Dr. Stefan Frank 2508 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2508 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Warum hast du nichts gesagt?
Wie Alina und Victor ihr Schweigen überwanden

Schon in ihrer Schulzeit war Alina verliebt in Victor. Damals hatte der vier Jahre ältere Mädchenschwarm keinen Blick für sie übrig, und nach seinem Abschluss hat er München verlassen. Jetzt, einige Jahre später, steht er plötzlich wieder vor ihr, und Alina erkennt schlagartig, dass ihre Gefühle für ihn nie erloschen sind. Doch etwas hat sich offenbar verändert, denn plötzlich schaut auch er sie mit Interesse an.
Als sie bei einem öffentlichen Tanzabend aufeinandertreffen und miteinander tanzen, sprühen förmlich die Funken zwischen ihnen. Doch es ist zu spät. Denn beide tragen ein Schicksal mit sich herum, das eine Beziehung zwischen ihnen unmöglich zu machen scheint. Und das Schlimmste ist: Sie können nicht einmal darüber reden.
Wie eine Wand lastet das Schweigen zwischen ihnen. Doch dann kommt endlich der Tag, an dem sich Alina ein Herz fasst und beschließt, über alles zu sprechen ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Warum hast du nichts gesagt?

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: PeopleImages / iStockphoto

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-8276-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Warum hast du nichts gesagt?

Wie Alina und Victor ihr Schweigen überwanden

Schon in ihrer Schulzeit war Alina verliebt in Victor. Damals hatte der vier Jahre ältere Mädchenschwarm keinen Blick für sie übrig, und nach seinem Abschluss hat er München verlassen. Jetzt, einige Jahre später, steht er plötzlich wieder vor ihr, und Alina erkennt schlagartig, dass ihre Gefühle für ihn nie erloschen sind. Doch etwas hat sich offenbar verändert, denn plötzlich schaut auch er sie mit Interesse an.

Als sie dann bei einem öffentlichen Tanzabend aufeinandertreffen und miteinander tanzen, sprühen förmlich die Funken zwischen ihnen. Doch es ist zu spät. Denn beide tragen ein Schicksal mit sich herum, das eine Beziehung zwischen ihnen unmöglich zu machen scheint. Und das Schlimmste ist: Sie können nicht einmal darüber reden.

Wie eine Wand lastet das Schweigen zwischen ihnen. Doch dann kommt endlich der Tag, an dem sich Alina ein Herz fasst und beschließt, über alles zu sprechen …

Das Telefon läutete. Und läutete. Und läutete.

„Sag mal, willst du nicht endlich mal abnehmen?“ Ärgerlich schob sich Constanze von Reuten die moderne Brille in die Stirn und deutete mit ihrem Kuli auf das Telefon, welches direkt vor Alina auf dem Schreibtisch stand. Unaufhörlich wiederholte der Apparat eine kleine, eingängige Melodie.

Der strenge Blick der Chefsekretärin war ein einziger Vorwurf.

„Du wirst uns mit deinem Verhalten noch sämtliche Klienten vergraulen! Was ist eigentlich los mit dir? Seit du aus dem Urlaub zurück bist, sabotierst du unsere Arbeit. Verfolgst du irgendeinen geheimen Masterplan?“

Genervt tauschte sie einen Blick mit Inga Sommerfeld, der dritten Kollegin, welche inzwischen ebenfalls den Kopf gehoben hatte. Beide Frauen lächelten sich spöttisch zu und verdrehten die Augen.

Alina zuckte zusammen. Natürlich verfolgte sie keinen Plan. Obwohl sie die Anrufe einiger Klienten tatsächlich am liebsten ignoriert hätte. Manche Kunden führten sich auf, als gehörte ihnen die Kanzlei höchstpersönlich und als ließe sich daraus das Recht ableiten, nach Belieben mit den Bürokräften umzuspringen.

Dabei waren die Klienten, die hier anriefen, dringend auf die professionelle Arbeit der Sekretärinnen angewiesen, welche zu dritt im Vorzimmer der renommierten Anwaltskanzlei Redecker & Partner saßen.

