Dr. Stefan Frank 2571 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2571 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Die Schauspielerin Laura Benning hat ihren Mann Gregor vor Jahren bei einem Bergunglück verloren. Nun verliert sie durch die Corona-Krise auch noch ihr Engagement an einem Theater. Da ihr langsam das Geld ausgeht und sie keine andere Bleibe hat, kehrt sie schweren Herzens nach München zurück in das Haus, in dem sie mit Gregor und ihrer Schwiegermutter Gertraud gelebt hat. Diese wohnt noch immer dort und ist keinesfalls erfreut über das Auftauchen ihrer Schwiegertochter.
Laura versucht, sich mit ihrer neuen Situation zu arrangieren und gibt derweil privaten Gesangs- und Klavierunterricht. Doch die vielen Erinnerungen an ihren verstorbenen Mann stürzen immer wieder auf sie ein, auch geraten sie und die zänkische Gertraud ständig aneinander.
Als Laura zunehmend unter Atemnot leidet, wendet sie sich an Dr. Frank. Seine Diagnose lässt sie nahezu verzweifeln. Ist sie nicht schon genug vom Schicksal gestraft?


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Inhalt

Cover

Impressum

Außer Atem

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: wavebreakmedia / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0020-7

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Außer Atem

Ständige Luftnot führt Laurazu Dr. Frank

Die Schauspielerin Laura Benning hat ihren Mann Gregor vor Jahren bei einem Bergunglück verloren. Nun verliert sie durch die Corona-Krise auch noch ihr Engagement an einem Theater. Da ihr langsam das Geld ausgeht und sie keine andere Bleibe hat, kehrt sie schweren Herzens nach München zurück in das Haus, in dem sie mit Gregor und ihrer Schwiegermutter Gertraud gelebt hat. Diese wohnt noch immer dort und ist keinesfalls erfreut über das Auftauchen ihrer Schwiegertochter.

Laura versucht, sich mit ihrer neuen Situation zu arrangieren und gibt derweil privaten Gesangs- und Klavierunterricht. Doch die vielen Erinnerungen an ihren verstorbenen Mann stürzen immer wieder auf sie ein, auch geraten sie und die zänkische Gertraud ständig aneinander.

Als Laura zunehmend unter Atemnot leidet, wendet sie sich an Dr. Frank. Seine Diagnose lässt sie nahezu verzweifeln. Ist sie nicht schon genug vom Schicksal gestraft?

Laura und Gregor Benning fuhren in jenem Jahr nach Tirol in ihren wohlverdienten Urlaub. Sie freuten sich auf eine wunderbar entspannte Zeit mit Bergwandern, Baden und gutem Essen in der Silberregion Karwendel.

In Pertisau am Achensee hatte Gregor eine Romantik-Suite für sie gebucht, die Restaurantküche war mit zwei Hauben ausgezeichnet und die Wetteraussichten für die kommenden Tage versprachen ungetrübten Sonnenschein.

Gregor wollte unbedingt hinauf auf das in 2452 Meter Höhe liegende Gamsjoch. Im Wanderführer stand, dass Trittsicherheit und gute Kondition erforderlich waren. Für den Aufstieg brauchte man vier Stunden, für den Abstieg zweieinhalb.

„Keine Sorge, wir machen natürlich auch Rast unterwegs“, sagte er, als sie aufbrachen. „Zweieinhalbtausend Meter Höhe, damit haben wir überhaupt kein Problem, mein Schatz, oder?“

Die Unternehmungslust in seinen Augen faszinierte sie. Um ihm die Freude nicht zu verderben, war Laura mit allem einverstanden, was er vorschlug.

Also fuhren sie mit dem Wagen hinauf zum Großen Zirbenboden, dem Ausgangspunkt der Wanderung. Beim Alpengasthof parkten sie das Fahrzeug und begannen voller Energie den Aufstieg, Gregor etwas zielstrebiger als seine Frau.

Natürlich ging er voraus. Anfangs betrachtete sie noch voller Stolz die kräftige Rückseite ihres Mannes, die muskulösen Beine und überhaupt seine Art, leichtfüßig voranzuschreiten.

