Dr. Stefan Frank 2482 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2482 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Schönheit um jeden Preis
Doch riskiert Eva am Ende zu viel?

Zusammengekauert sitzt Eva Marx in ihrer kleinen Wohnung. Schon seit Tagen verkriecht sie sich hier, ohne jeden Kontakt zur Außenwelt. Was soll sie draußen denn auch? Anderen Menschen ihr hässliches Gesicht zumuten? Bloß nicht! Sie weiß nur zu gut, wie furchtbar sie aussieht; jeder Blick in den Spiegel verrät es ihr ja. Und auch ihr Freund Sascha ist natürlich nur aus Mitleid mit ihr zusammen.
Immer tiefer verstrickt sich Eva in ihren Kummer. Nur eine einzige Hoffnung bringt noch etwas Licht in ihre Dunkelheit: Eine Schönheitsoperation könnte ihr sicher helfen! Sie muss einfach jemanden finden, der sie operiert, dann kann vielleicht doch noch alles gut werden!

Als Dr. Stefan Frank die verzweifelte Eva Marx in seiner Praxis kennenlernt und sie ihm ihre Sorgen schildert, ist er kurz sprachlos. Eines ist offensichtlich: Dieser jungen Frau muss tatsächlich geholfen werden - allerdings auf ganz andere Weise, als sie selbst vermutlich denkt ...

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Seitenzahl: 122

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Inhalt

Cover

Impressum

Schönheit um jeden Preis

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Nikola Ilic / iStockphoto

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-7588-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Schönheit um jeden Preis

Doch riskiert Eva am Ende zu viel?

Zusammengekauert sitzt Eva Marx in ihrer kleinen Wohnung. Schon seit Tagen verkriecht sie sich hier, ohne jeden Kontakt zur Außenwelt. Was soll sie draußen denn auch? Anderen Menschen ihr hässliches Gesicht zumuten? Bloß nicht! Sie weiß nur zu gut, wie furchtbar sie aussieht; jeder Blick in den Spiegel verrät es ihr ja. Und auch ihr Freund Sascha ist natürlich nur aus Mitleid mit ihr zusammen.

Immer tiefer verstrickt sich Eva in ihren Kummer. Nur eine einzige Hoffnung bringt noch etwas Licht in ihre Dunkelheit: Eine Schönheitsoperation könnte ihr sicher helfen! Sie muss einfach jemanden finden, der sie operiert, dann kann vielleicht doch noch alles gut werden …

Martha Giesecke verlagerte ihr Gewicht unbehaglich von einer Pobacke auf die andere. Sie hielt für einen Moment angestrengt die Luft an und zog den Bauch ein.

Konnte man dank Willenskraft eigentlich dünner wirken, als man in Wahrheit war? Es war zu heiß in dem kleinen Besprechungsraum. Und sie fühlte sich von all den Fotos bildschöner und altersloser Frauen an der Wand spöttisch belächelt.

Verunsichert starrte Martha Giesecke auf die glänzend polierte Platte des Tisches. Was, um Himmels willen, machte sie hier?

Endlich betrat Dr. Rafael Miguel Garcias das Sprechzimmer. Es handelte sich um einen unnatürlich faltenfreien Schönling mit Waschbrettbauch und beeindruckend dichtem Haar. Dabei war der Mann bestimmt schon knapp über fünfzig!

Martha Giesecke gab statt einer Begrüßung ein heiseres Fiepen von sich. Wo nur war ihr starkes Auftreten geblieben? Sie war doch sonst nicht auf den Mund gefallen. Vermutlich hatte die gertenschlanke und sexy Arzthelferin am Empfang Martha Gieseckes Selbstbewusstsein mitsamt ihrem Anmeldebogen in den Untiefen des Tresens verschwinden lassen.

Noch nie war Martha sich so klein, unattraktiv und unbedeutend vorgekommen wie jetzt in diesem Moment. Vielleicht lag es aber auch an den Frauenzeitschriften, die im Wartezimmer zur Lektüre auslagen. Martha Giesecke hatte darin herumgeblättert und war sich angesichts all der Bilder von langbeinigen Models und blond gelockten Filmstars vorgekommen wie ein hässliches Entlein.

