Dr. Walldorf – Ein Landarzt aus Leidenschaft: Band 3: Die Angst, dich zu verlieren - Hans-Jürgen Raben - E-Book

Dr. Walldorf – Ein Landarzt aus Leidenschaft: Band 3: Die Angst, dich zu verlieren E-Book

Raben Hans-Jürgen

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Beschreibung

Auch diesmal wird es in der Arztpraxis von Doktor Alwin Walldorf, dem Landarzt aus Leidenschaft, nicht langweilig. Das Thema Angst um einen geliebten Menschen schwebt in all seinen Facetten über der Kleinstadt Bolzenhagen.
Das angstvolle Bangen einer jungen Ehefrau um ihren Mann, weil der Verdacht besteht, dass er sich eine gefährliche Seuche zugezogen hat. Die Angst eines kleinen Jungen, der seine Mutter am Morgen leblos im Bett findet und selbst Dr. Walldorf bleibt nicht davon verschont und stößt in einem Pflanzencenter an seine Grenzen: physisch wie auch psychisch. Er muss mit sich kämpfen, um irgendwie zu funktionieren ...

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Ähnliche


 

 

 

 

Lynda Lys / Hans-Jürgen Raben

 

 

Dr. Walldorf

Ein Landarzt aus Leidenschaft

 

Band 3

 

Die Angst, dich zu verlieren

 

 

 

 

Arztroman

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Stokkete 123rf Motiv – Steve Mayer, 2022 

Korrektorat/Lektorat: Kerstin Peschel

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die Handlungen dieser Geschichten sind frei erfunden sowie die Namen der Protagonisten. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht gewollt.

 

Alle Rechte vorbehalten

 

 

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

Über die Autoren 

 

Das Buch

 

 

 

Auch diesmal wird es in der Arztpraxis von Doktor Alwin Walldorf, dem Landarzt aus Leidenschaft, nicht langweilig. Das Thema Angst um einen geliebten Menschen schwebt in all seinen Facetten über der Kleinstadt Bolzenhagen. 

Das angstvolle Bangen einer jungen Ehefrau um ihren Mann, weil der Verdacht besteht, dass er sich eine gefährliche Seuche zugezogen hat. Die Angst eines kleinen Jungen, der seine Mutter am Morgen leblos im Bett findet und selbst Dr. Walldorf bleibt nicht davon verschont und stößt in einem Pflanzencenter an seine Grenzen: physisch wie auch psychisch. Er muss mit sich kämpfen, um irgendwie zu funktionieren ... 

 

 

***

 

 

1. Kapitel

 

»Da wären wir!«

Anfänglich waren die Worte des Reiseleiters in seinem gutturalen Deutsch schwer zu verstehen gewesen, doch inzwischen hatten sich alle daran gewöhnt, auch daran, dass er immer wieder englische Worte einfließen ließ. Sie waren zufrieden mit ihm, denn er war voller Begeisterung, wenn er ihnen die Vorzüge seines Landes anpries.

Der Kleinbus bremste abrupt, und Uwe Denner wurde ein Stück nach vorn geworfen. Die lange Schaukelei war ermüdend gewesen. Auch seine Frau Silvia, die neben ihm am Fenster saß, hatte Mühe, ihre Augen zu öffnen.

Er stieß sie leicht an. »Wir sind da.«

Sie schaute aus dem Fenster. »Sieht nicht sehr großartig aus.«

»Liebe Gäste«, meldet sich Leo, ihr einheimischer Reiseführer. »Wir sind am letzten Punkt unseres kleinen Ausflugs angekommen, der gleichzeitig den Höhepunkt des Tages bildet. Man wird Sie in dem Dorf freundlich willkommen heißen. Bitte fragen Sie die Menschen, wenn Sie fotografieren wollen und begegnen Sie ihnen mit Respekt, vor allem, wenn es um ihre animistische Religion geht. Da wird Ihnen einiges äußerst merkwürdig vorkommen.«

»Siehst du die Leute dort drüben?« Silvia deutete auf eine Lücke in einem hohen Dornengebüsch. Dort stand eine Gruppe Einheimischer, in der Mitte ein hoch gewachsener Mann in einem bunten Umhang sowie einer prächtigen Kopfbedeckung, in der Hand einige Gegenstände, die man aus der Ferne nicht genau identifizieren konnte.