Aber während Alinas Arbeitsvertrag lediglich eine Stelle als Anwaltsgehilfin auswies, bekleideten Inga Sommerfeld und vor allem Constanze von Reuten höhere und damit deutlich besser bezahlte Positionen. Und das ließen sie Alina deutlich spüren.

Zum Beispiel hatte Constanze von Reuten, obwohl es auf dem letzten Meeting anders besprochen worden war, die Telefonanlage dauerhaft auf Alinas Apparat umgestellt. So musste diese sämtliche eingehenden Anrufe annehmen und bekam dadurch fast immer den ganzen Ärger der Klienten ab.

Und egal, wie ausfallend manche dabei wurden, Alina durfte ihnen natürlich nie im gleichen Ton antworten. Stattdessen hatte sie während des gesamten Gesprächs höflich und entgegenkommend zu bleiben und sogar breit zu lächeln. Angeblich vermittelte man dem potentiellen Kunden am anderen Ende der Leitung dadurch ein Gefühl der besonderen Aufmerksamkeit, was für den guten Ruf der Kanzlei wichtig war. Aber es war auch unglaublich kräftezehrend.

„Na? Extraeinladung gefällig?“ Mit schneidendem Blick starrte Constanze von Reuten zu ihr herüber.

Widerwillig griff Alina nach dem Hörer.

„Anwaltspraxis Redecker & Partner“, meldete sie sich vorschriftsmäßig. „Guten Tag, Alina Kaufmann am Apparat. Was darf ich für Sie tun?“

„Na endlich!“, klang es ihr aus dem Hörer entgegen. „Ich versuche jetzt seit zwei Wochen, dich zu erreichen. Was ist denn nur los? Ich dachte schon, dir wäre was passiert. Tut mir leid, dass ich dich in der Praxis anrufe, aber anders kriegt man dich offensichtlich nicht mehr ans Telefon. Warum gehst du denn nicht an dein Handy?“

Alina schluckte. Das war ihre Freundin Olivia. Demnach handelte es sich hier um ein Privatgespräch, aber private Telefonate waren in der Kanzlei verboten. Also war der nächste Ärger vorprogrammiert.

„Olivia“, hauchte sie unter dem misstrauischen Blick der Chefsekretärin ins Telefon, „ich kann jetzt nicht! Ruf mich bitte heute Abend mal …“

„Nein!“, kam es umgehend zurück. „Das habe ich die vergangenen zwei Wochen die ganze Zeit probiert! Weißt du eigentlich, was ich mir für Sorgen gemacht habe?“

„Olivia, lass uns das bitte später …“

„Nix da, du hörst mir jetzt kurz zu! Und je weniger du mich unterbrichst, desto schneller sind wir hier durch.“ Man merkte Olivia deutlich an, dass sie bereits Mutter einer kleinen, aufmüpfigen Tochter war und durchaus energisch durchzugreifen wusste, wenn es die Situation erforderte.

Außerdem war sie Alinas beste Freundin. Olivia und Alina kannten einander schon aus dem Sandkasten und hatten bisher alle Wirren ihres Lebens gemeinsam bestanden – von kleinen Streitereien im Kindergarten über den jeweiligen ersten Schultag bis hin zu harmlosen Schwärmereien für irgendwelche Jungs.

Leider waren sie nicht auf dieselbe Schule gegangen, aber das hatte ihrer Freundschaft keinen Abbruch getan.

Auch an dem Tag, als Olivias Eltern tödlich mit dem Auto verunglückt waren, war Alina sofort zur Stelle gewesen. In den folgenden Wochen und Monaten war sie ihrer Freundin fast keine Minute von der Seite gewichen. Sieben Jahre war das jetzt her.

Als einige Zeit später die kleine Josephine in Olivias Leben getreten war – mit all den normalen, aber auch unvorhergesehenen Ereignissen, die die Ankunft eines Babys nun mal mit sich brachte –, hatte Alina ebenfalls Tag und Nacht geholfen.

Vom Einrichten des Kinderzimmers über den Einkauf der Erstausstattung bis hin zum Packen der Tasche für das Krankenhaus hatte sie ihrer alleinstehenden Freundin damals beigestanden. Sogar in den Kreissaal hatte sie sie begleitet.