Dr. Rafael Miguel Garcias nahm schwungvoll auf seinem Beratungsstuhl Platz. Er sah zuerst auf seinen Monitor, dann blickte er zu Martha. Die anfängliche Begeisterung in seinem Blick erstarb.

Hinter ihm hing ein großes Plakat mit einem überirdisch schönen Frauengesicht. Faltenlos und mit unnatürlichen Rehaugen sah es zu Martha hinunter.

Große Schönheit zu kleinem Preis, warb ein Slogan darunter. Es wurde auf ein Botox-Abo hingewiesen, das die Praxis anbot. Jede zehnte Behandlung war kostenlos.

Was, bitte schön, war ein Botox-Abo? Die Grünwalder Arzthelferin hatte gedacht, man würde sich eine einzige Spritze in die Stirn jagen lassen! Hieß das etwa, die weggespritzten Falten würden bald schon wiederkommen? Nein, sie hatte keine Lust, alle paar Monate im sterilen Wartezimmer dieses affigen Chirurgen zu sitzen.

Davon abgesehen gab sie ihr Geld lieber für Sinnvolleres aus. Sie war schon lange nicht mehr im Café Lotte gewesen. Und im Moment war Strudelzeit. Der Birnenstrudel im Café Lotte war einfach nur göttlich …

„Oh, Frau Grießecke …“ Der Mediziner lächelte bemüht. Er zeigte ein paar strahlend weiße Zähne, die genauso künstlich wirkten wie sein aufgesetztes Grinsen. „Wie ich sehe, haben Sie die heutige Beratung in einer Zeitschrift gewonnen? Herzlichen Glückwunsch!“

Martha Giesecke nickte unbehaglich. Sie hieß nicht Grießecke, auch wenn süße Grießschnitten ihre Leibspeise waren. Aber sie traute sich nicht, dem Chirurgen mit der Pfirsichhaut und dem perfekt geschwungenen Lippenbogen zu widersprechen.

Sie war weniger wegen der Beratung als wegen der Botoxspritze gekommen. Nie zuvor hatte sie mit dem Gedanken gespielt, sich von einem Schönheitschirurgen aufhübschen zu lassen.

Aber dann hatte sie bei einem Kreuzworträtsel eine umfassende Beratung samt Botox-Behandlung in einer exklusiven Münchner Schönheitspraxis gewonnen. Und sie sah nicht ein, den wertvollen Preis einfach verfallen zu lassen.

Jetzt, da sie dem Schönheitschirurgen gegenübersaß, bereute sie ihre Entscheidung. Er musterte sie mit zusammengekniffenen Augen und tippte schweigend Notizen in seinen PC. Dann bat er sie, aufzustehen.

Als sein Blick Marthas ausladenden Hüften streifte, schüttelte er ungläubig den Kopf. Er rieb sich die Schläfen, als würde er jeden Moment einen Migräne-Anfall bekommen.

„Das wird eine echte Herausforderung!“, murmelte er. „Aber Hilfe naht, Frau Grießecke! Ich bin da, um Ihr Leben von Grund auf zu ändern!“ Das klang, als wäre Rafael Miguel Garcias der lang erwartete Messias.

Der Mediziner schob Martha unsanft vor seinen Computermonitor. Darauf war eine Silhouette zu erkennen, die offenbar ihre sein sollte. Die Figur im Computer wirkte klein und gedrungen, als handele es sich um ein rundliches Mainzelmännchen mit hängenden Brüsten.

Für einen Moment tat Martha Giesecke sich selber leid. Die gebürtige Berlinerin seufzte betroffen.

Was war aus dem betörenden Hüftschwung ihrer Jugend geworden? Wo waren die einundfünfzig Kilo geblieben, die die Waage angezeigt hatte, als sie zwanzig gewesen war? Wo nur steckte ihr legendärer Schwanenhals, um den sie als junge Frau farbenfrohe Seidentücher geschlungen hatte? Und wohin waren die schlanken Beine verschwunden?

All das musste sie irgendwo zwischen dem Umzug nach München und dem Einsetzen ihrer Menopause verloren haben. Heute trug Martha Giesecke Seidenschals vor allem, um die Falten an ihrem Hals zu verbergen.