»Wir steigen jetzt aus und gehen zu den Dorfbewohnern hinüber. Der Mann in der Mitte ist der Häuptling. Er wird Sie empfangen und ins Dorf geleiten.«

Die kleine Gruppe versammelte sich vor dem Bus, eng zusammengedrängt in Erwartung neuer und fremder Erfahrungen.

Es war bereits später Nachmittag, und sie wollten eigentlich noch vor Einbruch der Nacht zurück im Hotel sein. Dunkel wurde es hier in Westafrika bereits um achtzehn Uhr. Uwe Denner sog die afrikanische Luft tief ein. Es war ein Genuss nach der klimatisierten Luft im Bus.

»Was ist eigentlich eine animistische Religion?«, fragte Silvia leise.

»Diese Menschen glauben an die Natur«, erklärte ihr Mann. »Alles darin ist von Geistern beseelt, die man ehren und besänftigen muss.«

»Bevor Sie das Dorf betreten dürfen, werden Sie symbolisch gereinigt«, erklärte ihr Reiseleiter ihnen. »Erschrecken Sie also nicht. Es ist nur Wasser.«

Die Gruppe hatte vor dem Häuptling, der eine Art Singsang anstimmte, Halt gemacht. Dann drückte er den Stock, den er in der rechten Hand hielt, nach unten in einen Eimer, der zu seinen Füßen stand. Tropfnass zog er ihn wieder heraus. Wie ein Weihwasserwedel, dachte Silvia, erkannte dann aber, dass es sich doch eher um eine Toilettenbürste handelte. 

Ehe sie reagieren konnte, wurde sie wie alle anderen der Gruppe mit einem feinen Sprühregen überschüttet. Dann noch einmal.

Der Häuptling schien zufrieden, trat zur Seite und gab den Weg ins Dorf frei.

Neugierig bewegten sich Uwe und Silvia als Erste in die Mitte des kleinen Dorfes, das genauso aussah, wie sie es sich vorgestellt hatten. Runde Hütten aus Lehm und Holz, einige auch auf steinernen Fundamenten, waren um einen Platz angeordnet, in dessen Mitte sich eine große Feuerstelle befand. Daneben standen Bänke und Tische unter Sonnenschutzdächern.

»Wir sind bestimmt nicht die ersten Touristen, die hier ankommen«, flüsterte Silvia. Uwe nickte nur und betrachtete fasziniert das Geschehen.

Die beiden waren seit einem Jahr verheiratet, und es war ihre erste gemeinsame Auslandsreise. Sie stammten beide aus der Kleinstadt Bolzenhagen in der Nähe von Berlin. Uwe war gerade dreißig geworden, seine Frau war achtundzwanzig Jahre alt. Sie waren in Bolzenhagen zur Schule gegangen und aufgewachsen und kannten sich bereits aus der Schulzeit. Die beiden waren immer unzertrennlich gewesen und hatten im Übrigen lange diskutiert, ob sie es bei ihrer ersten großen Reise wagen konnten, so ein exotisches Ziel wie Togo in Westafrika für ihren Urlaub auszuwählen.

Uwe war auf die Idee gekommen, nachdem er ein Buch über die ehemaligen deutschen Kolonien gelesen hatte. Togo war das kleinste dieser Länder in Afrika gewesen, und aus irgendeinem Grund, der ihm nicht bewusst war, hatte er es sich in den Kopf gesetzt, sich dieses Land anzusehen. Silvia war anfangs nicht begeistert gewesen, doch sie hatte sich schließlich von Uwes Begeisterung anstecken lassen, und nun waren sie hier.

