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Sie hatten Deadwood hinter sich gelassen. Captain Benson war betrunken. Er hing vornüber im Sattel und lallte unverständliches Zeug. Seine blaue Uniform war zerschlissen. Die Rangabzeichen hatten sie ihm mit Gewalt entfernt. Er war kurz nach der Schlacht gegen die Mohaves degradiert worden.
»Ho - langsam, Brauner!«, knurrte Jim Bickford und musterte aufmerksam die Gegend. Sein strohiges Blondhaar hing ihm in die Stirn. Quer über seine Wange zog sich eine Messernarbe. Er hob die flache Rechte über die Augen. Die Sonne blendete ihn. »So ’n Wahnsinn! Bei dieser Gluthitze loszureiten! Wir schwitzen Blut und Wasser, bevor wir im Blue Creek Canyon ankommen.«
»Whisky«, lallte der Captain und stierte in die flimmernde Ferne.
Als er den Tonkrug aus der Satteltasche zerrte und ihn mit den Zähnen entkorkte, stieß ihm Bickford den Kolben seiner Winchester in die Seite. Benson schnappte nach Luft und ließ den Krug fallen. Scherben flogen den Abhang hinunter, und die honiggelbe Flüssigkeit versickerte zwischen den heißen Steinen.
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Seitenzahl: 143
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Was bisher geschah
DER LEICHENFLEDDERER
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
mystery-press
Vorschau
Impressum
Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen.
Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.
Als Rückzugsort in seinem Kampf bleibt Dorian neben der Jugendstilvilla in der Baring Road in London noch das Castillo Basajaun in Andorra, in dem er seine Mitstreiter um sich sammelt – darunter die ehemalige Hexe Coco Zamis, die aus Liebe zu Dorian die Seiten gewechselt hat. Kurz nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Martin versteckt Coco diesen zum Schutz vor den Dämonen an einem Ort, den sie selbst vor Dorian geheimhält.
Bald darauf veranlassen die Erinnerungen an seine Existenz als Michele da Mosto Dorian, nach der Mumie des Dreimalgrößten Hermes Trismegistos zu forschen. Er findet jedoch »nur« den Steinzeitmenschen Unga, der Hermon einst gedient hat und der sich nach seinem Erwachen schnell den Gegebenheiten der Gegenwart anpasst.
Auf Island gewinnt Dorian den Kampf um das Erbe des Hermes Trismegistos und richtet sich in dessen Tempel ein. Wie es sein Vorgänger Grettir prophezeit hat, verspürt Dorian schon bald keinen Drang mehr, in sein altes Leben zurückzukehren, zumal er von seinen Freunden seit Monaten für tot gehalten wird: Nur Coco, die einen Doppelgänger von Dorian vernichtet hat und seitdem als seine Mörderin gilt, weiß, dass Dorian, ausgestattet mit den Kräften des Hermes Trismegistos, die Gestalt des harmlosen Richard Steiner angenommen hat.
Kurz darauf erwachen in Dorian Erinnerungen an sein fünftes Leben als Tomotada: Wie es aussieht, ist der »Samurai des Teufels« in der Gegenwart auf einmal wieder aktiv. In Japan können Dorian, Coco und Unga nicht verhindern, dass Tomotada sein gefürchtetes Schwert, das Tomokirimaru, an sich bringt. Allerdings stoßen sie auf eine geheimnisvolle Puppe, die O-toku-San, die möglicherweise mehr über Tomotada und seinen Herrn Olivaro weiß. Während Dorian sich in Gestalt des Meerdämons Kappa an ihre Fersen heftet, folgt Unga Tomotada an Bord einer Boeing 747, die bald darauf Kurs auf die Mohavewüste nimmt ...
DER LEICHENFLEDDERER
von Derek Chess
Mai 1861
Sie hatten Deadwood hinter sich gelassen. Captain Benson war betrunken. Er hing vornüber im Sattel und lallte unverständliches Zeug. Seine blaue Uniform war zerschlissen. Die Rangabzeichen hatten sie ihm mit Gewalt entfernt. Er war kurz nach der Schlacht gegen die Mohaves degradiert worden.
»Ho – langsam, Brauner!«, knurrte Jim Bickford und musterte aufmerksam die Gegend. Sein strohiges Blondhaar hing ihm in die Stirn. Quer über seine Wange zog sich eine Messernarbe. Er hob die flache Rechte über die Augen. Die Sonne blendete ihn. »So 'n Wahnsinn! Bei dieser Gluthitze loszureiten! Wir schwitzen Blut und Wasser, bevor wir im Blue Creek Canyon ankommen.«
»Whisky«, lallte der Captain und stierte in die flimmernde Ferne.
