Dorian Hunter 50 - Horror-Serie - Gay D. Carson - E-Book

Dorian Hunter 50 - Horror-Serie E-Book

Gay D. Carson

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Beschreibung

Die Grotte war in ein seltsames Licht getaucht, für dessen Ursprung es keine Erklärung gab. Walter kniete nieder, um sich nichts entgehen zu lassen. Im grabähnlichen Lehmhügel bildeten sich gerade Risse, die von Sekunde zu Sekunde immer breiter wurden. Unter diesem Hügel bewegte sich etwas, langsam und tastend. Die ersten Lehmschollen kullerten zur Seite. Dann platzte der Hügel vollends auf und gab den Blick frei in ein Grab. In diesem hockte eine unförmige Gestalt, von der bisher nur der Rücken zu sehen war. Die Haut über dem breiten Rücken war mumifiziert. Eine lange, weiße Haarmähne klebte auf der vertrockneten Haut.

Auf der Flucht vor Olivaro und seinen Schergen gelangen Dorian Hunter und Coco auf magischem Wege in die Schwäbische Alb in Deutschland - ganz in die Nähe einer Höhle, in der Einheimische eine schauerliche Entdeckung machen ...

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Seitenzahl: 131

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Was bisher geschah

DIE HÖHLE DER UNTOTEN

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

mystery-press

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Mark Freier

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9894-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen. Unterstützung in seinem Kampf erhält er zunächst durch den englischen Secret Service, der auf Hunters Wirken hin die Inquisitionsabteilung gründete.

Bald kommt Dorian jedoch seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als französischer Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren.

Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten. Er jagt die Dämonen auf eigene Faust, und als die Erfolge ausbleiben, gerät Trevor Sullivan, der Leiter der Inquisitionsabteilung, unter Druck. Die Abteilung wird aufgelöst.

Hunter bleibt nur sein engstes Umfeld: die junge Hexe Coco Zamis, die früher selbst ein Mitglied der Schwarzen Familie war, bis sie wegen ihrer Liebe zu Dorian den Großteil ihrer magischen Fähigkeiten verlor; weiterhin der Hermaphrodit Phillip, der weder Mann noch Frau ist und dessen hellseherische Fähigkeiten ihn zu einem lebenden Orakel machen – sowie die Ex-Mitarbeiter des Secret Service Marvin Cohen und Donald Chapman. Letzterer wurde bei einer dämonischen Attacke auf Zwergengröße geschrumpft.

Trotz der Rückschläge gelingt es Dorian, Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, zu vernichten. Doch mit Olivaro steht schon ein Nachfolger bereit, der in der Vergangenheit keinerlei Skrupel hatte, sogar mit Dorian zusammenzuarbeiten, wenn es seinen eigenen Interessen diente.

So hat Olivaro auch Coco Zamis auf seine Seite gezwungen und präsentiert sie als neue Gefährtin, die sein Kind unter dem Herzen trage. Doch das Kind stammt von Dorian Hunter! Um Coco zu retten, folgt Dorian Coco und Olivaro nach Rabaul auf Neubritannien, wo das Oberhaupt der Schwarzen Familie das Seeungeheuer Tangaroa auf die Menschheit loslässt. Die Machtdemonstration misslingt, und am Ende kann auch Olivaros Häscher Kadron nicht verhindern, dass Dorian und Coco nach Europa zurückkehren. Allerdings führt sie die magische Reise nicht wie geplant nach Italien, sondern in eine Höhle in der schwäbischen Alb ...

DIE HÖHLE DER UNTOTEN

von Gay D. Carson

Sie hatte Angst, schmiegte sich eng an ihn und schloss jedes Mal die Augen, wenn ein Blitz die Dunkelheit zerriss. Das Gewitter war genau über ihnen. Der krachende Donner schien die kleine Vorhöhle sprengen zu wollen.

Sie hatten hier provisorisch Schutz gefunden und wichen immer tiefer in die dunkle und niedrige Höhle zurück, vor dem peitschenden Regen flüchtend. Er hielt sie fest, hatte seine Arme um sie gelegt und fühlte ihren Körper, der sich vor Angst verkrampft hatte. Über ihre Schultern hinweg sah er auf sein Motorrad, das er vorn am Höhleneingang zurückgelassen hatte. Er hieß Walter Dünhofen, war zwanzig Jahre alt und genoss seine Rolle als Beschützer. Der junge Mann war groß und kräftig, hatte dunkelblondes Haar und sah gut aus. Vor einer guten halben Stunde war er mit seiner Begleiterin losgefahren, um ihr diese Höhle zu zeigen. Er hatte sie erst vor wenigen Tagen ausfindig gemacht und war der Meinung, dass er ein besseres Versteck gar nicht hätte finden können. Hier oben im dichten Bergwald brauchte man nicht mit Überraschungen zu rechnen – hier war und blieb man ganz unter sich.

