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Jacques d‘Arcy zündete einige Kerzen an, in die er magische Zeichen geritzt hatte. Mit einem Messer ritzte er in sein Handgelenk und das der Frau und fing ihrer beider Blut in einer Schale mit verschiedenen Kräutern und sonstigen Zusätzen auf. »Es ist so weit«, sagte er schließlich. »Lege dich in den Kreis!« Die Frau nahm im Zentrum des Drudenfußes Platz. Während d‘Arcy eine Litanei von Formeln vor sich hinmurmelte, malte er mit dem Blut Zeichen auf ihren nackten Leib. Er hatte sich mit der Beschwörung viel vorgenommen. Sein Ziel war es, einen magischen Bann um ganz Tirgostevi zu legen, um jeden Kontakt zur Außenwelt zu unterbinden. Die Suche nach der geheimnisvollen Prophezeiung führt Jacques d‘Arcy nach Tirgostevi in Rumänien. Der mächtige Hexer, der nach dem Thron der Schwarzen Familie greift, will das gesamte Dorf unter seine Kontrolle bringen ...
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Seitenzahl: 152
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhalt
Was bisher geschah
DAS DORF DES HEXERS
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
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Impressum
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen.
Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.
In seinem Kampf findet Dorian mächtige Verbündete – die Freimaurerloge der Magischen Bruderschaft; den Hermaphroditen Phillip, der stets in fremden Sphären zu leben scheint; den Steinzeitmenschen Unga, der einst dem legendären Weißmagier Hermes Trismegistos diente; den früheren Secret-Service-Agenten Donald Chapman, der von einem Dämon auf Puppengröße geschrumpft wurde; vor allem aber die ehemalige Hexe Coco Zamis, die aus Liebe zu Dorian die Seiten gewechselt hat und ihm einen Sohn, Martin, geboren hat. Aber die Dämonen bleiben nicht untätig: Es gelingt ihnen, mit dem Castillo Basajaun einen wichtigen Stützpunkt der Magischen Bruderschaft in Andorra zu zerstören. Damit bleibt Dorian als Rückzugsort nur noch die Jugendstilvilla in der Londoner Baring Road.
Bei Ausgrabungen in Israel wird der Angisus Nathaniel – ein »Engel« – entdeckt. Dieser will die Welt zerstören und wieder komplett neu aufbauen, doch ausgerechnet eine abtrünnige Artgenossin durchkreuzt seinen Plan. Nathaniel wird vernichtet. Einige Zeit später bringt Helena Riedberg sein Kind zur Welt: Larissa. – Nach Luguris Tod ruft Zakum potenzielle Kandidaten dazu auf, sich als neuer Fürst der Finsternis zu bewerben. Einer der Bewerber ist der mächtige französische Hexer Jacques d'Arcy. Lordkanzler Zakum will ihn auf die Probe stellen und erteilt ihm den Auftrag, eine geheimnisvolle Prophezeiung aus dem verschwundenen Archiv zu besorgen. D'Arcy folgt einem rätselhaften Hinweis ins rumänische Dorf Tirgostevi.
In der Jugendstilvilla wird Martin, der Sohn Dorians und Cocos, von dem Hermaphroditen Phillip attackiert. Coco muss mit Martin fliehen, dabei wird sie von dem mysteriösen Isbrant unterstützt. Obwohl sie erkennt, dass sie von Isbrant beeinflusst wird, kann sich Coco nicht widersetzen. Sie erreichen ein Schloss nahe Tirgostevi, wo Coco eine alte Bekannte erwartet: die Vampirin Rebecca!
von Frank Rehfeld
Genau wie die meisten anderen Dämonen hielt auch Jacques d'Arcy nichts von der typisch menschlichen Maxime, dass erst die Arbeit komme und dann das Vergnügen, und dass man beides gefälligst strikt voneinander trennen müsse. Ganz im Gegenteil. Seine Arbeit – die bestand diesem Fall darin, möglichst gefahrlos auf das Schloss zu gelangen und die von Zakum geforderte Prophezeiung an sich zu bringen, vielleicht sogar auch noch den Rest des dort verborgenen Archivs. Dessen Besitz würde seine Position innerhalb der Schwarzen Familie enorm stärken. Dies erwies sich jedoch als nicht ganz so einfach, wie er gehofft hatte, da das Schloss von einer anderen Dämonin bewohnt wurde und durch einen starken Schutzzauber gesichert war. Er würde Zeit benötigen, diesen Zauber auszuschalten, und diese Zeit nutzte er für ein Spiel, das eines mächtigen Dämons würdig war. Er war entschlossen, nicht nur sämtliche Helfer der Dämonin auf seine Seite zu ziehen, wie er es mit einigen bereits getan hatte, sondern auch das gesamte Dorf in seine Gewalt zu bringen. Auf diese Art konnte er eine Minimierung seiner Risiken mit seinem persönlichen Vergnügen zu einem im wahrsten Sinne des Wortes höllischen Cocktail verbinden.
