser Gig sie vor Schlimmerem bewahren.

»Moment,« sprach sie in den Hörer und fragte Ron: »2000?«

Damit war Sonja nicht teurer als der ausgefallene Spieler. Ron schnaufte. Und nickte. Für Sonja war der Preis hoffentlich der Grund, sich eher dem finanziellen als dem männlichen Hoffnungsschimmer zuzuwenden.

Drei Stunden später hatte sich der Kreis der Feiernden verkleinert. Sonja hatte sich zufrieden verabschiedet, und der harte Kern der Feiernden wurde langsam lauter. Lena verabschiedete sich nach kurzer Absprache mit Ron und machte sich auf den Weg nach Hause.

Während der zwanzigminütigen Fahrt in ihrem türkisfarbenen Z3, Baujahr 98, fragte sie sich, warum der Speaker sie so aufgeregt hatte. Auch wenn sie nicht an den Tschakka-Kram glaubte, Selbstdisziplin war wichtig für erfolgreiches Tun, wie auch immer man Erfolg für sich persönlich definierte.

Sie wusste die Antwort. Im Vortrag war auch die Rede von Visionen gewesen, aus denen Ziele würden, für die man brenne. Beruflich war sie erfolgreich, der Job in der HR-Abteilung des großen IT-Unternehmens bereitete ihr Freude. Sie erlebte es als sinnvoll, Personalentwicklerin zu sein, und sie schätzte Kollegen und Vorgesetzte. Zumindest die meisten. Privat sah es anders aus. Dass sie allein wohnte, störte sie nicht, das hatte sie mitunter auch in Beziehungen getan und entsprach ihrem Drang nach Unabhängigkeit. Auch ihre Kinderlosigkeit war gewollt. Ihre erste lange Beziehung – mit Berta – war nicht zuletzt daran gescheitert. Nach neun gemeinsamen Jahren hatte Berta eine neue Partnerin gefunden, die ihren Kinderwunsch teilte. Einige Jahre später waren die beiden mit Sohn Paul eine glückliche Regenbogenfamilie geworden. Der Sex mit Berta war orgastisch gewesen, immer. Durch Streicheln, Lecken, Reiben. Sie mochte Sex mit Berta. Nur einmal, nach dem Besuch des Frauenschwoofs in der Wuppertaler Börse, wo sie jeden ersten Samstag im Monat tanzen gingen, hatte sie andere Wünsche angesprochen. Im Foyer gab es einen Stand mit Sextoys und Fesseln, um den sich einige Frauen in Lederhosen und Schirmmützen scharten.

Als Lena daran vorbeiging und unauffällig auf das Spielzeug schielte, sprach sie eine große schlanke Frau mit einer dieser Mützen auf dem Kopf und einem dicken blauen Dildo in der Hand an: »Hast du Lust auf ein Spiel mit mir und diesem heißen Ding?« Lena wurde rot, was der Fragenden ein Grinsen entlockte. Schnell drehte Lena sich um und ging weiter.

In Gedanken an die eben gesehene Sammlung von Dildos, Handschellen und Peitschen fragte sie Berta auf der Rückfahrt, vielleicht auch mutig von den Bieren, die sie im Laufe des Abends getrunken hatte: »Darf ich dich mal fesseln?« Berta hatte starr weiter geradeaus auf die Straße geschaut, beide Hände fest am Lenkrad. Und hatte geschwiegen. Lena schaute schnell auch geradeaus, selbst starr geworden.

»Gewalt gehört nicht in Beziehungen, schon gar nicht in lesbische.« Bertas Tonfall war ernst.

»War nur so eine spontane Idee, ich habe nicht nachgedacht.« Lena zog sich in sich zurück, packte ihre Idee sorgfältig ein und weg.

»Das ist höchstens krank. Ich verstehe diese BDSM-Lesben nicht.«

Lena schwieg. Krank. Das wollte sie nicht sein. Es reichte, dass sie sich nicht als Lesbe bezeichnete, das wurmte Berta schon genug.

Das war ihr erster Versuch gewesen, als Erwachsene mit jemandem über ihre Fantasien von Dominanz und Unterwerfung zu reden. Aber wenn die Person, die sie liebte, nichts damit zu tun haben wollte, dann schwieg sie besser. Dann war es bestenfalls Kinderkram.