Zwei Stunden und fünfundzwanzig Minuten später ahnte sie noch nicht, dass eine Katastrophe auf sie wartete. Inzwischen trabte sie ziemlich erschöpft hinter Gregor her und blieb immer wieder kurz stehen, um zu verschnaufen.

„Ist doch viel anstrengender, als ich dachte“, maulte sie laut genug, damit er es auch hörte.

„Hallo, Liebling, bist du vierundzwanzig oder vierundachtzig?“ Unbeirrt ging er weiter.

„Ich fühle mich wie hundert – und du bist gemein!“, rief sie in seinen Rücken.

Er strotzte geradezu vor Kraft, während sie im Stillen fand, dass es viel angenehmer wäre, über die schönsten Wanderungen daheim nur zu lesen, anstatt sie selbst in Angriff zu nehmen. Am liebsten wäre sie jetzt schon wieder umgekehrt.

„Wir machen gleich eine Pause“, rief er tröstend über die Schulter.

Dann geschah alles auf einmal. Ein Vogel zur Rechten flog mit einem durchdringenden Pfiff auf. Gregor erschrak, stolperte über einen Stein, konnte sich nicht wieder fangen und stürzte den Hang zur Linken hinunter.

Laura begriff erst mal nichts. Ihr Herz hämmerte, in ihrem Kopf schrillten tausend Alarmglocken gleichzeitig. Sie öffnete den Mund, um seinen Namen zu rufen, doch aus ihrer Kehle kam nur ein Würgen.

Was erlebte sie da gerade? Die hochschießende Panik verursachte ihr ein starkes Schwindelgefühl. Sie sank in sich zusammen und landete unsanft auf dem engen Wanderpfad.

Wie hypnotisiert starrte sie auf das dürre Gesträuch, hinter dem Gregor verschwunden war und erwartete jeden Moment, dass er sich mit seinen muskulösen Armen wieder hochzog und dabei spitzbübisch lächelnd bemerkte, dass er doch fast gefallen wäre. Nichts dergleichen geschah. Er blieb verschwunden.

Sie hatte nicht einmal einen Schrei gehört, nur ein kurzes Poltern von Steinen. Hoch oben in den Lüften kreisten jetzt noch mehr schwarze Vögel, wirbelten durcheinander und veranstalteten ein durchdringendes Pfeifkonzert.

Laura wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie es endlich schaffte, sich aus ihrer Versteinerung zu lösen und den Notruf auf ihrem Smartphone zu aktivieren.

Es dauerte zwei Tage, bis der Leichnam ihres Mannes gefunden und von der Flugrettung geborgen werden konnte. Gregor war 150 Meter tief in eine schmale Schlucht gefallen, die vom Hubschrauber aus nicht einzusehen war. Erst ein zur Schlucht abgestiegener Bergretter hatte den Toten entdeckt.

***

Der schicksalhafte schwarze Vogel mit dem gelben Schnabel war eine Alpendohle, wie Laura inzwischen wusste. Die Dohle gehörte zu den Rabenvögeln, die noch die höchsten Gipfel umkreisten. Auch wenn Laura nicht abergläubisch war, so sah sie noch heute, sieben Jahre danach, in ihr den Todesboten. Die Erinnerung an das entsetzliche Unglück quälte sie immer noch.

Laura saß im Intercity nach München. Die Landschaft raste vorbei. Ein erster Herbststurm peitschte den Regen an die Scheiben und ließ die vorbeihuschende Landschaft verschwimmen. Sie hätte auch ohnehin keinen Blick dafür gehabt, da sie einzig darum bemüht war, der Erinnerung zu entkommen.

Der Zug verlangsamte die Fahrt, die Lautsprecherstimme kündigte den nächsten Halt in Kassel an. Erst jetzt bemerkte Laura die Tropfen auf ihren Händen. Es waren ihre eigenen Tränen. Auch nach so vielen Jahren weinte sie noch um Gregor. Er fehlte ihr. Seine Herzenswärme, sein Optimismus, seine Zärtlichkeit, seine Liebe.

„Kann ich Ihnen helfen?“, erkundigte sich der ältere Mann, der ihr gegenüber saß, freundlich.

„Danke, nein … nein“, erwiderte sie schnell und wischte sich mit einem Taschentuch über die Augen. „Nur eine allergische Reaktion.“

Eine allergische Reaktion auf das Unglück, fügte sie in Gedanken hinzu. Das Unglück, das immer noch so lebendig war.

