Dr. Stefan Frank 2526 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2526 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Wo ist mein Kind?

Die lange Suche eines unglücklichen Vaters

Vor fünf Jahren ist dem Hamburger Unternehmensberater Konstantin etwas Furchtbares widerfahren: Von einem Tag auf den anderen ist seine Freundin Jessica damals mit der gemeinsamen Tochter Norina verschwunden. Das kleine Mädchen war damals erst eineinhalb Jahre alt und Konstantins ganzer Stolz.
Seit jenem Tag hat Konstantin nie die Hoffnung aufgegeben, seine Tochter eines Tages wieder in die Arme schließen zu dürfen. Doch selbst mit der Hilfe von Privatdetektiven ist er bislang nicht weitergekommen.
Aber dann führt ihn ein Auftrag nach Grünwald, einem idyllischen Vorort von München. Und hier, ausgerechnet in der Pension, in der er sein Quartier bezieht, scheint es Konstantin plötzlich, als wäre er seinem verschollenen Kind auf einmal ganz nahe ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Wo ist mein Kind?

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Nadia Virronen / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-8956-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Wo ist mein Kind?

Die lange Suche eines unglücklichen Vaters

Vor fünf Jahren ist dem Hamburger Unternehmensberater Konstantin etwas Furchtbares widerfahren: Von einem Tag auf den anderen ist seine Freundin Jessica damals mit der gemeinsamen Tochter Norina verschwunden. Das kleine Mädchen war damals erst eineinhalb Jahre alt und Konstantins ganzer Stolz.

Seit jenem Tag hat Konstantin nie die Hoffnung aufgegeben, seine Tochter eines Tages wieder in die Arme schließen zu dürfen. Doch selbst mit der Hilfe von Privatdetektiven ist er bislang nicht weitergekommen.

Aber dann führt ihn ein Auftrag nach Grünwald, einem idyllischen Vorort von München. Und hier, ausgerechnet in der Pension, in der er sein Quartier bezieht, scheint es Konstantin plötzlich, als wäre er seinem verschollenen Kind auf einmal ganz nahe …

„Worüber beschwerst du dich?“

Alexandras Augen blitzten, als ihr Freund Dr. Stefan Frank ins Schlafzimmer zurückkehrte. Kaffeeduft und der Anblick goldgelber Croissants kündeten von kommenden Frühstückswonnen.

„Im Gegensatz zu euren Steinzeitkollegen habt ihr modernen Männer es richtig gut. Ihr müsst weder durch meterhohen Schnee waten noch mit der Steinschleuder ein Wollnashorn erlegen, damit wir zum Frühstück Nashornspieße über dem offenen Feuer braten können.“

Sie hatte sich aufgesetzt und das Kissen im Rücken zurechtgeklopft. Aus ihren Augen blitzte der Schalk.

„Erwarte also bitte kein Mitleid von mir, nur, weil du zum Bäcker gegangen und ein paar Croissants besorgt hast.“

Es war Dienstag kurz nach sechs Uhr morgens. Als wollte er sich über all die Menschen lustig machen, die noch ein paar schöne Herbsttage erwartet hatten, überraschte der Winter sie über Nacht mit Minusgraden und Schneegestöber. Das verriet der Blick durch das Sprossenfenster der alten Villa, in der der Allgemeinarzt und Geburtshelfer Dr. Stefan Frank wohnte und arbeitete.

„Erbarmen! Ich fühle mich wie ein zum Leben erwachter Schneemann, und vor lauter Kälte sind meine Finger an der Klinke der Bäckerei kleben geblieben“, erwiderte Stefan, um seine Opferbereitschaft noch einmal zu unterstreichen. Vorsichtig stellte er das Tablett auf das Bett und schlüpfte zu Alexandra unter die Decke.

„Iiiiihhhh!“, kreischte sie. Aber nicht etwa, weil er seine kalten Schenkel an die ihren drückte. „Hast du sie wieder runtergekratzt? Deine Patienten gruseln sich bestimmt, wenn dir ein paar Finger fehlen.“

Stefan musste so sehr lachen, dass die Matratze wackelte und der Kaffee doch überschwappte.