Angst und Leiden anderer stellten für ihn ein Elixier dar, an dem er sich labte und das seine Kräfte vermehrte, so wie sich ein Vampir durch Blut stärkte. In der kommenden Nacht war er entschlossen, sich ein regelrechtes Festmahl an solchen Emotionen zu gönnen.
Einen entscheidenden Schritt in diese Richtung hatte er durch sein Treffen mit Nikolai Fornesceau gemacht, mit dem der Wirt ihn wie versprochen zusammengebracht hatte. Der Bürgermeister Tirgostevis besaß fast die alleinige Macht in dem Ort. Zudem war er in einem Maße geldgierig und korrupt, wie d'Arcy es sich nur wünschen konnte. Auch ihm gegenüber war er bei seiner Darstellung geblieben, dass er im Auftrag eines bedeutenden Industriekonzerns nach Rumänien gekommen wäre, um geeignete Standorte für eine Osterweiterung ausfindig zu machen, und allein schon diese Behauptung hatte ihm sämtliche Türen geöffnet – einschließlich der zum Herzen Fornesceaus, wobei der Weg dorthin vor allem über dessen Portemonnaie führte. In seiner Gier mochte der Bürgermeister das verschlafene Karpatendörfchen bereits als zukünftigen modernen Industriestandort sehen. Es wäre ein Aufschwung, den er sich nicht nur als persönlichen Erfolg auf die Fahnen schreiben, sondern an dem er vor allem kräftig mitverdienen könnte.
Jacques d'Arcy brauchte Fornesceau, um über alles informiert zu sein, was in Tirgostevi vorging, doch noch wichtiger war für ihn zu verhindern, dass Informationen aus dem Ort herausdrangen. Wenn irgendwelche offiziellen Stellen aufgrund von Nachrichten über ungewöhnliche Vorfälle in Tirgostevi Ermittlungen anstellen sollten, würde alles deutlich schwieriger werden, deshalb durfte das nicht passieren. Als Besitzer des Sägewerks besaß Fornesceau mehrere Wagen, während sonst kaum jemand in Tirgostevi über ein Fahrzeug verfügte. Auch Telefone gab es hier kaum, lediglich drei Apparate, von denen Fornesceau allein über zwei verfügte. Eines befand sich in seinem Büro im Rathaus, ein weiteres in seiner Firma, wo außerdem ein Telefax und ein Computer mit Internet-Zugang standen. Das dritte Telefon war ein öffentlicher Fernsprecher, der im Gemischtwarenladen hing, doch auch dieser bereitete d'Arcy kein weiteres Kopfzerbrechen. Den Bürgermeister auf seine Seite zu bringen, war im Grunde nur eine Sicherheitsmaßnahme, seine wichtigste Vorkehrung würde eine andere sein.
Sein Gespräch mit Fornesceau war erfolgreich verlaufen, und er hatte sich dabei noch wesentlich mehr amüsiert als bei dem Gespräch mit Populesco, dem Wirt. Es war nicht einmal nötig gewesen, den Bürgermeister magisch zu beeinflussen. Seine Gier hatte ihn jegliches Misstrauen vergessen lassen, und er würde schon von allein völlig im gewünschten Sinne handeln. Zur Sicherheit hatte d'Arcy ihn zum Abschied dennoch mit einem leichten Bann belegt, um kein unnötiges Risiko einzugehen.
Jetzt aber stand ihm erst einmal eine andere Aufgabe bevor, und mit dieser begann er, sobald er wieder ins Gasthaus zurückkehrte. Sämtliche benötigten Zutaten hatte er sich bereits vorher besorgt; soweit er sie nicht schlichtweg kaufen konnte, hatte er sie auf magischem Weg beschafft. Zusätzlich zu dem Wirt beeinflusste er nun auch dessen Frau und nahm sie mit in sein Zimmer. Ein junges, hübsches Mädchen wäre ihm lieber gewesen, aber so würde es auch gehen.
Sobald er die Tür hinter sich verschlossen hatte, befahl er ihr, sich auszuziehen. Sein hypnotischer Bann über sie war stark genug, dass sie seiner Aufforderung ohne jedes Zögern nachkam. Jacques d'Arcy gab einige Ingredienzien in eine Schüssel mit Wasser und reichte der Frau ein Tuch. Schweigend nahm sie die rituelle Waschung vor, rieb sich die stark riechende Flüssigkeit in die Haut.
