Dorian Hunter 81 - Derek Chess - E-Book

Dorian Hunter 81 E-Book

Derek Chess

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Beschreibung

Der alte Steinmetz setzte den Meißel an. Sorgfältig kerbte er einen kyrillischen Buchstaben nach dem anderen in den schweren Gruftdecke, pustete den Staub weg und wischte mit den runzeligen, sehnigen Händen über die Schrift.
»Das Urteil steht jetzt für alle Zeiten hier.«
Sie hatten den Hexenmeister lebendig eingemauert. Doch noch während sie den Rückzug antraten, vernahmen sie das Scharren und Knistern, das aus der Tiefe drang ... als würde ein Millionenheer von Ameisen, Würmern oder Maulwürfen durch den Untergrund krabbeln.
Ein unmenschliches Stöhnen folgte.
Da rannten die Menschen halb verrückt vor Angst davon. Draußen wurden sie von eisigen Böen empfangen. Schneetreiben hatte eingesetzt. Die Kosaken schwangen sich auf ihre scheuenden Pferde und galoppierten davon - erfüllt von der Ahnung, dass das Böse keineswegs endgültig besiegt war ...


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Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Ähnliche


Inhalt

Cover

Was bisher geschah

BEFEHLE AUS DEM JENSEITS

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen. Unterstützung in seinem Kampf erhält er zunächst durch den englischen Secret Service, der auf Hunters Wirken hin die Inquisitionsabteilung gründete.

Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.

In der Folge beginnt Dorian die Dämonen auf eigene Faust zu jagen. Als die Erfolge ausbleiben, gerät Trevor Sullivan, der Leiter der Inquisitionsabteilung, unter Druck. Die Abteilung wird aufgelöst, und Sullivan gründet im Keller der Jugendstilvilla die Agentur Mystery Press, die Nachrichten über dämonische Aktivitäten aus aller Welt sammelt. Hunter bleibt nur sein engstes Umfeld: die junge Hexe Coco Zamis, die selbst ein Mitglied der Schwarzen Familie war, bis sie wegen ihrer Liebe zu Dorian den Großteil ihrer magischen Fähigkeiten verlor; weiterhin der Hermaphrodit Phillip, dessen hellseherische Fähigkeiten ihn zu einem lebenden Orakel machen, sowie ein Ex-Mitarbeiter des Secret Service namens Donald Chapman, der bei einer dämonischen Attacke auf Zwergengröße geschrumpft wurde.

Trotz der Rückschläge gelingt es Dorian, Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, zu vernichten. Doch mit Olivaro steht schon ein Nachfolger bereit, der die schwangere Coco Zamis zur Rückkehr in die Schwarze Familie zwingt. Es gelingt Dorian, Coco zu retten. Nach einer Flucht um den halben Erdball bringt sie ihr Kind in London zur Welt, und Olivaro muss den Thron räumen.

Coco versteckt das Neugeborene an einem Ort, den sie selbst vor Dorian geheimhält. Ihre Vorsicht ist berechtigt, da bald eine neue, »alte« Gegnerin auftaucht: Hekate wurde von Dorian in seinem vierten Leben als Michele da Mosto verraten, sodass ihre einstige Liebe sich in glühenden Hass verwandelt hat. Kurz darauf findet Dorian in einem verschütteten Laboratorium seines früheren Ichs Michele da Mosto eine Karte, die Asmodis Teufelsinsel zeigt. Eine Stelle ist markiert. Angeblich liegt dort die Mumie des Hermes Trismegistos begraben. Doch als Dorian sich auf die Insel begibt, findet er in der Gruft nur – einen Steinzeitmenschen ...

BEFEHLE AUS DEM JENSEITS

von Derek Chess

Er hatte Angst. Die Furcht vor dem Tod hielt ihn in den Klauen. Sie ließ ihn nicht wieder los. Er wand sich stöhnend auf dem schmutzigen Stroh seines Kerkers. Vor seinem geistigen Auge tauchte das Bild seiner eigenen Hinrichtung auf.

Es gab verschiedene Möglichkeiten, wie man einen Menschen vom Leben zum Tode befördern konnte. Man konnte ihn köpfen. Boris, der Holzfäller, hätte das mit einem einzigen Schlag erledigt. Doch Boris war tot. Er hatte ihn ins Verderben getrieben. Man konnte ihn hängen. Das wäre am einfachsten gewesen. Auf dem Dorfplatz erhob sich das Galgengerüst wie ein düsteres Sühnezeichen. Doch der Henker war tot. Er hatte ihn zum Selbstmord getrieben. Man konnte ihn ertränken, erdolchen oder erschießen. Doch wer hätte das gewagt? Alle hatten Angst vor ihm.