***

Das war es, Kinderkram. Acht Jahre war sie gewesen. Damals hatte sie mit ihrer besten Freundin Ulla ein Spiel gespielt, ein von ihr, Lena, ausgedachtes Spiel. Kackemann, so nannten sie es. Später spielten sie es auch mit Natascha, die in derselben Straße wohnte und mit ihnen in eine Klasse ging. Im Gegensatz zu Doktorspielen, an denen auch Peter und Johann teilnehmen durften und bei denen es ums Anfassen ging – Mädchen bei Jungen, Jungen bei Mädchen, Mädchen bei Mädchen und Jungen bei Jungen –, spielten sie Kackemann nur unter Mädchen. Obwohl das Spiel nur wenig Story hatte und dazu immer dieselbe, spielten sie es mitunter jeden Tag, dann wieder Wochen nicht. Wie sie auf die Idee zu Kackemann gekommen war, wusste sie nicht mehr, aber dass es ihre Idee gewesen war, daran konnte sie sich erinnern. An das Spiel selbst waren ihre Erinnerungen gut. Der Kackemann hatte irgendetwas Böses getan und wurde von der Ortsgemeinschaft bestraft. Sie war die Ortsgemeinschaft und Ulla war der Kackemann, zumindest meistens. Mit Natascha war es komplizierter, denn die wollte auch Kackemann sein und das führte zu Streit. Der Kackemann wurde von der Ortsgemeinschaft in einen Bottich gelegt und dann wurde er unter Ausschimpfen angepisst. Und schließlich auch angekackt. Das war allerdings nur imaginäres Tun gewesen; im Gegensatz zu den Doktorspielen waren sie beim Kackemann angezogen geblieben.

Das Spiel war auch in der Fantasie schon prickelnd genug gewesen. Ulla war die Lust an der Demütigung anzusehen, und sie, sie hatte darüber bestimmt, was passierte. Und wann. Und was Kackemann zu tun hatte: den Blick zu senken, die Pisse auszutrinken.

Ganz schön krass, dachte Lena, deren aktuelle Fantasien nicht ganz so weit gingen. Aber sie brachten sie in dieselbe Stimmung, diese lustvolle Erregung, die den ganzen Körper ausfüllte. Sie fühlte tatsächlich eine Art Ganzkörpererregung, wenn sie sich vorstellte, wie sie einer Frau oder einem Mann die Augen verband, dessen Hände mit einem Seil hinter dem Rücken fesselte und ihr oder ihm dann ganz langsam und in völliger Stille ein Lederhalsband anlegte, an das sie eine Hundekette schloss. Nun konnte sie ihre Dienerin, ihren Diener führen.

Sie sehnte sich danach, wieder so unbedarft – unschuldig war vielleicht das falsche Wort – wie damals mit acht zu sein, als sie, ohne sich oder anderen zu schaden, gespielt hatten. Zwar hatten sie gewusst, dass die Erwachsenen weder von Kackemann noch vom Doktorspiel etwas mitbekommen durften, aber die durften ja auch nicht wissen, wenn sie bei der blöden Frau Wasser drei Häuser weiter heimlich selbst gesammelten getrockneten Kuhdung in den Briefkasten schmissen, Oder wenn sie sich aus dem Telefonbuch alle »Nagels« raussuchten, diese anriefen und, sollten diese sich mit Namen melden, mit tiefer Stimme: »Hier ist der Hammer« riefen. Nach dem Auflegen hatten sie sich schlapp gelacht. Sie und die anderen Kinder hatten nicht in Kategorien wie Sexualität oder Sex oder dominant und devot oder Natursekt und Kaviar gedacht. Sie hatten gespielt, wie sie Lust hatten.

Bis Ullas große Schwester Birgitta sie beim Kackemann beobachtet hatte. Sie hatte wohl schon eine ganze Zeit lang hinter den Himbeersträuchern im Garten gesessen und zugeschaut, bevor sie in die Szene schritt.

Birgitta schrie mit wutentbrannter Stimme: »Hört auf mit den Schweinereien! Das erzähle ich Mama.«

Obwohl Ulla sie anflehte, Letzteres nicht zu tun – Ersteres hatten sie und Ulla ohnehin schon getan –, ließ Birgitta sich nicht beeindrucken und ging schnurstracks ins Haus zu ihrer Mutter.

