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»Schlimmes Unheil«, wimmerte Phillip. »Lass mich! Muss Martin ... töten!«
Sein Gesicht war zu einer Fratze verzerrt, und sein Blick flackerte. Coco trat ein paarmal gegen seine Hand, und als das nichts half, versetzte sie ihm einen Tritt gegen das Kinn.
»Geben Sie mir den Jungen, schnell!«, rief in diesem Moment der Fremde. »Ich bringe ihn in Sicherheit.« Behutsam nahm er Martin entgegen und eilte mit ihm aus dem Zimmer.
Coco folgte ihm. »Danke. Wenn Sie nicht gewesen wären, Mr ...«
»Isbrant. Nennen Sie mich einfach Isbrant ...«
Ausgerechnet der Hermaphrodit Phillip droht zu einer tödlichen Gefahr für Cocos Sohn Martin zu werden. In höchster Not steht der ehemaligen Hexe ein rätselhafter Fremder bei ... Das Debüt von Frank Rehfeld markiert den Auftakt zu einem spannenden Zyklus um eine alte Prophezeiung!
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Seitenzahl: 161
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Inhalt
Was bisher geschah
ISBRANT
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
mystery-press
Vorschau
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Impressum
Cover
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen.
Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.
In seinem Kampf findet Dorian mächtige Verbündete – die Freimaurerloge der Magischen Bruderschaft; den Hermaphroditen Phillip, der stets in fremden Sphären zu leben scheint; den Steinzeitmenschen Unga, der einst dem legendären Weißmagier Hermes Trismegistos diente; den früheren Secret-Service-Agenten Donald Chapman, der von einem Dämon auf Puppengröße geschrumpft wurde; vor allem aber die ehemalige Hexe Coco Zamis, die aus Liebe zu Dorian die Seiten gewechselt hat und ihm einen Sohn, Martin, geboren hat. Aber die Dämonen bleiben nicht untätig: Es gelingt ihnen, mit dem Castillo Basajaun einen wichtigen Stützpunkt der Magischen Bruderschaft in Andorra zu zerstören. Damit bleibt Dorian als Rückzugsort nur noch die Jugendstilvilla in der Londoner Baring Road.
Bei Ausgrabungen in Israel wird der Angisus Nathaniel – ein »Engel« – entdeckt. Dieser will die Welt zerstören und wieder komplett neu aufbauen, doch ausgerechnet eine abtrünnige Artgenossin durchkreuzt seinen Plan. Nathaniel wird vernichtet. Einige Zeit später bringt Helena Riedberg sein Kind zur Welt: Larissa. – Nach Luguris Tod ruft Zakum potenzielle Kandidaten dazu auf, sich als neuer Fürst der Finsternis zu bewerben. Ken Harding, den die Dämonen versklavt hatten, um sich die Jugendstilvilla anzueignen, betreibt die Gründung eines eigenen Clans.
Von der alten Hexe Carmina Pardos erfährt Dorian zu seinem Entsetzen, dass sein Kampfgefährte Hideyoshi Hojo in Wahrheit ein Halbdämon ist und zusammen mit seinen »Geschwistern« Scott Drake und Caitlin Dyson das »Auge des Kalifen«, den Schatz der Sippe, suchen soll. Dieser Plan wird von Felipe de Torqueda durchkreuzt. In der Jugendstilvilla fällt die Entscheidung: Torqueda löscht Ken Hardings Vampirclan aus, wird aber von einem geheimnisvollen Fremden getötet, der das Kalifenauge an sich nimmt. Hideyoshi Hojo fällt von der Hand Trevor Sullivans.
von Frank Rehfeld
In der Nähe von London,vor einigen Monaten
Es herrschte ein Wetter, bei dem man keinen Hund vor die Tür jagte, wie der Volksmund sagte. Selbst der Weltuntergang konnte kaum schlimmer sein.