Das beruhigte ihn ein wenig. Es brachte ihn auf andere Gedanken. Er kostete seinen Triumph über die Sterblichen noch einmal voll aus.

Ja, er hatte mit ihnen gespielt. Er hatte ihnen seinen Willen aufgezwungen, und sie waren für ihn gestorben.

1. Kapitel

Er wollte den Tod erforschen. Doch was nützte ihm das jetzt? Sie hatten ihn in seinem Versteck erwischt und vor den Richter geschleppt. Das Ganze war eine lächerliche Farce gewesen. Der Richter hatte vor Angst geschlottert. Er war heilfroh gewesen, dass er seinen Urteilsspruch rasch herunterleiern konnte.

Draußen schrie ein Käuzchen. Der Wind heulte schaurig durch die Mauerritzen der Bojarenruine. Es war eiskalt. Düstere Schneewolken ballten sich am Himmel zusammen. Der Winter stand vor der Tür.

Irgendwo raschelte etwas.

Der Gefangene richtete sich auf. Seine Bewegungen wirkten ungeschickt. Er besaß einen grobschlächtigen, schlaffen Körper. Seine Arme hingen wie nasse Taue an ihm herunter. Auf seiner weißen, speckigen Haut schimmerten blutige Striemen. Sie hatten ihn ausgepeitscht, bevor er im Kerker eingeschlossen worden war.

Jetzt raschelte es in mehreren Ecken des finsteren Kerkers. Das Pfeifen mehrerer Ratten wurde hörbar. Sie waren hungrig. Und wenn Ratten hungrig waren, vergaßen sie ihre Angst vor dem Menschen. Doch der Gefangene hatte nichts gegen die kleinen Nager. Er tastete sich durch die Dunkelheit und bekam einen feuchten, zottigen Pelz zu spüren. Das Tier quiekte entsetzt auf. Der Gefangene wollte ihm nichts tun, im Gegenteil, er hob die Ratte vorsichtig vom Boden auf. In einer Ecke balgten sich mehrere Ratten um die kargen Brotrinden, die man ihm durch das kleine Fenster zugeworfen hatte.

»Ihr seid zu eurem Meister gekommen«, keuchte der Gefangene. »Ich wusste, dass ihr kommen würdet.«

Seine geschwollenen Finger kraulten den Pelz der Ratte. Das Tier verhielt sich ruhig. Die rosige Schnauze glänzte feucht.

»Ihr werdet mir gehorchen.«

Von irgendwoher trug der Wind einen Glockenschlag heran. Es schlug elfmal hintereinander.

Noch eine Stunde, schoss es dem Gefangenen durch den Kopf. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit. Die Hunde werden mir keine Minute länger zugestehen.

Plötzlich kroch die Angst vor dem Tod erneut durch seine Glieder. Er wusste, dass es nicht so sehr die Angst vor dem Tod war, sondern vielmehr die Angst vor der Art des Todes. Er wusste nicht, wie sie ihn hinrichten würden, das hatten sie ihm wohlweislich verschwiegen, denn jeder wusste, dass er magische Kräfte besaß. Die Gefahr, dass er seinen Henker verhexte, war viel zu groß.

»Ganz ruhig, meine kleinen Bestien«, flüsterte der Gefangene.

Die Ratten zerrten an seinen Hosenbeinen. Er spürte ihre winzigen Krallen. Einige sprangen an ihm hoch. Er roch ihre süßlichen Körperausdünstungen, empfand fast körperlich, wie stark die Gier der Nager war. Sie würden bedenkenlos jeden Menschen zerfleischen. Einige Hundert Ratten könnten seine Rache an den Dorfbewohnern vollziehen.

Er grinste unwillkürlich. »Ja, ihr werdet es der Bande schon zeigen. Sie werden genauso hilflos wie ich auf den Tod warten – und dann kommt ihr.« Sein Lachen klang hässlich. Er krümmte sich zusammen und lachte, bis ihm die Augen tränten. Die Ratten sprangen wie toll durch den Kerker.

»Ihr nehmt euch einen nach dem andern vor. Aber hübsch langsam! Ihr müsst auch noch etwas für mich übrig lassen. Keiner darf zu schnell sterben. Ihre Qual muss unbeschreiblich sein. Hört ihr? Sie sollen leiden. Sie sollen vor ihrem Ende durch ein Fegefeuer gehen, das kein Mensch mit Worten beschreiben kann.«

Inzwischen waren mehr als fünfzig Ratten durch die Mauerritzen in den finsteren Kerker eingedrungen. Die beschwörenden Worte des Gefangenen versetzten sie in Raserei.

