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Liza Trool stöhnte wohlig auf, als der Fremde sie in die Arme nahm. Sie fühlte sich geborgen und sicher. Ekstatisch stöhnte sie auf, als seine Zähne sich in ihre Halsschlagader bohrten. Sie spürte keinen Schmerz, war nur noch Hingabe, suchte seinen Körper.
Und dann war sie plötzlich allein und fror. Sie griff sich an den Hals, versuchte sich zu erinnern. Intensiv spürte sie noch den Geschmack des Getränkes auf ihrer Zunge, und sie hatte ein gieriges Verlangen danach ... einen Durst, den sie unbedingt stillen musste.
Sie musste diesen Mann wieder finden. Sie musste noch einmal aus dieser Taschenflasche trinken. Sie war bereits süchtig, doch das wusste sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht ...
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Seitenzahl: 131
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Was bisher geschah
BLUTIGE KÜSSE
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
mystery-press
Vorschau
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Mark Freier
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0642-1
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen. Unterstützung in seinem Kampf erhält er zunächst durch den englischen Secret Service, der auf Hunters Wirken hin die Inquisitionsabteilung gründete.
Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.
In der Folge beginnt Dorian die Dämonen auf eigene Faust zu jagen. Als die Erfolge ausbleiben, gerät Trevor Sullivan, der Leiter der Inquisitionsabteilung, unter Druck. Die Abteilung wird aufgelöst, und Sullivan gründet im Keller der Jugendstilvilla die Agentur Mystery Press, die Nachrichten über dämonische Aktivitäten aus aller Welt sammelt. Hunter bleibt nur sein engstes Umfeld: die junge Hexe Coco Zamis, die selbst ein Mitglied der Schwarzen Familie war, bis sie wegen ihrer Liebe zu Dorian den Großteil ihrer magischen Fähigkeiten verlor; weiterhin der Hermaphrodit Phillip, dessen hellseherische Fähigkeiten ihn zu einem lebenden Orakel machen, sowie ein Ex-Mitarbeiter des Secret Service namens Donald Chapman, der bei einer dämonischen Attacke auf Zwergengröße geschrumpft wurde.
Trotz der Rückschläge gelingt es Dorian, Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, zu vernichten. Doch mit Olivaro steht schon ein Nachfolger bereit, der die schwangere Coco Zamis zur Rückkehr in die Schwarze Familie zwingt. Es gelingt Dorian, Coco zu retten. Nach einer Flucht um den halben Erdball bringt sie ihr Kind in London zur Welt, und Olivaro muss den Thron räumen. Coco versteckt das Neugeborene an einem Ort, den sie selbst vor Dorian geheimhält.
Zurück im »Alltag«, konzentriert Dorian sich auf seine Aufgabe. Er klärt den Fall des unglücklichen Mörders Mike »Cleanhead« Hyde auf, vernichtet gemeinsam mit Coco den ägyptischen Hohepriester Nefer-Amun alias Kadron und geht in Deutschland auf Werwolfjagd. Doch nach wie vor schmerzt es Dorian, seinen Sohn nicht sehen zu dürfen – und so greift er bereitwillig zu, als Coco ihm einen risikoreichen Ausweg anbietet ...
BLUTIGE KÜSSE
von Gay D. Carson
Sie hatte Angst.
Seit einigen Minuten schon fühlte sie, dass sie verfolgt wurde. Bisher hatte sie nichts gesehen und gehört, aber sie drehte sich in immer kürzer werdenden Abständen um, beschleunigte ihre Schritte und lief schließlich. Sie befand sich auf dem schmalen Weg, der durch das dicht bewachsene Bachtal führte, und konnte es kaum erwarten, die kleine Steinbrücke zu erreichen. Danach waren es nur noch einige hundert Meter bis zur Straße hinauf.
