Dr. Stefan Frank 2609 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2609 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Ein schwerer Notfall wird in die Waldner-Klinik eingeliefert. Zweiunddreißigjähriger Patient, Polytrauma nach Verkehrsunfall, bewusstlos aufgefunden, Herzstillstand und Wiederbelebung im Notarztwagen.
Intensivschwester Anna-Lena betritt den Schockraum. Sie wirft einen Blick auf den Patienten und erstarrt. Trotz des blutverschmierten Gesichts hat sie sofort erkannt, wer hier um sein Leben kämpft. Es ist Janek, der sympathische Koch, dem sie zuletzt so oft über den Weg gelaufen ist und bei dem sie Schmetterlinge im Bauch verspürt.
Nachdem man Janek aufgrund seines Schädel-Hirn-Traumas in ein künstliches Koma versetzt hat, sitzt Anna-Lena jede freie Minute an seinem Bett. Sie spricht mit ihm und erzählt ihm aus ihrem Leben und von ihrer Verliebtheit. Ob und wann er aufwacht, ist nicht klar. Doch Anna-Lena darf sich sowieso keine Hoffnungen machen, denn Janek ist nicht mehr frei ...


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Inhalt

Cover

Während du schliefst

Vorschau

Impressum

Während du schliefst

Intensivschwester Anna-Lena verliebt sich in einen Koma-Patienten

Ein schwerer Notfall wird in die Waldner-Klinik eingeliefert. Zweiunddreißigjähriger Patient, Polytrauma nach Verkehrsunfall, bewusstlos aufgefunden, Herzstillstand und Wiederbelebung im Notarztwagen.

Intensivschwester Anna-Lena betritt den Schockraum. Sie wirft einen Blick auf den Patienten und erstarrt. Trotz des blutverschmierten Gesichts hat sie sofort erkannt, wer hier um sein Leben kämpft. Es ist Janek, der sympathische Koch, dem sie zuletzt so oft über den Weg gelaufen ist und bei dem sie Schmetterlinge im Bauch verspürt.

Nachdem man Janek aufgrund seines Schädel-Hirn-Traumas in ein künstliches Koma versetzt hat, sitzt Anna-Lena jede freie Minute an seinem Bett. Sie spricht mit ihm und erzählt ihm aus ihrem Leben und von ihrer Verliebtheit. Ob und wann er aufwacht, ist nicht klar. Doch Anna-Lena darf sich sowieso keine Hoffnungen machen, denn Janek ist nicht mehr frei ...

»Sag mal, Marie-Luise, hast du daran gedacht, neues Verbandsmaterial zu bestellen?«, fragte Martha Giesecke, die altgediente Sprechstundenhilfe von Dr. Stefan Frank ihre jüngere Kollegin.

»Aber sicher. Ich habe gestern schon angerufen. Es soll noch heute, spätestens aber morgen, geliefert werden.«

»Dann ist ja jut. Ick habe gerade gesehen, det wir fast nichts mehr haben«, sagte Schwester Martha, die immer wieder in ihren Berliner Zungenschlag zurückfiel, obwohl sie schon viele Jahre in Bayern lebte. »Aber heute wird es wohl nicht mehr kommen«, ergänzte sie mit einem Blick auf die große Wanduhr, die hinter dem Empfangstresen hin. »In einer halben Stunde ist Feierabend.«

»Zum Glück«, seufzte Marie-Luise. »Heute war echt die Hölle los. Hoffentlich kommt nicht noch ein Notfall. Ich muss dringend einkaufen. Meine Cousine ist doch mit der kleinen Tabea im Moment bei uns. Wir wollen heute Abend zusammen kochen.«

»Wie geht es denn deiner Cousine? Hat sie verkraftet, det ihr Mann sie verlassen hat?«

»Es geht so. Die Beziehung war ja schon lange nicht mehr gut. Aber als Martin dann ausgezogen ist, war Anna-Lena doch sehr fertig.«

»Det wird schon wieder. Hat sie denn ...«, begann Martha Giesecke, unterbrach sich dann aber, denn ein junger Mann mit verbundener Hand betrat die Praxis.