Mit Einbruch der Dämmerung hatte der den ganzen Tag über nur leicht wehende Wind aufgefrischt und sich schließlich zum Sturm gesteigert. Er hatte dunkle, schwere Wolken herangetrieben, und wenig später war ein Gewitter losgebrochen, wie man es hier selten erlebt hatte. Im Sekundenabstand zerrissen grelle, vielfach verästelte Blitze die Dunkelheit und erfüllten die Nacht mit einem beängstigenden Feuerwerk. Der Donner grollte ununterbrochen, und der Regen rauschte wie ein Wasserfall herab, als hätte der Himmel alle seine Schleusen geöffnet.
Der Mann, der sich dem abgelegenen Anwesen einige Meilen außerhalb von London näherte, kümmerte sich nicht darum. Er trug einen dunklen Mantel und einen Hut, doch trotz des sintflutartigen Regens war seine Kleidung völlig trocken.
Vor dem schmiedeeisernen Tor in der Mauer, die das Grundstück umgab, blieb er stehen und blickte zu dem Gebäude hinüber. Genau wie der völlig verwilderte Garten hatte auch dieses schon bessere Zeiten erlebt. Einst musste es ein prachtvolles viktorianisches Herrenhaus gewesen sein, doch im Laufe der vergangenen Jahrzehnte war es dem Verfall anheimgefallen, und der Zahn der Zeit hatte kräftig zugebissen. In vielen Fenstern fehlten die Scheiben, aus der Fassade waren stellenweise Steine herausgebrochen, und ein Teil des Daches, aus dem unzählige Stürme bereits einen Großteil der Ziegel fortgerissen hatten, war eingesackt. Einer der Seitenflügel war sogar völlig in sich zusammengefallen. Es sah aus, als ob seit langer Zeit niemand mehr das Haus betreten hätte, geschweige denn, dass jemand darin wohnte – sah man einmal von Landstreichern ab, die von Zeit zu Zeit darin Unterschlupf gefunden haben mochten.
Der dunkel gekleidete Mann ließ sich davon jedoch nicht täuschen. Er kannte die Wahrheit und wusste, dass das heruntergekommene Bauwerk seit einigen Tagen wieder neue Bewohner hatte.
Er zögerte noch einen Moment, dann schob er das verrostete, erbärmlich in den Angeln quietschende Tor auf und trat über die Schwelle. Er fühlte ein kurzes Prickeln, und im gleichen Moment erlosch die magische Aura, die ihn bislang vor dem Unwetter geschützt hatte. Dass der Regen nun auch auf ihn niederströmte und seinen Mantel in Sekundenschnelle durchnässte, war jedoch noch die geringste Unannehmlichkeit. Ein starkes Schutzfeld umgab das Anwesen, das die Magie des Mannes völlig neutralisierte, doch er erschrak nicht. Er hatte gewusst, was ihn erwartete, und er wusste auch, dass er ein hohes Risiko einging. Solange er sich im Wirkungsbereich des Schutzzaubers befand, besaß er keine besonderen Kräfte mehr und war so machtlos wie ein ganz normaler Mensch.
Dennoch fürchtete er sich nicht, denn er war von der unerschütterlichen Gewissheit erfüllt, dass ihm nichts passieren und seine Mission Erfolg haben würde. In dieser Hinsicht lag die Zukunft wie ein offenes Buch vor ihm. Alles würde genau so geschehen, wie es geschehen musste, deshalb konnte er gar nicht scheitern.
Um dem Unwetter so schnell wie möglich zu entkommen, hastete er über einen von Unkraut überwucherten Weg auf das Haus zu. Orkanböen peitschten auf ihn ein und ließen die Kronen der mächtigen alten Bäume wild hin und her schwanken. Er musste seinen Hut mit einer Hand festhalten, damit er ihm nicht davongeweht wurde. Seine Schuhe versanken fast in dem Morast, in den der Regen den Weg verwandelt hatte. Erst das von zwei Säulen getragene Vordach vor dem Eingang bot ihm ein wenig Schutz. Er griff nach dem Türklopfer, doch noch bevor er ihn berühren konnte, glitt einer der beiden Flügel des Portals wie von Geisterhand bewegt vor ihm auf.