Sie hieß Liza Trool, war zwanzig Jahre alt und hatte sich vor etwa einer halben Stunde mit ihrem Freund zerstritten. Er war ihr dumm gekommen in seinem kleinen Morris, war zudringlich geworden. Das war der Grund dafür, warum sie jetzt nicht mehr in seinem Wagen saß, sondern hier durch die Einöde ging und Angst hatte.
Liza Trool, mittelgroß, drall und energisch, wenn es sein musste, wollte es jetzt endlich wissen. Sie blieb abrupt stehen und horchte zurück. Falls ihr tatsächlich einer folgte, dann musste sie ihn jetzt hören.
Doch sie hörte nichts. Sie wollte sich schon wieder beruhigt umwenden, als sie das schnelle Atmen vernahm. Ganz in der Nähe. Da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Natürlich! Das konnte doch nur Pete sein. Er war ihr heimlich gefolgt und wollte ihr jetzt Angst einjagen. Er wollte sich dafür rächen, dass sie aus dem Wagen gestiegen war. Lizas Angst war wie weggeblasen. Schön, er hatte seinen Spaß gehabt, doch jetzt war sie an der Reihe. Er sollte sein blaues Wunder erleben. Sie bückte sich, hob einen eigroßen Stein auf, holte weit aus und warf ihn kraftvoll in das dichte Unterholz. Der Stein streifte Blätter und kleine Äste und landete an einem Baumstamm.
»Pete Moriston!«, rief sie wütend in die Dunkelheit hinein. »Komm sofort heraus, oder ich werde böse!«
Die erwartete Antwort blieb aus. Das eben noch so deutliche tiefe Atmen war nicht mehr zu hören. Es herrschte eine unheimliche Stille. Erst jetzt fiel Liza auf, dass die Frösche schon lange nicht mehr quakten. Auch der leichte Wind war eingeschlafen.
Nicht ein einziger Nachtvogel meldete sich. Selbst der Mond schien sich sicherheitshalber hinter dicken Wolkenbänken versteckt zu haben.
»Pete Moriston!«, rief Liza Trool erneut und noch lauter. »Komm sofort heraus!«
Die von ihr ersehnte Antwort blieb aus. Ihr Freund schien die Dinge bewusst auf die Spitze treiben zu wollen. Das schnelle Atmen kam jetzt von der anderen Seite des Weges. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Pete hatte wohl die Seite gewechselt, um sie noch mehr zu verwirren.
»Dann eben nicht.«
Sie machte sich Mut, drehte sich um und ging weiter. Dabei drehte sie aber immer wieder verstohlen den Kopf herum und hoffte, Pete entdecken zu können. Im Grunde jedoch wusste sie bereits, dass es unmöglich Pete sein konnte. Es war einfach nicht seine Art, sich so zu produzieren.
Liza Trool stieß einen leisen, unterdrückten Schrei aus, als dicht vor ihr ein Etwas quer über den schmalen, fast zugewachsenen Weg flatterte. Sie blieb kurz stehen, um dann aber loszurennen. Liza pfiff auf Selbstbeherrschung und Mut. Sie wollte so schnell wie möglich zur Brücke und dann zur Straße hinauf. Die nackte Angst hatte sie wieder fest im Griff.
Als sie die schmale, kleine Brücke sah, atmete sie erleichtert auf und wandte sich noch einmal um. Dabei trat sie auf einen eckigen Stein, rutschte ab und vertrat sich den Fuß. Mit einem leisen Aufschrei humpelte sie noch einen halben Schritt weiter und hielt sich dann am steinernen Geländer der schmalen Brücke fest. Sie verzog das Gesicht, als sie den Fußknöchel abtastete. Er tat höllisch weh und schickte Schmerzwellen durch ihren Körper.
»Haben Sie sich verletzt?«
Diese höfliche Stimme kam aus nächster Nähe. Liza hob ruckartig den Kopf und sah sich einem Mann gegenüber, der über die Brücke gekommen sein musste.
