Don Juan der Feinschmecker - Rafael Angel Herra - E-Book

Don Juan der Feinschmecker E-Book

Rafael Ángel Herra

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Beschreibung

Ein begabter Werbefachmann, dem das Glück bei Frauen und im Beruf hold ist, erfreut sich an den sinnlichen Genüssen. Beim Essen mit schönen Frauen sucht er die Erinnerung an frühere Geschmackserlebnisse. Freitags trifft er sich mit Freunden in verschiedenen Bars von San José. Sie reden vor allem über Frauen und Fußball, üben aber auch Kritik an den Zuständen in Costa Rica. Sie beneiden Juan, den sie wegen seines Erfolges bei Frauen und seiner Vorliebe für gutes Essen D. Juan den Feinschmecker nennen. Juan ahnt nicht, dass er als Schürzenjäger selbst zur Beute werden könnte.

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Für Hans, für Norma, in alter Freundschaft

Inhaltsverzeichnis

Mordsmachos ohne Mumm

Der Spanner

Du wirst Komplize sein.

Erlaube mir eine methodische Frage.

Das Opfer

Die Miserablen

Ein blutender Körper an der Karibik

Das laszive Aussehen der Papaya

Ein weiterer Freitag, nach dem letzten Freitag

Das Verbrechen von Cahuita

PubliServ

Die kurzen Jahre

Pedro Blablabla

Reizvolle Unverschämtheiten

Juan und das namenlose Model

Diana in ihrem Büro

Juan besteigt den Berg

Die Hure, die uns geboren hat

In Dalilas Haus

Stumme Szene

Dulce und Juan

Das Schaufenster als Spiegel

Juans Routine

Pedro sprach von Lucila

Dreizehn Photographien

Sie hat keinen Namen, aber sie nennt sich

Die Frauen nach dem Geschmack suchen

Vergebliche Telefonanrufe

Die hat ein Gesicht, das einen schönen Hintern verspricht

Lucila suchte das Glück

Herausforderung für PubliServ

Sie wurde kaltblütig ermordet

Pedro Blablabla erwähnte ein weiteres Verbrechen

Kurioses Menü

Warum beginnen Sie nicht in den Kneipen?

Die Literatur ist das Schlüsselloch

Nacht der Polizisten

Eine Schwäche in Dalilas Stimme

Die Touristen des Chaos

Die Aromen sind die Zunge, mit der die Wirklichkeit spricht

Ich kaufe dir die Seele ab

Schau, wie du aussähest, wenn man dich schauen sähe

In den Fantasien des Publikums wäre ich sein Trugbild

Diese Nacht war eine Zeremonie des gegenseitigen Kannibalismus

Die Schöne und die Bestie

Der göttliche Körper seiner Begierden

Armer Clown Pedro

Angesichts des schonungslosen Machos

Malpaís wäre das Land des Bösen

Armer Erzähler

Wenn Flor Salvaje nicht sprechen lernt

Der Körper von Marilis entfernt sich

Wenn dir der Knoblauch schmeckt

Der Teufel würfelt, sooft er die Sterblichen zusammenbringt

Lucilas Telefon klingelt

Du siehst aus wie ein Engel mit Regenschirmflügeln

Es war schon nicht mehr sie, es war nur noch ein lebloser Körper

Diana und das absolute Böse

Die Stunde des Überfalls

Juan in seinem Büro

Ich bleibe der König

Der Charme des Verführers

Zwei verachtenswerte Szenen

Ein kurzer Traum

Das Kartenspiel der Lust oder der Phönix der Erinnerung

Unschuld einer Jungfrau und Sinnlichkeit einer Hure

Die Hühnerbrühe

Hundeleben

Hypothesen über die Verbrechen

Ein sepiafarbiger Umschlag

Dalila, Raubtier der Liebe

Was letzte Nacht gesagt wurde

Die Blumen sind verwelkt

Jene Leidenschaft

Die Obstschale der Sünde

Regenschirmflügel

Die Fantasie ist launenhaft

Maracuja flambiert mit Rum

Der Grill brannte neben dem schändlichen Kartenspiel

Kommt dir das nicht merkwürdig vor?

Die Stadt des Chaos

Das kalte Fett der Existenz

Das Messer ergreifen

Lächeln des Würgengels

Die Freuden des Rauchers

Drei Tage im Fegefeuer oder der Schmerz der Krustentiere

Der angekündete Mörder

Pedro Blablabla: Ich klage an

Begegnung mit Juan

Diana und der Erzähler

Abgeschlossener Fall?

Ende aller Enden

Ganz zum Schluss

Die Würfel sind gefallen

Die Fantasie des Erzählers?

Mordsmachos ohne Mumm

„Mordsmachos“, schrie Pedro Blablabla, bequem in der Bar sitzend, mit Sabber auf den Lippen.

„Mordsmachos ohne Mumm“, murmelte Diana zwischen den Zähnen, ein Lächeln unterdrückend, während sie das Chaos mit einem Blick überflog, bis er an Don Juan dem Feinschmecker hängen blieb.

Der Spanner

In dem Augenblick, in dem du den ersten Absatz liest, hast du dich in einen Spanner verwandelt. Höre gut zu, lieber Leser: Du hast dich gerade niedergekniet, dich in der Mitte mit angespanntem Körper und starrem Blick vor das Schlüsselloch der Obszönität gebeugt, um die andere Seite zu überwachen. Diese Anstrengung aufzupassen öffnet dir den Blick auf die Lüste eines merkwürdigen Verführers, dessen Liebesrezepte du auf den folgenden Seiten kennen lernen wirst. Die Würfel sind gefallen, du kannst es nicht beklagen. Ohne das Schlüsselloch und ohne Augen, die hindurchschauen, ist kein Roman möglich.

Du wirst Komplize sein.

Die Typologie des Verführers nährt die Boshaftigkeit, aber sie bereichert auch den Karneval der Welt. Gleich wirst du ein Exemplar dieser Gattung sehen, das in den Chroniken der großen Liebenden vergessen wurde, in den Archiven der Polizei fehlt und natürlich ohne Bedeutung in der Gastronomie ist. Wie ich habe sagen hören, erwähnt ihn bis heute kein Text. Es handelt sich um eine Person, die gleichzeitig außergewöhnlich und vulgär, bezaubernd und verzweifelt ist. Erst am Ende, wenn du deinen schmerzenden Rücken aufrichtest und ohne böses Blut aufhörst zu schauen, wirst du entscheiden, ob die schändliche Anstrengung, auf die andere Seite zu spähen, der Mühe wert war.

Erlaube mir eine methodische Frage.

Das Schlüsselloch ist eng und auf gewisse Weise ungeeignet, um eine Geschichte zu beobachten. Auf der anderen Seite, wo es aufregend ist, erahnt man Episoden nur zur Hälfte, Einzelheiten ohne Zusammenhang. Ich sage dir ohne Rücksichtnahme: Es wird notwendig sein, die Wirklichkeit jenseits der sichtbaren Welt zu erfinden, um sie zu verstehen. Nimm es nicht übel: Die Physiker, die Biographen und die Klatschbasen tun das Gleiche wie die Romanciers. Ihre Handlungen werden von unnötigen Verbrechen und vergangenen Liebschaften inspiriert (und es ist nicht unnütz zu wiederholen, dass die Liebschaften so sind). Der Blick, dein Blick, wird den Schritten eines unglücklichen und eher merkwürdigen Helden folgen, der Don Juan der Feinschmecker genannt wird. Wir werden seine Abenteuer verfolgen, selbst wenn sich dies als pervers, steril und den Geschichten der Sensationspresse ähnlich erweist. Vielleicht retten ihn die Erfolge und Albernheiten dieser unheilbaren Machos, seiner Freunde, Stammgäste der Bars, die in die Geschichte als die Miserablen eingehen werden. Jeden Freitag trifft sich Don Juan der Feinschmecker mit ihnen in einer anderen Bar, um die Welt wiederherzustellen.