Das Innere des Hauses war ebenso heruntergekommen, wie es das Äußere vermuten ließ. Der durch die Fensteröffnungen hereinfallende Widerschein der Blitze reichte aus, dass der Mann seine Umgebung erkennen konnte. Eine große, von Schutt übersäte Eingangshalle erstreckte sich vor ihm. Ein Teil der Decke war heruntergebrochen, die völlig vergilbten Tapeten hatten sich an einigen Stellen von den Wänden gelöst und hingen in Fetzen herab.
Ohne zu zögern, trat der Mann ein. Hinter ihm schloss sich die Tür wieder. Er trat zwei Schritte vor, dann gelang es ihm plötzlich nicht mehr, seine Füße vom Boden zu heben, als klebten sie daran fest. Gleich darauf erkannte er, dass sein ganzer Körper wie gelähmt war. Er konnte kein Glied mehr rühren, lediglich sein Kopf war von der Starre nicht betroffen. Es gab keinen Zweifel, was das zu bedeuten hatte. Er war in eine magische Falle geraten, doch auch das erschreckte ihn nicht, denn damit hatte er ebenfalls gerechnet. Die Falle war recht simpel, und unter normalen Umständen hätte es ihm keinerlei Schwierigkeiten bereitet, sich daraus zu befreien, doch jetzt war er hilflos.
Es dauerte nur wenige Sekunden, dann entstand im Hintergrund der Halle, der weitgehend im Dunkeln lag, Bewegung. Eine verhutzelte, alte Frau, die in bunte Lumpen gehüllt war, löste sich aus den dort herrschenden Schatten. Sie war mindestens achtzig Jahre alt, ging gebückt und musste sich auf einen Krückstock stützen, während sie langsam näher kam. Ihr Gesicht sah aus wie eine Kraterlandschaft mit tief eingekerbten Falten, Runzeln, Pusteln und mehreren hässlichen Geschwüren. Spärliches graues Haar hing ihr strähnig vom Kopf. Eines ihrer Augen war milchig trüb geworden. Alles in allem bot sie einen zwar mitleiderregenden, zugleich aber auch überaus abstoßenden Anblick. Der Mann ließ sich von ihrem Aussehen jedoch keinen Augenblick täuschen. Er wusste, wen er vor sich hatte.
»Besuch in meiner bescheidenen Behausung«, stieß sie mit krächzender Stimme hervor und entblößte beim Sprechen einige dunkle, verfaulte Zahnstümpfe in ihrem Mund. Humpelnd kam sie näher. »So etwas kommt selten vor. Warum zeigst du mir nicht dein Gesicht, Fremder?«
Ein Windstoß fauchte durch die Halle und wehte seinen Hut davon.
»Oh, und was für ein gut aussehender Jüngling. Es gibt wirklich keinen Grund, dein Gesicht zu verbergen, Fremder«, krächzte die Greisin.
»Ganz im Gegensatz zu dir«, entgegnete der Mann und grinste spöttisch. »Mir scheint, dein Aussehen hat in den vergangenen Wochen ein wenig gelitten, Rebecca.«
Die alte Frau zuckte fast unmerklich zusammen.
»Wie kommst du darauf, dass ich so heiße?«, fragte sie. Ein lauernder Unterton hatte sich in ihre Stimme geschlichen, und es gelang ihr nicht, den misstrauischen Ausdruck in ihrem Gesicht zu verbergen. Als Schauspielerin war sie nicht annähernd so gut, wie sie es vielleicht selbst glauben mochte. »Mein Name ist Ela und ...«
»Lass den Unsinn, Rebecca«, sagte der Mann ärgerlich. »Ich weiß, wer du bist. Du hast deine Auferstehung zwar geheim gehalten und dich bemüht, alle Spuren hinter dir zu verwischen, aber du warst dabei nicht gründlich genug, denn wie du siehst, habe ich dich gefunden.«
»Ich weiß nicht, was du für einen Unsinn faselst«, beharrte die Alte.
Der Mann seufzte.
