Dr. Stefan Frank 2517 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2517 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Ausflug mit einem Unbekannten
Arztroman um eine folgenschwere Wanderung

Endlich einmal ausspannen und die ständige Müdigkeit und Erschöpfung der letzten Wochen abschütteln, das ist Carolins Plan, als sie sich zu einer mehrtägigen Wanderung durch das malerische Kaisertal aufmacht. Auf ihrem Weg durch die Einsamkeit lernt sie den attraktiven Manuel kennen, der hier ebenfalls Erholung sucht. Schon bald setzen die beiden ihren Weg gemeinsam fort, wobei ein plötzlich auftretendes Unwetter sie dazu bringt, sich unfreiwillig näherzukommen.
Doch dann erreicht Carolin ein Notruf auf ihrem Handy. Bruno, ihr väterlicher Freund, ist schwer erkrankt und benötigt dringend ihre Hilfe. Die Achtundzwanzigjährige bricht die Reise sofort ab und kehrt heim nach München. Dass die unerwartete Bekanntschaft mit Manuel und die Hiobsbotschaft durch Bruno der Anfang einer großen Veränderung in Carolins Leben sind, wird der jungen Frau erst kurz darauf so richtig klar ...

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Seitenzahl: 128

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Inhalt

Cover

Impressum

Ausflug mit einem Unbekannten

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: monkeybusinessimages / iStockphoto

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-8455-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Ausflug mit einem Unbekannten

Arztroman um eine folgenschwere Wanderung

Endlich einmal ausspannen und die ständige Müdigkeit und Erschöpfung der letzten Wochen abschütteln, das ist Carolins Plan, als sie sich zu einer mehrtägigen Wanderung durch das malerische Kaisertal aufmacht. Auf ihrem Weg durch die Einsamkeit lernt sie den attraktiven Manuel kennen, der hier ebenfalls Erholung sucht. Schon bald setzen die beiden ihren Weg gemeinsam fort, wobei ein plötzlich auftretendes Unwetter sie dazu bringt, sich unfreiwillig näherzukommen.

Doch dann erreicht Carolin ein Notruf auf ihrem Handy. Bruno, ihr väterlicher Freund, ist schwer erkrankt und benötigt dringend ihre Hilfe. Die Achtundzwanzigjährige bricht die Reise sofort ab und kehrt heim nach München. Dass die unerwartete Bekanntschaft mit Manuel und die Hiobsbotschaft durch Bruno der Anfang einer großen Veränderung in Carolins Leben sind, wird der jungen Frau erst kurz darauf so richtig klar …

Bevor sie ihren Rucksack schulterte, warf Carolin einen Blick zum Himmel hinauf. Der Herbst war nicht mehr weit. Um diese Jahreszeit stand die Sonne schon deutlich tiefer. Das Licht hatte sich verändert, die Konturen waren klarer geworden. Ein paar Wolken segelten um den Kaisergipfel, aber laut Wettervorhersage sollte es heute nur zu vereinzelten Regenschauern kommen.

Wie schön die Welt doch sein konnte! Carolin seufzte entzückt, so überwältigt war sie von dem unvergleichlichen Anblick der majestätischen Berge. Von dort oben musste die Aussicht grandios sein.

Die junge Wanderin startete von Kufstein aus ihre Tour durch das malerische Kaisertal. Die vor ihr liegende Landschaft war einer der ursprünglichsten Teile des Tiroler Unterlandes. Wenn sie auf dem ausgewiesenen Wanderweg gut vorankam, würde sie drei Stunden unterwegs sein und dann in der Berghütte in Hinterbärenbad unterkommen, bevor sie morgen die zweite Etappe in Angriff nahm.

Leichtfüßig legte sie ein flottes Tempo vor, wobei sie erleichtert feststellte, dass sie nichts mehr von den Verletzungen der letzten Zeit spürte. Auch die dreihundert Meter Höhenunterschied würden ihr aller Voraussicht nach keine Probleme bereiten.

Carolin genoss das wohlige Gefühl der Unbeschwertheit. Doch als nach ein paar hundert Metern ihr Mobiltelefon läutete, flackerte ein rotes Lämpchen hinter ihrer Stirn auf.