Die kam wenig später heraus. Ulla und Lena hatten inzwischen beschlossen, sie würden nichts sagen und spielten Gummitwist. Die Mutter war weit weniger aufgeregt als Birgitta. Dennoch bat sie beide Kinder, mit dem Springen aufzuhören und ihr zuzuhören. Angespannt taten sie, wie ihnen gesagt wurde. Sie wüssten vielleicht nicht, was sie täten, aber was Birgitta ihr geschildert habe, sagte die Mutter, ließe sie zu dem Schluss kommen, dass sie das nie, nie wieder tun dürften. Es sei etwas, das sehr böse sei und etwas, was das liebe Jesuskind sehr traurig mache. Ullas Mutter war gläubige Calvinistin und Lena ahnte, dass ihre streng katholische Mutter es genauso drastisch ausgedrückt hätte. Das Ergebnis war dasselbe, ab nun war Kackemann Schmuddelkram, und für das Spiel drohte die ewige Hölle. Ulla fing nach der Ansprache gleich an zu weinen, warf sich ihrer Mutter in die Arme und heulte, dass Lena sie überredet habe und sie selbst nie wieder so was Böses tun wolle. Lena wurde freundlich, aber streng gebeten, für heute nach Hause zu gehen.

Natürlich hatte Ullas Mutter es ihrer Mutter schon am Telefon erzählt, als Lena nach Hause kam. Lena schwieg bei der wütenden Ansprache und gab auch nach der Ohrfeige der Mutter keinen Mucks von sich, obwohl diese höllisch brannte. Bereitwillig ging sie ohne Abendessen auf ihr Zimmer.

Das war das Ende von Kackemann gewesen und auch die Freundschaft zu Ulla hatte einen Knacks bekommen.

Nach dem Wechsel auf verschiedene höhere Schulen war die Freundschaft schnell eingeschlafen und Lena hatte Kackemann verdrängt. Doktorspiele waren irgendwann realen Erforschungen des eigenen und anderen Geschlechts gewichen, aber das war etwas anderes, zwar verboten, aber nicht höllenwürdig.

***

Lena war inzwischen zu Hause angekommen, schloss ihren Z3 ab und ging in ihre Wohnung; zweiter Stock, Altbau, Holzdielen, ein Glücksfall mit 64 Quadratmetern. Sie machte sich bettfertig, schenkte sich einen Portwein ein und fuhr den Laptop hoch. Beim Googeln von BDSM fand sie Links zu Foren, die sie nicht zu betreten wagte. Sie googelte einzelne Praktiken und fand allein über Spanking Seiten über Seiten; Strafe durch Schlagen auf das bekleidete oder entblößte Gesäß, auch die benachbarten Regionen wie Oberschenkel, den Rücken oder die äußeren Geschlechtsorgane. Die Schläge erfolgten mit der flachen Hand oder mit einem Gegenstand, etwa einem Rohrstock oder einer Peitsche. Lena sah auf die Zahl unten rechts auf ihrem Bildschirm. Zwei Uhr morgens. Verdammt, der Wecker ging um halb sieben. Sie hatte schon viel Schlaf verloren beim Surfen im Internet. Nach der Erfahrung mit Berta hatte sie jegliches Suchen nach allem, was BDSM ähnlich war, gemieden. Im Zeitalter des Internets auch das Surfen danach, zumindest wenn sie in einer Beziehung war. Vor allem die ganzen neun Jahre, die die Beziehung mit Hans gedauert hatte. Sie wollte nicht noch einmal dasselbe wie mit Berta erleben. Dabei war Hans ein gutmütiger Typ. Auch der Sex war okay gewesen, am Anfang. Sie hatte Gefallen an heterosexuellem Geschlechtsverkehr gefunden. Leider war Hans der Sex nicht besonders wichtig gewesen. Nach drei Jahren war ihr Sexleben quasi auf null runtergefahren. Lena hatte sich arrangiert, sich auf Alltagsharmonie – die letzten drei Jahre sogar gemeinsam in Hans Reihenhäuschen – eingelassen. Auf ihrem 45. Geburtstag, als gerade »Just can’t get enough« von Depeche Mode lief, Hans’ Lieblingssong, stellte sie fest: Diese Beziehung ist in Stagnation stecken geblieben. Lena wollte noch anderes erleben.