»Nun, dann werde ich deinem Gedächtnis ein wenig auf die Sprünge helfen. Ich habe deinen Kampf gegen Luguri mit großem Interesse aus der Ferne verfolgt. Es gelang dir, den Fürsten der Finsternis zu töten, aber bevor du seinen Thron einnehmen konntest, wurdest du selbst von Zakum ermordet. Dein zweites Leben verdankst du deinen Fledermäusen, die dir jede ein Jahr ihres eigenen Lebens schenkten. Wie du siehst, ist mir kein Detail der Geschichte entgangen, sodass du die Maske jetzt wohl getrost fallen lassen kannst.«
Einige Sekunden lang musterte die Alte ihn schweigend, dann ging eine jähe Veränderung mit ihr vor, als sie die magische Illusion in sich zusammenfallen ließ. Wo sich gerade noch die verhutzelte Greisin befunden hatte, stand nun eine bildschöne junge Frau mit langen schwarzen Haaren.
»Also gut«, sagte die Vampirin kühl. »Du hast mein Geheimnis also durchschaut und weißt, wer ich bin. Damit bist du mir einen Schritt voraus, aber das wird sich sicher gleich ändern. Wer bist du, und was willst du?«
»Mein Name tut nichts zur Sache. Er würde dir ohnehin nichts sagen.«
»Das zu entscheiden, kannst du ruhig mir überlassen. Mir scheint, du verkennst deine Situation«, entgegnete Rebecca drohend. »Da du dich ja für so schlau hältst, dürftest du schon bemerkt haben, dass du einer magischen Falle gefangen bist und innerhalb dieses Hauses über keinerlei magische Kräfte verfügst, während ich noch meine volle Macht besitze. Ich könnte dich mit einem Fingerschnippen töten, also solltest du mir besser gehorchen und mir rasch einen guten Grund nennen, aus dem ich dich am Leben lassen sollte. Meine Maskerade hat dich nicht beeindruckt? Nun, vielleicht beeindruckt dich das. Kommt her, meine Lieblinge!«
Ein Rauschen und Flattern erfüllte die Luft, übertönte sogar noch den Donner. Mehrere Dutzend mannsgroßer Vampirfledermäuse kamen aus ihren Verstecken hervor und kreisten flügelschlagend unter der Decke der Halle.
»Ein Wort von mir, und sie reißen dich in Stücke«, erklärte Rebecca. »Also sag mir endlich, was ich wissen will.«
»Mein Name würde dir nichts sagen«, wiederholte der Mann ungerührt. »Ich habe mich innerhalb der Schwarzen Familie ... nun sagen wir es so, ich habe mich ziemlich zurückgehalten und jedes Aufsehen vermieden. Wenden wir uns lieber dem Grund meines Kommens zu. Ich bin hier, um dir zu helfen.«
»Mir helfen?« Rebecca stieß ein unechtes Lachen aus. »Mache ich den Eindruck, als ob ich auf die Hilfe eines dahergelaufenen Kerls angewiesen wäre, von dem ich nicht einmal weiß, wer er ist?«
»Ja«, erwiderte der Fremde selbstsicher. »Du bist eine Gejagte, die sich an einem heruntergekommenen Ort wie diesem verstecken muss, damit niemand davon erfährt, dass du noch lebst. Zakum hat dich einmal getötet, und genau wie eine Menge anderer Dämonen aus der Schwarzen Familie, die du dir in den letzten Jahren zum Feind gemacht hast, würde er nicht zögern, es wieder zu versuchen, wenn er von deiner neuen Existenz wüsste.«
»Der Einzige, der außer mir und meinen Lieblingen weiß, dass ich noch am Leben bin, bist du«, zischte die Vampirin. »Ich denke, schon das allein ist ein guter Grund, dich zu töten, genau wie jeden anderen, der hinter mein Geheimnis kommen sollte.«
»Das könntest du natürlich tun«, gestand der Mann ein. »Ich bin dir hilflos ausgeliefert. Aber du solltest nicht zu sehr auf die Kristalle vertrauen, mit denen du dieses Schutzfeld erzeugt hast. Es gibt Möglichkeiten, ihre Wirkung außer Kraft zu setzen, wie du weißt. Im Grunde bist du nur eine unbedeutende, magisch nicht einmal besonders begabte Vampirin, wenn ich das mal so sagen darf.«