Die Redlichkeit, die du, lieber Leser, verdienst – und ich sage dies nicht, um dir zu schmeicheln –, veranlasst mich, dir einen Rat zu geben: Wenn dir die Wonnen des Voyeurs gefallen, warte mit der Lektüre dieses Buches bis zur Volljährigkeit. Sehr zu meinem Leidwesen werde ich dir nur dann Recht geben, wenn du mir einen Vorwurf machst, der von den besten moralischen Traditionen inspiriert ist. Wenn du mir sagtest, die Leser seien Komplizen des Erzählers, des niederträchtigsten aller Spanner – was du bereits bei deinen zahlreichen Romanlektüren bemerkt haben wirst –, werde ich dir Recht geben: Romane werden aufgrund von Voyeurismus gelesen. Folge also den jammervollen Schritten Don Juans des Feinschmeckers lies die Geschichte seiner Begegnungen und der Ereignisse, aber ich bitte dich, tue es in der Küche und nie ausgestreckt auf dem Bett. Öffne das Buch auch nicht vor dem Einschlafen. Die Verführung beginnt auf einem Bett von duftenden Kräutern am genussvollen Herd, wenn dich die Natur zur Zärtlichkeit ruft.

Da du, müßiger Spanner, bis hier her gekommen bist, kannst du dich nicht mehr retten, selbst wenn du das Buch schließt. Fahre fort zu beobachten, den Körper vorgebeugt, mit scharfem Blick, gerunzelter Stirn und ein wenig Laszivität, die auf der umfangreichen Rezeptsammlung deines Körpers ausgebreitet ist.

Das Risiko wird sein, über einen Leichnam zu stolpern, wo du ihn am wenigsten erwartest.

Das Opfer

Die günstige Gelegenheit würde kommen. Die Frau ging schnell, wie sie es zu tun pflegte, und kam am Fahrzeug mit den getönten Scheiben vorbei. Die zwei Männer sahen ihr nach.

„Was sind wir doch für Mistkerle“, sagte der, welcher neben dem Fahrer saß, während er etwas zwischen den Beinen streichelte und mit den Augen den schönen Hintern auf der anderen Seite des Fensters verschlang, „was für eine Verschwendung.“

Der am Steuer antwortete mit einem Lächeln.

Ein anderer Mann, der einige Schritte hinter der Frau ging, lächelte auch.

Die Miserablen

Als die Miserablen an jenem Freitag der Bars auf die Straße traten, bildete sich Juan ein, er werde beobachtet. War es das vierte oder fünfte Mal? Seit wann hegte er den Verdacht, verfolgt zu werden? Ich weiß die Gründe dafür, aber ich verwahre sie wohl in meiner Brust, denn es ist noch nicht die Zeit, sie zu erzählen. Juan hingegen konnte seine Empfindungen nicht für sich behalten und plauderte sie, sich nach allen Seiten umschauend, vor dem Triste aus, während Pedro mit seinem Blablabla fortfuhr. Es war dieser und nicht der Triste, der ihm mit nach Paprikawurst und Bier stinkendem Atem antwortete, während er mit den Händen fuchtelte, um imaginäre Stechmücken von seinem Gesicht zu verscheuchen:

„Auch wir Paranoiker haben reale Feinde.“

„Diesen Satz habe ich schon gehört, du Mistkerl. Der andere Juan hat auch gesagt: Die Toten, die ihr tötet, erfreuen sich guter Gesundheit.“

Es ist nicht so, dass Juans Nerven zerrüttet gewesen wären, denn er war nicht ängstlich, aber er fühlte sich beobachtet und es befiel ihn ein lästiges Unbehagen. An diesem Freitag wich er von seiner Gewohnheit ab und plauderte zu viel aus. Er sprach wenig von sich, aber manchmal fiel er in Versuchung, es zu tun, indem er sich auf ein einziges Thema beschränkte. Plötzlich erwähnte er, verzaubert durch Details seines Liebeslebens, seine Siege auf dem Territorium der großen Stürme und banalisierte die verlorenen Schlachten. Auf keinem anderen Gebiet ist der Selbstbetrug so köstlich wie in den Liebesfantasien. Juan brauchte Bestätigung. Wenigstens nahmen die Miserablen dies so wahr. Es war eine gelegentlich auftretende Schwäche, aber dann zeigte sie sich in vollem Umfang und reichte aus, dass sie ihn bei Alkohol und Zigarettenrauch lediglich mit dem Spitznamen Don Juan tauften oder Don Juan der Feinschmecker, wenn sie seine Ruhmestaten exquisiter loben wollten.

Die Episode mit Flor Salvaje endete viele Monate nach dem ersten Gefühl, verfolgt zu werden. Wie man im Verlauf der Geschichte sehen wird, mit tragischem Ende.

Ein blutender Körper an der Karibik

Diana atmete eine Wolke imaginären Rauches aus. Noch nach mehreren Jahren ohne Tabak erlebte sie das frühere Vergnügen wieder, mit Feingefühl die schmutzige Luft zwischen den Lippen auszustoßen, illusorische Ringe zu bilden, und gab sich danach einer beunruhigenden Ruhe hin. Wenn sie ein Fall fesselte, füllten sich die Pausen, in denen sie nachdachte, mit diesen archetypischen Gesten einer Raucherin. Die polizeiliche Ermittlung ist schwierig, sie verlangt Beharrlichkeit, Konzentration. Man muss sich an etwas festhalten: an einer Zigarette zum Beispiel. Aber heute nicht. Heute verbindet sie Arbeit und Urlaub an der Karibik, in Cahuita.

Seit den mythischen Tagen ihres ersten Besuchs im Garten Eden zwischen Meer und Urwald war sie von Cahuita hypnotisiert. Diana war gekommen, um zu entspannen, Unreines in der salzigen Feuchtigkeit der immer noch geheimnisvollen Tropen auszuschwitzen und einen Blick auf die kleinen Geschäfte der Karibikküste zu werfen, die sich während der letzten Jahre, vor allem in Puerto Viejo, vervielfacht hatten, um den Bedarf des internationalen Touristenstroms zu decken. Einige von ihnen gehörten ausländischen Abenteurern oder Opportunisten mit guter Nase und unerschöpflichen Geldquellen. Die Polizei verfügte über wichtige vertrauliche Informationen über Geschäfte, die dort im Schutz der ewigen Glückseligkeit zusammenliefen. Seit langer Zeit wusste sie von einem Netzwerk, das Mädchenhandel mit dem Nahen Osten trieb, mit Kontakten in San José und der Karibik und zahlreichen Verbindungen in verschiedenen Ländern Südamerikas. Obwohl es keine weiterreichenden Informationen gab, war es eine gute Idee, sich diese Tage am Meer freizunehmen und als bewährte, ihren Beruf leidenschaftlich ausübende Polizistin nebenbei die Läden zu überwachen, die den Mädchenhändlern in Cahuita, Puert Viejo, Cocles und Manzanillo zur Tarnung dienen.