Drei Monate vorher hatte sie bei einem Bummel über einen Flohmarkt ein Buch entdeckt. Die Geschichte der

O. Fünfzehn Euro hatte es gekostet. »Etwas für Kenner«, hatte der Verkäufer gesagt und Lena hatte schnell gezahlt. Sie war schon vorher rot geworden, denn sie hatte das Buch aufgeschlagen und hineingelesen. Wenn sie mit Hans schon keinen Sex mehr hatte, dann wollte sie wenigstens Kopfkino für sich. Sie hatte das Buch heimlich gelesen und dann in ihrem Nachttisch versteckt. Die Geschichte der totalen sexuellen Unterwerfung der O. faszinierte sie ebenso, wie es sie abstieß. Monate später war sie nach Hause gekommen, das war kurz vor ihrem 45. Geburtstag gewesen, und Hans hatte am Esstisch gesessen. Schweigend. Vor ihm lag ein geschlossenes Buch. Die Geschichte der O. Er sah sie an. »Was soll das?«

»Was?« Mehr war ihr nicht eingefallen, ihre glühenden Wangen sprachen für sich. »Das ist ekelhaft.« Ekelhaft. Das Buch? Sie, die Leserin? Schweigend nahm sie das Buch, ging nach oben und steckte es in eine ihrer Handtaschen im Kleiderschrank. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie Hans nicht mal gefragt hatte, was er in ihrem Nachttisch gesucht hatte. Weitere vier Monate später hatte sie die Beziehung beendet. Denn nach diesem Vorfall war ihre Alltagsharmonie Alltagsschweigen gewichen. Hans sagte auch nicht viel, als sie sich trennte und auszog. Bis sie ihre Altbauwohnung gefunden hatte, fand sie Unterschlupf bei ihrer Freundin Sonja in deren Gästezimmer. Die hatte ihr zwei Monate später berichtet, dass Hans eine Neue habe, über eine Partnervermittlung im Internet hätten die zwei sich kennengelernt. Lena wusste zwar, dass es andere gab, die Fantasien hatten wie sie, das sah sie im Netz und das hatten ihr damals die BDSM-Lesben auf dem Wuppertaler Frauenschwoof gezeigt, aber Internetforen wie das Sklavenportal schienen ihr genau so weit weg zu sein wie damals der Stand mit den Fesselseilen. Und schon der Name, Sklavenportal. Sklaverei war doch kein Spiel. Vielleicht war sie wirklich krank, denn was Ullas Mutter damals als böse beschrieben hatte, das hatte ihre Freundin Berta als krank bezeichnet und Hans als ekelhaft. War krank besser als böse oder ekelhaft?

Sie wollte gerade ihren Laptop zuschlagen, hatte nur noch das Wort Kinky gegoogelt, das in einem Text über Lederoutfits aufgetaucht war, als sie spontan Kinky Party eingab, dahinter den Namen ihrer Stadt. Auf ihrem Bildschirm erschien: Kinky Kat. Die Party. Nächster Termin: Samstag in zwei Wochen, Beginn 22 Uhr im Hafenclub. Das würde ihr Gewinn werden.

Es war schon nach drei, als sie vollgesogen mit vielen kinky Eindrücken ins Bett fiel.

Die Vorbereitung

Die nächsten zwei Wochen surfte Lena viel im Internet. Sie wollte zu dieser Kinky Kat gehen. Sie wollte nicht mehr heimliche Beobachterin im Netz sein, so wie sie früher heimlich den BDSM-Stand auf dem Frauenschwoof beäugt hatte, wie sie heimlich die Geschichte der O. gelesen hatte. Sie wollte mittanzen auf der Kinky Kat, eintauchen in die Menge der Menschen, die in Lack und Latex gekleidet waren, schrill, geheimnisvoll, kinky. Zum Glück gab es im Netz reichlich Seiten mit entsprechender Kleidung. Lena bestellte nach ausgiebigem Vergleich vier Outfits, denn der Dresscode war einzuhalten, daran ließ der Text auf den Seiten der Kinky Kat keinen Zweifel. Eine Doorbitch würde die Gäste am Eingang in Augenschein nehmen, allein ihr Urteil entscheide, wer hereinkomme, so stand es in der Einladung.