Währenddessen hatte d'Arcy den Teppich zur Seite gerollt und zeichnete mit Kreide ein großes Pentagramm auf die Holzdielen, dessen Rand und Zwischenflächen er mit weiteren magischen Symbolen und Formeln versah. Er zündete einige Kerzen an, in die er ebenfalls magische Zeichen geritzt hatte. Mit einem Messer ritzte er in sein Handgelenk und das der Frau und fing ihrer beider hervortröpfelndes Blut in einer Schale mit verschiedenen Kräutern und sonstigen Zusätzen auf, wo es sich vermischte.
»Es ist so weit«, sagte er schließlich. »Lege dich in den Kreis.«
Die Frau nahm im Zentrum des Drudenfußes Platz. Während d'Arcy eine Litanei von Formeln vor sich hinmurmelte, malte er mit dem Blut Zeichen auf ihren nackten Leib. Eine unsichtbare, dafür aber umso deutlicher spürbare Spannung breitete sich im Raum aus, je weiter seine Arbeit fortschritt, und es wahrscheinlich sogar ein leichter Geruch nach Schwefel wahrzunehmen.
Er hatte sich mit der Beschwörung viel vorgenommen. Sein Ziel war es, einen magischen Bann um ganz Tirgostevi zu legen, um auf diese Weise jeden Kontakt zur Außenwelt zu unterbinden.
»Rebecca ... du? Aber wie ...« Fassungslos starrte Coco die Freundin aus früheren Jugendtagen an. Sie blinzelte und kniff die Augen kurz zusammen, doch als sie sie wieder öffnete, hatte sich das Bild nicht verändert. Es handelte sich zweifelsohne um Rebecca. Sie trug ein schlichtes, schwarzes Kleid, und die langen Haare flossen ihr in sanften Wellen über die Schultern.
»Du meinst, wie es kommt, dass ich noch lebe? Das ist eine lange Geschichte.« Sie trat auf Coco zu, bis sie unmittelbar vor ihr stand. »Du kannst mich gerne anfassen, um dich zu überzeugen, dass ich real bin.«
Obwohl es eines solchen Beweises eigentlich nicht mehr bedurft hätte, streckte Coco die Hand aus und berührte sie kurz am Arm. Früher einmal hätten sie sich sicherlich voller Freude umarmt, aber seit Coco sich von der Schwarzen Familie abgewandt und auf die Seite des Dämonenkillers gestellt hatte, hatte sich auch ihr Verhältnis zu Rebecca gewandelt. Denn diese war genau wie sie selbst ebenfalls nie wirklich böse gewesen, ihr fehlten die Verschlagenheit und Skrupellosigkeit vieler anderer Dämonen. Trotz ihrer vampirischen Natur hatte sie sich lange Zeit sogar bemüht, keine Menschen zu töten.
Dennoch hatte Coco nicht vergessen, dass Rebecca sich verändert hatte, nachdem sie das Blut des Kinddämons Baphomet getrunken hatte. In ihrem nachfolgenden Kampf gegen Luguri um den Thron des Fürsten der Finsternis war sie schließlich sogar von ihrer früheren Linie abgewichen und im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen gegangen. Sie hatte bedenkenlos Unschuldige geopfert, wenn es ihren Zwecken nutzte. Zwar schien der bösartige Zauber, der von Baphomets Blut ausgegangen war, inzwischen seine Wirkung verloren zu haben, aber Coco war sich bis zuletzt nicht sicher gewesen, ob Rebecca wirklich wieder die alte, harmlose Vampirin geworden war, als die sie Coco in ihren Jugendtagen kennengelernt hatte. Sie schluckte nervös. Die Erinnerungen an Rebeccas Kampf gegen Luguri, ihre Verwandlung und ihren scheinbaren Tod wurden plötzlich wie eine Woge in ihrem Bewusstsein emporgespült, und die Erlebnisse damals in Wien standen ihr plötzlich wieder glasklar vor Augen.
Zornig fuhr sie zu Isbrant herum.