Die weisesten der Weisen haben einen Spruch: Wer zum Fenster hinaussieht, sieht Dinge. Den Weisen, die so reden, widerspricht nichts, wenn das Schicksal seine eigenen Ziele verfolgt.

Das Schicksal oder der Zufall, die ein und dasselbe sind, lenkt unser Leben wie es will, und zwinkert uns zu, wo wir es am wenigsten erwarten.

Diana ruhte sich gerade aus, der Schaum zeichnete ihre Haut mit filigranen Spitzen, während die Brise ihr das Gesicht streichelte. Da geschah es. Der Sand, das unendliche Meer, der stürmische Wind jenes Morgens führten zu einem Ende, das undenkbar war, als sie sich zu einer Reise an die Küste entschied. Jemand schrie und die wenigen Frühaufsteher liefen herbei. Neben einem dampfenden Becken zwischen den Bäumen, einer Hinterlassenschaft der Probebohrungen nach Erdöl, die den Wald verwüsteten, der ohnehin schon schwer verwundet war, lag eine junge, schöne Frau. Diana spekulierte nicht, wohin sie dieser im Paradies unerwartete Leichnam, so nah an den Korallenbänken, führen würde. Aber sie wusste andere Dinge sehr gut: zum Beispiel, dass es zwischen dem Opfer und dem Mörder eine Verbindungslinie gibt. Die Aufgabe der polizeilichen Ermittlung ist es, diese in allen Einzelheiten zu verfolgen, das Chaos des Knäuels zu entwirren, bis dem Täter Handschellen angelegt werden. Die Motive für das Verbrechen zu verstehen, fällt nicht in die Zuständigkeit der Polizei, sondern in die von Psychologen oder Polizeipsychologen, sollten sie einmal erfolgreich die seltsamen Brühen identifizieren, die im Herzen der Sterblichen gekocht werden. Aber sie wusste auch etwas Pragmatischeres: dass die Motive zum Verbrecher führen. Niemand kann erklären, ob es die tropische Hitze war oder ihre Mattigkeit und Ermüdung durch monatelange Überarbeitung, was sie zweifeln ließ, aber dann triumphierte ihr Gespür. Jemand entdeckte die Waffe, bevor der Tatort abgesperrt werden konnte. Ein Küchenmesser blitzte zwischen den Gräsern, halb vergraben mehrere Meter vom Körper entfernt.

In dieser Nacht, im Esszimmer der Pension sitzend, stieß sie wieder die Luft aus, während sie sich eine Limonade servierte. Dies war ihr Tick bei schwierigen Überlegungen. Drei Tage danach musste sie am warmen Meer von Talamanca, in Limón, den Ort eines weiteren Verbrechens mit gastronomischen Resonanzen aufsuchen. Das nächste Mal würde sie, um Vergnügen und Arbeit nicht zu vermengen, was den unglücklichsten Cocktail ergibt, zur Isla del Coco fahren, um Eier ausgestorbener Tiere zu suchen.

Das laszive Aussehen der Papaya

Der blinde Zufall warf ihn auf die Welt in Zeiten, die gar nicht heroisch und so eitel wie wenige sind: die unseren. Unsere Epoche sah Juans Geburt in einer Vorstadt der Kapitale, weit nach der Mitte des Jahrhunderts, als das Land aufhörte, eine ländliche Landschaft mit mehr Weilern als Städten zu sein. Über das, was er in seiner Kindheit sah und durchmachte und man ihn durchmachen ließ, gibt es keine Aufzeichnungen, ich habe aber einige Zeugenaussagen sammeln können. Selbstverständlich hat niemand in ihm eine Person vorhergesehen, die dazu verurteilt war, ein riskantes Leben zu führen, über deren Leben Aufzeichnungen gemacht oder wundertätige Episoden dokumentiert werden müssten. Wenn uns die Neugier anspornt, müsste sein Scheißleben Stück für Stück rekonstruiert werden und die Scheißleben derer, die zu ihm in Beziehung stehen. Freilich haben diese Angaben keinerlei Bedeutung für die Menschheit, sie sind aber bei näherer Betrachtung merkwürdig und ihre Lektüre füllt einige langweilige Stunden, wenn die Muße fehlt oder eine bessere Möglichkeit, sich zu beschäftigen. Ich werde sie dir berichten, lieber Leser, aber ich vertraue auch auf deine Vorstellungskraft, welche die Lücken auf der anderen Seite des Türschlosses schließt und die Geschichte nach deinem Geschmack ergänzt.

Sein Vater, Besitzer kleiner Restaurants (die wir eher Garküchen nennen sollten) auf dem Zentralmarkt, führte ihn seit seiner frühesten Kindheit dorthin. Durch diese Ausflüge kompensierte er das Fehlen der Mutter, er sorgte für ihn und brachte ihm die für das Leben wichtigen Dinge bei. Auf dem Markt, einem Ort des Abfalls und frischer Früchte, der Geschäfte und kleinen Genüsse, spielte das Kind, sich zu verirren, und dort, verloren zwischen Gemüsesorten, Fischgeruch, Lederartikeln und Frauen mit dem Lächeln der aufgehenden Sonne, mahlte ihn die Geschichte mit ihren Pfeffermühlen. In den einfachen Speisewirtschaften, die ich nicht wieder Restaurants nennen werde, ging er in die Küche und dann musste man ihn hinter den Röcken der jungen Kellnerinnen suchen. Niemand kann mit Sicherheit sagen, ob es zu jenen unvernünftigen Zeiten war, als ihm der Geruch der Frau zu gefallen anfing, die Frischkäse im Hinterhaus verkaufte, am Garten, der zu seinem Schlafzimmer führte, aber es gibt ein merkwürdiges Detail über diese Kindheit, die von Aromen und Kochkünsten erfüllt war. Während jener Jahre prägte sich die samtene Haut der Pfirsiche seinem Gedächtnis ein, und er lernte, dass es keines Wunders bedurfte, um sich nach der lasziven Form der Papaya zu sehnen, die sich den Blicken darbietet.