Nun also fuhr sie wieder nach München, in die Stadt, in der sie mit ihm gelebt und die sie zwei Monate nach seiner Beisetzung verlassen hatte. Sie hatte alles hinter sich gelassen: das Haus, das ihr gehörte, den Freundeskreis und Gregors Mutter, die im Grünwalder Haus lebte und ihr von morgens bis abends die Ohren volljammerte. Als wenn Laura selbst keinen Kummer gehabt hätte. Hilde hatte sich sogar mehrmals zu Vorwürfen hinreißen lassen, weil Laura ihrem Mann dieses Wahnsinnsunternehmen nicht ausgeredet hatte.

Als Laura in diesem Unglücksjahr endgültig klar geworden war, dass es so nicht weitergehen konnte, hatte sie sich an der Folkwang-Universität der Künste in Essen beworben, hatte die Eignungsprüfung absolviert und war zu ihrer eigenen Überraschung angenommen worden. Sie hatte Schauspiel und Gesang belegt und sich voll und ganz auf das Studium konzentriert.

Anschließend hatte sie ein Engagement am Modern-Theater in Hannover erhalten. Von da an war die Arbeit auf der Bühne ihr Leben gewesen. Sonst hatte es nichts gegeben, was ihr etwas bedeutet hätte. Außer zu ein paar Theaterleuten hatte sie keinen engeren Kontakt zu anderen Menschen gehabt. All ihre Gefühle hatte sie für die Proben und die Aufführungen gebraucht. Dann war sie eine andere gewesen, die wütend oder komisch war, lachte oder weinte, ganz, wie es die Rolle verlangt hatte. Wenn die Zeitungen geschrieben hatten, dass sie eine gute Schauspielerin sei, hatte sie eine stille Freude empfunden.

Doch als sie ein neues Angebot aus Hamburg bekommen hatte, hatte sie nicht einmal mehr darüber nachdenken können, ob sie es annehmen oder ablehnen sollte, denn da war schon das Corona-Virus aufgetaucht und hatte begonnen, das gesellschaftliche Leben komplett lahmzulegen.

Lauras Vertrag in Hannover war nicht verlängert worden. Das Theater hatte schließen müssen. Und da sie noch im Sommer die Mitteilung bekommen hatte, dass es wohl auch zur nächsten Spielzeit nicht wieder öffnen würde, hatte sie sich zur Rückkehr nach München entschlossen, in das Haus, in dem sie mit Gregor glücklich gewesen war.

Das Einzige, was sie ihm heute manchmal leise als Fehler vorhielt, war die Tatsache, dass er seine Mutter nach einer Hüftoperation ins Haus geholt hatte und ihr das lebenslange Wohnrecht einräumte und im Grundbuch eintragen ließ.

Laura hatte sich nie mit ihrer Schwiegermutter verstanden und war froh gewesen, ihr damals nach Gregors Tod zu entkommen. Doch genau mit dieser ungeliebten Person würde sie jetzt wieder zusammenleben müssen. Sie hatte keine andere Möglichkeit, da es ihr auch an Geld mangelte. Das wenige, das sie gespart hatte, ging zur Neige. Und die Mieten in München waren nun mal hoch.

Hilde Benning wusste noch nicht, dass sie zurückkehrte. Laura hatte sich entschieden, überraschend aufzutauchen.

***

Dr. Stefan Frank schaute von seinem Praxisfenster hinaus auf die nasse Straße. Damit wurde sein Vorhaben hinfällig, die anstehenden Hausbesuche mit dem Fahrrad zu erledigen, auch wenn alle drei Patienten in Grünwald wohnten. Er nahm den Wagen.

Sein erster Besuch galt heute Leo. Sein Vater hatte heute Vormittag angerufen und um einen Hausbesuch gebeten, da sein Sohn über Fieber und Schmerzen klagte. Aus diesem Grund wollte er das Kind nicht in die Praxis bringen, wo es möglicherweise im Wartezimmer zu weiteren Ansteckungen kam.

Dr. Frank parkte das Fahrzeug vor dem zweistöckigen Wohnhaus. Noch bevor er die Klingel drückte, ging der Türsummer. Jan Weidenbach, der Vater des Jungen, stand schon im Hausflur.