Einige Tiere lagen, ineinander verbissen, auf dem Boden, andere wiederum schnappten nach den Beinen des Mannes. Das schien ihm nichts auszumachen, im Gegenteil, er hoffte, dass sein Blut seine dämonische Kraft auf die Ratten übertrug.

Im Zustand völliger Raserei wälzte auch er sich auf dem Boden. Die Ratten krochen ihm übers Gesicht. Ihre winzigen Krallen zerzausten seine Haare und pressten sich in seine Augäpfel. Dennoch zerfleischten sie sein Gesicht nicht. Ihre Schwänze wanden sich um seinen Hals, als wollten sie ihn in einer ekstatischen Umarmung festhalten.

Der Gefangene stöhnte bestialisch auf. Seine Lippen berührten die verschmierten Rattenpelze. Er schmeckte die Erde, die daran klebte, und wusste, dass sie vom Friedhof kamen.

Ein teuflisches Grinsen verzerrte sein Gesicht. Die tierischen Ausdünstungen umnebelten sein Gehirn. Er zuckte konvulsivisch. Die Ratten bedeckten ihn. Es sah aus, als hätte er sich vor der Grabeskälte, die im Kerker herrschte, unter ein schwarz-braunes Fell verkrochen.

Die Stunde bis Mitternacht verging wie im Fluge.

Eisiger Ostwind pfiff durch die Gänge der Bojarenruine.

»Aufschließen!«, ertönte die kehlige Stimme des Kosakenanführers.

Im Fackelschein drehte sich der rostige Schlüssel. Ein kleiner Russe, dessen Fellmantel viel zu groß für seinen schmächtigen Körper war, stieß die Tür mit einem Fußtritt auf.

Erschrocken wichen die Kosaken zurück. Zahlreiche Ratten sprangen aus dem finsteren Loch heraus. Sie flüchteten vor dem Licht der Fackeln in den Gang hinaus. Ein bestialischer Geruch schlug den Kosaken entgegen.

»Die verdammten Biester werden den Lumpen hoffentlich nicht aufgefressen haben«, schrie der Anführer.

»Nein. Er liegt dort in der Ecke!«

Der Anführer schwang seine Lederpeitsche. Sie pfiff mehrmals durch die Luft. Er traf ein paar Ratten mitten im Sprung.

»Teuflische Brut! Passt zu ihm. Er kann nicht nur Menschen verhexen, er zwingt auch Tieren seinen bösen Willen auf.«

Die Kosaken trugen knöchellange Leinenmäntel, die innen mit Schafsfell gefüttert waren. Auf den Köpfen trugen sie die charakteristischen Fellmützen, die ihnen etwas Mongolisches verliehen. Einige hielten Gewehre in den Händen, andere bedrohten den Gefangenen mit Krummsäbeln.

»Komm raus, Schamane! Jetzt bist du dran! Hahaha!«

Der Gefangene kam langsam auf die Beine. Als der Fackelschein sein Gesicht beleuchtete, stöhnten die Kosaken unterdrückt auf. Er war über und über blutverschmiert. Aus den winzigen Bisswunden quoll ein kaum zu versiegender Blutstrom hervor.

»Was starrt ihr mich so an?«

Seine Linke baumelte herunter. Seit sie ihm das magische Amulett vom Handgelenk gerissen hatten, konnte er den Arm kaum noch bewegen. Er hatte kaum noch Haare auf dem Kopf. Sein länglicher Schädel wurde von großen, abstehenden Ohren beherrscht. Die Oberlippe stand etwas vor. Speichel tropfte ihm übers Kinn.

Er erinnerte an eine riesige, Mensch gewordene Ratte.

»Vorwärts, Kerl! Setz dich schon in Bewegung!«

Der Kosak schwang seine Peitsche. Ihr Ende streifte den Gefangenen am Hals. Er stieß einen gellenden Schrei aus und griff ungeschickt nach der Peitsche. Das reizte den Kosaken noch mehr. Er schlug mehrmals kräftig zu. Die Peitsche sauste immer wieder auf den gewölbten Rücken des Delinquenten herunter. Der Stoff seiner ärmellosen Weste platzte auf.

»Genug!«, mischte sich ein anderer ein. »Er soll nicht schon vorher sterben.«

Der Anführer der wilden Meute atmete tief durch.

»Gut. Wir schaffen ihn ins Gewölbe.«

»Was habt ihr mit mir vor?«, kreischte der Gefangene entsetzt.