Das Liebesleben, das einzige, das in seinen Augen zählt, nahm seinen guten Anfang; oder schlechten, je nach Gesichtspunkt. Zwischen freigebigen Nachbarinnen, Gemüsesorten, Paprikawürsten und Straßentumulten hatte Don Juan der Feinschmecker eine Offenbarung. Ja, vielleicht wurde er dort eingeweiht und so war es, wie er zum ersten Male und für immer die Liebe kennen lernte. Es gab Liebschaften, Liebeleien, Laszivität, Faustschläge auf den Tisch, aber es geschah von Anfang an auch etwas Außergewöhnliches: Jede Erfahrung hatte einen Geschmack und dieser Geschmack hinterließ unauslöschliche Merkmale in seiner Phantasie. Die Liebe verband sich mit bestimmten Aromen: dem Fisch, den Pfirsichen oder dem Saft, der ihm an einem kalten Tag ins Gesicht geschüttet wurde. Die Phantasie kannte keine Grenzen. Sie war spontan, betrügerisch. Juan vergisst die grundlegenden Tage nie: Mit der Tochter des Nachbarn, der mit importiertem Obst handelte, versteckte er sich zwischen Pappschachteln, um rote Trauben zu essen; seit jener Zeit bewahren das Geheimnis und gewisse Phantasmagorien, die nicht veröffentlicht werden dürfen, die Textur der Avocado. Gelegentlich traf er die Mulattinnen des Guten und des Bösen. Beim Lächeln entblößten sie ungeahnte Zähne zwischen fleischigen, feuchten und brennenden Lippen; so fühlte er sie eines Nachts, als sie ihn aufs Ohr küssten und aufgeregt an ihm knabberten. Die Mädchen stahlen den gebratenen Speck und luden ihn zum Essen ein, versteckt auf dem Grundstück seines Vaters, des Metzgers, nicht ohne dessen Zorn zu erregen: Eines Morgens verfolgte er ihn mit einem Messer in der Hand und rachsüchtigen Augen. Juan floh tief beschämt auf die Straße. Er fühlte einen Nachgeschmack von Fleisch und Schrecken im Körper und den Schmerz unvollendeter Liebschaften in der Seele.

Die Jahre entflammten seine Kraft: nicht umsonst, denn die Liebe hinterlässt immer Spuren. Die Frauen liefen ihm nach, er zog sie an, wer weiß, aus welch magischen Gründen; und er suchte sie begierig seit seiner Kindheit, um sich turbulenten Empfindungen hinzugeben, die im Gaumen geboren wurden. Die hängenden Knoblauchzöpfe ließen ihn an eine geheimnisvolle Haarpracht denken. Juan erlebte ihre Wirkung auf die Haut beim Spiel mit einer Locke von neuem. Auch die Zitrone und die Kräuter prägten seinen Gaumen, die unangenehme Feuchtigkeit, welche die offenen Wassermelonen ausschwitzten, das rätselhafte Aussehen des Breiapfels, die fleischigen und frechen Tomaten. Alles schmeckt nach wollüstiger Hingabe, nach dem Fruchtfleisch der reifen Mango, nach von Kaskaden süßen Fruchtsaftes befeuchteten Lippen

Ein weiterer Freitag, nach dem letzten Freitag

Ein weiterer Freitag, nach dem letzten Freitag. Die Miserablen. Wieder die Bar. Obwohl es nicht seine bevorzugten Feiern sind, ziehen Juan diese grotesken Wochenenden an, er weiß nicht warum und wird es bis zum Ende der Geschichte nicht wissen, weil es etwas Peinigendes und Obszönes an dieser Gewohnheit gab. Das Schlimmste und Nutzloseste ist das leere Geschwätz über Fußball, zu dem das Gequatsche aus dem Fernseher kommt, der hoch über der Bar steht. Von dort schaut und redet durch seine unergiebigen Kanäle dieses Auge des peinigenden Gottes. Die andere Leidenschaft seiner Kumpel ist es, sich in Kneipen zu flüchten, wo zu den Getränken gute Häppchen serviert werden. Eine moderne Bar, die mit dem Bier nicht etwas zum Kauen anbietet, kann zum Teufel gehen und in den Flammen der Hölle versinken: Niemand mit gutem Magen wird sie vermissen, noch ihretwegen Aquavit-Tränen vergießen. Aber in einer zünftigen Bar müssen die Häppchen große Happen sein, kompakt mit viel Chili, und wie sein Freund David, der Journalist, behauptete, am Tisch serviert von glücklichen Frauen im Stil von Eva, der verführerischen Kellnerin von „Der fröhliche Hahn“, der an den Wochenenden in einem der alten Viertel von San José geöffnet hat. Die Kneipen füllen sich an den Freitagen. Alle Welt eilt, um sich einen Mansch einzuverleiben, während sich die Seele durch endlose Albernheiten entleert. Zigarettenrauch, Uringestank, Stimmen, Musik, Schreie an der obersten Grenze der Dezibel: alles verschwört sich gegen die Gesundheit, aber nährt die Illusionen, während es die Seele einschläfert.

In dieser Nacht zogen sie sich in einen infamen Winkel zurück, auf dem Weg derer, die zum Pissoir gehen, um mit erleichterten Ahs zu enden. Wie viele würden heilige Worte sprechen, während der Strahl auf eine Pfütze mit Bierschaum fällt und die Schuhe anspritzt? In der Kneipe sprechen alle gleichzeitig, schreien mit vollem Mund, man muss die Musik hören, die Aggression des Fernsehers erleiden und sogar von drei Fernsehern, die verschiedene Sorten Dreck gegen die Welt schleudern. In der Stunde der Bekenntnisse befreien sich die Phantasmen. Ovid der Dichter liest seine Gedichte der Woche. Ich bin bereits nicht mehr derselbe: ich trage in deinem Speichel die Begierden, die mir die Spur deiner Lippen hinterließen. Der Zorro schaut geduckt. Sende ein Wort und einen Kuss von der Art, die es nur gibt, wenn die Augen feucht werden, der den Göttern das letzte Mal fehlte, denn sie konnten ihn nicht wiederholen. Der Triste attackiert die Politiker und schmäht die Regierung. Sende mir den Kuss, den ich dich nicht lehren könnte zu begehren, einen langen Kuss, Vorläufer des Vergessens. Pedro Blablabla verkündet seine Eroberungen (und die Gefährten wissen, dass seine Liebesgeschichten erfunden sind) und kann seinen Neid auf Juan wegen dessen Glück bei den Frauen nicht unterdrücken, weil die Frauen ihm nachlaufen, wie man in diesem Reich der Männer sagt, und Juan beansprucht mit Stolz und ohne Scham die Legenden für sich. „Warum nicht?“, fragt er sich. Die Gruppe der Miserablen, diese, die in der Kneipe, bildet sein Lebensprinzip, dort, in ihr und mit ihr bestätigt sich seine schändliche Seite. Ich spreche von der Sonne, die sich am Abend die Lippen schminkt, bevor sie sich verbirgt.

Das Verbrechen von Cahuita

Ein frischer Wind machte die abendliche Hitze an der Küste erträglich. In der Ferne ging zwischen dicken Wolken ein Gewitter auf den Atlantik nieder. Diana spazierte ein wenig lethargisch den Strand entlang. Ihre Arbeit verlangte von ihr, Hypothesen aufzustellen und zu verwerfen. Immer ging ihr ein Fall im Kopf herum. Ich will damit sagen, dass sie sich selbst außerhalb ihrer Arbeit damit vergnügte, kriminelle Rätsel zu lösen. Aber diesmal handelte es sich nicht um einen Zeitvertreib. Das Verbrechen von Cahuita war das zweite innerhalb weniger Wochen. Die jungen toten Frauen begannen, sich ihrer zu bemächtigen, stärker als andere Ermittlungsverfahren, welche die Aufmerksamkeit der Staatsanwaltschaft in Anspruch nahmen. Sie hatte sich an der Karibik entspannen wollen, aber nein, die Ereignisse stellten ihre eigenen Regeln auf, und jetzt war ihr eine Mühle aufgebürdet, die schwere Gedanken mahlte. Wie konnte sie sich da ausruhen? Sie war vor drei Tagen angekommen. Sie wohnte in einer kleinen Pension, die zwischen den Häusern lag, wo das Rauschen der Wellen dem Chaos von Cahuita wich, das seit wenigen Jahren die Schläfrigkeit der Orte verloren hatte, wo nichts passiert und die Welt dem Garten Eden in den Zeiten ähnelt, die der Schlange vorangingen. Aber manchmal drang die aktuelle Wirklichkeit, die einzige, die zählt, in ihre Poren ein. Der Wind des Chaos wehte überall und der Touristenrummel erschütterte schließlich die Unschuld jenes Dorfes, das bis vor wenigen Jahren fast unbekannt war, um nicht inexistent zu sagen: Das Leben bestand aus einem Hin und Her von Fahrzeugen und Touristen auf der Suche nach Abenteuern, ohrenbetäubender Musik und der großen Traurigkeit der unwiederbringlichen Vergangenheit.