Grundvoraussetzung: das richtige Outfit. Latex, Lack und Leder waren einige der Stichworte dazu. Sinnlichkeit und Fantasie, das waren weitere Orientierungsworte zum Finden des richtigen Outfits.

Als der Paketbote kam, wurde Lena rot, als er ihre das neutral gehaltene Paket überreichte. Das war albern, wie sie wusste, aber diese Reaktion ihres Körpers hatte sie nicht unter Kontrolle. Das passte doch gut zum Thema BDSM, die Kontrolle abzugeben, versuchte sie es mit einem Anflug innerlichen Humors.

Sie packte die vier Kleider aus, alle waren schwarz. Nach den Fotos im Internet stach man damit auf einer Kinky Kat Party nicht aus der Masse heraus. Zwei waren aus Latex, das Material fühlte sich kühl an, zwei waren aus Lack. Sie versuchte, sich das erste, kurze Kleid aus Latex überzuziehen, bekam es aber nicht richtig über den Kopf. Zu eng. Sie gab auf, weil sie Angst hatte, das gummiartige Material zu zerreißen. Vorsichtig packte sie das Kleid wieder ein und wandte sich den beiden aus Lack zu. Dieses Material schien einfacher in der Handhabung zu sein. Sie bekam das erste Kleid problemlos über den Kopf gezogen. Das Minikleid endete eine Handbreit unter ihrem Hintern, kühl schmiegte es sich an ihre Haut. Sie zog das Kleid glatt und machte den Reißverschluss, der vorne auf Höhe des Bauchnabels ansetzte, zu. Damit schloss sich das Kleid in einem Stehkragen um ihren Hals, ärmellos und schlicht. Lena ging zum Spiegel. Die Frau, die ihr entgegenschaute, war kinky. Die konnte problemlos jemanden an der Leine führen. Lena merkte, dass sich ihr Puls vor Aufregung erhöht hatte. Diesmal nicht aus Scham, sondern vor Erregung. Das würde ihr Outfit sein. Nächsten Samstag auf der Kinky Kat.

Die Party

Nach fünf Meetings, der Präsentation ihres Konzeptes für das neue Mentoringprogramm und einem Abendessen mit Sonja, die als Dankeschön für den kurzfristigen Gig zahlte, wurde es Samstag.

Lena hatte in der Nacht zuvor unruhig geschlafen. Der Tag verging langsam und dann wieder schnell. Schon war es vier Uhr am Nachmittag, in sechs Stunden würde der Hafenclub seine Pforten zur Kinky Kat öffnen. Es gab dort eine Garderobe und Möglichkeiten zum Umziehen. Lena hatte ihr Kleid in den schwarzen Shopper gesteckt, ihre schwarzen hochhackigen Lederstiefel dazu. Diese ließ die Doorbitch hoffentlich durchgehen. Lena fand die Stiefel, die sich eng um ihre Waden schmiegten und sie auf acht Zentimeter mehr Höhe brachten, sehr sexy. Dennoch hatte sie Sorge, an der Tür abgewiesen zu werden. Wenn sie sich überhaupt bis dahin trauen würde. Es war eine verrückte Idee.

Dann dachte sie an den Redner auf dem Firmenevent. Irgendetwas an seinem arrogant-souveränen Vortrag hatte sie gekickt. In ihren Augen war der Inhalt seiner Rede recht bescheiden, und dennoch war der Typ erfolgreich. Ein Grund war vielleicht, dass er es einfach tat, sich hinstellte und eine Rede hielt. Sie konnte das auch, ihre Wünsche und Ziele in die Tat umsetzen – zum Beispiel auf diese Party zu gehen. Auf die Party gehen.

Endlich war es 21 Uhr. Sie ging in Jeans und Sneakers zur Straßenbahnhaltestelle. Kurz vor zehn bog sie um die Ecke zum Hafenclub. Dieser lag abgelegen hinter dem Hafen am Fluss. Sie war in ihrer Jugend einmal hier gewesen, zu einem Konzert von Herbert Grönemeyer, hatte den Club als sehr groß in Erinnerung. Aber das Konzert lag über zwanzig Jahre zurück, klare Bilder hatte sie nicht mehr im Kopf.