Als er den Tonkrug aus der Satteltasche zerrte und ihn mit den Zähnen entkorkte, stieß ihm Bickford den Kolben seiner Winchester in die Seite. Benson schnappte nach Luft und ließ den Krug fallen. Scherben flogen den Abhang hinunter, und die honiggelbe Flüssigkeit versickerte zwischen den heißen Steinen.
»Das – wirst du büßen.« Der Captain fingerte nach seinem Colt, bekam die kleine Lederschlaufe jedoch nicht los. Dabei fluchte er wie ein Tobsüchtiger.
»Gib endlich Ruhe«, murmelte Bickford und gab seinem Hengst Schenkeldruck. »Drüben im Canyon haben sie den verrückten Schamanen gesehen. Ich brauche einen Mann, der einen klaren Kopf hat – und keine Schnapsnase.«
»Ich zieh dir aus zwanzig Schritt Entfernung mit 'nem Stück Blei den Scheitel gerade.«
Benson saß kerzengerade im Sattel. Seine Augen waren blutunterlaufen. In diesem Zustand war er unberechenbar. Der zerfranste Armeehut hing ihm in die Stirn.
»Das hab ich gesehen«, bemerkte Bickford spöttisch. »Beinahe hättest du dir in den eigenen Fuß geschossen. Setz dich in Bewegung, sonst kommen wir nie im Canyon an!«
Schwerfällig riss der Captain seine Stute herum. Das Tier schnaubte nervös. Ihm machte die Gluthitze genauso zu schaffen. Der stahlblaue Himmel lastete wie ein Albtraum über dem kahlen Land. Über der Poststraße flimmerte die Luft und erzeugte teuflische Trugbilder.
Bickford wischte sich über die Augen. Die Erlebnisse der letzten Tage zogen an ihm vorüber. Sie hatten die letzten Dollars beim Pokern verloren. Vor sechs Tagen waren sie nach Deadwood gekommen. Sie hatten die fünf Skalps beim Sheriff abgeliefert und zehn Dollar für jeden kassiert. Das war nichts Ungewöhnliches. Seit dem Massaker von 1859 waren die Mohaves vogelfrei. Viele gab es nicht mehr von ihnen. Die meisten waren zusammen mit ihren Häuptlingen in Fort Mohave am Colorado River draufgegangen. Lily Masters hatte ihm in Deadwood die Nächte versüßt; jedenfalls solange er noch ein paar Dollars in den Taschen hatte. Sie war keine Schönheit. Die letzte Quecksilberkur sah man ihr noch deutlich an. Jeder wusste, dass sie eine Perücke trug. Aber ein Mann, der monatelang durch die menschenleere Mojavewüste geritten war, sah darüber hinweg. Für ihn war Lily Masters ein Engel.
Jetzt waren sie wieder auf Skalpjagd.
»Hör mal, Captain«, wandte sich Bickford erneut an seinen Begleiter. »Wenn wir diesmal zehn Rotnasen erwischen, kaufen wir uns vom Erlös der Skalps 'ne Diggerausrüstung. Wir stecken uns drüben im Canyon einen Claim ab und graben nach Gold. Wir sind die Ersten im Canyon. Außer Kojoten und Rothäuten ist noch keiner da. Wir finden Gold. Das weiß ich ganz genau.«
»Woher denn, Bruder?«
Bickford musterte den Captain irritiert. Eben hatte der Blaurock noch geschwankt, jetzt schien er wieder völlig nüchtern zu sein. Das war bei Benson nicht ungewöhnlich. Er besaß die Gabe, jederzeit umschalten zu können, selbst wenn er ein paar Flaschen Whisky intus hatte.
»Woher soll ich was wissen?« Benson rülpste ungeniert und kratzte sich die Bartstoppeln. »Ich halte die Jagd auf Skalps für einträglicher.«
Auf einer Anhöhe hielten sie an. Vor ihnen erstreckte sich die endlose Mojavewüste. Weiter im Norden lag das Tal des Todes.
Bickford wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Er fühlte sich nicht besonders gut, ahnte, dass die Mohaves diesmal besser auf ihr Kommen vorbereitet waren als beim letzten Mal.