„Und ich dachte, ich hätte mich in eine liebevolle, empathische, zärtliche Frau verliebt.“ Er schloss Alexandra in die Arme und sah ihr tief in die Augen. Noch immer konnte er es nicht glauben, dass das Schicksal ihm nach einem schweren Schlag ein solches Glück geschickt hatte.

Es war, als hätte Alexandra nach vielen Jahren der Dunkelheit ein Licht in seinem Leben angeknipst – strahlend und warm wie die Sonne –, das ihn jedes Mal aufs Neue blendete. Da konnte es draußen schneien, so viel es wollte. Sein Mund näherte sich dem ihren, als er ihre Hand auf seiner Brust spürte.

„Da hast du dich offenbar getäuscht.“ Es fiel ihr schwer, ernst zu bleiben. Und erst recht, diesen Lippen zu widerstehen, die so fantastisch küssen konnten. „Wenn ich Hunger habe, verstehe ich keinen Spaß.“ Ihr Magen bestätigte diese Worte postwendend mit einem gefährlichen Knurren. „Aber hast du nicht etwas vergessen?“

„Habe ich? Was denn?“

„Frau Quandts selbstgekochte Erdbeermarmelade. Ohne die schmecken die Croissants nur halb so gut. Es ist mir ein Rätsel, wie sie es schafft, zwei Haushalte zu führen und dabei noch Zeit zu finden, die beste Marmelade der Welt zu kochen. Wenn du sie irgendwann nicht mehr brauchst, darf sie gerne zu mir kommen.“

Lächelnd gab sich Stefan geschlagen.

„Ich werde es ihr ausrichten. Dafür habe ich aber auch was gut.“

Alexandra dachte nicht lange nach. Der Anblick des Mannes, der – nur mit Boxershorts bekleidet – durch das Schlafzimmer ging, war nicht nur eine Sünde wert.

„Als Belohnung darfst du mich heute Abend an den Haaren in deine Steinzeithöhle schleifen und mit mir machen, was du willst.“ Sie kuschelte sich in die Kissen und lauschte auf das Rumoren in der Küche.

Mit dem Glas Marmelade in der Hand kehrte Stefan ins Schlafzimmer zurück. Das Bedauern stand ihm ins Gesicht geschrieben.

„Daraus wird leider nichts. Ich muss heute Abend zu Peter Soltau. Du weißt schon, der Eishockeytrainer, der nach einem Unfall im Rollstuhl sitzt.“ Stefan hatte es sich wieder auf seiner Bettseite bequem gemacht.

Sein sinnender Blick glitt aus dem Fenster und blieb an dem Baum hängen, der seine kahlen Äste wie Finger in den grauen Winterhimmel streckte.

„Seit seinem Unfall geht es ständig bergab mit ihm. Anfangs hat er wenigstens noch versucht, sich mit seinem Schicksal zu arrangieren. Aber seit ein paar Fehlschlägen zieht er sich mehr und mehr zurück und sucht Trost bei Alkohol und Zigaretten.“

„Was für Fehlschläge?“, fragte Alexandra und biss in ihr Croissant. Brösel regneten auf den Teller.

„Wahrscheinlich das, was jedem Rollstuhlfahrer mal passiert. Ein Sturz über die Bordsteinkante. Der Busfahrer, der ihn nicht mitnehmen wollte. Die Aufzüge am Bahnhof, die nicht funktionieren.“ Und das war nur ein Bruchteil der Beschwerden, die Peter Soltau bei seinem Hausarzt abgeladen hatte. Nichts Ungewöhnliches für Stefan. Trotzdem war er froh, dass Alexandra wusste, wovon er sprach.

Da sie selbst Ärztin war – sie praktizierte als Fachärztin für Augenheilkunde in einer Gemeinschaftspraxis –, hatte sie viel Verständnis für ihren Freund. Wenn die Nase lief, der Kopf hämmerte und Gelenkschmerzen den Körper quälten, war er der Mann der Stunde. Doch das war bei Weitem noch nicht alles.