»Grüß Gott, die Damen«, sagte er freundlich und lächelte charmant. »Ich sollte noch mal zur Nachkontrolle meiner Hand kommen.«

»Hallo, Herr Kahl«, grüßte Martha Giesecke. »Ist denn alles in Ordnung, oder haben Sie noch Schmerzen?«

»Soweit ich das beurteilen kann, ist alles bestens«, antwortete Janek Kahl und sah auf seine Hand. »Es wäre allerdings super, wenn ich den dicken Verband nicht mehr bräuchte, der behindert mich doch sehr beim Arbeiten.«

»Sie kochen trotz der verletzten Hand?«, fragte Marie-Luise ein wenig verwundert, denn sie wusste, dass Janek ein gutgehendes Restaurant in Grünwald betrieb.

»Ich musste. Wir hatten am Wochenende eine große Gesellschaft, da konnte ich meinen Kompagnon nicht allein lassen.«

»Ob Sie noch einen Verband brauchen, det muss der Chef entscheiden«, sagte Martha Giesecke. »Gehen Sie noch einen Augenblick ins Wartezimmer. Ick rufe sie dann gleich.«

Janek ging in den Warteraum, in dem so kurz vor Feierabend nur noch eine ältere Dame saß. Er nahm sich eine Zeitschrift und setzte sich.

Kurz darauf kam ein Mann ins Wartezimmer.

»Ich bin fertig, Schatz, wir können gehen«, sagte er zu der Frau. »Dr. Frank ist sehr zufrieden mit mir.«

Die beiden zogen sich ihre Jacken an und verabschiedeten sich mit einem freundlichen Kopfnicken von Janek, der sich wieder in einen interessanten Artikel über Windkrafträder vertiefte.

»So, Herr Kahl, Sie können jetzt mitkommen«, unterbrach die Stimme von Schwester Martha seine Lektüre.

Im Arztzimmer saß Dr. Stefan Frank hinter seinem Schreibtisch und blickte zu seinem Patienten auf.

»Na? Wie geht es deiner Hand?«, fragte er nach der Begrüßung.

»Ganz gut. Ich habe schon zu Frau Giesecke und Frau Flanitzer gesagt, dass ich hoffe, den Verband nicht mehr tragen zu müssen. Das ist doch sehr lästig bei der Arbeit.«

»Dann wollen wir mal sehen. Setz dich bitte auf die Untersuchungsliege.«

Dr. Frank nahm seinem Patienten den Verband ab und besah sich die gut verheilte Schnittwunde, die er vor gut einer Woche mit mehreren Stichen hatte nähen müssen.

»Sieht wirklich gut aus. Bewege bitte mal die Finger.«

Janek ballte seine Hand zu einer Faust; er schloss und öffnete sie mehrmals.

»Tut das noch weh?«

»Es zieht und ziept ein bisschen, aber Schmerzen habe ich nicht.«

»Das Ziepen kann auch durch die Fäden kommen. Ich werde sie dir jetzt ziehen.«

Dr. Stefan Frank desinfizierte seine Hände und die genähte Stelle. Dann hob er vorsichtig einen der chirurgischen Knoten an, durchtrennte den Faden mit einer Schere und zog den Faden langsam heraus. Als alle Fäden entfernt waren, forderte er seinen Patienten auf, noch einmal die Finger zu bewegen.

»Ist das Ziehen jetzt besser?«

»Ja, viel besser.«

»Du hast riesiges Glück gehabt, dass du dir bei dem tiefen Schnitt keine Sehnen verletzt hast. Ich denke, wir können auf einen Verband verzichten. Aber du musst noch vorsichtig sein. Keine zu großen Belastungen, nicht zu lange im Wasser bleiben mit der Hand. Und vor allen Dingen nicht wieder mit einem deiner scharfen Kochmesser chirurgische Experimente machen«, lachte Dr. Frank und drohte seinem Patienten spielerisch mit dem Zeigefinger.

»Ich werde es versuchen«, sagte Janek. »Ich hatte einfach Pech, dass ich beim Ausbeinen an einem Knochen so unglücklich abgerutscht bin.«

»Dann solltest du zur Vermeidung solcher Unfälle vielleicht überlegen, auf vegetarische Küche umzustellen«, scherzte der Arzt.

»Du wirst lachen, ich habe das sogar schon überlegt. Natürlich nicht wegen meines Unfalls. Aber Peter ist dagegen. Er glaubt, dass es immer noch zu viele Fleischesser in Bayern gibt.«

Dr. Frank kannte Janek und seinen Geschäftspartner Peter Lauterbach schon seit vielen Jahren, denn beide kamen aus Grünwald. Als die Köche vor nun fast fünf Jahren ihr Restaurant eröffnet hatten, hatten sie zuerst noch Kochkurse angeboten, an denen er und seine Lebensgefährtin Alexandra Schubert gern teilgenommen hatten. Aber inzwischen lief das Restaurant so gut, dass, sehr zum Bedauern von Alexandra und Stefan Frank, keine Zeit mehr für Kochkurse blieb.

