Dorian Hunter 104 - Derek Chess - E-Book

Dorian Hunter 104 E-Book

Derek Chess

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Beschreibung

Am Handgelenk des Narbigen schimmerten Metallklammern. In den Narben steckten noch Fäden. Sie kündeten von schweren Operationen.
»Was wollt ihr von uns?«, schrie Nara Pacudo.
Da schlug der Narbige mit dem Wagenheber zu. Als er Nara aus dem Auto zerrte, meldete sich noch einmal die Polizei über Funk: »... entdeckten unsere Suchkommandos am Rand des Pinienwäldchens einen brennenden Transporter. Die Insassen konnten nur tot geborgen werden. Alles deutet darauf hin, dass die Terroristen von Teimo durch ihre eigenen Bomben getötet wurden ...«
Der Narbige stieß ein meckerndes Lachen aus. »Sie halten uns für Terroristen ... Das ist gut ...«
Nara spürte einen stechenden Schmerz in seiner linken Brustseite. Das Letzte, was er mit klarem Bewusstsein wahrnahm, war das Gluckern des Kanalwassers - und unter sich einen Kahn, der von einer skelettartigen Gestalt bewacht wurde ...


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Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

DAS NARBENGESICHT

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen.

Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.

Als Rückzugsort in seinem Kampf bleibt Dorian neben der Jugendstilvilla in der Baring Road in London noch das Castillo Basajaun in Andorra, in dem er seine Mitstreiter um sich sammelt – darunter die ehemalige Hexe Coco Zamis, die aus Liebe zu Dorian die Seiten gewechselt und damit einen Großteil ihrer magischen Fähigkeiten verloren hat. Kurz vor der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Martin wird Coco beinahe ein Opfer der Machtkämpfe innerhalb der Schwarzen Familie, doch nach einer Flucht um den halben Erdball bringt Coco ihr Kind sicher zur Welt – und versteckt es an einem Ort, den sie selbst vor Dorian geheimhält.

Cocos Vorsicht ist berechtigt, da bald eine neue, »alte« Gegnerin auftaucht: Hekate, die Fürstin der Finsternis, wurde von Dorian einst in seinem vierten Leben als Michele da Mosto verraten, sodass ihre frühere Liebe sich in glühenden Hass verwandelt hat.

Die Erinnerung an seine Existenz als da Mosto veranlasst Dorian, nach der Mumie des Dreimalgrößten Hermes Trismegistos zu forschen. Er stößt auf die versunkene Stadt Ys und birgt aus ihr einen Handspiegel. Dieser stellt offenbar die einzig wirksame Waffe gegen Hermons einstigen Erzgegner Luguri dar, der Hekate getötet und ihren Platz eingenommen hat.

In Island gewinnt Dorian den Kampf um Hermons Erbe und richtet sich in dessen Tempel ein. Wie es sein Vorgänger Grettir prophezeit hat, verspürt Dorian schon bald keinen Drang mehr, in sein altes Leben zurückzukehren, zumal er von seinen Freunden seit Monaten für tot gehalten wird: Nur Coco, die einen Doppelgänger von Dorian vernichtet hat und seitdem als seine Mörderin gilt, kennt die Wahrheit.

Kurz darauf erwachen in Dorian Erinnerungen an sein fünftes Leben als Tomotada. Wie es aussieht, ist der »Samurai des Teufels« in der Gegenwart auf einmal wieder aktiv und trachtet danach, sein Schwert Tomokirimaru zurückzuerlangen ...

DAS NARBENGESICHT

von Derek Chess

»Wir nehmen die Abkürzung durch den Pinienwald!«, rief Nara Pacudo seiner hübschen Begleiterin zu. »Wenn wir uns ranhalten, sind wir in einer halben Stunde in Tokio.«

Niko Ichi warf einen Blick nach draußen. Die Hügel zeichneten sich als bucklige Silhouetten vor dem Nachthimmel ab. Im Scheinwerferlicht des Datsuns gabelte sich der Weg. Die Straße war kaum fünf Meter breit. Ein Holzschuppen stand zur Rechten. Die Aufschrift war verblichen. Zeitungsfetzen trieben im Wind davon.