»Die Rothaut, die wir zuletzt erwischten«, begann er nachdenklich, »faselte etwas vom Gold des Schamanen. Angeblich besitzt der Alte Nuggets so groß wie Taubeneier.«
Der Captain trieb sein Pferd den Abhang hinunter. Hinter ihm verwehte eine Staubwolke. Sein Gelächter klang gedämpft durch den Staub. »So ein Quatsch, Bickford! Das ist alles Gewäsch der Rothäute. Im Canyon gibt es kein Gold.«
Schweigend folgte der Blonde dem Captain. Seine Gedanken schweiften ab.
Er stellte sich vor, wie er im Canyon Gold fand, redete sich ein, dass er stinkreich werden würde.
Er sah sich als wohlhabenden Mann, dem halb Deadwood gehörte. Dann würde er sich ein besseres Girl als diese Lily Masters halten. Überhaupt würde dann alles besser werden. Dann brauchte er nicht mehr nach Skalps zu jagen.
Ein erstaunter Ausruf ließ ihn aufblicken. Der Captain stand vor einem seltsamen Gebilde. Jemand hatte aus Tierknochen eine Pyramide aufgeschichtet, auf der ein Menschenschädel lag. Auf einem Knochen erkannte man magische Zeichen. Sie stellten stilisierte Waffen und Tiere dar.
»Die Rothäute, Bickford!«
»Das sehe ich auch. Aber was soll das bedeuten?«
Der Captain stieß mit dem Fuß gegen die Knochenpyramide. Es entstand ein dumpfer Ton, als sie in sich zusammenfiel. Im gleichen Augenblick hörten sie das entnervende Rasseln einer Klapperschlange.
»Verdammt! Wo steckt das Biest?«
Die Pferde wieherten, und die beiden Männer hatten Mühe, dass sie ihnen nicht davonliefen.
Benson hielt den 44er in der Hand. Nervös blickte er sich um. Das höllische Rasseln des Reptils brach plötzlich ab. Man konnte das Pfeifen des heißen Windes hören.
»Ob der Schamane wirklich Meister über die Tiere ist?«, fragte Bickford aufgeregt.
»Mach dir nicht ins Hemd!«, erwiderte der Captain und ließ den Hahn seines Colts einrasten. Er hob den Lauf der Waffe. »Eine lausige Klapperschlange ist noch lange kein Grund, um durchzudrehen.«
»Aber diese Knochen!«, sagte Bickford und deutete mit dem Lauf seiner Winchester auf den Schädel. »Sie stammen eindeutig von den Mohaves. Sie haben irgendetwas zu bedeuten. Und ganz bestimmt nichts Gutes.«
»Was kommt denn von den Rothäuten schon Gutes?«
Bickford hatte gerade den linken Fuß in den Steigbügel gesetzt, als der Gesang des Schamanen über die Felsen schallte. Bickford nahm den Fuß wieder zurück und hob das Gewehr. Doch er konnte niemanden zwischen den mannshohen Felsen entdecken. Der Gesang des Schamanen war eintönig. Er klang fast wie das Bellen eines Kojoten. Die Töne folgten rhythmisch aufeinander. Dazwischen ertönte hektischer Trommelschlag.
»Hörst du das auch, Benson?«
»Bin doch nicht taub.« Der Captain schob sich einen Streifen Kautabak zwischen die Zähne. Nervös kaute er darauf herum, bis ihm der braune Saft übers Kinn lief.
Plötzlich erschien genau vor ihnen die hagere Gestalt des Alten. Er stand in der Sonne, sodass sie ihn nicht richtig erkennen konnten.
So viel sahen sie jedoch: Er trug eine Federhaube und hatte große Fetische in den Händen. Ein Ding schien zu leben. Es bewegte sich wie eine Klapperschlange. Jetzt war auch wieder das Rasseln des Reptils zu hören.
»Die Klapperschlange!«, zischte Benson und spie einen braunen Strahl Tabaksaft aus. »Ich erledige das Biest.«
Er jagte mehrere Schüsse zur Anhöhe hinüber. Die Sonne stach ihm in die Augen, und das Bellen der Schüsse dröhnte in seinen Ohren. Der Schamane war verschwunden.
»Ich habe ihn erwischt, Junge. Los, komm schon! Wir holen uns seinen Skalp! Für den kriegen wir mindestens doppelt so viel. Das ist was ganz Besonderes.«
Bickford schlang die Zügel um den schlanken Felsen, dann folgte er dem Captain. Als sie an der Stelle angelangt waren, an der soeben noch die geheimnisvolle Gestalt gestanden hatte, fanden sie nur einen Menschenschädel. Dem Schädel fehlte der Unterkiefer. Wütend versetzte Benson dem traurigen Überbleibsel einen Fußtritt. Noch bevor er weiter drüben auf dem Boden landete, war das Rasseln der Klapperschlange wieder zu hören. Es klang hektisch und triumphierend.