1. Kapitel

Liesel Blattner war nur zu gern mitgefahren. Sie war etwas über achtzehn Jahre alt, zierlich und schwarzhaarig. Liesel arbeitete als Friseuse in dem kleinen Marktflecken, der im Moment unerreichbar für sie war. Natürlich hatte Liesel von Anfang an gewusst, dass es Walter nicht um die Höhle ging. Sie kannte ihn schließlich nur zu gut. Er war ein junger Mann, der sich seine Freundinnen aussuchen konnte. Als der einzige Sohn des Gastwirts unten in Greulingen – wie der Marktflecken hieß – galt er als attraktive Partie.

»Momentchen mal, Liesel!«, sagte er und schob sie von sich. »Ich muss die Maschine reinholen. Die wird mir sonst nass.«

Sie fuhr zusammen, als in diesem Augenblick wieder ein Blitz vom Himmel zischte. Der sofort nachfolgende Donner war wie eine schwere Sprengung in nächster Nähe. Der Boden unter ihren Füßen vibrierte. Sie schloss geblendet die Augen, klammerte sich an Walter fest und hatte das Gefühl, die Höhle würde gleich einstürzen. Walter war ebenfalls beeindruckt, doch er zeigte seine Angst nicht. Er nahm sie wieder in die Arme und redete beruhigend auf sie ein. Es tat ihr gut, seine Stimme zu hören. Liesel stand mit dem Rücken zum Eingang. Sie sah in die unergründliche Dunkelheit der Höhle hinein und kam sich wie in einem riesigen und gefräßigen Maul vor, das jeden Moment zuschnappen konnte. Ihre Angst steigerte sich. Am liebsten wäre sie hinaus in das Unwetter gelaufen und hätte sich dort drüben im Wald in Sicherheit gebracht.

»Nun hab dich doch nicht so!«, sagte Walter und schielte bereits wieder zu seiner Maschine hinüber. »Hier kann uns überhaupt nichts passieren.«

Vorsichtig löste er sich aus ihren Armen und lief zum Motorrad hinüber. Er hatte sich die Maschine erst vor wenigen Tagen gekauft. Sie war sein ganzer Stolz und in diesen Sekunden wichtiger als Liesel. Der schräg einfallende Regen peitschte ihm ins Gesicht, als er das Motorrad erreicht hatte. Er warf einen kurzen Blick auf den Wald, dessen Konturen sich im Unwetter auflösten. Es konnte noch einige Zeit dauern, bis Liesel und er zurück nach Greulingen fahren konnten. Dieser Aufenthalt hier oben in der Höhle ließ sich nutzen. Walter war ja schließlich nicht hierher gefahren, um Liesel die Höhle zu zeigen. Die interessierte ihn nur am Rande.

Nachdem er die Maschine geborgen hatte, bückte er sich nach der zusammengerollten Decke, die er vorsorglich mitgenommen hatte, schnürte sie auf und breitete sie auf dem Boden aus. Er lächelte Liesel an und deutete nach unten. »Setz dich doch! Hier müssen wir erst mal bleiben, Liesel.«

Zögernd ließ sie sich nieder, sah aber immer wieder verstohlen in die Höhle hinein und hielt sich die Ohren zu. Plötzlich fuhr sie herum und starrte auf den Wald hinaus. Eine Fichte teilte sich gerade in zwei Hälften, als sei sie von einer riesigen Axt gespalten worden. Eine Flammengarbe schoss hoch und setzte den Baum in Brand.

»Einschlag«, stellte Walter unnötigerweise fest und bemühte sich um Festigkeit in seiner Stimme. Liesel brauchte nicht zu merken, dass auch er Angst hatte. Er sah aus zusammengekniffenen Augen auf die riesige Fackel, die der peitschende Regen nicht zu löschen vermochte.

Walter ließ sich auf der Decke nieder. Liesel fuhr zurück, als seine Hand nach den Knöpfen ihrer Bluse tastete.

»Nicht!«, rief sie nachdrücklich.

»Was hast du denn?«, wollte er wissen. Im Grunde war der junge Mann froh, dass sie auf seine Annäherungsversuche nicht einging. Er hatte sich zu dieser Geste nur verpflichtet gefühlt. Ihm stand jetzt gar nicht der Sinn nach Zärtlichkeiten. Auch er fühlte sich unsicher und bedrückt. Die Flammen der riesigen Baumfackel wurden vom Regen niedergedrückt und waren bereits teilweise gelöscht. Das Gewitter musste jetzt direkt über dem Berg stehen.