»Wir hätten mit den anderen fahren sollen, Nara.«

Der junge Chemotechniker lachte. Er ließ den Motor aufdröhnen und bog in den Waldweg ein. »Hast du Angst, Niko?«

Sie erwiderte nichts darauf. Nervös strich sie mit der Linken über ihre Stirn. Sie war vor einigen Tagen fünfundzwanzig geworden. Nara Pacudo arbeitete für ihren Vater, dem in Kamakura eine große Muschelfarm gehörte. Nara war ihr von Anfang an sympathisch gewesen. Er konnte sich durchsetzen, und er war ehrgeizig. Wenn Nara die Wohnung in Tokio bekommen würde, stand ihrer Heirat nichts mehr im Weg.

1. Kapitel

»Fahr langsamer!«, rief sie und klammerte sich an der Halteschlaufe fest. »Du kannst froh sein, wenn die Stoßdämpfer das aushalten.«

Nara Pacudo schaltete den Gang herunter. Der Wagen wippte auf und nieder. Im Licht der Scheinwerfer schwankten kahle Äste. Dahinter erstreckte sich der dunkle Wald. Die Pinien waren von hier aus nicht zu sehen.

»In zehn Minuten sind wir durch«, versprach Nara hoffnungsvoll. »Du wirst sehen, dass es sich lohnt. Die anderen werden Augen machen, wenn wir uns einen Drink genehmigen, während sie sich um die Plätze in der Tiefgarage streiten.«

Sie – das waren Naras Arbeitskollegen, die in Tokio den Abschluss eines Vertrages mit einer europäischen Firma feiern wollten.

Der Weg wurde noch schlechter. Tief hängende Äste peitschten über das Wagendach. Unter den Reifen zerbrachen herumliegende Äste.

»Dreh um!«, forderte Niko. »Fahr zurück, bevor wir in dieser Dunkelheit festsitzen. Ich will um diese Zeit nicht allein durch den Wald laufen ...«

Das eintönige Dudeln der Radiomusik wurde durch eine Meldung der Polizei unterbrochen. »Wir bitten alle Autofahrer von Kamakura, die Umleitung zu beachten. Wie uns soeben bekannt wurde, haben unbekannte Terroristen die Brücke im Streckenabschnitt Teimo – Kamakura gesprengt. Unmittelbar betroffen davon sind die Hauptverkehrsstraße und der Teimo-Kanal. Sämtliche Umleitungen werden gelb ausgeschildert. Bitte halten Sie sich an der Unfallstelle nicht auf. Fahren Sie zügig weiter. Der Abtransport der Verletzten darf nicht behindert werden. Nähere Einzelheiten vom Terroranschlag von Teimo erfahren Sie in den Nachrichten um zehn Uhr.«

Die Stimme des Ansagers wurde ausgeblendet, und hämmernde Rockmusik dröhnte aus den Stereolautsprechern. Nara warf seiner hübschen Begleiterin einen aufmunternden Blick zu. »Sei froh, dass wir diese Abkürzung genommen haben. Ich will jetzt in keinen Stau geraten. Die Umleitungen nützen doch gar nichts. Keine Polizei der Welt kann die Schaulustigen von der Unglücksstelle fern halten. Wie ich die Lage einschätze, ist der Stau jetzt mindestens fünf Kilometer lang. Unsere Freunde werden wir heute Nacht bestimmt nicht mehr treffen.«

»An die Opfer des Terroranschlags denkst du wohl gar nicht?« Nikos Stimme klang vorwurfsvoll.