Das Gewitter näherte sich.

PubliServ

Juan ist in seinem Büro von PubliServ glücklich. Oder er scheint es zu sein.

Erlaube, Leser, dass ich das Problem des menschlichen Glücks im Tintenfass lasse und an diesem Punkt einen Schleier des Halbdunkels über seine Arbeitsstunden ziehe, zu denen du später zurückkehren wirst, wenn deine Geduld und Geneigtheit dazu und zu noch mehr ausreichen und du in der Geschichte, die du liest, ihren Schwachpunkt sehen willst, das heißt die Gründe seiner Tragödie. Für jetzt genüge es uns, ihn an seinem Schreibtisch zu überraschen. Er sitzt seit drei Stunden auf seinem Drehstuhl. Sieh ihn lächeln hinter einem Berg von Drehbüchern, Kassetten, Videos, Skizzen für Werbeanzeigen und Papieren, ja, Papiere, Formulare, Bestellungen, Aufträge; dazu Schecks, Rechnungen, Quittungen … uff: alles ruht auf dem Schreibtisch, geordnet, ohne Staub. Die Reinlichkeit ist eine seiner am besten gepflegten Manien seit den freien Zeiten in der Kindheit. Zu starke Aromen, ungeordnetes Gemüse, der schmutzige Boden der Märkte, die vom Wind durch die Gassen von San José gewehten Zeitungen, all dies ruft einen urtümlichen Widerwillen in ihm hervor.

Ja, die Ordnung der Dinge und die Unordnung in der Brust: dies verrät ihn; oder sollte es ein falscher Anschein sein, eine weitere Dummheit des Erzählers?

Vor Jahren, in den Anfangstagen der Informatik, wurde damit begonnen, die Arbeit von PubliServ zu computerisieren, aber die Papierflut nahm nicht ab. In den Monaten des Scheidewegs zwischen der alten manuellen Ordnung und der kybernetischen Zukunft, man könnte fast von einer niederträchtigen Zeit sprechen, bestanden zwei Systeme gleichzeitig: die virtuelle Realität – über die von Anfang an zwei junge Experten mit Krawatten von Touristen in den Tropen herrschten – und die echte Realität – die Seine, die der Mitarbeiter und die des Publikums. In dieser denkwürdigen Epoche trat Juan in das Reich der Werbung ein.

Willst du mehr wissen?

In seinem Büro regiert die Ordnung.

Und die Unordnung, die ich schon erwähnt habe?

Im Reich der berührbaren und unberührbaren Ordnung, wo über zerstörerische Projekte entschieden wird, lebt auch das Chaos. Die Videos, die Rechnungen, die Skizzen sind normale Dinge, gut geordnet, ohne Fehler, sie gehen in einem vorhersagbaren Rhythmus ein und aus. Aber in diesem körperlichen Raum voller Aufgaben existiert ein Riss der Unsicherheit. Juan verehrt mit fetischistischer Hingabe, die jedes Maß übersteigt, die in den Schubladen aufbewahrten Reliquien. Frucht der Verführung, würde sein Album mit Fotografien und Illustrationen, das gut eingeschlossen ist, jeden Beobachter fremder Intimität neidisch machen, dem es gelänge, einen Blick darauf zu werfen. Dies ist – erlaube mir, es zu sagen – die private Ehrung seiner Siege, will sagen, der Frauen seines Lebens (natürlich nicht aller) und der kulinarischen Bilder (natürlich nicht aller), die seinen Körper am stärksten erbeben ließen. Niemand könnte es leugnen: auch hier zwischen den illustren Relikten der Liebe ahnt man die Verzweiflung des großen Machos. Über den Mühen der Arbeit, zwischen den Papieren, die seine erregten Fantasien anfachen, lächelt ihm das Paradies der Zärtlichkeit. Sein Leben schwankt zwischen dem beruflichen Unbehagen, der Kreativität und den Phantasmen der Lust, gewürzt durch die im Schreibtisch verborgenen Bilder. Unter der Ablage aus Leder befindet sich nur ein Portrait. Durch diesen einzigartigen Körper, der nur bei unvorhersehbaren Zeremonien sichtbar wird, begehren und sehen ihn alle Frauen seines Lebens an, die er fotografieren konnte. Auf der Seite, links, steht ein Name mit roter Tinte und darunter mit minuziösen Strichen fünf Gabeln, die einen Bogen bilden: Dalila. Zwei ovale Linien schließen die heraldische Zeichnung, die auf einem verkehrt herum geschriebenen Schild ruht (Warum verkehrt herum?):

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An diesem Freitag würde er mit ihr ausgehen.

Dalila.

Er hatte sie gerade kennen gelernt. Durch Zufall. Denn so ist die Liebe. Oder vielleicht nicht. Vielleicht zieht das Verhängnis die mit wilden Hormonen ausgestatteten Körper an.

PubliServ. In diesem klimatisierten Raum schienen alle ätherisch zu sein: diejenigen, die eintraten, diejenigen, die hinausgingen, diejenigen, die dort verweilten. Die Modernität war ein Glaubensakt. Aber an jenem Tag rochen Juans Illusionen nach dem Parfum Chanel. Er wartete auf die Nacht. Lorena, seine Kollegin, klopfte an die Tür und betrat das Büro. Juan sah, wie sie sich sechs Schritte von seinem Schreibtisch entfernt auf das Sofa setzte und die Beine sittsam kreuzte. Auf dem Tischchen zwischen den Sesseln lag die Skizze einer Anzeige für Dessous. Sie nahm sie und verglich sie mit ihren Notizen. Sie mussten mehrere Vorschläge prüfen. Juan stellte sich stilisierte Körper auf dem Laufsteg vor. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren, aber schließlich setzte sich sein beruflicher Instinkt durch, der bezüglich Dessous mit seinen anderen Trieben im Einklang war. Sie verglichen die Skizzen und die Notizen in allen Einzelheiten. Am Ende war Juan mit bestimmten notwendigen und dringenden Änderungen zufrieden. Als Lorena aufstand, um hinauszugehen, folgten ihr zwei unglückliche Augen ohne die professionelle Miene, die sie wenige Minuten zuvor gezeigt hatten.