»Lass uns gehen!«, hörte er Liesel sagen und drehte sich überrascht zu ihr herum.

»Bei dem Wetter?«, fragte er ungläubig.

»Mir ist es hier unheimlich«, sagte sie ängstlich. »Ich habe die ganze Zeit über das Gefühl, als würden wir beobachtet, Walter. Bitte, lass uns fahren!«

»Du bist verrückt«, gab er zurück. »Wer sollte uns hier schon beobachten!«

»Ich weiß es nicht«, antwortete sie leise. »Lass uns fahren!«

»Sieh doch mal raus!«, sagte er ein wenig heftig. »Wir können froh sein, dass wir hier sind. Wirklich.«

Ihre Angst sprang auf ihn über. Walter wurde wütend auf sich. Er musste etwas tun, um seine Befangenheit abzuschütteln. Rasch öffnete er die Tasche, die auf dem Tank festgeschnallt war, holte die Taschenlampe hervor, schaltete sie ein und leuchtete in die Höhle.

»Nichts«, stellte er – insgeheim erleichtert – fest. »Überhaupt nichts, Liesel. Mach jetzt bloß nicht die Pferde scheu, Mädchen! Hier oben sind wir ganz allein.«

Seine Stimme klang etwas zu nachdrücklich. Walter gab sich einen inneren Ruck und ging ein Stück in die Höhle hinein. Er musste sich beweisen, dass er keine Angst hatte. Liesel sollte wissen, mit wem sie es zu tun hatte. Er näherte sich dem kleinen Geröllberg, den er bereits kannte. Tiefer war er noch nicht vorgedrungen. Er ließ den Lichtstrahl über die Kalksteine gleiten und war ehrlich überrascht. Der Geröllberg schien inzwischen ein wenig abgetragen worden zu sein. Es gab jetzt einen Durchschlupf, der etwa anderthalb Meter hoch war. Wer mochte die Steintrümmer weggeräumt haben?

»Liesel, das musst du sehen!«, rief er seiner Freundin zu, während er mit der Taschenlampe die Grotte ableuchtete, die hinter den Steintrümmern zu erkennen war. »Das sieht wie ’ne Kapelle aus.«

»Walter! Walter, komm zurück! Bitte!«

Er hörte ihre Stimme, die ein wenig schrill vor Angst war, doch seine Neugierde war größer. Vergessen war die Angst. Entschlossen schob er sich in die Grotte hinein und erlag bereits dem magischen Zauber dieser Höhle. Er befand sich in einer Welt der Wunder und spürte nichts von der tödlichen Bedrohung, die ihn umgab.

Geliebt wurde sie nicht, doch man brauchte sie. Gewiss, es gab einen Arzt, der für Greulingen zuständig war; und man hatte auch einen Viehdoktor. Doch wenn man wirklich krank war und das Vieh nicht mehr fraß oder keine Milch mehr gab, dann ging man heimlich zur alten Martha.

Martha lebte von einer bescheidenen, kleinen Rente und wohnte in einem niedrigen Steinhaus am Rande des Marktfleckens. Sie nannten sie eine Hexe, aber das war sie nicht. Sie sammelte mit Sachverstand Kräuter, trocknete sie und verkaufte sie an ihre Kunden weiter. Damit besserte sie ihre Einkünfte auf.

Die alte Martha machte sich nichts daraus, dass man sie ein wenig fürchtete, vielleicht genoss sie es sogar. Mit sicherem Instinkt wusste sie, dass ihre Kunden Geheimnisvolles von ihr erwarteten. Sie kam diesem Wunsch gern nach und erhöhte dadurch die Wirksamkeit ihrer Kräuter und Tees. An diesem späten Nachmittag befand sie sich im Stall des Lobelbauern und besprach die Kühe, die seit zwei Tagen kaum noch Milch gaben. Die alte Martha verstand ihr Handwerk. Mit einem Reisigbund beschrieb sie magische Formeln, murmelte dazu Unverständliches und schritt die Kühe der Reihe nach ab. Aus einer flachen Flasche, in der einmal ein Kräuterschnaps gewesen war, versprengte sie Wasser. Sie hatte die Flasche bei sich zu Hause mit ganz normalem Leitungswasser gefüllt, doch die Flasche war mit seltsamen Zeichen bemalt, und darauf kam es an.