„Sie müssen sich auf einen mehrmonatigen Behandlungszeitraum einstellen!“, warnte Dr. Garcia die füllige Arzthelferin mahnend vor. „Wir beginnen ganz unten mit einer Wadenplastik und arbeiten uns dann langsam nach oben.“

Sein Kugelschreiber verharrte für einen Moment auf Höhe ihrer Beine und wanderte dann rasch nach oben zu ihrem Bauch.

„Eine Fettabsaugung und anschließende Bauchstraffung ist in Ihrem Fall ein absolutes Muss, Frau Grießecke! Außerdem rate ich Ihnen zu einer Verkleinerung Ihrer voluminösen Brüste.“

Der Kugelschreiber war nun vorwurfsvoll auf ihren Busen gerichtet. Für einen Moment schloss Dr. Garcia seufzend die Augen. Dann öffnete er sie wieder.

„Im nächsten Schritt widmen wir uns Ihrem Gesicht! Der Zahn der Zeit ist nicht gerade gnädig damit umgegangen.“

Martha Giesecke spürte, wie ein Lachen in Ihrer Magengrube entstand. Es arbeitete sich genau wie Dr. Garcias Kugelschreiber langsam nach oben. Machte der Kerl Witze? Sie liebte ihr Gesicht genau so, wie es war! Sie hatte rein gar nichts daran auszusetzen.

„Wir restaurieren in erster Linie mit Faltenunterspritzung und setzen eine mehrstufige Botox-Behandlung an. Die volle Wiederherstellung des alten Zustands erfolgt nach etwa sechs Monaten …“ Es klang, als würde Dr. Garcias von der Renovierung eines Bauwerks berichten. „Die Tränensäcke unter Ihren Augen müssen definitiv weg. Eine kleine Unterlidkorrektur wird es richten!“

Dr. Garcias schmatzte zufrieden.

„Last but not least rücken wir diesen unvorteilhaften Altersflecken auf den Pelz. Hier empfehle ich eine aggressive Laserbehandlung. Nicht wahr, Frau Grießecke? Man muss den Feind mit allen zur Verfügung stehenden Waffen bekämpfen!“

Martha Giesecke sah ihr Gegenüber schweigend an. Dann konnte sie nicht mehr an sich halten. Das Lachen ergoss sich wie eine Sintflut in seinen Praxisraum. Martha hielt sich vor lauter Lachen die Seiten.

Sie wusste, dass sie kein junges Mädchen mehr war. Und ihr war klar, dass sie etliche Pfunde zu viel auf den Rippen hatte. Aber dass sie ein derartiger Totalschaden sein sollte, war ganz klar ein Scherz. Sie wollte jetzt schnell heim und sich knusprige Grießschnitten braten.

„Zwei wesentliche Punkte hätte ich beinahe vergessen …“, ergänzte der Arzt kleinlaut. Er wirkte auf einmal unsicher und zwei Köpfe kleiner als sie. „Ihr Haar ist zu dünn und braucht mehr Volumen und vor allem Farbe. Wir sollten uns mit dem Gedanken einer Haartransplantation anfreunden. Und das übermäßige Schwitzen, unter dem Sie leiden, kann eine Schweißdrüsen-Entfernung beheben.“

Das Wort „Schweißdrüsen-Entfernung“ wurde vom Krachen der zufallenden Tür verschluckt. Martha Giesecke war einfach gegangen.

Die Arzthelferin am Tresen sah irritiert auf.

„Aber Sie haben Ihre Botox-Behandlung ja noch gar nicht bekommen!“

Martha Giesecke lächelte die Kollegin freundlich an.

„Wissen Sie was? Die schenk ick Ihnen!“

Dann stand sie endlich wieder draußen am Fahrstuhl. Erleichtert atmete sie aus. Erst dann bemerkte sie die junge Frau, die mit hängenden Schultern an die Wand gelehnt dastand und ebenfalls auf den Aufzug wartete. Die Fremde weinte stumm vor sich hin.

Mitleidsvoll sah die Grünwalder Arzthelferin das Bündel Elend von der Seite aus an. Wahrscheinlich waren die mit dem armen Ding in der Praxis genauso herzlos umgegangen wie mit ihr. Da konnten einem ja nur noch die Tränen kommen!

Mit einer mütterlichen Geste legte sie der jungen Frau die Hand auf die Schulter.