Bruno. Klar, wer sonst? Obwohl er wusste, dass sie heute Morgen startete, brachte er es offensichtlich nicht fertig, ihr einfach mal ein paar freie Tage zu gönnen. Wahrscheinlich wollte er ein letztes Mal versuchen, ihr die Wanderung auszureden, die er als „albernen Selbstfindungstrip“ bezeichnete.

Mit einem kleinen, aber wohltuenden Triumphgefühl drückte sie den Anruf weg. Sie wollte jetzt keine Diskussion. Sie hatte sich entschieden, eine kurze Zeit ganz für sich allein zu sein – und dabei beließ sie es auch. Sie wollte jetzt nicht wieder darüber reden, wie es nach dem geplanten Ende ihrer Karriere als Tennisspielerin weitergehen und dass sie doch besser bei ihm bleiben sollte, um sich seine weisen Ratschläge für alle Lebenslagen anzuhören.

Immerhin war es ihr gelungen, sich diesmal durchzusetzen und die Erholungspause für sich einzufordern. Diese kurze Auszeit sollte ihr helfen, in aller Ruhe wichtige Bereiche ihres Lebens neu zu sortieren. Und endlich mit sich ins Reine zu kommen. Schließlich war Bruno nichts anderes übrig geblieben, als sie ziehen zu lassen.

Übermorgen würde sie schon wieder nach München zurückkehren, hoffentlich mit einem ganzen Bündel von neu gewonnenen Erkenntnissen.

Nach den ersten Kilometern machte sie eine kurze Rast von wenigen Minuten und spürte in ihrem Körper nach, ob es irgendwo wehtat. Doch zu ihrer Erleichterung fühlten sich Arme, Beine, Rücken und Hüften vollkommen schmerzfrei an. Das konnte doch nur bedeuten, dass ihr Bewegungsapparat die häufigen Verletzungen der letzten Jahre überwunden hatte.

Zerrungen, Bänderrisse und Prellungen waren auch ihr als erfolgreiche Tennisspielerin natürlich nicht erspart geblieben. Auf der Weltrangliste für eine Weile auf dem zehnten Platz zu stehen, hatte nun mal seinen Preis.

Aber das war vorbei. Zum Glück, sagte sie sich. Vielleicht hätte sie inzwischen schon ein paar Plätze weiter oben auf der Liste sein können, aber nach ihrem Zusammenbruch hatte sie kurz entschlossen ihre Karriere aufgegeben. Nein, sie verspürte nicht das geringste Bedauern. Alles auf Erden hatte seinen Anfang und auch sein Ende.

Nach den nächsten fünf Kilometern legte sie eine weitere Pause ein. Sie war gemächlich gewandert. Die permanente Bewegung tat ihr gut. Auf einer üppig bewachsenen Lichtung ließ sie sich nieder, trank Wasser und knabberte zwei Kekse, bevor sie sich auf den Rücken legte und durch das Laub zum Himmel hinaufschaute. Ein paar Wölkchen segelten gemütlich dahin. Sie schienen es nicht eilig zu haben.

Um sie herum waren nur die Geräusche des Waldes zu hören: Blätterrauschen, Insektensummen und Vogelstimmen, gelegentlich das Knacken von trockenen Zweigen. Ein perfekter Tag in einer idyllischen Umgebung. Sie schloss die Augen, hörte ihren ruhigen Herzschlag und war im nächsten Augenblick eingeschlafen.

Wie lange war sie weg gewesen? Carolin blinzelte, doch bevor sie auf ihre Uhr blicken konnte, ließ ein tiefes Räuspern sie hochfahren. Eine bedrohlich wirkende Gestalt stand groß und breitbeinig im Gegenlicht, nur wenige Meter von ihr entfernt.

Sie beschattete die Augen mit der Hand, konnte jedoch noch immer nichts erkennen. Ein unangenehmes Gefühl von Gefahr stieg in ihr hoch. Als sie auf die Beine sprang und nach ihrem Rucksack griff, strauchelte sie und wäre fast gefallen. Nur ein schnelles Zupacken des unbekannten Mannes verhinderte ihren Sturz.

***

Auch in Grünwald, im Süden von München, herrschte noch gutes Wetter. Dr. Stefan Frank schaute immer wieder auf seine Uhr. Er war mit seiner Liebsten zum Essen verabredet und hoffte, das Treffen nicht verschieben zu müssen.