„Grüß Gott, Dr. Frank, ich habe Ihren Wagen gesehen. Danke, dass Sie gekommen sind.“

„Hallo, Herr Weidenbach. Was hat Leo denn?“

„Fieber und Schüttelfrost, aber er klagt auch über Bauchweh. Der Rachen ist ganz rot.“

Stefan fragte, wann die Symptome aufgetreten waren und seit wann der Junge darunter litt.

„Seit fünf Tagen. Es wird nicht besser.“

„Sag mir, wo es du Schmerzen hast“, bat Stefan den Jungen, nachdem er ihn begrüßt hatte.

„Überall“, sagte der Achtjährige.

„Auch Kopfweh?“

Leo nickte matt.

„Na, dann schauen wir mal.“ Stefan machte einen Abstrich im entzündeten Rachen, tastete die Lymphdrüsen ab, die leicht geschwollen waren, dann maß er die Temperatur. „Neununddreißig zwei.“

Nachdem er den Schlafanzug des Jungen hochgestreift hatte, horchte er die Lunge ab und betrachtete die roten Flecken auf der Haut.

„Sieht aus wie Masern“, sagte der Vater besorgt. „Aber mein Sohn ist doch geimpft.“

„Der Hautausschlag ist anders“, stellte Stefan fest. „Ich werde zur Sicherheit eine Blutprobe fürs Labor machen, aber ich bin fast sicher, dass es sich um das Pfeiffersche Drüsenfieber handelt. Das ist eine Viruserkrankung, die meistens harmlos verläuft. Das Fieber, die Lymphknotenschwellung und vor allem die Entzündungen im Rachenbereich deuten darauf hin.“

„Ein Virus?“, wiederholte Jan leicht erschrocken.

Sofort dachte er an den Corona-Ausbruch, der noch nicht lange zurücklag.

„Keine Sorge, Herr Weidenbach. Fast alle Menschen in diesem Land haben dieses Virus schon gehabt. Es nennt sich Epstein-Barr-Virus und taucht mit ähnlichen Symptomen wie der einer Grippe auf. Ich bin überzeugt, Leo hat es bald überstanden. Ich komme übermorgen noch mal vorbei. Sollte es inzwischen schlimmer werden, rufen Sie mich an.“

Dr. Frank holte ein Präparat aus seiner Tasche. „Geben Sie ihm das, dreimal täglich eine halbe Tablette, und wenn die Schmerzen stark sind, auch mal eine ganze. Und strikte Bettruhe, das ist ganz wichtig.“

„Zum Aufstehen ist er ohnehin viel zu müde. Danke, Dr. Frank. Jetzt bin ich beruhigt.“

„Ich rufe Sie morgen an, wenn ich den Befund habe.“

Der Junge schlief schon wieder, als sein Vater zu ihm zurückkehrte. Liebevoll strich er ihm über die braunen Locken.

„Es wird alles wieder gut“, flüsterte er.

Leo vor allen Gefahren zu beschützen, war für den Vater die wichtigste Aufgabe überhaupt. Das war er seiner Frau Elisabeth schuldig, die ihr Leben für das ihres Sohnes gegeben hatte.

***

Es dauerte eine Weile, bis geöffnet wurde.

„Ich habe schon damit gerechnet, dass du dich in dieser Krise wieder blicken lässt“, sagte Hilde Benning und musterte ihre Schwiegertochter mit kritischen Blicken. Als sie dann an Lauras Äußerem nichts auszusetzen fand, machte sie die Tür weit auf.

„Dir auch einen schönen Tag, Schwiegermutter“, entgegnete Laura mit sanftem Spott.

„Warum hast du geklingelt? Du hast doch die Schlüssel zu diesem Haus.“

„Ich wollte höflich sein und nicht einfach so hereinplatzen.“

Hilde deutete auf den Trolley. „Wenn das alles ist, was du an Gepäck hast, dann willst du wohl gleich wieder weg.“

„Meine restlichen Sachen werden von einer Spedition geschickt. Ich werde jetzt wieder hier wohnen.“

Laura trat ein, stellte den Koffer an die Wand und zog ihren Mantel aus.