Anders als ein Facharzt, war Stefan als Allgemeinmediziner nicht nur für den Körper, sondern auch für die Seele seiner Patienten verantwortlich. Nicht selten fungierte er als Ratgeber und Psychologe. Wie bei Peter Soltau.

„Wenn ich nicht will, dass er in eine handfeste Depression stürzt, die unweigerlich weitere körperliche Beeinträchtigungen zur Folge hat, muss ich etwas unternehmen.“

„Und woran hast du gedacht?“ Alexandra schob das letzte Stück Croissant in den Mund und spülte es mit einem Schluck Kaffee hinunter.

„Wenn ich das wüsste, wäre ich klüger.“ Stefan beugte sich vor und küsste ihr einen Klecks Marmelade aus dem Mundwinkel. „Aber vielleicht kannst du ja mal einen Blick in deine Glaskugel werfen, meine Zauberin“, raunte er und raubte ihr einen Kuss, bevor der Alltag sie wieder vollends einholte.

***

„Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich zu Hause geblieben“, schimpfte Konstantin Borchart mit einem Blick auf seine teuren Lederschuhe, als er sich durch den Schnee Richtung Taxistand kämpfte. „Oder ich hätte Moonboots angezogen.“

Die weiße Flut war so überraschend über die Stadt hereingebrochen, dass die Räumfahrzeuge nicht nachkamen. Um ein Haar wären sogar die Flüge nach München gestrichen worden. Das wäre wahrscheinlich die besser Alternative gewesen, als sich Schneeränder und nasse Füße zu holen.

Ein Fahrer erbarmte sich des Hamburger Unternehmensberaters. Die elegante Kleidung und die Markenkoffer ließen ihn auf ein gutes Geschäft hoffen.

„Geben Sie mir Ihr Gepäck. Ich kümmere mich darum.“

Konstantin wehrte sich nicht.

„Was für ein Wetter!“ Das Gurtschloss klickte, und er lehnte sich im Sitz zurück. „Eigentlich wollte ich an der Isar joggen gehen.“

„Daraus wird wohl eher eine Schneeschuhwanderung.“ Dem Fahrer war anzusehen, was er von den Wetterkapriolen hielt. „Die Kinder haben jedenfalls ihren Spaß. Wohin darf ich Sie bringen?“

„Pension Soltau, Grünwald.“ Konstantin Borchart nannte Straßennamen und Hausnummer.

Der Fahrer wusste Bescheid, startete den Motor und reihte sich ein in die Schlange, die sich vor der Schranke der Flughafenausfahrt gebildet hatte. Endlich erreichten sie die Autobahn. Die Beschleunigung drückte Konstantin in den Sitz. Er lächelte. Ein schönes Gefühl. Fast so gut wie Fliegen.

Der Chauffeur nahm das Lächeln als Einladung zum Gespräch.

„Sind Sie geschäftlich hier?“

„Ich komme aus der Nähe von Hamburg und soll hier eine Firma für Kindergartenbedarf sanieren“, gab Konstantin bereitwillig Auskunft.

„Das geht bestimmt nicht von heute auf morgen.“ Ein Blick in den Rückspiegel. Trotz des Schneetreibens hatte es der Fahrer eilig. Er setzte den Blinker und überholte eine Reihe von Autos. „Jedes Jahr dasselbe. Die fahren, als hätten sie noch nie Schnee gesehen“, erklärte er, als er Konstantins Miene bemerkte. „Keine Angst. Ich bringe Sie schon sicher an Ihr Ziel. Sie sollen ja von unserer schönen Stadt mehr als nur ein Krankenhauszimmer sehen. Wie lange wollen Sie denn bleiben?“

Als sie die Autobahn verließen, atmete Konstantin auf.

„Ein, zwei Monate werden es schon werden. Deshalb ja auch die Pension und kein Hotel.“

Die Bebauung wurde dichter, bis sich die Häuser schließlich an die Straßen drängten. Konstantin blickte durch die Seitenscheibe hinaus auf die Gehwege. Inzwischen hatte es aufgehört zu schneien. Gemütlich war es draußen trotzdem nicht. Menschen mit eingezogenen Köpfen hasteten an Geschäften und Cafés vorbei.