»Daran ist leider nichts mehr zu ändern«, meinte Nara pragmatisch. »Nenne es Glück oder Vorsehung, dass wir eine andere Strecke gewählt haben. Die Hauptsache ist doch wohl, dass wir nicht in der Nähe der Brücke waren, als es knallte.«

»Wie kannst du nur so gefühllos sein, Nara?«, stieß die junge Frau hervor. »Ich weiß nicht, wie viele Menschen unter den herabstürzenden Betonbrocken liegen ... Aber ich weiß, dass heute Nacht viele Frauen vergeblich auf ihre Männer warten.«

Vor ihrem geistigen Auge erschien die Unglücksstelle. Hubschrauber kreisten über die Straße, Scheinwerfer beleuchteten das Trümmerfeld. Bulldozer zerrten die Betonbrocken zur Seite, während Arbeitstrupps die zerbeulten Autos auseinander schweißten. Blaulichter zuckten, und Männer von der Ambulanz leisteten Erste Hilfe. Das Stöhnen der Verwundeten mischte sich in das Krachen der Blechkarosserien. Die Schreckensvision wurde so plastisch, dass Niko entsetzt die Hände vor ihr Gesicht schlug.

Nara verlangsamte das Tempo. »Quäl dich nicht, Kleines«, sagte er. »Ich weiß, dass du sehr sensibel bist. Aber zerbrich dir nicht den Kopf über Dinge, die uns gar nicht betreffen. Das ist der reinste Masochismus.«

Niko wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Nara hatte recht. Sie nahm immer alles zu ernst. Oft ging die Fantasie mit ihr durch. Sie sollte dem Schicksal dankbar sein, dass sie eine andere Strecke genommen hatten. Vielleicht lägen sie sonst unter den Betonbrocken der Brücke. Sie versuchte zu lächeln.

»Das steht dir schon viel besser«, sagte Nara und schaltete das Fernlicht ein. Die Baumstämme zeichneten sich geisterhaft im grellen Lichtschein ab. Zur Rechten ging es schräg ins Tal hinunter.

Während Nara Pacudo durch den Wald fuhr, wurde die Musik erneut für eine Durchsage der Polizei unterbrochen. »Wir bitten um Aufmerksamkeit. Alle Autofahrer im Teimo-Distrikt ...«

»Das betrifft uns«, sagte Nara überrascht und stellte das Radio lauter.

»Wie wir soeben erfuhren«, quäkte es aus den Lautsprechern, »konnten mehrere Männer beobachtet werden, die nach der Explosion fluchtartig das Weite suchten. Vermutlich handelt es sich um die Terroristen, die für den Anschlag auf die Brücke verantwortlich sind. Wie uns ein Autofahrer mitteilte, flüchteten die betreffenden Personen in das Pinienwäldchen von Teimo. Diese Beobachtung stützt die These unserer Anti-Terror-Spezialisten. Es wird schon länger vermutet, dass sich im Pinienwäldchen Waffenverstecke der Terroristen befinden. Wir bitten deshalb alle Autofahrer, diesen Streckenabschnitt zu meiden. Leider können wir Ihnen jetzt nichts Näheres über die bevorstehende Polizeiaktion mitteilen. Die Armee wird in die Großfahndung nach den Terroristen eingeschaltet. Es kann zu Schießereien kommen. Bitte meiden sie den Teimo-Distrikt.«

Niko war kreidebleich. »Wir sind mitten in ein Wespennest geraten!«, stöhnte sie.

»Verdammter Mist«, sagte Nara und fuhr langsamer. Er schaltete das Fernlicht aus und kurbelte das Seitenfenster herunter. Kalter Wind drang in den Wagen. Er fröstelte. »Jetzt sitzen wir ganz schön in der Tinte. Wenn sie uns von den Hubschraubern aus sehen, halten sie uns womöglich für Terroristen!«

»Daran habe ich gar nicht gedacht«, sagte Niko. »Ich fürchte, die Terroristen spüren uns auf.«

Außer dem Tuckern des Motors war nichts zu hören.