Seit dem gemeinsamen Frühstück gestern Morgen hatten sie keine Zeit mehr gefunden, sich zu sehen. Gestern Abend hatte er in der Waldner-Klinik eine komplizierte Zwillingsgeburt betreuen müssen. Erst kurz vor Mitternacht war er nach Hause gekommen.

Jetzt saßen im Wartezimmer der Praxis noch zwei Patienten, aber bevor er sie behandelte, musste er noch unbedingt mit Alexandra sprechen. Solche kleinen Kontakte zwischendurch halfen ihm immer wieder, auch turbulente Situationen gelassen zu überstehen.

Alexandra schlug gleich vor, heute Abend gemeinsam zu kochen. Das machten sie immer gern.

„Fisch mit Reis und Kürbis. Was hältst du davon?“

„Klingt wunderbar“, sagte er und betrachtete sie sehnsüchtig auf dem Bildschirm seines Handys. Wie schön sie war! Wie sehr er sie liebte! „Ich vermisse dich.“

„In ein paar Stunden sehen wir uns wieder. Dann holen wir alle Versäumnisse nach“, versprach sie leise lachend.

„Alle?“

„Alle“, bekräftigte sie und schaute ihn auf dem Handy mit ihren warmen braunen Augen verschmitzt an. „Es werden keine Wünsche offen bleiben.“

„Was für tolle Aussichten. Ich freu mich wahnsinnig auf dich. Aber jetzt muss ich mich mit dem nächsten Patienten befassen. Ich küsse dich.“ Er spitzte seine Lippen. Sie warf ihm eine Kusshand zu, dann war der Kontakt beendet.

Der nächste Patient war ein Mann namens Bruno Schulz. Der Name löste eine schwache Erinnerung bei Stefan aus, aber er konnte kein Gesicht damit verbinden. Seinen Unterlagen nach war der Mann vor vier Jahren zum letzten Mal in seiner Praxis gewesen. Was hatte ihn bewogen, sich jetzt wieder im Grünwalder Doktorhaus einzufinden?

Stefan begrüßte den Patienten freundlich. Ja, er erkannte ihn wieder, erschrak aber über sein Aussehen. Noch bevor der Mann auch nur ein Wort geäußert hatte, sah das erfahrene Auge des Arztes, dass sein Patient sehr krank war. Die gelbliche, fahle und ledrig wirkende Haut, das eingefallene Gesicht, die Lippen wie von Lack überzogen und kleine sternförmige Erweiterungen der Blutgefäße auf Wangen und Stirn. In diesem Gesicht gab es nichts Lebendiges. Außerdem umgab den Mann eine Dunstwolke von Alkohol und Zigaretten.

Er setzte sich etwas schwerfällig.

„Grüß Gott, Dr. Frank“, sagte er. „Lange nicht gesehen. Ich dachte, es ist mal wieder an der Zeit, bei Ihnen vorbeizuschauen.“

„Dann berichten Sie mal, wie es Ihnen ergangen ist.“

„Na ja, eigentlich ganz gut. Hatte immer viel zu tun. Vielleicht erinnern Sie sich, ich bin der Manager von Carolin Wolf.“ In der entstandenen Pause lächelte Stefan erwartungsvoll. „Sie ist das deutsche Tennis-Ass“, fuhr der Patient fort. „Sicher haben Sie schon von ihr gehört.“

Tatsächlich erinnerte sich Dr. Frank, dass der vor ihm sitzende Mann schon damals sehr enthusiastisch vom sportlichen Talent der jungen Frau erzählt hatte.

„Noch ist sie nicht ganz oben auf der Weltrangliste, aber dahin werde ich sie noch pushen. Sie hat eine hervorragende Trainerin. Und ich sorge für ihre Karriere. So was bedeutet immer viel Stress. Ich bin ziemlich überarbeitet. Deswegen bin ich hier.“

Jetzt musste er anhaltend husten. Die Luft schien ihm knapper zu werden. Er begann zu keuchen. Dr. Frank war alarmiert.

„Hatten Sie eine Infektion?“

Bruno winkte ab. „Hab nur manchmal so einen trockenen Hals.“

„Spucken Sie Blut?“

„Nein, auf keinen Fall“, erwiderte der Patient.

„Hören sie, Sie müssen mir all Ihre Beschwerden so genau wie möglich schildern. Es geht um Ihre Gesundheit.“ Stefan Frank sprach jetzt eindringlicher als zuvor.