Olivia selbst war aus dem gleichen Holz geschnitzt. Eine bessere beste Freundin hätte sich Alina gar nicht wünschen können. Normalerweise passte auch kein Blatt Papier zwischen die beiden jungen Frauen. Gerade deshalb war es so ungewöhnlich, dass Olivia jetzt am Telefon recht aufgebracht klang.

„Was ist denn nur los mit dir, Alina?“, fragte sie ungehalten. „Erst nimmst du deinen gesamten Jahresurlaub auf einmal und fährst Hals über Kopf weg. Eine kurze SMS am Anfang, dann noch eine nach zwei Wochen, dass du deinen Aufenthalt verlängern willst. Und dann setzt auf einmal das große Schweigen ein! Ich habe mir schon sonst was ausgemalt.“

Sie holte kurz Atem.

„Du brauchst mir jetzt auch nicht zu antworten“, fuhr sie etwas ruhiger fort. „Mir ist schon klar, dass du Ärger bekommst, wenn du hier jetzt ein Privatgespräch führst. Versprich mir einfach nur, dass du am Samstag wieder im Café vorbeikommst, ja? Alles Weitere können wir dort klären.“

Sie zögerte kurz, als hätte sie sich die folgenden Sätze schon zurechtgelegt und würde sie innerlich nur noch schnell einmal wiederholen, bevor sie sie wirklich aussprach.

„Alina, du weißt doch, dass es für alles eine Lösung gibt, nicht wahr?“, fragte sie dann ins Telefon. „Das weißt du doch? Falls du also irgendein Problem hast, dann werde ich meine beste Freundin bestimmt nicht hängen lassen, genauso wenig, wie du es damals mit mir getan hast. Also, du kommst am Samstag, ja?“

„Ja“, sagte Alina, der inzwischen die Tränen in die Augen gestiegen waren.

„Gut.“ Olivia atmete auf. „Du kannst natürlich auch gern schon früher vorbeikommen, wenn du möchtest“, fügte sie hinzu. „Allerdings habe ich diese Woche wirklich sehr wenig Zeit. Trotzdem würde ich mich natürlich riesig freuen. Und Josephine sowieso.“

„Das weiß ich, Olivia“, erwiderte Alina, deren Stimme vor Rührung inzwischen ganz weich geworden war. „Ich werde am Samstag vorbeikommen. Ganz bestimmt.“

Dann legte sie schnell auf, bevor Constanze von Reuten sich beschweren konnte.

***

Tatsächlich hatte die strenge Chefsekretärin mit ihrer Verärgerung nicht ganz unrecht. In den zwei Wochen, die Alina aus dem Urlaub wieder zurück war, waren ihr schon mehrere Fehler unterlaufen.

Ein paarmal hatte sie das Telefon überhört, zweimal hatte sie vergessen, den Eingangsstempel auf die Post zu drücken, einmal hatte sie eine falsche Zeit in den Kalender eingetragen und einmal sogar eine Akte verlegt. Insgesamt wirkte sie sehr unkonzentriert und fahrig. Viel war mit ihr im Moment wirklich nicht anzufangen.

Hinzu kam, dass in dem von Konkurrenz geprägten Büro ohnehin keine gute Arbeitsatmosphäre herrschte. Da Alina nur Anwaltsgehilfin war, fühlte sie sich Constanze von Reuten und Inga Sommerfeld hoffnungslos unterlegen.

Außerdem arbeiteten die beiden tatsächlich schon viel länger bei Redecker & Partner und betrachteten Alina deshalb als Kanzleiküken, obwohl zumindest Inga Sommerfeld gerade mal drei Jahre älter war. Manchmal grenzte das Verhalten der beiden Sekretärinnen schon an Mobbing.

Das war natürlich nicht gerade förderlich, um ein gutes Arbeitsklima herzustellen. Seufzend schaute Alina in den Spiegel, der an der gegenüberliegenden Wand hing.

Eine hübsche junge Frau von fünfundzwanzig Jahren mit wachen, tiefdunkelblauen Augen blickte ihr entgegen. Umrahmt von langem blondem Haar, hatte ihr attraktives Gesicht, zusammen mit der ebenmäßigen Nase und den sanft geschwungenen Lippen, etwas ungemein Anziehendes.