Lena war nicht allein unterwegs. Viele Menschen kamen mit Taschen vom gegenüberliegenden Parkplatz, Taxis fuhren an ihr vorbei. Sie beobachtete, wie sich Menschen begrüßten und zuwinkten, alte Bekannte. Das schüchterte sie wieder ein. Ein bisschen bekam sie Angst, jemand könnte vorwurfsvoll denken, was sie so alleine in dieser geselligen Stimmung wolle. Immerhin, und sonst wäre sie heute Abend wohl kaum hier, hatte sie gelernt, allein auf Technopartys zu gehen. Im Jahr 2001, selbst gut zehn Jahre älter als die Generation Techno, hatte sie während der Affäre mit der 12 Jahre jüngeren Anita diese Musik lieben gelernt und nächtelang mit ihr durchgetanzt. Danach kam Hans, der stand auf 80er- und Ü40-Partys, sodass sie tatsächlich, wenn Hans am Wochenende mal wieder beruflich unterwegs war, allein in die Clubs ging, die sie durch Anita kennengelernt hatte. Allein zu tanzen ging dort sehr entspannt, und ins Gespräch mit Menschen kam man auch. Wenn man wollte.

Lena mochte oft auch nur das beobachten, und das genoss sie jetzt auch wieder, trotz ihrer ängstlichen Aufregung.

Eine Dragqueen stöckelte kunstvoll auf Stiefeln an ihr vorbei. Lena wäre schon beim Stehen in diesen Dingern umgekippt. Aber auch die Dragqueen musste hinter der nächsten Ecke stoppen. Die noch rund 20 Meter bis zum Eingang bestanden aus einer Schlange. Lena unterdrückte den Impuls, sich umzudrehen und unauffällig wieder davonzugehen. Sie stellte sich hinten an, was ganz schnell nicht mehr hinten war, denn immer neue Menschen kamen und die Schlange bewegte sich langsam, aber beständig Richtung Eingang. Eine Clique junger Frauen und Männer, knapp über 20 Jahre alt, schätzte Lena, begrüßte vor ihr rufend und mit Umarmungen zwei neu dazu Gekommene. Hinter ihr unterhielten sich Leute darüber, ob die Kinky Kat oder die Kit Beats besser sei oder doch die Nachtblau. Während der Tross sich langsam nach vorne Richtung Eingang schob, Lena unauffällig hin und her schaute, was niemanden zu interessieren schien, ging es in Gesprächsfetzen, die sie aufschnappte, um Latexpflege oder um Pläne für den Besuch bei den Eltern am nächsten Tag. Sie sah Menschen, die wie sie Jeans und Alltagsklamotten trugen. Andere waren schon in Netzstrümpfe, High Heels oder Hosen aus Latex und Leder gekleidet. Der Eingang nahte. Lenas Herz klopfte und sie sagte sich: Das ziehst du durch. Wenn es schlimm wird, gehst du wieder, niemand kennt dich hier. Wobei ihr nicht klar war, was »schlimm« bedeuten könnte. Sie zahlte ihren Eintritt, dann kam die letzte Hürde: Die Doorbitch, eine Frau im knappen Lackhöschen mit einem ebensolchen BH und roten Overknee-High-Heels. Sie fragte: »Und was ziehst du heute Abend an?«

Lena zog ihre Tasche auf, obenauf lag ihr Lackkleid. »Und Lederstiefel«, sagte sie.

Die Doorbitch zog das Lackkleid mit einer Hand aus der Tasche, zeigte es dem Menschen neben ihr, der in einem weißen Glitzeranzug auf roten Pumps stand, mit Vollbart und langen Haaren à la Conchita Wurst. »Was meinst du?« Lena hielt den Atem an. Jetzt war sie bis hierhin gekommen, wurde sie jetzt nach Hause geschickt?

»Das sieht lecker aus«, meinte der bärtige Typ, und zu Lena gewandt: »Und du siehst darin sicher auch sehr lecker aus.«

Die Doorbitch lachte, steckte das Kleid wieder in die Tasche und winkte sie durch: »Viel Spaß.«

Lena war drin.