Gegen den etwas helleren Nachthimmel konnte sie vorerst nur seine Umrisse ausmachen. Der Mann war groß und trug eine Art Umhang. Dort, wo sein Gesicht sein musste, glühte jetzt ein rötlicher Punkt auf. Für Bruchteile von Sekunden konnte Liza eine kräftige Nase und tief liegende Augen erkennen. Der Mann rauchte eine Zigarette, die er nun in hohem Bogen in den Bach warf.
»Ich habe mir den Fuß verknackst«, sagte Liza gespielt forsch.
»Kann ich Ihnen helfen?« Die Stimme des seltsamen Mannes klang kühl, fast abweisend.
»Es wird schon gehen«, meinte Liza. »Wie kommen Sie hierher? Wer sind Sie?«
»Ich sollte Sie zur Straße hinaufbringen«, sagte der Mann, ohne auf ihre Frage einzugehen. »Hier, nehmen Sie meine Hand!«
Er reichte ihr eine Hand, doch Liza zögerte, sie zu ergreifen. War es dieser unheimliche Mann gewesen, der sie verfolgt hatte? Das konnte eigentlich nicht sein. Er war ihr ja immerhin entgegengekommen. Wie sollte er sie überholt haben?
»Wer sind Sie?«, wiederholte Liza ihre Frage.
»Gleich wird der Mond vollkommen verschwinden«, sagte der Mann. »Sie haben Angst vor mir, nicht wahr? Hier – nehmen Sie! Das wird Sie aufmuntern.«
Er reichte ihr einen Gegenstand, den sie gegen ihren Willen ergriff. Er entpuppte sich als eine flache Taschenflasche, deren Verschluss bereits entfernt war.
»Ja, es ist Gift«, sagte der Mann spöttisch und lachte leise. »Ich lauere hier immer jungen Damen auf. Das ist mein Hobby.«
Es war das spöttische Auflachen, das sie umstimmte. Trotzig setzte sie die flache Flasche an den Mund und trank einen Schluck. Sie war angenehm überrascht, als sie die Flüssigkeit schmeckte. Es war kein Whiskey oder Cognac, wie sie zuerst vermutet hatte; die Flüssigkeit war sehr aromatisch und belebte augenblicklich. In Sekundenschnelle war ihre Angst verschwunden. Überrascht merkte sie, dass auch der stechende Schmerz in ihrem Knöchel nachließ. Vorsichtig setzte sie den Fuß auf und sah erstaunt hoch. Sie konnte wieder auftreten.
»Wie fühlen Sie sich, meine Liebe?«, erkundigte sich der seltsame Mann, dessen Gesicht sie noch immer nicht sehen konnte. Seine Stimme klang ihr jetzt vertrauter.
»Wunderbar«, gab Liza zurück und lächelte versonnen. Sie fühlte sich hochgehoben, war federleicht, schwebte auf einer rosaroten Wolke und hörte von weither eine Geige, die eine getragene, schwermütige Melodie spielte.
»Wunderschön«, wiederholte sie verträumt und schloss die Augen.
Liza Trool stöhnte wohlig auf, als er sie in die Arme nahm. Sie fühlte sich geborgen und sicher, presste sich noch fester an den Mann, als sie seine Lippen auf ihrem Hals spürte. Ekstatisch stöhnte sie auf, als seine Zähne in ihre Halsschlagader bissen. Sie spürte keinen Schmerz, war nur noch Hingabe, suchte seinen Körper.
Und dann war sie plötzlich allein und fror. Liza Trool schaute sich verwirrt um und war grenzenlos enttäuscht, dass der Mann wieder verschwunden war. Sie griff sich an den Hals, versuchte sich zu erinnern. Intensiv spürte sie noch den Geschmack des Getränkes auf ihrer Zunge, und sie hatte ein gieriges Verlangen danach ... einen Durst, den sie unbedingt stillen musste. Sie musste diesen Mann wieder finden. Sie musste noch einmal aus dieser Taschenflasche trinken. Liza Trool wollte noch einmal schweben und über rosarote Wolken gehen, wollte leicht sein wie eine Feder und dieses Glücksgefühl voll auskosten.