Gegen Mittag kam ihn Vanessa, seine Börsenagentin, besuchen, nicht ohne sich vorher anzumelden und an die Tür zu klopfen. Sie hatte ihm am Vortag Bescheid gesagt, dass es dringend war. Sie musste mit ihm über bestimmte Investitionen sprechen. Sie war so schön und so zurückhaltend mit ihrer weißen Haut und ihren langen Haaren, mit ihrem vollkommenen Körper, dass Juan eine unmögliche Anstrengung unternehmen musste, um an die Zinsraten zu denken, die in jenem Jahr von den Obergaunern der Wall Street so übel zugerichtet worden waren. Vanessa ging mit genauen Instruktionen, die im Übrigen den Ideen entsprachen, die sie selbst vorgeschlagen hatte. Juan sah sie hinausgehen, stumm. Ihr unschuldiges Lächeln desorientierte ihn. Ihre Intelligenz faszinierte ihn. Ihre Gegenwart verwirrte ihn.

Er machte einige Telefonanrufe und erhielt zwei kurze Arbeitsbesuche. Er erwartete sehnlich den Abend, der sich vor ihm öffnete. Er würde gleich gehen. Aber nein, er musste einen langen Anruf von Roberto, dem Präsidenten von PubliServ, entgegennehmen. Wenn er dem Gremium derer angehört hätte, die ihre Nägel kauen, wäre ihm keiner geblieben, als er das Lenkrad packte und lospreschte (ah, wenn ich fliegen könnte … Dalila).

Die kurzen Jahre

Es war in seiner Zeit als Staatsdiener, in der sich irgendein subversives Büro mit Gerüchen füllte. Er erinnerte sich an die kurzen Jahre: eine spielerische Kraft war unerwartet in seine Träume eingesickert. Der Geruch erfüllte die Gänge, die benachbarten Räume, die Wartesäle. Er atmete tief ein, was ihn aus der Vergangenheit holte. Die Erinnerungen schienen Körper zu haben; Juan hätte sie, ruhig in einem PubliServ-Büro sitzend, freudlos und schmerzlos, miteinander verketten und durch Zeit und Raum ziehen können. Das Bild drückte sein Herz zusammen, drückte es mit den Klauen frustrierter Gelüste stark zusammen, zum Beispiel reife Kochbananen in öffentlichen Gebäuden zu braten. Köstliche und ungehörige Erinnerung. Dank dieser spitzbübischen Gewohnheit sprach die Vorsehung eine eindeutige Sprache: die des Gaumens oder die des Bauches, wie Pedro Blablabla besser sagen würde. Wer könnte sich entziehen? Aber der Teufel versuchte ihn, und er verfiel darauf, sich eine surrealistische Szene vorzustellen: Lorena, seine stilisierte Kollegin, wirft die Skizzen auf den Tisch, steht vom Sofa auf und beginnt, zwischen den iMac der letzten Generation und den LCD-Schirmen zu braten. Das Öl spritzt auf die Sessel. Fast nimmt er den alten Geschmack auf den Lippen wahr und einen trägen Dunst über dem Schreibtisch. Lorena trägt feinste schwarze Unterwäsche. Sie führt eine Bananenscheibe zum Mund und leckt sie langsam, das Öl rinnt über ihre Lippen. Aber es war nur eine Träumerei. PubliServ gehörte der neuen Gattung von Männern und Frauen des globalen Dorfes an und im globalen Dorf brät man bedauerlicherweise nicht in den Büros.

Jene Zeiten …

„Gefällt sie dir?“, rief Luis aus seiner Ecke der Klagen.

Sie waren im Büro zwischen Trennwänden aus Pressspanplatten.

Luis war während Juans Jahren im Staatsdienst der nächste Bürokollege.

„Wie? Was gefällt ihm?“, fragte Marito nach, der andere Kollege nahe seinem Schreibtisch, der an diesem Tag pomadisiertes Haar im Stil von Gardel trug.

„Die gebratene Banane?“

„Nein, die junge Frau, die mich um Rat bat. Habt ihr den Minirock gesehen?“

„Gebratene Banane im Büro mag ich nicht.“

„Sie riecht gut.“

„Wer? Die junge Frau?“

„Nein, die Küche.“

„Dreckskerl!“

Manchmal erschien der oberste Chef und dann rekelte sich jemand und machte sich daran, Formulare zu überprüfen, die er zu einem anderen Schreibtisch schickte.

Währenddessen schwebte in der Luft weiterhin der glorreiche Geruch der gebratenen Banane mit Käse in verbranntem Öl. Aber Juan wehrte die Erinnerung mit einer brüsken Geste ab. Der Geruch nach gebratener Banane konnte nicht mit der klimatisierten Luft harmonieren. Unser Held wärmte bereits nicht mehr einen Stuhl in einem Amtsraum. Nun bildete er einen Teil der grenzenlosen Welt von PubliServ, wo er entdeckte, dass er ein unvergleichliches Talent besaß. Und er brachte es zur Geltung, wie es sich gehört und der Markt es verlangt. Dank dessen füllte sich seine Brieftasche in Galoppgeschwindigkeit.

Du wirst verstehen, wie wichtig es ist, wenn wir im Lauf der Erzählung kurze Blicke auf PubliServ werfen, obwohl das, was du, lieber Leser, liest, sich nicht darauf beschränkt, die neue erfolgreiche Mittelschicht in der globalisierten Welt abzubilden. Es war dort zwischen vernetzten Computern, Zeichnungen und kommerzieller Werbung und einem Kommen und Gehen junger Frauen, mager, automatisch und so schön wie effizient, wo der Spitzname unseres Helden Don Juan der Feinschmecker am besten auf ihn passte und nicht in den Kneipen an den Freitagen, noch in seiner Zeit als Angestellter im öffentlichen Dienst. Mit den Jahren änderte er sich ein wenig, dem entkommt niemand. In dem Unternehmen verfeinerte er seinen Geschmack, und alle bewunderten den verführerischen Charme, den er ausstrahlte. Nur aus diesem Grund betete seine Sekretärin ihn an und war immer dazu bereit, ihm kleine Gefälligkeiten zu erweisen. Lorena gegenüber gab es Probleme der Anziehung und Abstoßung und, obwohl sie verborgen war, konnte Juan eine gewisse professionelle Rivalität nicht verheimlichen. María Coqueta, die Empfangsdame, sprach zu ihm im Stil von „mir-ist-das-aber-wichtig“ und richtete eine durchlässige Barriere vor ihm auf, doch Juan beging nicht die Ungeschicktheit, bei PubliServ den Liebhaber zu spielen. Mit Natalia, der Rechtsanwältin, entwickelte sich immer ein Austausch von Wünschen, die nie verwirklicht wurden. Ihre großen schwarzen Augen begleiteten ihn in vielen Nächten der Träumereien. Sie war so vollkommen, dass er sie nicht vergessen konnte. Marcela, die Verwalterin des Archivs, hatte eine himmlische Reinheit, welche die Triebe des Verführers bremste. Mit den männlichen Mitarbeitern hatte er keine beruflichen Kontakte; einige bewunderten ihn in Liebesangelegenheiten; andere baten ihn um Rat, um ihn nicht zu beneiden. Aber ich werde das Netz der technischen Beziehungen und die verbotenen Wünsche nicht beschreiben, die Juan mit der menschlichen Materie des Unternehmens (so nannte er es) verbanden. Ich werde nur Roberto den Großen erwähnen der, mehr als Generaldirektor und Großaktionär von PubliServ, dem Geschlecht der Patriarchen angehörte. Groß, mit fülligem Körper, beherrschte er die Welt um ihn herum mit Kraft, aber mit Grazie. In dem Unternehmen änderte kein Papier seinen Platz, ohne dass er davon erfuhr. Sein Genie wurde durch Juans Kreativität ergänzt. Er duzte alle, er aß ohne Gewissensbisse und immer gut; wenn er zornig wurde und Befehle erteilte, tat er es mit der Grazie eines Kavaliers unter schlecht erzogenen Damen. Er erfreute sich mehr an der Jagd und dem Golfspiel als an Veuve Clicquot, obwohl ihm letztere die Lippen in den verschwenderischen Nächten befeuchtete, wenn ihn der Teufel bediente. Der alte Schreibtisch mit zwei Stirnseiten, Mahagoni vornehmer Herkunft und kunstvoll verziert, verstärkte die Würde der Besucher, bevor die klimatisierte Luft sie mit arktischen Temperaturen einlud, zitternd den Raum zu verlassen.