Zumindest befand sie sich jetzt in einer Art Vorhalle. Hier standen Bierbänke und Leute zogen sich um. Am Ende der Halle standen wieder Menschen in Schlangen – die Garderobe. Lena tat, was sie bei den anderen beobachtete, und zog sich um. Ihre Alltagsklamotten stopfte sie in die Tasche, zog sich mit ihrem Taschenspiegel noch einmal die Lippen tiefrot nach und ging zur Garderobe. Ab hier waren alle kinky gekleidet. Die Frauen waren meist eher knapp verhüllt, die einen oder anderen Brüste lagen frei. Lena war froh über ihre Kleiderwahl. Sexy, aber so, dass sie ihre leichten Rundungen um den Bauch entspannt zeigen konnte. Lena wusste, dass sie sich nicht verstecken musste, sie mochte ihr etwas kantiges Gesicht mit den hellen Sommersprossen, die gut zu ihrem dunkelblond rötlichen Haar passten. Das hinderte sie leider nicht daran, manchmal unwillkürlich über ihren Bauch zu streichen und die Luft anzuhalten, wenn sie sehr schlanke Frauen betrachtete. Diese schienen ihr dann – wie die Frau in weißen Lackstiefeln mit rotem Latexkleidchen und schwarzem Haar, die einen Mann in engen Lackshorts und freiem Oberkörper begrüßte – souverän und sicher, jederzeit mit sich und ihrem Körper zufrieden.

Lena schloss ihre Augen, atmete durch und sagte sich: Ich bin schön, ich bin hier, ich genieße, wie ich es mag. Sie öffnete ihre Augen und ging in den Tanzsaal.

Die Beats hatten schon von draußen gedröhnt, drinnen schwallte ihr der Techno in voller Lautstärke entgegen. Die Luft war von Bässen durchdrungen, das Licht gedimmt und vom Flackern bunter Lichtorgeln durchbrochen. Lena blieb stehen, nahm sich Zeit, aufzunehmen, was sie sah und was sie hörte. Der Saal füllte sich, die Tanzfläche war mit nur wenigen zuckenden Körpern besetzt, dennoch schien in Lena alles zu vibrieren. Sie saugte es mit allen Sinnen in sich auf: die Musik, die Lichter und die Frau, die im Käfig an der Tanzfläche tanzte. Auch den Mann, der nichts trug außer Lederschuhen und einen neonblauen Cockring und sich mit einer Frau unterhielt, die ein Ganzkörperlatexkostüm trug. Dessen Kopfteil ließ nur ihre untere Gesichtshälfte und die Augen frei und machte sie mit den kleinen spitzen Ohren zur Katze.

Lena erkundete den Saal. Sie kam an einem Gynstuhl vorbei, auf dem eine Frau lag, die von einem Mann, der einen Latexrock mit Schottenkaros trug, geleckt wurde. Ihre Beine lagen auf den ausladenden Haltern, einen Slip trug sie nicht, und der Mann kniete vor ihr, während er ihre Pussy mit seiner Zunge umspielte.

Lena ging weiter, eine Treppe hinauf in einen abgedunkelten abgetrennten Bereich, in welchem sich Nischen mit großen Liegeflächen befanden, abgedeckt mit schwarzem Gummi. In der hintersten Ecke fickte ein Mann einen anderen von hinten. Der Gefickte hatte den Schwanz eines weiteren Mannes im Mund. Der Rest der Flächen war leer, die Nacht war noch jung.

Lena stieg die Treppe wieder hinab. Die Tanzfläche war voller geworden, sie ließ sich vom Beat treiben, genoss den brummenden Sound der Bässe, das Johlen der Menge. Wenn eine Welle in der Musik brach, konzentrierte sich auf ihren Tanz, kam ins Schwitzen, beobachtete ihre Umgebung. Eine Frau tanzte sie an. Deren männlicher Begleiter schaute zu und tanzte weiter. Lena gefiel die kleine blonde Frau, die in ihrem roten Lackkorsett über einer kurzen Hose quirlig wirkte. Sie tanzten, berührten sich an Armen, im Gesicht und an den Brüsten. Blicke spielten miteinander. Lena fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, ihr Gegenüber lachte und tat es ihr gleich. Lena griff der Frau an den Hinterkopf und in ihr langes Haar, sanft, bestimmt. Während sie noch immer tanzten, kamen sich ihre Gesichter näher. Ihre Lippen berührten sich kurz, dann öffneten sie sich. Ihre Zungen umspielten einander. In einem langen Kuss schmiegte sich ein Körper an den anderen, während der Saal im Takt des Elektrobeats bebte.