Brunos Atmung beruhigte sich wieder.

„Okay, es geht mir zurzeit nicht besonders gut. Deswegen bin ich ja hier.“

Stefan schaute auf die Anamnese von damals. Da sie nicht viel hergab, entschloss er sich, standardmäßig nach Lebensgewohnheiten wie Schlaf, Appetit, Verdauung und Allergien zu fragen.

„Eigentlich alles normal“, erwiderte der Mann, ohne lange über die Frage nachzudenken.

„Haben Sie in letzter Zeit sehr abgenommen?“

„Nicht der Rede wert, ich hatte ohnehin zu viel Kilos drauf. Bin froh, dass die weg sind.“ Er zögerte kurz, bevor er fortfuhr. „Zugegeben, in letzter Zeit hab ich oft ein Glas zu viel getrunken und auch nicht genügend Schlaf bekommen.“

„Wie viel rauchen Sie?“

„Eine Schachtel kommt wohl zusammen“, erwiderte Bruno, ohne den Arzt anzuschauen.

„Nun, das ist nicht wenig. Und Alkohol?“

Bruno machte eine wegwerfende Handbewegung.

„Es hält sich in Grenzen“, behauptete er eine Spur zu beiläufig. „Bleibt einem ja auch gar nichts anderes übrig, wenn man viel rumkommt und mit anderen Kollegen und Sportgrößen zu tun hat.“

„Gut, dann machen wir ein EKG und nehmen Ihnen Blut ab. Danach schaue ich mir per Ultraschall Ihren Bauchraum an.“ Dr. Frank deutete auf die Liege. „Ziehen Sie bitte Hemd und Hose aus.“

Bruno fügte sich nur widerwillig.

„Was haben Sie vor, Doktor? Ich denke, mit ein paar Kräftigungspillen wäre mir schon geholfen.“

„Bevor ich Ihnen ein Medikament verordne, muss ich erst mal herausfinden, was Ihnen helfen könnte. Also, bitte. Ich werde Ihren Bauchraum abtasten, und Sie sagen mir, wo es wehtut.“

Als dann noch Schwester Martha hereinkam, um Dr. Frank zu assistieren, war der Patient fast drauf und dran, die Flucht zu ergreifen. Aber Martha Giesecke, Dr. Franks resolute Arzthelferin, kannte ihre Pappenheimer. Mit festem Griff drückte sie den Oberkörper des Patienten auf die Unterlage. Ein Entkommen war ihm so unmöglich.

Dr. Frank ließ sich viel Zeit mit der Palpation. Der Bauch war deutlich vorgewölbt, die Haut wies Wassereinlagerungen auf.

„Wie viel Alkohol trinken Sie?“, fragte er neuerlich, diesmal jedoch in einem ernsteren Ton, der keine Ausreden zuließ.

„Mäßig, aber regelmäßig“, erwiderte Bruno ungerührt.

„Ich bin Ihr Arzt. Also sagen Sie mir bitte die Wahrheit.“

Der Patient nahm einen tiefen Atemzug.

„Na ja, es ist schon eine ganze Menge zusammengekommen in der letzten Zeit. Aber wenn es nötig sein sollte, kann ich sofort damit aufhören.“

Stefan machte noch eine Sonografie und fertigte ein paar Aufnahmen an. Zwanzig Minuten später teilte der Arzt seinem Patienten ein vorläufiges Ergebnis mit.

„Es müssen unbedingt weitere Untersuchungen stattfinden. Daran führt kein Weg vorbei. Ich gebe Ihnen eine Überweisung für die Waldner-Klinik mit. Dort wird man die nötigen Verfahren einleiten. Ein bis zwei Tage sollten Sie für die Untersuchungen einplanen.“

„Im Augenblick habe ich keine Zeit, um …“

„Diese Zeit müssen Sie sich nehmen. Es ist wichtig.“

„Na gut.“ Der Patient wirkte genervt. „Vielleicht kann ich es nächste Woche einrichten.“

„Nicht nächste Woche, sondern jetzt. Sofort. Am besten fahren Sie gleich hin.“

„Aber so schnell werde ich doch keinen Termin bekommen.“

„Fahren sie nach Hause, und packen Sie ein paar Sachen ein. In der Zwischenzeit telefoniere ich mit der Klinik und melde Sie an.“

Bruno starrte den Arzt verunsichert an. Warum machte der Doktor plötzlich so viel Druck? Natürlich wusste er, dass er in Sachen Gesundheit einiges sträflich vernachlässigt hatte, aber so schlecht konnte es doch wirklich nicht um ihn stehen, dass er gleich in eine Klinik eingewiesen werden musste!