»Treib es nicht zu weit!«, warnte Rebecca ihn zornig. »Um dich zu töten, reichen meine Kräfte allemal.«
»Und was hättest du davon? Nichts.« Er schüttelte den Kopf, um seine Worte damit zu unterstreichen. »Sieh es doch ein: Wenn ich dein Feind wäre, hätte ich dich nur an Zakum zu verraten und mich seiner Unterstützung zu vergewissern brauchen, statt allein hierher zu kommen und mich deiner Gewalt auszuliefern. Ich bin wirklich nur hier, weil ich dir helfen will. Ich habe dir einen Vorschlag zu machen, wie du diesem unwürdigen Dasein entfliehen und ohne jegliche Bedrohung durch die Schwarze Familie ein neues Leben beginnen kannst.«
»Dann sprich!«
»Nicht so. Das ist keine Grundlage, um gemütlich miteinander zu plaudern. Zuerst verlange ich, dass du mich aus dieser Falle befreist. Du gehst kein Risiko dabei ein, da ich innerhalb dieses Hauses über keine magischen Kräfte verfüge.«
Die Vampirin zögerte. Ihrem Gesicht war anzusehen, wie widerstreitende Gefühle in ihrem Inneren miteinander rangen, doch schließlich nickte sie. Im nächsten Moment erlosch die magische Falle, und er wäre fast gestürzt, als er von einem Augenblick auf den anderen die Kontrolle über seinen Körper wiedererlangte. Erleichtert atmete er auf. Die erste und schwierigste Hürde war genommen. Er hatte Rebeccas Interesse wecken können.
»Also gut, du bist frei. Komm mit, aber versuche keine Dummheiten!«, befahl die Vampirin und führte ihn auf eine Tür im Hintergrund der Halle zu. Dahinter lag ein Zimmer, das sich in einem kaum weniger heruntergekommenen Zustand als die Halle befand, doch hatte man den Schutt und Dreck hinausgeschafft, und es standen sogar einige alte Möbel darin, sodass es einen halbwegs sauberen und wohnlichen Eindruck machte. »Setz dich«, sagte Rebecca und deutete auf einen Sessel, während sie selbst in einem anderen Platz nahm.
»Das ist also dein neues Heim«, kommentierte der Fremde spöttisch. Er zog seinen nassen Mantel aus, ließ ihn achtlos zu Boden fallen und warf einen demonstrativen Blick in die Runde. »Understatement mag ja in Mode sein, aber du wirst mir sicherlich verzeihen, wenn ich deinen Geschmack nicht ganz teilen kann.«
»Komm zur Sache«, drängte Rebecca. »Du sagtest, du hättest mir einen Vorschlag zu machen. Es wäre besser für dich, wenn du meine Geduld nicht übermäßig strapazierst.«
»Wie du meinst.« Der Fremde lehnte sich zurück und presste die Hände mit den Fingerspitzen gegeneinander. »So wie ich deine Situation sehe, bleiben dir zurzeit nur drei Alternativen. Die erste wäre, du vegetierst weiter so vor dich hin, wie du es in den letzten Tagen getan hast. Du verkriechst dich an Orten wie diesem, eine Gejagte auf der Flucht, darum bemüht, auf keinen Fall aufzufallen, und ständig in der Angst, doch von einem Mitglied der Schwarzen Familie entdeckt und getötet oder zumindest verraten zu werden. Man wird dich nicht mehr fürchten, denn durch dein Verhalten offenbarst du selbst deine Schwäche. Ein solches Dasein ist unter deinem Niveau und deinen Fähigkeiten, außerdem ist es sicherlich nicht das, wie du dir dein neues Leben vorgestellt hast.«
»Nein«, gab Rebecca bedrückt zu. »Das ist es sicher nicht. Ich habe diesen Weg nur vorübergehend gewählt, bis sich die Lage etwas entspannt hat. Was sind die anderen Möglichkeiten?«