»Ich habe Angst«, sagte Niko.

»Ganz ruhig, Kleines«, tröstete Nara. »Bis jetzt sind wir keiner Menschenseele begegnet. Ich fahre ohne Licht weiter. Wir haben Vollmond, sodass ich genug sehen kann.«

Niko umklammerte seinen Arm. Ihre Mandelaugen waren weit aufgerissen. »Sie werden uns als Geiseln verschleppen, Nara.«

»Das Gebiet ist riesengroß«, erwiderte er ruhig. Er wusste, wie empfindlich Niko war. »Selbst wenn die Kanaillen nur ein paar Meilen von uns entfernt sind, müssen sie uns nicht unbedingt entdecken. Schnall dich jetzt an, Niko. Sobald wir den Wald verlassen haben, fahre ich über das freie Feld nach Osten. Wenn wir die Straße nach Keimoto erreicht haben, sind wir in Sicherheit.«

Nikos Augen waren von Tränen verschleiert. Schluchzen erstickte ihre Stimme. Sie starrte in den düsteren Wald. Die schlanken Baumstämme standen so dicht, dass sie fast eine Palisadenwand bildeten.

Auf einmal zuckte sie zusammen. Da hatte sich etwas bewegt. Sie rieb sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Im Halbdunkel standen Holzstapel am Wegrand. Struppige Äste berührten die Fensterscheiben.

»Was ist los?«, fragte Nara.

»Ach, nichts«, entgegnete Niko. Sie entspannte sich etwas. »Mir war, als hätte ich im Wald jemanden gesehen.«

»Mach mich jetzt nicht nervös! Ich muss mich auf den Weg konzentrieren. Du weißt, dass ich bis zum letzten Atemzug um dich kämpfen würde. Ich könnte es nicht ertragen, wenn dich ein Fremder nehmen würde.«

Sie warf ihm einen merkwürdigen Blick zu. So offen hatte Nara noch nie mit ihr gesprochen. Es berührte sie seltsam, dass er gerade jetzt von einer solchen Möglichkeit sprach.

»Was kannst du schon gegen eine Meute abgebrühter Terroristen ausrichten?«, fragte sie resigniert.

Nara sagte nichts darauf. Es war für ihn unvorstellbar, dass Niko jemals einem anderen Mann gehören könnte. Auf einmal hatte er Angst. Es war nicht ausgeschlossen, dass sie den Terroristen geradewegs in die Arme fuhren. Vor seinem geistigen Auge erschienen entsetzliche Szenen. Er sah, wie die Fremden Niko brutal vergewaltigten. Er wollte sich gegen die Vorstellung wehren, doch die Bilder ließen ihn nicht los. Er spürte den seelischen Schmerz, den sie in ihm auslösten – und er begriff auf einmal, weshalb Niko so empfindlich auf die Radiomeldung reagiert hatte. Eingebildete Ängste waren oft stärker als jede reale Bedrohung.

Nara spürte, dass sich seine Nackenhaare sträubten. Er hätte am liebsten die Scheinwerfer eingeschaltet, und er zuckte jedes Mal zusammen, wenn ein Ast unter den Reifen zersplitterte.

Plötzlich erschien zwanzig Meter vor ihm ein gedrungener Körper. Der Fremde verharrte unentschlossen, machte dann eine Kehrtwendung und verschwand wieder zwischen den dicht stehenden Bäumen.

Nara trat das Bremspedal bis zum Anschlag durch. Niko schrie entsetzt. »Was ist passiert? Warum hältst du an?«

Nara deutete mit zitternder Hand in die Fahrtrichtung.

»Ich sehe nichts!«, sagte sie schrill.

Schweißperlen sickerten unter seinem Haaransatz hervor. Seine Augenlider zuckten.