„Selbstverständlich“, sagte Gregors Mutter spitz. „Ist ja auch dein Haus. Danke übrigens für die Geburtstagskarten, die einmal jährlich eingetrudelt sind.“

„Fängst du gleich wieder mit deinen Sticheleien an? Wir haben auch miteinander telefoniert.“

„Deine Heimkehr kommt etwas überraschend für mich. Ich habe nur Brot, Käse und ein paar Tomaten im Haus.“

„Das reicht mir vollkommen. Ich gehe morgen einkaufen. Jetzt packe ich erst mal aus.“

Laura ging hinauf in den ersten Stock, wo sich Schlaf- und Wohnzimmer sowie und ein Bad befanden. Das große Wohnzimmer, ein kleinerer Raum mit einem Gästebett, die Küche, ein weiteres Bad und ein Zimmer zum Garten für Hilde befanden sich im Untergeschoss.

Hier oben war alles unverändert geblieben, dieselbe Überwurfdecke auf dem Doppelbett, die einfarbigen Handtücher im Bad und die Vorhänge im Wohnzimmer.

In den Schränken hingen immer noch ein paar Kleidungsstücke von Gregor. Damals hatte sie es nicht übers Herz gebracht, sie zu entsorgen. Und Hilde hatte sich auch nicht darum gekümmert.

Als sie Hildes Schritte hinter sich hörte, begleitet von einem stetigen Aufsetzen des Gehstocks, wandte sie sich um.

„Du hättest nicht extra hochkommen müssen, ich finde mich schon zurecht.“

„Ich habe alles so gelassen, wie es war“, sagte Hilde. „Es wäre dir sicher nicht recht gewesen, wenn ich hier was verändert hätte.“

„Es ist alles gut. Ich werde mich mit der Zeit schon so einrichten, dass ich mich wohlfühle.“ Laura machte einen Schritt auf die Siebzigjährige zu. „Wir werden uns wieder aneinander gewöhnen müssen. Ich bleibe jetzt hier. Mein Engagement in Hannover habe ich verloren. Du weißt ja, dass alle Theater geschlossen sind. Vielleicht finde ich hier demnächst etwas Neues.“

„Hast du noch Geld?“

„Nicht viel.“

„Ich kann dir etwas geben“, sagte Hilde in einem plötzlichen Anflug von Freundlichkeit, der allerdings nichts an ihrem bitteren Gesichtsausdruck änderte. Auch das frischgefärbte Blond machten ihre Züge nicht milder.

„Mach dir also keine Sorgen. Immerhin bist du ja meine Schwiegertochter. Du siehst übrigens gut aus.“

„Ach wirklich?“ Laura musste lächeln. Sie erinnerte sich nicht, jemals ein lobendes Wort aus Hildes Mund gehört zu haben. „Danke für dein Kompliment und dein Angebot. Ich werde darauf zurückkommen, wenn ich es brauche. Aber ich möchte mir meinen Lebensunterhalt möglichst selbst verdienen. Ich könnte Klavier- und Gesangsunterricht geben.“

Sie hatte schon mit großer Erleichterung gesehen, dass ihr schönes Steinway-Klavier immer noch unten an seinem alten Platz im großen Wohnraum stand.

„Das Klavier ist nie benutzt worden und muss sicher erst gestimmt werden.“

„Ich werde mich in den nächsten Tagen darum kümmern“, erklärte Laura.

Mit einigem Unbehagen dachte sie daran, dass sie sich um vieles kümmern musste, um hier wieder Fuß zu fassen. Das würde sie hoffentlich davon abhalten, den trüben Gedanken nachzuhängen.

„Dann lass ich dich jetzt mal machen. Komm später runter. Wir sollten auf deine Rückkehr anstoßen.“

„Hört sich gut an.“ Laura nickte. Konnte Hilde im Laufe der Jahre wirklich etwas von ihrer Streitsucht eingebüßt haben?

Laura hängte Röcke, Blusten und ein Kostüm in den Kleiderschrank. Einiges von den Sachen musste aufgebügelt werden, aber erst einmal wollte sie es langsam angehen lassen.

Nachdem sie eine Weile zwischen den Räumen hin- und hergegangen war, musste sie sich hinsetzen, um durchzuatmen.