Sie war bereits süchtig, doch das wusste sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
»Was du nicht weißt, kann man auch nicht aus dir herauspressen«, sagte Coco eindringlich. »Bitte, Dorian, das musst du verstehen! Wir dürfen kein Risiko eingehen. Unser Kind muss ungefährdet aufwachsen.«
Er sah sie zärtlich an. Natürlich konnte er ihre Sorgen verstehen. Ihm war auch klar, dass ihr gemeinsames Kind getauft werden musste. Coco fasste die Taufe als eine Art Schutzschild auf, der die magischen Kräfte der Schwarzen Familie zumindest abschwächen sollte. Sie wusste nur zu gut um den Hass der Dämonenfamilie, der sie entstammte. Auf Dorian Hunter angesetzt, hatte sie sich in ihn verliebt und damit gegen das Gesetz verstoßen. Seit dieser Zeit veranstalteten die Mitglieder der Schwarzen Familie eine Art Treibjagd auf sie. Cocos Lage war alles andere als beneidenswert. Nachdem die Schwarze Familie sie verstoßen hatte, war es zunächst um ihre magischen Fähigkeiten geschehen gewesen. Im Laufe der Zeit erst hatte sie einen Teil der Fähigkeiten wiedererlangt. Es gab aber immer wieder Schwächeperioden, die ihre hasserfüllten Verfolger auszunutzen verstanden. Nach der Geburt ihres Kindes hatte sie erneut ihre übernatürlichen Kräfte verloren. Coco war fest davon überzeugt, dass ein Teil ihrer Fähigkeiten auf das Kind übergegangen war. Sie bedauerte es keineswegs, denn sie ahnte, dass dieses Kind großen Gefahren ausgesetzt sein würde. Die Schwarze Familie vergab nicht. Sie würde alles daransetzen, zumindest das Kind in den Schoß der Dämonenfamilie zu ziehen.
»Einverstanden, Coco«, sagte Dorian Hunter.
Er lächelte sie an, liebte sie mehr denn je; und das hatte sicher nicht nur mit ihrem Aussehen zu tun. Coco war eine hinreißende junge Frau. Sie war ein Meter einundsiebzig groß, hatte ein exotisch wirkendes Gesicht und schwarze Haare, die zu den dunkelgrünen Augen wunderbar passten. Sie war eine Frau, die jedem Mann den Kopf verdrehte. Dorian war froh, dass ihre Wege sich auf so seltsame Art und Weise gekreuzt hatten. Nach der Geburt ihres Kindes war die gegenseitige Zuneigung und Liebe noch selbstverständlicher und tiefer geworden.
»Du bedauerst es, nicht dabei sein zu können, nicht wahr?« Cocos Stimme klang wie stets rauchig.
»Natürlich wäre ich gern dabei«, meinte Dorian. »Wahrscheinlich werde ich unser Kind sehr lange Zeit nicht mehr sehen, Coco, oder?«
»Sehr lange Zeit«, wiederholte sie und nickte. »Wir müssen alle Spuren verwischen. Du kennst ja meine sogenannte Familie. Wie Bluthunde werden sie hinter dem Kind her sein.«
»Hoffentlich hast du das richtige Versteck gewählt.«
»Ich denke schon. Außerdem wird das Kind auch noch einen anderen Rufnamen bekommen.«
»Den ich natürlich nicht erfahren werde, wie?« Ein wenig Bitterkeit schwang in Dorians Stimme mit.
»Es wird der Name eines Heiligen sein«, gab sie zurück. »Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Dem Kind darf nichts geschehen.«
»Offen gestanden. Coco, ich komme mir ein wenig komisch vor. Erstaunlich, dass ich nicht wie eine Drohne aus dem Haus geworfen werde.«
Sie lächelte, sah ihn verliebt an. Er war ein Mann, nach dem sich die Frauen automatisch umdrehten. Dorian Hunter war gut und gern ein Meter neunzig groß, schlank und besaß eine sportliche Figur. Er war kein Schönling, sondern hatte eher etwas Dämonisches an sich, wozu seine schwarzen Haare, der Schnurrbart und die grünen Augen entscheidend beitrugen.