PubliServ und sein Leuchtturmprojekt werden auf den folgenden Seiten wieder erscheinen, lieber Leser, aber nicht zu lange, denn du könntest gähnen. Die Helden öden an, wenn sie nicht tragisch sind. Und noch langweiliger können die Institutionen sein, außer wenn sie Geheimnisse verbergen oder uns bedrohen.

Pedro Blablabla

Die Blitze kennen kein Pardon. Die Miserablen auch nicht. An jenem Freitag suchte das Gewitter die Dachtraufen der Mexico-Bar heim. Der Donnergott Zeus wütete gegen die Welt, indem er Blitze vor den großen Fenstern aufleuchten ließ. Juan, Pedro Blablabla, der Triste, Rafa der Engel, Ovid der Dichter und Albino, ebenfalls Dichter erotischer Verse, Bracci, Álvaro und Alex waren schon trotz der Sintflut angekommen. Der Zorro erschien die ganze Nacht lang nicht. Er duckte sich weg: Keiner bemerkte ihn unter den Miserablen; und, wenn er fehlte, bemerkte keiner seine Abwesenheit. Es gab weitere Miserable am Rande, die nur manchmal freitags in die Kneipe kamen. Den harten Kern, die Stammgäste an den Freitagen, werden wir immer wieder sehen. Der Kneipe am Wochenende erhob diese Gruppe gut gelaunter Machos zu alkoholischer Glückseligkeit, obwohl sie nichts anderes gemeinsam hatten, als den Spitznamen die Miserablen und sich an den Freitagen zum Trinken zu treffen, Bacchus zu verehren und über die Dinge dieser Welt und der anderen zu streiten. Sie verabredeten sich jedes Mal in einem anderen Lokal oder zogen in derselben Nacht von einer Bar zur anderen. Es gab keine Regel, da sie nur beabsichtigten, jedes Mal einen Raum der Freiheit und der Ausschweifung zu eröffnen. Es kam wer wollte, sie lösten einander ab und vertraten sich unauffällig, tauschten Stühle und Gläser aus. Es gab keine ständigen Gäste – außer einem: Pedro Blablabla, der sich selbst einen Adelstitel verlieh: den des Epizentrums, des Steins der Weisen oder sogar der Achse dieser verunstalteten Bruderschaft von Trinkern, deren feierliche Sitzungen, sein Regierungsrat, in einem Hexensabbat mit Schnaps, gebratener Leber und ich weiß nicht in wie vielen diskursiven Schweinereien über die konstitutiven Prinzipien der gesellschaftlichen Wirklichkeit bestanden. In letzterem Punkt und in dem menschlichen Hampelmann, den sie vorstellten (ich zitiere Pedro Blablabla), unterschieden sie sich nicht sehr von der amtierenden Regierung, weder vom Präsidenten noch von seinen Ministern noch von ihren Mitarbeitern, denn sie redeten mehr als sie handelten und die einen wie die anderen machten ebenso viel Scheiße aus ihrer aufgenommenen Nahrung. Die Kneipenfreitage waren heilig und wichtig in diesem Scheißleben, denn dorthin gelangten Klatsch, Gerede und sogar die vaterländischen Obszönitäten schneller als an die Presse. Wenn es niemand zu beneiden gab, niemand zu verspotten, niemand wegen des eigenen Verdrusses zu beschuldigen, griff man wieder einmal auf das große Thema zurück: die Frauen. Oder, um es anders auszudrücken, die Frauen betreffenden Angelegenheiten waren das Portefeuille einer intelligenten Diskussionsarbeit, die vor und nach jedem behandeltem Thema kam. Manchmal, vom Gedröhn eines eingeschalteten Fernsehers bombardiert und wenn die Fantasie hinkte, begingen sie die Ketzerei, sich zu desintegrieren und auf politische Themen zu verfallen, oder hielten sich an die Information der Boulevardpresse, um wie ein Wasserfall weiterzureden; dann kehrten sie ohne Verzögerung zu den Einzelheiten des bevorzugten Themas der Woche zurück. Im Laufe dieser Erzählung werden wir sie immer wieder sehen, vor allem Pedro Blablabla, der frechste der heiligen Plebs, beschäftigte sich mit Juans Unglück, dem er, sooft er konnte, den Spitznamen Don Juan der Feinschmecker unter die Nase rieb, obwohl es, wie bereits gesagt, bei PubliServ war, wo es am besten auf ihn passte, so genannt zu werden. Juan war es egal, wenn er so genannt wurde.

Weder die gelehrten Chroniken der Philosophie noch das Getuschel in den Schönheitssalons erwähnen Pedro Blablabla jemals. Die illustrierten Zeitschriften sprechen nicht von ihm. Das Kunstkino kennt ihn nicht. Niemand wird ihn jemals in den Chroniken der außergewöhnlichen Ereignisse besprechen. Er ist auch mit niemand auf den Bildern zu vergleichen, die große Künstler über die Laster der Menschheit gemalt haben. Typen wie Pedro sind abwesende Helden in den Epen und in den Annalen des Kitsches. Und dennoch bekleidete er allzu lange wichtige politische Ämter. Um sich für den Auserwählten zu halten, genügte es ihm, sich jeden Morgen im Spiegel anzusehen und ihn zu fragen: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Schönste im ganzen Land? Sein Vater, ein habsüchtiger Geldverleiher, sah die Zukunft voraus und so vererbte er ihm einige Vermögenswerte und eine Rechenmaschine zum Addieren und Subtrahieren, denn mehr erwartete er von seinem Kopf nicht, der außen so schön und innen so niederträchtig war. Er ist gutaussehend und widerlich, sagte der Triste.

Reizvolle Unverschämtheiten

Sie trug lange Haare, welche die Brise in Zuckerrohrblüten auf den Schultern verwandelte, ihre Haut schmeckte nach Karamell und die granatrot geschminkten Lippen waren fleischig und sündhaft. Wenn Juan an ihrer Seite nicht Schmetterlinge im Bauch verspürt hätte, hätte er gewusst, was zu tun war; aber das Unerwartete verbog seine Seele, die immer hellsichtig war, wenn ihm die Gelegenheit die Arme öffnete: ohne auf ihn zu warten, begann in der Peripherie des Blickfeldes ein mitleidloser Geschmack zu schweben.