Hier war er noch nicht richtig. Aus dem Internet wusste er, dass Grünwald eine der exklusivsten Adressen Deutschlands war. Faszinierende Natur, ländliche Idylle, ein Hauch von Luxus und Eleganz. Das waren die Merkmale, die diesen Ort vor den Toren der Weltstadt München angeblich so begehrenswert machten.

Ein paar Kilometer weiter erkannte Konstantin Borchart, dass das Internet nicht gelogen hatte.

„Da wären wir.“ Das Taxi parkte vor einem schmiedeeisernen Zaun.

Konstantin stieg aus. Während der Fahrer das Gepäck auslud, musterte er das Haus, das wie ein scheues Tier hinter Bäumen und Sträuchern hervorlugte. Auf den ersten Blick verliebte er sich in die Jugendstilvilla mit Mansardwalmdach und einem Wintergarten, der ihn aus vielen Sprossenfenstern ansah.

Wie es sich gehörte, zierten dunkelgrüne Läden die Glastüren im oberen Stockwerk, die auf einen Balkon über dem Wintergarten führten. Ganz oben auf dem Mansarddach thronten stolz zwei Gauben. Hier würde er sich wohlfühlen, das wusste er sofort.

Das Trinkgeld klimperte in die Hand des Fahrers.

Auf dem Weg durch den Garten Richtung Villa knirschte der Schnee unter Konstantins Füßen. Er suchte und fand die Eingangstür – dunkelgrün wie die Fensterläden – und betrat eine andere Welt. Hier schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Weiße, halbhohe Vertäfelungen an den Wänden, darüber üppig gerahmte Bilder.

Über holzfarbene Stufen führte ein gedrechselter Handlauf hinauf in die oberen Räume. Bevor Konstantin sich fragen konnte, wie es dort oben aussah, trat eine Frau durch die weiß lackierte Flügeltür.

„Herzlich willkommen in unserer Pension, Herr Borchart.“ Ihr Händedruck war fest, der Blick aus dunklen Augen warm. „Mein Name ist Simone Soltau. Ich freue mich, dass Sie sich für unser Haus entschieden haben. Hoffentlich fühlen Sie sich wohl bei uns.“

„Das, was ich bis jetzt zu sehen bekommen habe, ist zumindest äußerst vielversprechend“, erwiderte Konstantin, ohne seine Gastgeberin aus den Augen zu lassen. Sie war auf eine unaufdringliche Art attraktiv, wenngleich die Schatten um die Augen nicht zu übersehen waren.

Simone Soltau spürte die Hitze auf ihren Wangen. Als hätte sie noch nie einen Mann zu Gesicht bekommen! Dabei war sie eine gestandene Frau von dreißig Jahren. Sie führte die Pension schon, seit ihre Mutter vor zehn Jahren nach Mallorca ausgewandert war.

Sie entdeckte das umfangreiche Gepäck ihres Gastes.

„Ihr Zimmer ist im oberen Stockwerk. Leider kann mein Mann Ihnen nicht mit den Koffern helfen. Er sitzt seit einem Unfall im Rollstuhl.“

„Oh, das tut mir leid.“

„Das ist sehr nett von Ihnen. Aber wie sagt man so schön: Das Leben ist kein Ponyhof. Es hätte schlimmer kommen können.“ Sie wollte sich nach der Reisetasche bücken, doch Konstantin kam ihr zuvor. Im nächsten Augenblick ging er mit einem Aufschrei in die Knie.

Simone fuhr herum.

„Carina, du kleines Monster! Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du aufpassen sollst, wenn du durch die Tür rennst?“ Sie packte den blonden Wirbelwind am Schlafittchen und hielt ihn fest. „Was machst du überhaupt draußen? Hast du nicht gesagt, du hättest Halsweh?“

„Ich wollte nur mal schnell in den Schnee, bevor er wieder wegschmilzt.“

Kopfschüttelnd wandte sich Simone wieder ihrem Gast zu.