»Wirst du gleich erfahren. Aber dann ist es zu spät für deine höllischen Hexereien. Diesmal wirst du uns nicht entwischen. Du kannst auch keinen von uns angreifen, denn diesmal wird es keinen Henker geben.«

Sekundenlang herrschte Schweigen. Vor den Gesichtern der Kosaken standen kleine, weiße Atemwölkchen. Es war grimmig kalt in der Ruine.

»Keinen – Henker«, stammelte der Gefangene fassungslos.

Seine hervortretenden Augen schimmerten wie geschmolzenes Blei.

Ein junger Kosak versetzte ihm einen wuchtigen Tritt. »Vorwärts! Tempo!«

Sie stießen ihn in den Gang. Er kam an eine Stelle, an der das Gewölbe eingestürzt war. Hoch am Himmel stand der Vollmond. Die schweren Schneewolken waren aufgerissen und gaben den Blick auf das Nachtgestirn frei. Man hörte das hungrige Krächzen einer Krähenschar. Der Wind heulte durch die dicht stehenden Tannen, die zwischen der Bojarenruine und dem Friedhof wuchsen.

»Weiter! Nicht stehen bleiben!«

Die Kosaken fürchteten, dass ihnen der Gefangene im letzten Moment doch noch entwischen könnte.

Es ging jetzt über eine steinerne Wendeltreppe in die Tiefe.

Von unten tönten Hammerschläge herauf. Das Echo der Stimmen einiger Handwerker brach sich an den Gewölbewänden. Das Glöckchen eines Popen bimmelte. Ein Spaten fiel klirrend zu Boden.

»Was treibt ihr dort unten?«, heulte der Gefangene.

Die Kosaken antworteten ihm nicht. Mit brutalen Kolbenstößen trieben sie ihn vor sich her.

Panische Angst ergriff den Mann. Obwohl er wusste, dass der körperliche Tod nicht die letzte Phase seiner geheimnisvollen Existenz darstellte, wurde er von Panik und Entsetzen beherrscht. Er versuchte sich einzureden, dass es höchst unsinnig war, sich vor dem Tod zu fürchten, wusste aber auch genau, dass es nur die Ungewissheit war, die ihn ängstigte. Der Tod war eine unabwendbare Notwendigkeit. Es gab ja immer wieder einen Anfang – besonders für ihn.

Dennoch schlotterten seine Knie. Sein feister Leib bebte, und er spürte, dass ihm das Herz bis zum Halse hinauf schlug.

Wenig später stand er in der hell erleuchteten Krypta. Er kannte hier jeden Winkel und jede Stiege, wusste, wo die Fallen lagen, die unbequeme Besucher fernhalten sollten. Hätten ihn die Kosaken nicht mit ihren Gewehren in Schach gehalten, er wäre in einem der vielen Seitengänge verschwunden.

Der Pope stand hoch aufgerichtet da. Sein schwarzes Gewand reichte bis auf seine Füße herab. Sein eisgrauer Bart war gekräuselt und über den Lippen vom Rauchen gelblich verfärbt. Er schwenkte das Glöckchen. Der Geruch nach verbrennendem Weihrauch breitete sich aus.

Jetzt kam ein kleiner Messdiener herbei. Er trug eine Ikone auf den Händen und gab sie dem Popen. Etwas weiter hinten hatten sich Vertreter der Dorfgemeinschaft versammelt. Sie achteten darauf, dass sie einen gebührenden Sicherheitsabstand zu dem Delinquenten einhielten. Rechts hatten Handwerker ein Loch ausgehoben. Mehrere Ketten lagen auf dem Boden. Die Spaten stecken zwischen den Mauerquadern. Das Loch war mindestens fünf Meter tief. Ganz unten stand ein uralter Sarkophag.

»Das weltliche Gericht hat dich zum Tode verurteilt, Hexenmeister.«

Die versammelten Dorfbewohner unterbrachen den Popen und riefen die Heiligen an. Dann sprach der Pope weiter. Sein Messdiener schwenkte den Weihrauchbehälter.

»Du hast deine Strafe verdient. Heute soll dein schrecklicher Name zum letzten Mal genannt werden.« Der Pope hielt inne. Er rang nach Atem. Sein weißes Gesicht glänzte vor Schweiß. »Afanasjewitsch Gorgol – du hast deine Brüder durch Hexerei ins Verderben gestürzt. Du wolltest dich nicht damit zufriedengeben, dass der Tod das letzte aller Dinge ist. Du hast Unzucht getrieben. Du hast das Vieh verhext. Du hast unschuldige Menschen auf den Scheiterhaufen gebracht. Du hast dich vor Gott und der Natur versündigt.«

Afanasjewitsch Gorgol lachte den Geistlichen aus. Er schrie beleidigende Obszönitäten und gebärdete sich wie ein Wilder. Seine Augen versprühten ein fanatisches Feuer, und je mehr sich die versammelten Dorfbewohner duckten, desto wilder führte er sich auf.