»Ist das das sichere Versteck, in das Sie Martin bringen wollten?«, fauchte sie ihn an. »Ausgerechnet bei einer Dämonin, die ihn als Trumpf benutzen kann, doch noch Fürstin der Finsternis zu werden? Ist das etwa in Wahrheit Ihre Absicht?«
»Du täuschst dich, Coco«, antwortete Rebecca an seiner Stelle. »Ich hege keinerlei derartige Ambitionen mehr, das kann ich dir versichern. Isbrant hat mich nur gebeten, Martin und dich für ein paar Tage bei mir aufzunehmen, und da ich ihm einen Gefallen schulde, habe ich sofort zugestimmt. Ihr seid hier völlig in Sicherheit. Niemand aus der Schwarzen Familie weiß, dass ich überhaupt noch am Leben bin, darauf habe ich größten Wert gelegt. Aber jetzt kommt erst einmal herein, dann werde ich dir alles erzählen.«
Sie geleitete sie in eine große, von mehreren Kerzenleuchtern erhellte Eingangshalle. Eine zweiflügelige Steintreppe, die sich auf halber Höhe vereinigte, führte in die höheren Stockwerke hinauf. Am Geländer des Absatzes hing ein Wappen, das Coco völlig fremd war. Es zeigte eine Fledermaus vor zwei gekreuzten Schwertern.
»Das stammt noch vom vorigen Besitzer dieses Schlosses«, erklärte Rebecca, als sie Cocos Blick bemerkte. »Er war ebenfalls ein Vampir, wurde aber schon vor über hundert Jahren getötet. Das Wappen gefällt mir, deshalb habe ich es dort gelassen.« Sie warf einen Blick auf Martin, der immer noch in Isbrants Armen schlief. »Ich kann mir vorstellen, dass du unzählige Fragen hast, aber ich schlage vor, wir bringen erst einmal den Jungen ins Bett, ehe wir uns unterhalten. Ich habe zwei Zimmer für euch vorbereiten lassen.«
Es widerstrebte Coco zutiefst, sich auch nur für eine einzige Minute von Martin zu trennen, solange sie nicht wusste, was hier wirklich gespielt wurde. Ihr lag bereits eine entsprechende Antwort auf der Zunge, doch dann blickte sie in Isbrants Augen, und ihr Widerstand war wie fortgewischt. Sie erhob keine Einwände mehr, ließ es sich aber nicht nehmen, ihn und Rebecca über die Treppe in den ersten Stock zu begleiten, wo sie ein altmodisch eingerichtetes Zimmer betraten. Dort steckte sie selbst Martin in ein für seinen kleinen Körper geradezu überdimensionales Bett, nachdem sie ihm Jacke, Hose und Schuhe ausgezogen hatte. Er wachte währenddessen nicht einmal auf, und sie war sich sicher, dass die Erschöpfung nicht den einzigen Grund für seinen tiefen Schlaf darstellte.
In diesem Fall jedoch war sie sogar geradezu froh darüber. Er hatte bereits genug an diesem Tag durchgemacht. Am nächsten Morgen konnte sie ihm schonend beibringen, wo sie sich befanden, wer Rebecca war und dass er sich vor der Vampirin nicht zu fürchten brauchte. Auch Cocos eigene Sorgen waren bereits wieder weitgehend verflogen. Sie verspürte lediglich noch Neugier darauf, wie es kam, dass ihre frühere Freundin noch lebte, und was das alles zu bedeuten hatte.
»Direkt nebenan liegt dein Zimmer«, erklärte Rebecca und öffnete eine Verbindungstür. Sie gelangten in einen weiteren gleichartig eingerichteten Raum. »Du solltest unbedingt die nassen Sachen ausziehen, sonst holst du dir noch eine Lungenentzündung.« Sie deutete auf einen Kleiderschrank. »Darin findest du etwas Trockenes zum Anziehen. Wir warten so lange unten.«
Coco nickte dankbar und wartete, bis die beiden das Zimmer verlassen hatten, dann zog sie sich aus und öffnete den Schrank. Ihre Hoffnung, halbwegs moderne Kleidung vorzufinden, wurde enttäuscht. Lediglich einige Kleider, die aussahen, als ob sie noch aus dem vergangenen Jahrhundert stammen würden – was vermutlich auch der Fall war – hingen darin. Sie entschied sich für ein Wollkleid, das warm und einigermaßen schlicht war, und schlüpfte hinein.
Anschließend verließ sie das Zimmer wieder und kehrte ins Erdgeschoss zurück. Rebecca erwartete sie in der Eingangshalle und führte sie in einen Salon, der wie offenbar alles hier mit zwar altmodischen, jedoch sehr kostbar aussehenden Möbeln eingerichtet war. An den Wänden hingen Bilder und große Bildteppiche, die Jagd- und Schlachtszenen zeigten. Ein Feuer im offenen Kamin verbreitete angenehme Wärme.
Isbrant hatte bereits in einem Ledersessel Platz genommen, und auch Coco und Rebecca setzten sich. Gleich darauf betrat durch eine andere Tür ein blondhaariger Mann in mittlerem Alter, gekleidet in einen dunklen Anzug, den Salon. In den Händen trug er ein Tablett mit einer silbernen Kanne sowie drei Tassen.