Bickford spürte, wie ihm der kalte Schweiß den Rücken herunterlief. »Das geht nicht mit rechten Dingen zu, Captain.«
»Quatsch keinen Blödsinn!«, knurrte der Blaurock und spannte den Hahn seines Colts. Sein Ehrgeiz war geweckt worden. Er würde nicht eher ruhen, bis er den Schamanen geschnappt hatte.
Als sie die nächste Felsengruppe erreicht hatten, sahen sie die Klapperschlangen. Es waren fünf. Genauso viele Skalps hatten sie beim letzten Mal erbeutet. Die gelben, starren Augen funkelten tückisch. Die aufgerichteten Schwanzquasten bewegten sich und rieben aneinander. So entstand das entnervende Rasseln.
»Schieß doch, Bickford!«, keuchte der Captain.
Die Winchester dröhnte. Die Kugel riss einen Felsbrocken los und schrammte als Querschläger durch die Luft. Bickford repetierte und schoss erneut. Pulverqualm stach ihm in die Nase. Dicht vor der ersten Schlange wirbelte eine Sandfontäne hoch. Dann schnellte das Biest vor. Nur durch eine rasche Körperdrehung entging er den Giftzähnen. Er sah den geschuppten Leib, schoss und rannte panikerfüllt weiter.
Hinter ihm bellte der Colt des Captains. Die Pferde wieherten schrill und trommelten mit den Hufen gegen die Felsen.
»Verdammte Biester!«, keuchte Bickford und repetierte.
Doch er kam nicht mehr zum Schuss. Die Schlange erwischte ihn am rechten Handgelenk. Er ließ schreiend das Gewehr fallen und wollte das Reptil abschütteln. Die nadelspitzen Zähne bohrten sich tief in seinen Handrücken. Der Schlangenleib peitschte um seine Hüften. Schreiend warf er sich gegen einen Felsen. Die Schlange wirbelte an seinem Gesicht vorbei. Er wollte weiterrennen, doch seine Beine waren schwer wie Blei. Die Welt um ihn vollführte plötzlich einen teuflischen Reigen. Er knickte in den Knien ein und landete mit dem Gesicht im Staub.
»Captain«, stöhnte er, »lass mich hier nicht verrecken! Du musst die Wunde ausbrennen. Mach schnell!«
Doch Benson ließ seinen Freund im Stich. Er umrundete die Felsengruppe. Vor ihm lag der gebleichte Schädel. Die leeren Augenhöhlen schienen ihn zu fixieren. War das Ganze nur ein Alkoholrausch, oder erlebte er die Attacke der Schlangen tatsächlich?
Benson schob ein paar Patronen in die leer geschossene Trommel seines Colts. Der Schweiß brannte ihm in den Augen. Als er einen Blick nach hinten warf, stöhnte er unterdrückt auf. »Allmächtiger – das darf doch nicht wahr sein!«
Die Klapperschlangen wanden sich um den Körper Bickfords. Ihre Zungen strichen über das leichenblasse Gesicht. Sie schnappten nach dem Hals und bohrten ihre Giftzähne tief in das Fleisch des Mannes. Bickford bäumte sich noch einmal auf. »Captain!«
Sein Schrei hatte nichts Menschliches mehr an sich.
Benson leerte die ganze Trommel auf den Körper des Freundes. Von der Aufschlagswucht der Treffer wurde Bickford wie ein Mehlsack hin und her geschleudert. Die Schlangen zischten. Dann schlängelten sie sich geschickt außer Schussweite.
Die Mohaves kamen von der Böschung oberhalb der Felsenrinne. Sie waren zu dritt. Der Schamane war nirgends zu sehen.
Nervös zog Benson die Patronen aus dem Gürtel.
Im gleichen Augenblick schleuderte ein Krieger seinen Tomahawk. Benson sah nur das Aufblitzen der Schneide, dann spürte er einen mörderischen Schlag an der Brust. Sekundenlang sah er nur grellrote Schemen. Der nächste Atemzug war die Hölle. Etwas Klebriges lief ihm über den Bauch und tropfte aus dem Hemd.
»Ihr elenden Geier!«, stieß er hervor und feuerte auf die schlanke, bronzefarbene Gestalt, die mit einem wahren Panthersprung heranschnellte.