»Ich habe eine Überraschung für dich«, sagte sie und lächelte geheimnisvoll. »Du wirst die Taufe nicht versäumen.«
»Ich verstehe nicht.« Er sah sie überrascht an.
»Dein Körper wird hier in London bleiben«, setzte sie ihm auseinander, »aber dein Geist wird dabei sein.«
»Ich weiß ja, dass du eine Hexe bist«, meinte er lächelnd, »aber übernimmst du dich nicht?«
»Ich habe eine Art Transportmittel für deinen Geist«, erwiderte sie geheimnisvoll. »Über Zeit und Raum wird er sich erheben und bei der Taufe dabei sein.«
»Wo steht dieses Transportvehikel?«
»Dort auf dem Wandtisch, Dorian.« Coco wandte sich um und ging durch den großen Wohnraum der Jugendstilvilla, in der sie beide mit ihren Freunden wohnten. Sie griff nach einem kleinen Fläschchen, das vollkommen neutral und harmlos aussah und aus braunem Glas bestand.
»Ich verstehe, Coco. Ein Zaubertrank, nicht wahr?«
»Theriak«, sagte sie fast beiläufig.
»Theriak?«
Dorian verstand sofort – die Ereignisse in Rom waren ihm noch frisch im Gedächtnis.
»Du weißt, wie gefährlich Theriak ist, Dorian«, schickte Coco voraus, »aber ich kenne kein anderes Mittel, um dich durch Zeit und Raum zu transportieren.«
»Du wirst deinen Zaubertrank schon nicht überdosiert haben«, gab er lächelnd zurück.
»Ich habe sogar ein Gegenmittel hergestellt«, antwortete Coco ernst. »Ohne dieses Taxin-Theriak würdest du süchtig werden. Du musst es einnehmen, sobald die Wirkung des Theriaks sich verflüchtigt. Bitte, Dorian, vergiss das nicht!«
»Taxin-Theriak? Was ist das?«
Sie reichte ihm ein wesentlich kleineres Fläschchen aus rotem Glas. Er nahm es entgegen und sah es sich interessiert an.
Dorian wunderte sich nicht einen Moment lang über ihre Fähigkeiten. Als ehemaliges Mitglied der Schwarzen Familie wusste sie von Dingen, die er niemals erfassen konnte.
»Taxin ist chemisch gesehen ein Alkaloid der Eibe«, beantwortete sie seine Frage. »Es ist ein Lähmungsgift für das Zentralnervensystem. So weit die Schulweisheit, Dorian.«
»Die dir natürlich nicht reicht, oder?«
Er hätte sie am liebsten in die Arme geschlossen, so ernst und lehrerinnenhaft sah sie in diesen Sekunden aus.
»Ich habe das Taxin natürlich aufbereitet und angereichert«, redete sie weiter, in einem liebevoll dozierenden Tonfall. »Frage mich nicht nach Einzelheiten, Dorian! Es ist einfach zu kompliziert, das alles zu erklären. Hauptsache, es wirkt und verhindert die Sucht.«
»Könnte ich diese Theriak-Sucht nicht mit meinem Willen bekämpfen?«
»Bestimmt nicht, Dorian.« Sie schüttelte den Kopf. »Schon ein paar Tropfen reichen vollkommen aus, dich in die Abhängigkeit davon zu bringen. Heroinsüchtig zu sein, ist harmlos dagegen.«
»Dein Transportmittel hat es in sich, Coco.«
»Es bleibt ungefährlich, wenn du das Taxin-Theriak rechtzeitig nimmst.«
»Worauf du dich verlassen kannst.« Dorian ließ das kleine Fläschchen in seiner Hosentasche verschwinden. »Wie merke ich übrigens, dass es Zeit für dein Gegenmittel ist?«