»Wahrscheinlich hat Peter recht«, sagte Dr. Frank. »Die bayrische Küche und die bayrischen Essgewohnheiten sind doch sehr Fleisch lastig.«

»Ich konnte Peter aber immerhin überzeugen, unser vegetarisches Angebot zu erweitern. Alexa und du ihr müsst unbedingt bald mal kommen. Seit einer Woche haben wir die neue Karte.«

»Sehr gerne. Du weißt doch, wie sehr wir euer Essen schätzen.«

»Sag Bescheid, wenn ihr kommt. Ich reserviere dann euren Lieblingstisch am Fenster.«

»Ich spreche mit Alexa und melde mich«, versprach Stefan Frank.

»Sehr gut. Muss ich sonst noch etwas bedenken mit der Wunde? Darf ich ohne Plastiktüte duschen?«

»Ab morgen kannst du wieder normal duschen. Aber ich würde noch nicht baden, also die Hand nicht zu lange im Wasser lassen. Außerdem rate ich dir, in der nächsten Zeit bei der Arbeit zum Schutz Handschuhe zu tragen.«

»Mache ich. Muss ich noch einmal wiederkommen?«

»Nur, wenn du Probleme mit der Hand hast. Wenn du zum Beispiel Schmerzen bekommst, die Wunde eitert oder sich die Wundränder stark röten. Aber bisher sieht alles wirklich prima aus.«

»Ein Glück«, seufzte Janek. »Ich hatte schon Angst, dass ich jetzt monatelang Ärger mit der Verletzung habe.«

»Wie schon gesagt, du hast Glück gehabt«, sagte Dr. Frank. »Musst du heute noch kochen?«

»Ja, ich gehe jetzt direkt ins Restaurant, aber vermutlich wird es ein ruhiger Abend. Wir habe nur wenige Reservierungen.« Janek stand auf und verabschiedete sich.

»Ich wünsche dir einen schönen Feierabend. Und vergiss nicht mit Alexa zu besprechen, wann ihr zu uns zum Essen kommt.«

»Ich melde mich, versprochen.«

Als Janek die Praxis verließ, stieß er fast mit einer jungen Frau zusammen, die mit einem kleinen Mädchen an der Hand gerade in dem Moment zur Tür hereinkam, als er hinaus wollte.

»Hoppla«, rief er aus. »Entschuldigung.«

»Ist ja nichts passiert«, lachte Anna-Lena.

Janek ging durch die Tür, die sie ihm aufhielt. Er drehte sich noch einmal zu der attraktiven Frau um, die ihn auf den ersten Blick in ihren Bann gezogen hatte. Der Faszination ihrer blitzenden Augen, ihres freundlichen, etwas schelmischen Lächeln hatte er sich nicht entziehen können.

»Auf Wiedersehen«, sagte er.

Erst als er seinen Abschiedsgruß ausgesprochen hatte, merkte er, dass es sich ein wenig eigenartig angehört haben musste. Wieso hatte er zu einer Frau, die er gar nicht kannte und mit der er nur fünf Worte gewechselt hatte, auf Wiedersehen gesagt? Aber ein Wiedersehen wäre ihm durchaus nicht unangenehm. Du bist echt ein Spinner, sagte Janek lächelnd zu sich selbst.

Anna-Lena ging zum Empfangstresen hinter dem die beiden Sprechstundenhilfen die über Tag liegen gebliebenen Papiere aufräumten.

»Tante Malu«, rief die kleine Tabea und rannte auf Marie-Luise Flanitzer zu, die sie mit strahlendem Lächeln auf den Arm nahm.

»Na, da ist ja mein süßer Schatz«, sagte sie und küsste das Kind auf die Wange. »Was habt ihr beide denn Schönes gemacht heute?«

»Wir waren auf dem Spielplatz und dann einkaufen für das Essen heute Abend«, antwortete Anna-Lena. »Ich dachte, wie holen dich ab, damit wir nicht doppelt einkaufen.«

»Das war eine gute Idee. Wir sind auch gleich hier fertig. In zehn Minuten können wir nach Hause gehen«, sagte Marie-Luise.