Der Kuss schmeckte Lena, das Brodeln im Saal war wie ein Glas Wein dazu. Die Lippen der Frauen lösten sich voneinander, die schöne Unbekannte entfernte sich mit einem Zwinkern und wandte sich wieder ihrem Begleiter zu, der Lena kurz freundlich zunickte. Lena tanzte weiter, lachte, drehte sich hüpfend zum Beat im Kreis und schrie: »Yeah!«

Wo war sie hier? Wieso war sie nicht schon früher hierhergekommen? Sie tanzte, bis sie eine Pause brauchte. Durstig ging sie zur Theke und bestellte sich ein Wasser, betrachtete von dort den Saal, in dem nun mehr als tausend Menschen tanzten, flirteten und genossen.

Ein Mann führte an einer Leine eine, mit einer Corsage bekleidete, Frau vorbei. Auf dem Kopf trug sie Häschenohren und ihr Blick war auf den Boden gerichtet. Lena beobachtete, wie der Mann die Frau hinter sich herzog und diese ihm willig folgte. Ihre Hände waren hinter dem Rücken zusammengebunden. Der Mann blieb stehen, drehte sich um und sagte kurz etwas. Die Frau kniete nieder und verharrte mit gesenktem Blick. Der Mann sagte wieder etwas und die Frau beugte sich nach vorne und leckte sein Bein von den Stiefeln über seine Lederhose bis in den Schritt. Als sie mit ihrer Zunge dort ankam, zog er an der Leine und sie stand wieder auf. Jetzt, da sie vor ihm stand, leckte er ihr quer über das Gesicht, sie verzog keine Miene. Er nahm eine geschlossene Augenmaske aus seiner Hosentasche und legte sie seiner Begleiterin an, ohne die Leine loszulassen. Nun nahm er sie eng am Arm und führte sie weiter. Mit Spannung hatte Lena die Szene beobachtet. Es war nicht viel passiert, keine Schläge, kein Sex, und doch erregte sie das Spiel der zwei. Sie merkte, dass sie ihren Atem angehalten hatte. Lena fragte sich, wie es wäre, jemanden so zu führen. Und wie es sich anfühlen würde, wenn sie so geführt würde, sich dem Gegenüber völlig auslieferte. Lena spürte, dass dies nicht die Rolle war, die sie suchte. Aber sie einmal zu erleben, das reizte sie. Sie schauderte bei dem Gedanken.

»Hallo, du hast ein wunderbares Lachen.«

Lena blickte in die Richtung, aus der die Worte kamen. Die Stimme gehörte einem großen Mann, zu dem sie leicht aufblicken musste. Dunkle, leicht grau melierte, kurze Haare, nach hinten frisiert mit einem Ansatz von Geheimratsecken. Seine sinnlichen Lippen entblößten weiße Zähne, als er sie mit einem Lächeln betrachtete, welches auch seine blaugrauen Augen leuchten ließ. Gleichzeitig spürte sie ein kurzes Ziehen im Magen, ein Signal, ein inneres Unwohlsein.

Sie nahm es wahr und sagte: »Danke.«

Der Mann streckte ihr eine Hand hin. »Tom«.

»Lena«, erwiderte sie, wischte ihren inneren Alarm beiseite und ging in die Offensive. »Bist du öfter hier?«, fragte Lena.

»Ja«, sagte Tom, »fast jedes Mal. Aber noch lieber mag ich die Kit Beats, ist kleiner. Strengerer Dresscode. Mehr Insider.«

Lena ließ das so stehen, obwohl sie nicht wusste, was er mit Insider meinte. Sie sicher nicht. »Ich bin das erste Mal hier«, nahm sie ihren Mut zusammen.

»Das muss gefeiert werden, darf ich dir einen Drink spendieren?«

Nach dem Ausschalten ihres inneren Alarms ließ Lena sich weiter durch diesen rauschhaften Abend treiben. Ihr Wasser war leer. »Danke und gerne. Einen Sekt auf Eis, bitte.«

Tom beugte sich zu ihr, sagte leiser: »Nicht davonlaufen.« Sie schüttelte ihren Kopf und er ging zur Theke, die nur wenige Meter entfernt war.