„Machen Sie sich nichts draus!“, tröstete sie die Weinende leise. „Die haben mir auch det Gefühl gegeben, det ick ein hoffnungsloser Fall bin. Aber ick liebe mich genau so, wie ick bin. Und Sie sind doch wunderschön und brauchen überhaupt keine Behandlung.“

Die Aufzugtür öffnete sich lautlos. Die junge Frau schlüpfte hinein. Als sie erkannte, dass die Kabine innen verspiegelt war, sah sie erschrocken zu Boden.

„Das ist sehr nett von Ihnen.“ Nun sah ihre Gesprächspartnerin sie doch noch an. Aber es machte den Eindruck, als würde sie jeden Blick in den Spiegel tunlichst vermeiden. „Sie müssen sich nicht verstellen und mir falsche Komplimente machen“, bat die junge Frau Martha Giesecke. „Ich weiß ja, dass ich schrecklich aussehe. Aber Dr. Garcias weigert sich standhaft, meine Nase zu richten.“

Der Aufzug glitt langsam nach unten.

Verdattert musterte Martha Giesecke das junge Ding. Die Frau hatte ein perfektes Gesicht. Sie war schlank, wirkte gesund und absolut blühend. Was mit ihrer Nase nicht stimmen sollte, war Martha Giesecke schleierhaft.

„Sie haben det perfekte Näslein, wenn meine Meinung Sie interessiert. Wenn ick so aussehen würde wie Sie, wäre ick bestimmt Tänzerin oder Schauspielerin geworden …“ Verträumt musterte Martha das makellose Gesicht der anderen Frau.

Unter Marthas Begutachtung zuckte die Fremde sichtlich zusammen.

„Aber sehen Sie das denn nicht?“, fragte sie mit zitternder Stimme. „Meine Nase ist viel zu groß für mein schmales Gesicht. Ich sehe aus wie meine eigene Karikatur. Auf der Straße starren die Leute mir hinterher. Doktor Garcias war meine letzte Hoffnung.“

Erheitert schüttelte Martha Giesecke den Kopf. Die Menschheit war offenbar verrückt geworden.

Kurzerhand kramte sie in ihrem Geldbeutel nach Dr. Franks Visitenkarte.

„Ick arbeite auch bei einem Arzt“, erklärte sie. „Und ick bin sicher, det mein Chef Ihnen helfen wird, Mädchen! Er ist Allgemeinarzt, aber er kümmert sich um alle Belange, die mit Menschen zu tun haben. Oder anders gesagt: Nichts Menschliches ist ihm fremd. Ick würde Ihnen empfehlen, mal bei uns in Grünwald vorbeizuschauen.“

Zu Marthas Erstaunen strahlte die fremde Frau sie jetzt hoffnungsvoll an.

„Wirklich?“, stammelte sie. „Sie arbeiten bei einem Allgemeinarzt, der Schönheitsoperationen macht? Da ist man ja gleich doppelt in guten Händen!“

Erfreut verstaute sie die Visitenkarte in ihrer Tasche und reichte Martha Giesecke die Hand.

„Ich wohne zwar am anderen Ende der Stadt, aber ich werde auf jeden Fall zu Ihnen in die Praxis kommen!“

Martha war vor Überraschung und Schreck rot geworden. So hatte sie das natürlich nicht gemeint! Dr. Frank würde nie und nimmer Schönheitsoperationen durchführen. Sie hatte damit sagen wollen, dass Dr. Frank psychologische Hilfeleistung bot. Aber es war zu spät, um das Missverständnis noch aufzuklären.

„Ich bin übrigens Eva. Eva Marx. Ich studiere Informatik im sechsten Semester.“

Zögernd schüttelte die Arzthelferin der Studentin die Hand. Die aufgelöste Frau wirkte endlich wieder beruhigt. Die Aufzugtür sprang auf, und Eva Marx wischte sich die letzten Tränen rasch von der Wange.

„Wenigstens haben sie mir noch mal einen Botox-Termin gegeben“, sagte sie fröhlich zum Abschied und zwinkerte Martha verschwörerisch zu. „Diese Zornesfalte ist einfach nur hässlich. Wann immer ich in den Spiegel schaue, möchte ich losheulen vor lauter Abscheu vor mir selbst. Das sieht aus, als wäre ich eine uralte Frau. Und als gäbe es in meinem Leben gar nichts zu lachen!“

Martha Giesecke konnte keine Zornesfalte erkennen. Die Stirn der Studentin war eben und glatt.