»Sag mal, hattest du schon Gelegenheit mit deinem Chef zu sprechen?«, fragte Anna-Lena vorsichtig.

»Oh, heute war so viel los, dass mir das dadurch gegangen ist. Aber vielleicht können wir das jetzt zusammen machen. Dr. Frank ist noch da.«

»Wenn du meinst, aber ich will ihn nicht stören.«

»Du störst doch nicht. Komm mit, wir fragen ihn, ob er ein paar Minuten für uns Zeit hat. Können Sie kurz auf Tabea Acht geben, Schwester Martha?«

»Wat habt ihr denn so Wichtiges zu besprechen?«, fragte Martha Giesecke neugierig.

»Es geht um eine Stelle für Anna-Lena an der Waldner-Klinik«, informierte sie ihre Kollegin. »Wir hoffen, dass Dr. Frank uns ein bisschen helfen kann.«

»Na jut. Dann werde ich mal mit der kleinen Tabea ein Puzzle machen. Magst du Puzzle?«, fragte sie das Kind, das immer noch auf dem Arm der Tante war.

»Ich kann das schon gut«, sagte Tabea stolz und nickte sehr ernsthaft.

»Dann zeig mir det mal. Kommst du mit mir?«

Marie-Luise stellte das Mädchen auf den Boden. Sofort griff Tabea nach Marthas Hand. Die beiden gingen ins Wartezimmer, wo auf einem niedrigen Tisch ein paar Spiele und Bücher für die kleinen Patienten lagen.

Die Cousinen gingen zum Arztzimmer. Marie-Luise klopfte an, und sie wurden hereingebeten.

»Das ist meine Cousine Anna-Lena Feininger. Haben sie fünf Minuten für uns, Dr. Frank?«, fragte die Sprechstundenhilfe.

»Aber sicher doch. Worum geht es?«

»Sie wissen doch, dass Anna-Lena seit ein paar Tagen bei uns wohnt, weil sie von ihrem Mann getrennt ist. Ich habe Ihnen ja auch schon gesagt, dass meine Cousine gelernte Intensivschwester ist. Sie würde gern nach München zurückkehren und in der Waldner-Klinik arbeiten.«

Dr. Frank nickte und sah die beiden Frauen erwartungsvoll an.

»Was kann ich dabei tun? Gute Intensivschwestern werden immer gesucht. Aber auf die Personalpolitik der Waldner-Klinik habe ich keinen Einfluss. Haben Sie sich denn schon beworben, Anna-Lena?«

»Ja, das habe ich. Ich könnte auch sofort eine Stelle bekommen. Aber ... aber es gibt nur volle Stellen. Ich ... ich, also ich kann in den nächsten Monaten keine volle Stelle ausfüllen. Ich habe eine vierjährige Tochter, für die brauche ich viel Zeit nach der Trennung von meinem Mann. Außerdem muss ich eine Wohnung und für Tabea in einen neuen Kindergarten suchen, sie eingewöhnen und so weiter ...«

»Sie wollen also vorerst auf einer Teilzeitstelle arbeiten?«, vergewisserte sich Dr. Frank, ob er richtig verstanden hatte.

»Ja, ich hätte gern eine halbe Stelle. Zumindest für die nächsten Monate. Aber die Dame im Personalbüro der Waldner-Klink hat mir gesagt, dass sie nur Vollzeitkräfte suchen.«

»Und ich dachte, weil Sie gut mit Dr. Waldner befreundet sind ...«, mischte sich nun Marie-Luise ein.

»Sie möchten also, dass ich bei Ulrich interveniere?«, fragte Dr. Frank.

»Anna-Lena ist eine sehr gute Intensivschwester mit viel Erfahrung in einem großen Haus. Ich denke, sie würde gut in die Waldner-Klinik passen. Und es ist ja auch nur für einige Monate ...«

»Tja«, überlegte Dr. Frank und fasste sich ans Kinn. »Ich kann es versuchen. Ich weiß allerdings nicht, wie sehr sich Dr. Waldner in die Personalentscheidungen bei den Schwestern einmischen will.«

***

Nach dem Frühstück sah Anna-Lena die Anzeigen in der Zeitung durch. Sie suchte nach einer Wohnung in Grünwald. Vermutlich würde sie in München arbeiten, aber die etwas längere Fahrt zur Arbeit wollte sie auf sich nehmen, damit Tabea in einer ländlichen Umgebung aufwachsen konnte.