Der Zufall hatte sie auf der Straße zusammengeführt. Und er war unwiederholbar – in der Art der kitschigen Erzählungen. Dalila kam mit der Abenddämmerung in sein Leben und entfesselte in ihm die Völlerei.

An jenem warmen Nachmittag verging er in Genüssen vor einem Schaufenster mit gastronomischen Spezialitäten: italienische Antipasti, Bourgogne, getrüffeltes natives Olivenöl extra und andere reizvolle Unverschämtheiten waren Zeugen seines Zusammenbruchs. Genau in diesem Augenblick fühlte er den Sturm. Er musste sich anstrengen, um die Kraft der Eroberer zurückzugewinnen. Dalila war neben ihm stehengeblieben. Juan fühlte, wie sich die Frucht öffnete, deren verstörender Nachgeschmack sein Fleisch in Fieberschauern schmelzen ließ, aber gleichzeitig gewann er seine große Klarheit zurück und sah ein Jahr reicher Ernte voraus. So erfuhr er den Zauber der ersten Begegnung und, auf seine Kraft vertrauend, gab er sich dem Genuss eines unerbittlichen Sieges hin. Die Zeit stand still, er ließ sich in einen Abgrund fallen, der noch namenlos war, aber mit einem Gesicht und langen Haaren. Er war fasziniert, ja besiegt und glücklich, die Brust den Pfeilen öffnend, er war der argloseste der in einem Netz gefangenen Sterblichen. Dortselbst bemerkte er seinen schönen Sturz und glaubte sich glücklich. Trotz der Macht, die ihn gerade überwältigt hatte, war es seine Gabe, seine Aufgabe, zu verführen. Juan ergriff immer die Initiative in Liebesaffären, dies war nicht die Rolle der Frauen, die von seiner unsichtbaren Aureole ergriffen wurden. Immer ließ er es als ausgemacht gelten, dass er mit dem Spiel beginnen musste: ein solches Prinzip muss nicht bewiesen werden. Juan übernahm die aktive Rolle: er war immer das Wort, die Handlung, der Macho, bis ein dunkler Schatten auf seinen Körper fiel: die Ahnung, dass er sich jetzt in Beute verwandelte und nicht in den professionellen Jäger, der er immer gewesen war. Er bemerkte diese unvorhergesehene Schwäche erst, als er bereits in das Netz gegangen war. Eine kleine Misslichkeit des Vollrauschs. Juan glaubte – um dem Leser sein Selbstbild zu vermitteln–, dass nichts und niemand auf der Welt, will sagen: keine Frau, die Macht hatte, seinem Einfluss zu widerstehen. Den Frauen genügte es, ihn in ihrem Wahrnehmungsbereich zu fühlen oder ihn in körperlicher Nähe zu riechen, um schwerelos in seine Reichweite zu schweben, erinnerungslose Schmetterlinge, Rufe und Sehnsüchte verschwendend, den Körper entspannt, die Seele bebend. Nur eine feminine Version von Odysseus hätte der Bezauberung widerstehen können, sich die Ohren mit Wachs verstopfend, um die Stimme der Begierden nicht zu hören, sich die Augen mit einer dunklen Binde bedeckend, um das verfluchte Bild nicht zu sehen, und sich dem Geschmackssinn verweigernd, denn dieser mythische und feminine Odysseus durfte die unfühlbare Luft nicht kauen, die Handvoll loser und verwünschter Moleküle, die aus Juan dem Feinschmecker einen Magnet machten, durch dessen rohe Kraft die Frauen in seinen Kreis elementarer Anziehung voller Versprechen eintraten, von der Aura des Verderbens berührt und ohne Willen, dem Strudel zu widerstehen. Aber dies war nicht alles; es war nur ein Schein. Die Macht war anderswo. Juan trug auf seinen Lippen die geheime Waffe des Machos. Beim Sprechen wurde ein rätselhafter Magnet in der Feuchtigkeit seines Liebesspeichels aktiviert. Als Dalila ihn vor dem Delikatessenladen an ihrer Seite wahrnahm, wurde ihr die Welt klein und das Leben schmolz wie Butter auf dem Feuer. Als Juan ihre Gänsehaut aus Glut und Bronze sah, stellte er sich einen einleitenden Trinkspruch vor: der Champagner wurde bereits gekühlt und das Gedicht seiner triumphierenden Stimme brannte. Der delikate Geschmack der Speisen in der Auslage war ein Vorzeichen. Es gab Köstlichkeiten hinter und vor dem Schaufenster.

Juan gelang es, sich zu beherrschen. Er befand sich auf der Höhe seiner Kraft. Er sprach:

„Gefällt es dir, Schaufenster anzusehen?“

(Die Frage ist idiotisch, lieber Leser, ich weiß es und schäme mich, es zuzugeben, aber was kann man von einer Erzählung erwarten, die auch von den Groschenromanen inspiriert ist? Und welch andere Plattheit sollte Juan unter diesen Umständen als verführter Verführer sagen?)

„Ja, natürlich“, antwortete sie.

Wir können Dalila eine so wenig einfallsreiche Antwort nicht vorwerfen.

Und Juan müssen wir dafür entschuldigen, mit zwei unnützen Wörtern geantwortet zu haben:

„Wahre Fenster!“

„Wie?“, antwortete sie blinzelnd.

Juan brüstete sich:

„Die wahren Geschäfte bieten internationale Gastronomie an: Trüffel, Prosciutto San Daniele, Pata Negra-Schinken, Stachelbeermarmelade, Süßigkeiten aus iranischen Pistazien, Retsina für starke Gaumen, Nougat aus Siena, Glasaale, Öl aus Kreta, mit dem sich kein anderes vergleichen lässt. Wahre Dinge, unverschämt, einzigartig, mitleidlos. Ich spreche von Schaufenstern, die in ihrer Köstlichkeit obszön sind, offen für die Welt, denn die Welt kommt nur durch den Mund herein.“

Don Juan der Feinschmecker redete mehr als gehörig, er fühlte sich pompös: etwas funktionierte nicht in seiner Verführungsmaschinerie. Dalila stammelte, erholte sich aber bald wieder.

„Ja, selbstverständlich, so denke ich auch, wenn ich die Dinge gut kombiniere und sie in guter Gesellschaft genieße“, antwortete sie mit stockender Stimme, mit im Mund zusammenlaufendem Wasser und den Körper den Bedürfnissen eines unaufschiebbaren Appetits hingegeben, genauso wie Juan sie sich vorstellte.

„Schmeckt dir der Spritz?“

Kaum hatte er diese Frage gestellt, bemerkte er, dass er sich auf eine gewagte Taktik eingelassen hatte, fast absurd und snobistisch; dennoch – dachte er – würde sie in diesem Fall vorteilhaft sein.

„Ich kenne ihn nicht.“

„Er enthält Campari.“

„Ah …“

„Ich werde dir das Rezept geben.“

„Akzeptiert.“

„Was hältst du davon, wenn ich ihn in den nächsten Tagen zubereite?“

„Mit Eis?“

„Er ist nur kalt.“

„Man muss auf einen heißen Tag warten.“

„Einverstanden. Warten wir.“

Zum ersten Mal in vielen Monaten fühlte sich Juan blöd.