Aber ehe sie noch etwas erwidern konnte, war Eva Marx schon verschwunden. Sprachlos sah Martha Giesecke der davoneilenden Studentin hinterher. Sie war gespannt, ob ihre Wege sich tatsächlich noch einmal kreuzen würden.

***

„Interessant …“, murmelte Dr. Stefan Frank. Mit hochgezogenen Augenbrauen knabberte er an einem rohen Zucchini-Stift. „Schmeckt gar nicht so übel.“

Alexandra grinste. „Gabriele, du glaubst nicht, was für Überredungskünste ich anwenden musste, um Stefan hierherzulocken!“, sagte sie seufzend. „Er misstraut allem Neuen und hat tief sitzende Ängste und Vorurteile. Am liebsten wäre es ihm, wenn alles für immer so bliebe, wie es ist. Als Jakobs Jägerstube zugemacht hat, hat er ehrliche Tränen vergossen.“

Stefan Frank verdrehte die Augen und tunkte seine Rohkost-Schnitze in die Soße aus Olivenöl und Balsamico-Essig. Als Nächstes standen Hartweizennudeln mit veganer Quark-Spinat-Füllung auf dem Programm.

„Du übertreibst wieder einmal maßlos, Schatz!“, schalt er seine Partnerin zärtlich. „Aber ja, natürlich hänge ich mein Herz an alles Gewohnte. Ich bin sicherlich zweimal im Jahr in Jakobs Jägerstube gegangen. Es gab herrlichen Rehbraten dort. Und hin und wieder ein köstliches Wildschwein im eigenen Bratensaft. Wenn ich nur daran denke, knurrt mir der Magen.“

Die Gäste am Nebentisch sahen entsetzt zu ihnen herüber. Offenbar hatte er das Wort „Wildschwein“ zu laut ausgesprochen. Das war nicht gerade das beste Gesprächsthema für diesen Ort.

Gabriele Siebert, Psychologin und gute Freundin von Stefan, grinste erheitert.

„Nun ja. Da ist es natürlich doppelt hart, wenn solch ein fleischlicher Genusstempel schließt und stattdessen ein veganes Restaurant mit Bioprodukten eröffnet.“

Die Dreiergruppe lachte leise.

„Jakob ist in seinen verdienten Ruhestand gegangen!“, erklärte Alexandra achselzuckend. „Und offenbar gab es niemanden, der das Traditionshaus übernehmen wollte. Seien wir ehrlich: Diese Braten- und Schnitzel-Paradiese sind einfach nicht mehr zeitgemäß. Die jungen Leute sehnen sich nach gesunder, regionaler Kost. Und wenn möglich, genießen viele ihr Abendessen fleischfrei.“

Deprimiert starrte Dr. Frank auf seinen Teller. Die Kellnerin hatte ihm seine gefüllten Nudeln gebracht. Sie schenkte ihm Wein von Ökobauern aus Chile nach und lächelte freundlich.

„Ich kann mir nicht helfen. Irgendwie fehlt auf dem Teller doch was! Und ein veganes Restaurant passt irgendwie gar nicht nach Grünwald!“ Stefan schmollte.

Gabriele und Alexandra warfen sich einen amüsierten Blick zu.

„Probier doch erst mal, Stefan, und urteile dann! Außerdem ist das das Leben. Was meinst du, wie Grünwald vor hundert Jahren war? Damalige Bewohner würden ihren Stadtteil heute auch nicht mehr wiedererkennen. Für die wäre Jakobs Jagdhütte ein verkommener Ort. Weil er auf Friedas alt eingesessenes Kaffeehaus folgte …“

Dr. Frank nickte.

„Stimmt. Ich habe in einer Stadtteil-Chronik darüber gelesen. Früher war in diesem Haus ein elegantes Café untergebracht. Es gab jeden Sonntag Tanztee. Sogar Sigmund Freud war bei seinen Besuchen in München regelmäßiger Gast. Bestimmt war es ein Schock, als Friedas Kaffeehaus für immer die Pforten schloss und stattdessen Jakobs Jägerhütte öffnete.“