Im Grunde hätte Alina mit ihrem Aussehen also zufrieden sein können. Aber als Kind hatte sie längere Zeit einige Pfunde zu viel mit sich herumgetragen und war deshalb in der Schule als Pummelchen gehänselt worden. Das hatte Spuren hinterlassen.

Die wenigen Pölsterchen, die sich aus dieser Zeit in ihr Erwachsenenleben hinübergerettet hatten, hatten Alina deshalb vor wenigen Wochen zu einer verhängnisvollen Entscheidung verleitet.

Ihr Blick wanderte vom Spiegel weg zum Fenster. Draußen kämpfte sich eine blasse Frühlingssonne durch den Morgendunst. Bisher war der gesamte März grau gewesen, und es hatte fast unablässig geregnet. Nun, Anfang April, kamen endlich ein paar Sonnenstrahlen durch die bleigraue Wolkendecke.

Damit würde es nun hoffentlich auch etwas wärmer werden. Nachdem der letzte Sommer extrem heiß und trocken gewesen war, hatte der diesjährige Frühling ungewöhnlich lange auf sich warten lassen und sich bisher nur von seiner ungemütlichen Seite gezeigt. Die Isar führte Hochwasser, und die Leute gingen morgens immer noch mit dicken Jacken aus dem Haus.

Und ausgerechnet in der schmuddeligen Übergangszeit vom Winter zum Frühjahr hatte Alina ihren gesamten Jahresurlaub genommen. Wer, so musste man sich tatsächlich fragen, machte denn Anfang des Jahres sechs Wochen lang Urlaub in Prag – einer Stadt, die auf der gleichen Höhe lag wie Frankfurt, also noch nördlicher als München?

Das taten, zum Beispiel, diejenigen, die sich eine Schönheitsoperation im Inland nicht leisten konnten, für die aber ein Klinikaufenthalt im Ausland während der Hochsaison zu teuer war. Außerdem war Alina gar nicht die vollen sechs Wochen in Prag geblieben, sondern hatte lediglich vierzehn Tage in der Klinik verbracht.

Urlaub und OP gleichzeitig, und das Ganze zu erschwinglichen Preisen – das war mittlerweile ein ausgeklügeltes Geschäftsmodell vieler ausländischer Schönheitskliniken. Große hauseigene Parkanlagen, die im Februar in Prag allerdings unter einer Schneedecke gelegen hatten, und von den Kliniken angebotene Tagesausflüge, die den reicheren Kunden dann doch das Geld aus der Tasche zogen, gehörten inzwischen zum Standardprogramm solcher Pauschalangebote.

Alina hatte extra die vollen sechs Wochen Urlaub genommen, um sich nach der Fettabsaugung zu Hause noch richtig auskurieren zu können. Auf keinen Fall hatte sie irgendetwas falsch machen wollen.

Aber nachdem die Blutergüsse auf ihren Oberschenkeln langsam verblasst waren, hatten sich dort trotzdem hässliche Beulen und Dellen gezeigt. Und die waren, entgegen den Aussagen der behandelnden Ärzte in Prag, auch nicht wieder zurückgegangen.

Auch jetzt, wo sie die unbequemen Bandagen weiterhin Tag und Nacht trug, stellte sich keine Besserung ein. Im Gegenteil, ihre Oberschenkel sahen schlimmer aus als vor der Operation.

Ja, es schien plötzlich, als hätten all diejenigen recht gehabt, die Alina früher immer versichert hatten, dass ihr Gewicht völlig im Normalbereich liege, dass ihre Oberschenkel einen ganz normalen Umfang hätten und dass sie lediglich nicht so dürr aussähe wie manches Supermodel – oder wie Constanze von Reuten, die pro Tag wahrscheinlich nur ein einziges Salatblatt aß, dazu Unmengen von Wasser trank und immer wie eine halbverhungerte Gazelle durch das Büro stakste.

Kein Wunder jedenfalls, dass Alina angesichts all dieser Umstände inzwischen eine handfeste Depression entwickelt hatte. Nach der Arbeit fuhr sie jeden Tag sofort nach Hause und vergrub sich in ihrem Bett.