Außerdem lebte in Grünwald Marie-Luise mit ihrer Familie. Wenn sie Nachtdienst hatte, könnte Tabea bei Marie-Luise blieben, das hatte ihr ihre Lieblingscousine schon zugesagt.

Die wenigen freien Wohnungen, die angeboten wurden, waren allerdings so teuer, dass sie außerhalb der finanziellen Möglichkeiten einer Krankenschwester lagen.

Anna-Lena seufzte. Marie-Luise hatte ihr zwar angeboten, dass sie gern für länger bei ihr wohnen könnten, aber zu lange wollte sie die Gastfreundschaft der Familie Flanitzer nicht strapazieren.

Sie beschloss, selbst eine Wohnungssuchanzeige zu verfassen und diese in Grünwald in Supermärkten und Geschäften auszuhängen. Wer weiß, vielleicht hatte sie ja Glück. Einen Versuch war es zumindest wert.

Bevor sie sich ans Formulieren der Anzeige machte, schaute sie nach Tabea, aber die saß ganz in ihr Spiel mit ihren Puppen vertieft auf dem Wohnzimmerboden.

Anna-Lena schrieb fünf Zettel mit ihrem Gesuch und steckte sie in die Handtasche.

»Tabea, mein Schatz, wollen wir ein bisschen nach draußen gehen?«, rief sie ins Wohnzimmer.

Als keine Antwort kam, schaute sie nach. Tabea hatte zwei Puppen eng nebeneinander aufs Sofa gelegt und hielt eine dritte in der Hand, mit der sie sprach.

»So, Papa liegt mit Mama im Bett, und du darfst dich dazulegen.«

Tabea legte die Puppe zu den beiden anderen und deckte sie mit einem Sofakissen sorgfältig zu.

»Jetzt wird aber geschlafen«, sagte sie resolut.

Anna-Lena musste lächeln. In dem Tonfall ihrer Tochter erkannte sie den ihren wieder, wenn sie Tabea zum Schlafen bringen wollte. Aber in ihr Lächeln mischte sich auch Bitterkeit. Ob Tabea ihren Vater sehr vermisste?

Martin war zwar schon Monate vor der Trennung kaum zu Wachzeiten seiner Tochter zu Hause gewesen, aber er war trotzdem im Leben der Tochter ein wichtiger Fixpunkt gewesen. Jetzt, nach der Trennung, wo Martin keinen Kontakt mehr zu Mutter und Kind wollte, fragte die Kleine erstaunlich wenig nach ihrem Vater. Nur in ihren Spielen tauchte immer wieder eine heile Familie auf. Aber war das nicht für Kinder in Tabeas Alter normal?

Anna-Lena ging zu ihrer Tochter, streichelte ihr über das weiche blonde Haar und gab ihr einen Kuss auf den Kopf.

»Na, Süße? Wollen wir deine Puppen nicht in Ruhe schlafen lassen und etwas nach draußen gehen?«

Tabea sah zu ihrer Mutter auf.

»Ich kann nicht, wenn sie aufwachen, muss ich Frühstück machen.«

»Sie werden bestimmt noch ein bisschen länger schlafen. Wir bringen frische Brötchen vom Spaziergang mit fürs Frühstück. Was meinst du?«

Tabea lächelte und richtete noch einmal das Kissen, das sie über ihre Puppen gelegt hatte.

»Das ist gut, Mami.«

Anna-Lena band ihr langes, dunkelblondes Haar zu einem Pferdeschwanz und zog dann sich und ihrer Tochter Jacken an. Fröhlich plappernd verließ Tabea an der Hand ihrer Mutter das Haus. In drei Läden hatte sie bereits ihre Zettel aufgehängt, als Tabea keine Lust mehr auf weiteres Spazieren hatte. Sie wollte auf den Spielplatz, den sie neulich entdeckt hatten.

»Na gut, mein Schatz, dann gehen wir zum Spielplatz«, gab ihre Mutter dem Drängen nach. Vielleicht konnte sie später noch die restlichen Zettel aufhängen.

»Darf ich auf das große Klettergerüst?«, fragte das Mädchen aufgeregt.

»Aber nur, wenn ich unter stehe. Sonst ist das zu gefährlich. Hörst du? Du darfst nie allein klettern!«