»Fahr doch weiter, Nara!«

Er ließ den Gang einrasten und beschleunigte. Der Wald stand schwarz und schweigend vor ihnen. Trotzdem wurde er den Eindruck nicht los, dass zahllose Augenpaare ihn beobachteten. Dann konnte er sich nicht länger beherrschen. Er schaltete das Licht ein: Schlagartig wurde der Waldweg in gleißendes Licht getaucht. Unmittelbar vor ihnen sprangen fünf Gestalten hoch, hüpften um den Wagen herum und tauchten dann im finsteren Wald unter.

»Nara!«, schrie die junge Frau. »Sie haben uns umzingelt. Ich weiß, dass sie uns töten werden!« Sie klammerte sich an seinen Arm und barg ihr Gesicht an seiner Brust.

»Hör zu schreien auf, Niko! Ich fahre die Meute über den Haufen. Solange wir im Wagen sind, kann uns nichts passieren.«

Jetzt war der Waldweg wieder frei. Die Bodenwellen zeichneten sich im Scheinwerferlicht reliefartig ab. Nara trat auf das Gaspedal. Der Motor heulte auf. Das Fahrzeug machte einen Satz und schlitterte über den schmalen Waldweg. Niko schrie laut, als ein Hindernis vor ihnen auftauchte. Nara bremste sofort, doch er konnte nicht verhindern, dass der Wagen herumgeschleudert wurde und mit dem rechten Kotflügel gegen den quer liegenden Baumstamm stieß. Ein schmetternder Schlag ertönte. Dann erstarb das Motorengeräusch.

»Ich will hier raus!«, keuchte Niko. Sie wollte den Anschnallgurt lösen, doch Nara ergriff ihre Hand.

»Du darfst jetzt nicht durchdrehen, Niko«, sagte er mühsam beherrscht. »Ich wende den Wagen. Wenn wir zurückfahren, sind wir gerettet.«

»Nein!«, schrie sie. »Ich will hier raus! Der Wagen ist eine Todesfalle.«

Nara gab ihr eine Ohrfeige. Darauf sank sie schluchzend auf dem Sitz zusammen und krümmte sich.

»Tut mir leid, Kleines. Aber es ging nicht anders.« Nara drehte den Zündschlüssel und ließ den Motor an. Er legte den Rückwärtsgang ein. Mit einem Ruck löste sich der verbeulte Kotflügel vom Baumstamm. Dann drehten die Vorderräder durch.

»Auch das noch!«, presste er hervor. »Ich muss die Räder freischaufeln. Anscheinend Sandboden. Wir stecken fest.«

Als Nara durch die Windschutzscheibe blickte, glaubte er zu erstarren. Hinter dem quer liegenden Baumstamm standen sechs Männer. Ihre Augen schimmerten wie Kieselsteine, und ihre Gesichter sahen wie moosüberwucherte Totenschädel aus. Die Münder sabberten, und die dürren Arme streckten sich gierig nach ihm aus.

»Neiiiin!«

Niko zuckte hoch, doch Nara presste sie fest an sich. »Nicht hinsehen, Niko! Du darfst sie nicht sehen.«

Er rutschte im Sitz herunter. Er wäre am liebsten im Boden versunken. Doch er wusste, dass es keine Fluchtmöglichkeit für sie gab. Sie waren allein mit den Schreckensgestalten. Um sie herum war nur Wald.

Die Unheimlichen krochen über den Baumstamm hinweg. Als einer von ihnen an den Ästen hängen blieb, zückte ein anderer die Axt und trennte die Äste einfach ab. Die verdreckte Klaue des ersten tastete nach dem Türknopf.

Nara reagierte sofort und drückte den Sicherungsknopf nach unten. Im gleichen Augenblick riss ein anderer Freak die rechte Tür auf. Niko bäumte sich in wilder Panik im Sitz auf. Der Unheimliche packte sie am Kleid. Er achtete nicht darauf, dass sie noch angeschnallt war. Niko schrie vor Schmerz, und der Stoff ihrer Bluse zerriss.