So, wie sie jetzt aussah, konnte sie doch auf kein normales Liebesleben mehr hoffen, oder? Welcher Mann würde sie denn noch als attraktive Liebhaberin und spätere Mutter seiner Kinder akzeptieren? Sicherlich keiner, der seine fünf Sinne noch beisammen hatte.

Trotzdem musste sie sich irgendwie zusammenreißen, denn sonst würde zumindest Olivia über kurz oder lang hartnäckiger nachfragen. Aber der Freundin die ganze Geschichte zu beichten, das war für Alina völlig undenkbar. Dafür schämte sie sich viel zu sehr.

Sie musste ja sogar schon hier in der Kanzlei bei jedem zufälligen Blick in den großen Garderobenspiegel im Flur an sich halten, um nicht vor ihren attraktiven Kolleginnen in Tränen auszubrechen – und das, obwohl sie hier Hosen und Leggings trug. Wenn sie zu Hause beim Duschen an sich herunterschaute, bekam sie fast jedes Mal einen Heulkrampf.

Vielleicht war es ja am besten, sich irgendwelche Tabletten zu besorgen, die einen gefühlsmäßig völlig kaltstellten? Am besten ging sie heute Nachmittag endlich mal zu ihrem Hausarzt und fragte nach stärkeren Beruhigungsmitteln. Auf jeden Fall musste sie sich bis Samstag so weit stabilisiert haben, dass ihr die feinfühlige Olivia nichts anmerkte.

***

In der Praxis von Dr. Stefan Frank war auch am späten Nachmittag noch viel Betrieb.

Als Alina sich am Morgen entschieden hatte, ihren Hausarzt gleich nach der Arbeit aufzusuchen, war sie davon ausgegangen, dass die meisten Leute, die sich an einem Werktag krank fühlten, vormittags zum Arzt gingen. Dementsprechend hatte sie mit einem leeren Wartezimmer gerechnet und war nun überrascht, wie emsig es in der Praxis von Dr. Frank noch zuging. Es summte wie im Bienenstock.

Entweder hatte es der Arzt nicht geschafft, die lange Liste seiner Terminpatienten abzuarbeiten, oder es waren einfach zu viele unangemeldete Patienten gekommen. So wie sie selbst.

Auch jetzt, wo Alina vor der Rezeption in der Schlange wartete, ging die Praxistür im Minutentakt auf und zu. Immer neue Patienten betraten das Doktorhaus.

Die Jüngere der beiden Arzthelferinnen, Marie-Luise Flanitzer, kam mit den Anmeldungen überhaupt nicht mehr hinterher. Deshalb wurde sie von ihrer älteren und erfahrenen Kollegin Martha Giesecke unterstützt, welche dem Doktor normalerweise im Sprechzimmer zur Hand ging oder sich im Labor um die Blutabnahmen kümmerte.

Im Moment allerdings gelang es beiden Arzthelferinnen nicht einmal mehr, ihrem Chef die jeweils nächste Akte ins Behandlungszimmer zu bringen. Er musste sie sich selbst holen.

„Det ist heute aber auch wieder heftig, was?“, murmelte Marta Giesecke, als Dr. Frank erneut an den Tresen herantrat und seinen Helferinnen ein Rezept hinüberreichte, während er gleichzeitig einen raschen Blick ins Wartezimmer warf.

„Wo kommen die denn alle her?“, raunte Stefan Frank zurück. „Ich dachte, ich würde es heute mal bis sechs Uhr schaffen … Eigentlich wollte ich spätestens gegen sieben in der Waldner-Klinik sein, aber das kann ich wohl vergessen.“ Er sah seine Sprechstundenhilfe mit gerunzelter Stirn an. „Sie haben doch nicht etwa jeden Termin doppelt vergeben? Schwester Martha?“

„Ick?“, protestierte die resolute Martha Giesecke, wobei sie unwillkürlich in ihren Heimatdialekt verfiel. „Det würde ick nie tun! Ick schwör Ihnen hoch und heilig, det ick keine Aktie daran habe.“

„Aha. Und was ist das hier?“ Schmunzelnd deutete Dr. Frank mit seinem Kuli auf mehrere Stellen im Anmeldebuch, wo zwischen den Zeilen noch zusätzliche Namen notiert worden waren.