„Bitte entschuldigen Sie. Ist Ihnen etwas passiert?“

„Nein, nein, alles in Ordnung. Ich habe mich nur furchtbar erschreckt.“ Konstantin fuhr sich durch das Haar und musterte die kleine Übeltäterin. Ein Mädchen von etwa sechs Jahren, das mit gesenktem Lockenkopf neben Simone stand. „Ein Monster hatte ich mir anders vorgestellt.“ Er lächelte.

Carina hob die Augen, blau und tiefgründig wie ein Bergsee.

„Tut mir leid. Ich wollte Ihnen nicht wehtun.“ Sie sagte diesen Spruch nicht zum ersten Mal.

Doch Konstantin hörte sie kaum. Wie paralysiert starrte er das Mädchen an. Diese Augen!

„Norina?“, hörte er sich flüstern.

Die blonden Locken flogen hin und her.

„Ich heiße Carina.“ Carina sah zu Simone hoch.

Die verstand die stumme Aufforderung.

„Darf ich vorstellen: Meine Nichte Carina. Sie lebt seit dem Tod meiner Schwester bei uns.“ Ihre Hand verirrte sich auf die Schulter des Mädchens. Doch Carinas Lächeln blieb unverändert strahlend. Die Vergangenheit schien sie nicht weiter zu belasten.

„Hallo“, begrüßte sie den Gast und hustete demonstrativ. „Ich gehe wieder ins Bett.“ Noch ein Lächeln, dann schlüpfte sie an Simone vorbei durch die Flügeltür.

Konstantin starrte dem Mädchen nach. Dieser Blick!

Simone bemerkte seine Reaktion.

„Keine Ahnung, woher sie dieses Temperament hat. Von unserer Familie jedenfalls nicht.“ Sie schüttelte den braunen Pagenkopf. „Ich habe Carina schon tausend Mal gesagt, dass die Pension kein Kinderspielplatz ist. Vergeblich.“

„Kein Problem. Wirklich nicht“, versicherte Konstantin ihr. Mit einem Mal hatte er es eilig. „Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen. Ich würde mich gerne ein wenig ausruhen und mich auf meinen Kunden vorbereiten.“

Simones Wangen brannten wie Feuer. Das war alles andere als ein guter Start gewesen! Und das ausgerechnet bei diesem Gast, der so lange bleiben wollte und dessen Geld sie so dringend brauchten. Hoffentlich entschied er sich nicht um und wechselte in eine andere, ruhigere Unterkunft.

„Natürlich“, stammelte sie und sah ihm nach, wie er – in jeder Hand einen Koffer – die Treppe hinaufstieg. Sie ahnte nicht, dass Konstantin Borcharts grimmige Miene seinen Gedanken geschuldet war.

Carina? Nein, ausgeschlossen! Das war Norina, seine Tochter, nach der er seit Jahren auf der ganzen Welt suchte. Nicht nur ihre Augen hatten sie verraten. Es war sein Herz gewesen, das es sofort gewusst hatte.

„Was hat denn der Mann plötzlich?“

Simone fuhr herum. Hinter der Tür lugte eine Nasenspitze hervor.

„Wolltest du nicht ins Bett gehen?“ Sie nahm ihre Nichte an der Hand und wanderte mit ihr den Flur hinab. Das Parkett im Fischgrätmuster knarrte unter ihren Schritten.

„Ich wollte nur wissen, ob er mir böse ist?“

„Schon möglich. Immerhin hast du ihm die Tür in den Rücken gerammt.“ Auch Simone wunderte sich über die überstürzte Flucht. „Du musst mir versprechen, ab sofort vernünftig zu sein. Nicht, dass Herr Borchart es sich anders überlegt und sich eine andere Bleibe sucht.“

Carina öffnete den Mund, als sie etwas hörte. Ein Knirschen, gefolgt von einem leisen Quietschten, das von Rollstuhlreifen stammte. Ein Glück, dass sie vor der Kinderzimmertür standen.