Nara griff nach dem kleinen Feuerlöscher, der im vorderen Ablagefach lag. Er schmetterte ihn auf die Hand des Angreifers. Die Kreatur gab ein Röcheln von sich und ließ Niko los. Nara verschloss sofort die Tür.

»Das sind keine Terroristen!«, presste er schwer atmend hervor. »Das sind die reinsten Ungeheuer.«

Niko hing teilnahmslos im Sitz. Sie stand unter einem Schock. Ihre Augen waren weit geöffnet, und sie atmete keuchend. Unter der zerfetzten Bluse schimmerten ihre weißen Brüste.

Die Angreifer ließen nicht locker.

Sie kamen von allen Seiten. Nara zählte etwa fünfzehn unterschiedlich große Gestalten. Jeder sah anders aus. Sie waren mit ärmlichen Lumpen bekleidet. Ein Freak besaß nur einen Arm. Ein anderer bewegte sich mühsam auf seinen Beinstummeln vorwärts. Er benutzte seine langen Arme zum Hochspringen. Einer war so fett wie ein Sumo-Ringer. Er trug einen schwarzen Hüftgurt. Sein Kopf war so groß wie eine Faust.

»Was wollt ihr von uns?«, schrie Nara halb verrückt vor Angst.

Die Missgestalten tobten heulend um den Wagen herum. Sie versetzten das Auto in Schaukelbewegungen.

»Hört doch endlich auf!«

Einige pressten ihre scheußlichen Gesichter gegen die Scheiben. Ihre ekligen Geschwüre hinterließen Schleimspuren auf dem Glas. Nara knirschte mit den Zähnen. Der Anblick war albtraumhaft. Ein Freak schielte mit seinem einzigen Auge auf Niko. Über seinem anderen Auge spannte sich eine Lederhaut, die schlecht verheilte Nahtnarben aufwies.

Da ließen sie vom Auto ab und traten zurück. Ein ungewöhnlich großer Mann verließ das Dunkel des Waldes. Er trug eine zerschlissene Jacke, darunter ein kragenloses Hemd. Sein schwarzes Haar glänzte ölig, und sein Gesicht war voller Narben. Zwischen den verzerrten Lippen schimmerte ein Raubtiergebiss. Er hielt einen schweren Wagenheber in der Hand.

Nara wusste sofort, was der Kerl damit vorhatte.

Am Handgelenk des Narbigen schimmerten Metallklammern. In den Narben steckten noch Fäden. Sie kündeten von schweren Operationen.

»Was wollt ihr von uns?«, schrie Nara Pacudo, obwohl er wusste, dass ihm die Unheimlichen nicht antworten würden.

Jetzt schlug der Narbige mit dem Wagenheber zu. Die Verglasung barst. Die Wucht des Schlages ließ auch die übrigen Scheiben bersten. Die Meute stieß ein Triumphgeheul aus. Hastig rissen sie die Türen auf und lösten die Anschnallgurte. Nara roch den stinkenden Atem der Angreifer.

Als sie ihn ins Freie zerrten, meldete sich noch einmal die Polizei über Rundfunk: »...entdeckten unsere Suchkommandos am Rand des Pinienwäldchens einen brennenden Transporter. Die Insassen konnten nur tot geborgen werden. Alles deutet darauf hin, dass die Terroristen von Teimo durch ihre eigenen Bomben getötet wurden ...«

Die Missgestalteten zerrten ihn und Niko brutal durchs Unterholz. Hinter ihnen verhallte die Radiomusik. Der Hochgewachsene stieß ein meckerndes Lachen aus. Seine Stimme klang merkwürdig verzerrt.

»Sie halten uns für Terroristen ... Das ist gut ... Im Auto verbrannten die letzten Opfer. Eine bessere Tarnung gibt es für uns nicht!«