Die Kugel riss den Indianer zu Boden. Seine Hände verkrampften sich im heißen Sand.
Die anderen zwei liefen gebückt an der Felsengruppe vorbei. Benson hörte, wie sie die Pferde losbanden. Er wirbelte herum und riss den Dolch aus dem Stiefelschaft.
»Schön ausgedacht, ihr zwei!«, schrie er und schleuderte den Dolch. Ein Krieger blieb wie erstarrt stehen. Der Griff des Dolches ragte zwischen seinen Schulterblättern heraus. Das Pferd Bickfords riss sich los und galoppierte zwischen den Felsen davon. Der Krieger sackte langsam in die Knie.
Wo steckt der zweite Kojote?, fragte sich Benson. Er war vollkommen nüchtern. Nur das leichte Ziehen im Nacken erinnerte ihn an seinen Vollrausch.
Als seine Stute nervös schnaubte, wollte er sich umdrehen. Doch seine Rippen schmerzten höllisch. Jede Faser seines Körpers tat ihm weh.
»Komm raus, lausige Rothaut!«
Der Krieger ließ sich nicht blicken. Benson ließ die Trommel seines Colts kreisen. Es klickte metallisch, als er den Hahn spannte.
Er weiß genau, wo ich stehe, durchzuckte es ihn.
Dem Schatten des Kriegers folgte der muskelgestählte Körper. Er sprang einfach auf Benson und riss ihn durch sein Gewicht zu Boden. Sofort stieß ihm Benson den Lauf seines Colts in die Magengrube und drückte ab. Er konnte den Ruck deutlich spüren, der durch den Krieger ging. Aber sein Gegner ließ nicht los. Ein tierisches Grollen entrang sich der Kehle des Indianers. Die Ausdünstungen des Mannes erinnerten ihn an den Schweiß eines Pumas. Die Körperdrehung des Gegners entriss ihm den Colt.
Nur nicht locker lassen!, schoss es ihm durch den Kopf. Ich habe ihn böse erwischt.
Der andere stieß einen indianischen Fluch aus und rutschte zurück. Benson sah das schmerzverzerrte Gesicht. Staub klebte auf der verschwitzten Haut und verwandelte das Gesicht in eine grauenhafte Fratze. Aus dem Bauch des Indianers quoll Blut. Seine Augen flackerten hasserfüllt.
»Der Schamane wird euch alle in die ewigen Jagdgründe schicken – das schwöre ich dir.«
Benson wollte nach dem Colt greifen, doch der Indianer war schneller. Er setzte den rechten Fuß auf sein Handgelenk und trat den Colt beiseite. Benson krümmte sich, um hochzukommen, doch er schaffte es nicht mehr. Er sah eine hastige Bewegung. Etwas pfiff durch die Luft, dann trieb der Indianer sein Skalpmesser durch Bensons Kopfhaut. Eine grauenvolle Schmerzwelle raste durch Bensons Kopf. Es gab einen Ruck, und der Mohave hielt den Skalp in der Hand.
Benson zuckte zusammen. Er umklammerte seinen blutenden Kopf mit beiden Händen.
Der Krieger sank in den Schneidersitz und hielt den Skalp hoch.
Benson taumelte schreiend davon.
Der Indianer bereitete sich auf den Tod vor. Den Bauchschuss des Captains würde er nicht überleben. Seine Lippen bildeten dünne Striche.
Er stöhnte kein einziges Mal, sah so lange in die flimmernde Ferne, bis der Captain verschwunden war. Der Mann würde Deadwood als Wahnsinniger erreichen. Kein Mensch konnte diese grauenhaften Schmerzen ertragen.
Der Mohave schloss die Augen. Er starb in dem Bewusstsein, dass der Schamane seinen Tod rächen würde. Der Schamane besaß Kräfte, die stärker waren als die Waffen der Bleichgesichter.
Gegenwart
Rita Skelter stolperte. Es war Nachmittag. Die Steine glühten vor Hitze, obwohl die Sonne bereits im Westen stand. Das Mädchen raffte sich auf und rannte weiter. In der Ferne zeichneten sich die gezackten Linien des Mount-Whitney-Höhenzuges ab.
Rita war achtzehn Jahre alt. Sie hatte nie Angst gehabt, doch jetzt wusste sie, wie grausam Menschen sein konnten. Cotton Mather war schlimmer als ein reißender Wolf. Er war wahnsinnig und grausam.