„Gut, wie Sie meinen“, gab er sich schließlich geschlagen.

„Diese Lebererkrankung darf nicht auf die lange Bank geschoben werden.

„Ist es etwa eine Leberzirrhose?“

„Das wird man in der Klinik feststellen“, wich Stefan Frank aus. „Erst nach der ausführlichen Befunderhebung wissen wir genau, was los ist.“

Martha half dem Mann, sich aufzurichten. Etwas unwirsch entzog er sich ihren Händen.

„Ich kann mich alleine anziehen“, sagte er grollend. Dann wandte er sich erneut an Dr. Frank. „Eine Leberzirrhose ist gefährlich, oder? Wie kann sie behandelt werden?“

„Wie gesagt, erst die Diagnose, dann eine Therapie.“

Bruno verabschiedete sich hastig und verließ die Praxis im Eiltempo. Womöglich glaubte er, damit auch seine gesundheitlichen Probleme hinter sich zu lassen.

„Da kann er noch so schnell rennen“, kommentierte Martha den Abgang des Patienten. Sie war eine Berlinerin, die schon seit vielen Jahren in München lebte und sich hier längst heimisch fühlte. „Der Mann stinkt wie eine Kneipe. Er ist Alkoholiker. Wenn der so weitermacht, kommt er viel früher dort an, wo er gar nicht hin will, als er sich jetzt noch einredet.“

Stefan Frank nickte ihr zu.

„Ich fürchte, Sie haben recht“, seufzte er.

***

„Das ist ja noch mal gut gegangen“, hörte Carolin den Mann sagen. Als er sicher war, dass sie wieder fest auf ihren Beinen stand, ließ er sie los und trat einen Schritt zurück.

Erst jetzt konnte Carolin den Unbekannten eingehender betrachten. War sie einem Serienmörder in die Hände gefallen? Doch ihr Misstrauen schwand, als sie den besorgten Blick eines kastanienbraunen Augenpaares auffing.

„Entschuldigen Sie“, sagte er und lächelte schuldbewusst. „Ich wollte Ihnen keine Angst machen, aber ich fürchte, genau das habe ich getan. Ich sah Sie da so reglos liegen und wusste nicht, ob Sie vielleicht Hilfe brauchten.“

„Ich hatte eine kurze Pause gemacht. Dabei muss ich eingeschlafen sein.“

Je länger sie so beieinanderstanden, umso mehr ließ die Anspannung nach. Offensichtlich musste sie sich vor diesem Mann nicht fürchten. Jetzt war es ihr sogar ein bisschen peinlich, sich so schreckhaft verhalten zu haben. Er würde sie für zickig halten. Dieser Mann war nur ein harmloser Wanderer, der in der Natur Erholung suchte. Genau wie sie.

Woher willst du das so genau wissen?, meldete sich eine warnende Stimme in ihr. Du kennst ihn nicht. Und man sieht einem Menschen das Böse nicht an.

Aber sagte man nicht auch, dass schon in den ersten Sekunden, wenn zwei Menschen sich zum ersten Mal begegneten, ganz viele Eindrücke gesammelt und unbewusst verarbeitet wurden? Da fiel die Entscheidung, ob man sich sympathisch fand oder abgestoßen fühlte, ob man interessiert war oder eher gleichgültig.

„Ich bin Manuel.“ Sein liebenswürdiges Lächeln gefiel ihr.

„Hallo, Manuel, ich bin Carolin.“ Sie lächelte zurück. „Dann will ich mich mal wieder auf die Socken machen.“

„Vielleicht gehen wir ein Stück zusammen? Könnte doch sein, dass Sie noch mal eine Ruhepause einlegen wollen. Dann werde ich auf Sie aufpassen und die wilden Bestien in die Flucht jagen.“ Er hielt inne und wartete ihre Reaktion ab. „Natürlich nur, wenn sie wollen.“

Carolin musste lachen.