»Ich verfluche euch! Im Namen des Fürsten der Finsternis, ich verfluche euch! Möge der Same des Bösen fortan euer Geschlecht verderben. Ihr habt mich nicht umsonst in diese Gruft geschleppt. Ihr wisst, dass ich Macht über euch besitze. Deshalb fürchtet ihr mich. Das ist gut so. Ihr werdet entsetzlich leiden. Eure Nachkommen werden leiden ...«

Weiter kam der Tobsüchtige nicht. Ein Kolbenschlag streckte ihn nieder. Blutiger Schaum trat auf seine Lippen.

»Das reicht, Hexenmeister.«

»Tötet ihn!«, schrien einige Dorfbewohner. »Tötet ihn, bevor sein Fluch wirksam werden kann!«

Der Kosak schüttelte den Kopf. »Es wird alles so ablaufen, wie es das Gericht beschlossen hat. Bleibt auf euern Plätzen und rührt euch nicht!«

Der Geistliche hob die Ikone hoch und klappte die seitlichen Abdeckungen auf. Das Bild stellte den heiligen Georg dar, wie er den Drachen tötete. Der mit feinen Goldplättchen belegte Untergrund blitzte im Licht der Fackeln auf.

Als der Gefangene das heilige Bild sah, krümmte er sich wie unter entsetzlichen Schmerzen zusammen. Er wollte mit den Händen die Augen bedecken, doch die Bewaffneten hielten ihn fest. Er wand seinen Kopf hin und her, wollte die Augen schließen, doch der Glanz des Goldes verfolgte ihn bis in sein Innerstes hinein.

»Nein! Verschont mich mit diesem Anblick!«

Die Kosaken lachten höhnisch auf. »Der Böse in dir erträgt das Bild wohl nicht? Spürst du schon die Qualen des Fegefeuers?«

Afanasjewitsch Gorgol heulte gepeinigt auf. Er schien nicht mehr wahrzunehmen, wie ihn die Kosaken in das Loch zerrten. Sie warfen ihn einfach auf den Rücken und pressten seine Handgelenke mit den Gewehrkolben auf den Boden. Währenddessen quetschte ein anderer seine Fußgelenke in die vorbereiteten Eisenringe. Die Schlösser schnappten zu.

»Leiste Abbitte!«, forderte der Pope und streckte die Ikone tief in die Grube. »Sage dich vom Satan los! Erflehe die Gerechtigkeit der Gemeinde! Bereue! Tu Buße!«

Die Männer arbeiteten hastig und keuchend.

Der Kosakenanführer schleuderte die schwere Kette in das Loch. Einer fing sie auf und befestigte ein Ende am Eisenring zur Linken des Gefangenen. Dann nickte er seinem Gehilfen ernst zu.

»Es ist so weit!«

Zu zweit pressten sie den Kopf Gorgols nach unten. Sie mussten alle Kraft aufwenden, denn der Hexenmeister entwickelte teuflische Energien.

»Ich erinnere mich an alle. Ich vergesse keinen von euch.«

Die Kosaken hielten erschrocken inne. Die Furcht vor dem Fluch des Schamanen lähmte sie.

Sie blickten den Popen ratlos an. Doch der Geistliche sorgte dafür, dass der Delinquent jeglichen Widerstand aufgab. Er streckte ihm die Ikone noch einmal entgegen. Afanasjewitsch Gorgol zuckte zurück und schloss stöhnend die Augen. Jetzt verharrte er absolut regungslos in der Rückenlage.

Die Kosaken zogen die Eisenkette über sein Gesicht, öffneten gewaltsam seinen Mund und spannten die Kette zwischen seine Kiefer, sodass der Gefangene nicht mehr schreien konnte. Schließlich schmiedeten sie das andere Ende zu seiner Rechten mit einem glühenden Nagel an den Felsen. Afanasjewitschs Augen schienen die Kosaken sezieren zu wollen. Sie glühten wie Phosphor. Die Kettenglieder rissen ihm die Mundwinkel blutig.

Einer nach dem anderen ging an der Grube vorbei. Die Männer spien den Hexenmeister an, die Frauen bekreuzigten sich.

»Schließt die Gruft!«

Die Kosaken schleppten einen alten, verwitterten Deckel herbei. Langsam hoben sie ihn über die Gruft. Das Letzte, was sie von dem Hexenmeister sahen, waren seine glühenden Augen. Dann krachte der schwere Deckel in die Füllung.