»Du könntest die Flucht nach vorne antreten und Anspruch auf den Thron des neuen Fürsten der Finsternis erheben. Mit deinem Sieg über Luguri hast du deine Macht eindrucksvoll unter Beweis gestellt, während Zakums vermeintlicher Triumph über dich offenkundig nur einen Pyrrhussieg darstellte, mit dem du dein Ansehen sogar noch steigern könntest. Außer uns beiden kennt niemand die Einzelheiten, und es weiß auch niemand, dass du einen Großteil deiner Fähigkeiten verloren hast. Je aggressiver du auftrittst, umso weniger wird man an deiner Macht zweifeln.«
»Nein!«, stieß Rebecca hervor. »Du magst recht haben; vielleicht könnte ich die Schwarze Familie eine Zeit lang täuschen, möglicherweise sogar bis an den Rest meines Lebens. Aber das ist es nicht, was ich will. Ich bin die ewigen Intrigen leid, und ich würde auch weiterhin ständig in der Angst schweben, durchschaut zu werden. Wenn es das ist, was du mir vorschlagen willst – deine Unterstützung bei meinem Versuch, das neue Oberhaupt der Familie zu werden –, dann hast du den Weg umsonst gemacht.«
»Ich habe keine andere Reaktion von dir erwartet«, sagte der Fremde und lächelte. »Wir wissen beide, dass du im Grunde gar nicht scharf auf den Thron bist. Es geht dir nur darum, dich an der Schwarzen Familie zu rächen. Ich weiß auch, dass du in Wahrheit nicht annähernd so verschlagen und böse bist, wie du dich gibst und wie man es von einem Fürsten der Finsternis erwartet. In dieser Hinsicht sind wir uns ähnlich.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, das ist es nicht, was ich dir anbieten möchte.«
»Was dann?« Verwirrt blickte Rebecca ihn an.
»Ein Exil«, antwortete er. »Einen Ort, an dem du ein Leben führen kannst, wie es dir zusteht. Im Umkreis von hundert Meilen nur kleine Dörfer mit einfachen Menschen, die meisten von ihnen feige, ängstlich und abergläubisch, die dir keinerlei Schwierigkeiten bereiten werden. Und vor allem keine einzige Sippe der Schwarzen Familie in der Nähe, die dich entdecken und dir womöglich gefährlich werden könnte.«
Interesse blitzte in den Augen der Vampirin auf, zugleich überschattete aber auch Misstrauen ihr Gesicht.
»Das hört sich nach einem wirklich interessanten Angebot an«, sagte sie bedächtig und musterte ihn scharf. »Aber ich frage mich, warum du es mir machst. Was versprichst du dir davon? Ich glaube nicht daran, dass du als Fremder zu mir kommst, um mir völlig selbstlos deine Hilfe anzubieten, weil ich dir so sympathisch bin. Was also willst du wirklich?«
Der Fremde lachte.
»Es gibt einfach keine wahre Gutmütigkeit mehr auf der Welt«, seufzte er theatralisch, wurde jedoch sofort wieder ernst. »Aber du hast recht, ganz uneigennützig ist mein Handeln natürlich nicht. Irgendwann innerhalb der nächsten Monate werde ich dich im Gegenzug um einen Gefallen bitten. Sei unbesorgt, es wird sich nur um eine Kleinigkeit handeln, die dir keine besonderen Umstände bereiten wird. Außerdem steht es dir immer noch frei, abzulehnen, wenn es so weit ist. Doch ich bin überzeugt davon, dass du dich nicht als undankbar erweisen wirst. Nun?«
Rebecca überlegte. Sie ließ sich viel Zeit dabei, und es dauerte mehrere Minuten, während derer sie ihn scharf beobachtete, bis sie schließlich fast unmerklich nickte.
»Also gut, ich bin einverstanden. Viel habe ich wohl ohnehin nicht zu verlieren. Wo liegt dieser Ort, von dem du gesprochen hast?«
Südirland, einige Wochen später