Der Lobelbauer, ein untersetzter, vierschrötig aussehender Mann, stand achtungsvoll vorn an der Tür und schaute zu. Er war ein aufgeklärter Mensch, wie er am Stammtisch stets laut betonte. Hin und wieder sah er sich sogar politische Sendungen im Fernsehen an – er wusste, was in der Welt passierte. Doch er war fest davon überzeugt, dass seine Kühe verhext worden waren. Irgendeiner, der ihm Böses wollte, musste das getan haben. Er hatte auch schon einen bestimmten Verdacht, über den er allerdings nicht laut redete.

Die alte Martha hatte die Reihe der Tiere abgeschritten. Sie zupfte einen dürren Zweig aus dem Reisigbündel und drückte ihn dem Bauern in die Hand.

»Vergrab das, Bauer!«, sagte sie eindringlich. »Vergrab es tief unter der Schwelle! Der Bann müsste eigentlich reichen. Aber vergrab es erst um Mitternacht, sonst wirkt es nicht.«

In diesem Moment erschien sie ihm tatsächlich wie eine Hexe. Die alte Martha war weit über sechzig Jahre alt, hatte ein schmales Vogelgesicht und kleine, flinke Augen. Ihr graues Haar war dünn und strähnig. Ein breites Schultertuch hüllte ihren schmalen Körper fast ganz ein. Sie ging gebeugt, was aber nichts mit Hexerei zu tun hatte – sie hatte Rheuma und oft starke Schmerzen. Daher trank sie auch recht gern. Ein klarer Schnaps war ihr am liebsten.

Der Lobelbauer nahm den dürren Stecken achtungsvoll entgegen und wich ihren dunklen Augen aus. In ihrer Nähe fühlte er sich nicht wohl. Er hätte die alte Martha am liebsten sofort weggeschickt, doch das ging nicht, sie musste erst noch bewirtet werden. Zudem tobte draußen ein Unwetter, wie er es lange nicht mehr erlebt hatte. Er führte die Alte in die Küche und deutete auf die Eckbank. Dann öffnete er den Schrank und holte eine Flasche Schnaps hervor. Seine Frau, die ein wenig Angst vor der alten Martha hatte, war längst aus der Küche, sie wollte mit der alten Kräuterhexe nicht unnötig zusammenkommen.

Als er der alten Martha eingoss, zuckte ein Blitz über den Himmel, der von einem Donnerschlag begleitet wurde.

»Das war dicht«, sagte der Lobelbauer.

Er schaute zum Fenster hinaus, doch zu erkennen war nichts. Der Regen peitschte gegen die Scheiben. Es war fast dunkel vor dem Haus. Die alte Martha setzte das Glas an die Lippen und kippte den Schnaps gekonnt herunter. Sie schüttelte sich und streckte dem Bauern das Glas sofort wieder hin; sie wollte diese seltsame Unruhe vertreiben, von der sie seit dem Beginn des Unwetters erfasst worden war. Die Alte kannte das. Es hing mit ihrer Wetterfühligkeit zusammen. Doch heute war es viel stärker und schmerzhafter. Sie spürte, dass etwas in der Luft lag, das mit dem Unwetter nichts zu tun hatte. Eine seltsame Bedrohung erfüllte die Atmosphäre.

Die alte Martha wusste aus Erfahrung, dass sie sich auf dieses Gefühl fest verlassen konnte. Sie redete niemals darüber und hütete es als ihr Geheimnis – ihre Gabe, Unglück und Tod vorauszuahnen. Allerdings hätte sie niemals sagen können, wen dieses Unglück traf, sie musste sich selbst immer wieder überraschen lassen. Die alte Martha griff hastig nach dem inzwischen gefüllten Glas und trank es in einem Zug leer. Der Tod hatte sich angekündigt. Irgendeiner hier im Marktflecken würde innerhalb der nächsten Stunde sterben, das stand mit letzter Sicherheit fest.

»Du gehst aber ran, Martha«, sagte der Lobelbauer und füllte das Glas erneut.

Die alte Frau antwortete nicht. Sie schien in sich hineinzuhorchen. Ihre dunklen Augen waren weit geöffnet, sie atmete schneller. Der Lobelbauer zog sich zum Ofen zurück und beobachtete sie mit einer Mischung aus Neugierde und Abscheu. Sie war wirklich eine Hexe. Deutlicher hatte er das noch nie wahrgenommen. Die alte Martha richtete sich stocksteif auf und presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Sie schien irgendetwas zu sehen, was ihm verborgen blieb. Ja, sie sah tatsächlich etwas.

Die alte Martha hatte so etwas noch nie zuvor erlebt. Sie sah durch den Bauern und die Wand hindurch hinauf in den Bergwald, sah eine brennende Fichte, die der Blitz gerade erst gespalten haben musste, sah dichtes Strauchwerk vor einem Steilhang, dann zwei Gestalten.