»Ein Schluck heißer Tee wird euch sicherlich guttun«, sagte Rebecca. »Das ist übrigens Eric.«
Der Mann deutete eine Verbeugung an, stellte das Tablett vor ihnen auf den Tisch und schenkte Tee in die Tassen, ehe er sich wortlos wieder zurückzog. Erst als er das Zimmer fast wieder verlassen hatte, begriff Coco plötzlich, wer er war. Rebecca hatte stets fünfzig Begleiter gehabt: Untote, die durch den Biss der Vampirin getötet und danach als Riesenfledermäuse auferstanden waren. Jedes Mal, wenn einer von ihnen getötet wurde, hatte sie ihn durch ein neues Opfer ersetzt. Unter diesen Geschöpfen war Eric stets ihr Lieblingsdiener gewesen.
»Du hast ihnen die Fähigkeit verliehen, ihre menschliche Gestalt zurückzuerlangen?«, wunderte sie sich, während sie einen Schluck Tee trank und es genoss, wie das heiße Getränk sie von innen wärmte.
»Nur Eric«, antwortete Rebecca. »Er erledigt alle nötigen Handlangerdienste für mich, die in Fledermausgestalt schlecht auszuführen wären. Ich hätte mir natürlich auch ein paar menschliche Diener aus den benachbarten Orten suchen und sie unter meinen Willen zwingen können, aber ich wollte keine weiteren Unschuldigen ins Unglück stürzen.« Als sie die Skepsis in Cocos Gesicht bemerkte, fügte sie hinzu: »Ich habe übrigens auch darauf verzichtet, die vierzehn Diener, die Dorian Hunter und dieser Chapman getötet haben, zu ersetzen. Das dürfte dir zeigen, dass ich mich wirklich geändert habe. Ich möchte nur abseits der Schwarzen Familie in Ruhe meine letzten Lebensjahre genießen.«
»Was nichts daran ändert, dass du und deine Diener auf das Blut von Menschen angewiesen seid«, wandte Coco ein. »Das ist dann wohl ihr persönliches Pech, wenn sie einem von euch begegnen, wie?«
Rebecca schüttelte langsam den Kopf. Ihr Gesicht nahm einen traurigen Ausdruck an. »Ich kann verstehen, dass du mir misstraust, Coco. Als ich Luguri vom Thron des Fürsten der Finsternis stürzen wollte, habe ich eine Menge Sachen getan, die ich heute zutiefst bedauere, das musst du mir glauben. Ich war voller Hass und hatte nur mein Ziel vor Augen, doch das ist ein für alle Mal vorbei. Und ich hatte den Keim Baphomets in mir, der mich verändert hatte. Obwohl ich als Vampirin auf das Blut von Menschen angewiesen bin, habe ich seit unserer letzten Begegnung niemanden getötet. Das Gleiche gilt für meine Diener.«
Coco spürte instinktiv, dass sie ihr glauben konnte. Als dämonische Geschöpfe verachteten und hassten die meisten Vampire die Menschen und saugten ihnen nur aus einem Grund so viel Blut aus: damit sie starben und als ihresgleichen wiedergeboren wurden. Nötig war dies nicht, da sie auch mit wesentlich weniger auskommen konnten, wofür sich Rebecca entschieden hatte. Die Opfer vergaßen in einem solchen Fall aufgrund einer leichten Hypnose, dass überhaupt etwas geschehen war, und fühlten sich höchstens für ein, zwei Tage etwas matt.
Eine Formulierung, der Coco normalerweise keinerlei Beachtung geschenkt hätte, erweckte aufgrund der ihr noch unbekannten Umstände von Rebeccas Wiederauferstehung ihre Aufmerksamkeit.
»Was meinst du eigentlich mit deine letzten Lebensjahre genießen?«, hakte sie nach.
Rebecca lächelte schmerzlich. Zunächst langsam, dann immer flüssiger begann sie zu erzählen, wie jeder ihrer Lieblinge ihr auf magischem Wege ein Jahr seiner eigenen Lebensenergie abgegeben und ihr auf diese Weise zu einem neuen Leben verholfen hatte. Sie berichtete auch, wie sie sich aus Furcht vor der Rache der Schwarzen Familie und vor allem Zakums anschließend außerhalb von London versteckt hatte, bis Isbrant sie schließlich aufgesucht und ihr von diesem leer stehenden Schloss weitab von allen anderen Dämonensippen erzählt hatte.
Coco kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Obwohl innerhalb ihrer dämonischen Familie als weißes Schaf