Es war der letzte Tag ihrer Reise, und sie hatten beschlossen, ihn mit einem ganztägigen Ausflug ins Landesinnere zu verbringen. Dabei hatte es Uwe ganz besonders gereizt, dass sie ein ursprüngliches Dorf besuchen würden, in dem sie die Kultur der Menschen dieses Landes hautnah erleben würden.

Silvia war skeptisch gewesen, denn sie rechnete immer damit, auf Schlangen, Skorpione oder Spinnen zu stoßen, von den zahlreichen Insekten gar nicht zu reden. Bisher waren ihre Befürchtungen unbegründet geblieben, doch hier im Landesinneren …?

Auch das sogenannte ursprüngliche Dorf war ihr nicht ganz geheuer. Ihrer Ansicht nach war alles, was man bei einem solchen Ausflug sah, speziell für die Touristen hergerichtet. Andererseits musste sie zugeben, dass dieser letzte Halt ihres Ausflugs überhaupt nicht nach einer Touristenfalle aussah.

Leo führte die Gruppe zu den Tischen und Bänken, auf denen sie Platz nahmen. Eine ältere Frau schleppte eine Kiste mit Getränken heran. Außerdem lagen Plastikbecher und Strohhalme darin. Die Getränke waren offensichtlich im Preis enthalten.

Dann begann die Zeremonie, oder wie immer man das nennen wollte, mit einem dumpfen Trommelwirbel. Einige der Dorfbewohner fingen an, sich auf dem festgestampften Lehmboden im Kreis zu drehen, die Frauen trillerten, und die Männer stimmten einen schwermütigen Gesang an. Es fiel Silvia schwer, sich dem hypnotischen Rhythmus zu entziehen. Auch einige aus ihrer Gruppe beteiligten sich am Tanz.

Irgendwann war es vorbei, der Häuptling spritzte mit seiner Klobürste Wasser auf die Umstehenden, und alle setzten sich wieder.

Aus dem Kessel, der über der Feuerstelle hing, stieg Dampf auf. Die ersten schnappten sich Plastikschüsseln von einem Tisch und stellten sich in einer Reihe an der Feuerstelle auf, während der Häuptling mit einer großen Kelle den Inhalt des Kessels in die hingehaltenen Schüsseln schöpfte.

»Das essen Sie besser nicht, Silvia«, raunte ihr Leo, der Reiseleiter, zu. Sie sah ihn erschrocken an, doch bevor sie die Botschaft an ihren Mann weitergeben konnte, war Uwe bereits aufgesprungen, hatte nach einer Schüssel gegriffen und sich in die inzwischen kurz gewordene Schlange eingereiht.

Einige Minuten später kehrte er zurück und rührte mit einem Plastiklöffel in seiner Schüssel. »Ich habe keine Ahnung, was das ist«, sagte er lächelnd. »Doch ich will alles probieren. Das gehört einfach dazu, wenn man ein solches Land kennenlernen will.«

Silvia warf einen Blick in die grau-braune Brühe, in der einige undefinierbare Stücke schwammen. »Willst du das wirklich essen?«

»Klar.« Uwe schob sich den ersten Löffel in den Mund. Er verzog leicht das Gesicht und löffelte weiter.

Seine Miene verzog sich immer mehr, bis er die Schüssel halb geleert auf den Tisch stellte.

»In Bolzenhagen kommt mir das nicht auf den Tisch.«

Silvia lächelte. »Keine Sorge. Dort ist wieder Schluss mit exotischen Spezialitäten.«

Bald war es wieder Zeit einzusteigen, und sie verabschiedeten sich von den Dorfbewohnern. Bevor sie in den Bus kletterte, fragte Silvia den an der Tür stehenden Leo: »Woraus bestand diese Mahlzeit eigentlich?«

Er grinste. »Ich kenne nicht alle Zutaten, aber Schlange, Affenhirn und Fledermaus ist auf jeden Fall drin.«

Silvia saß still auf ihrem Sitz und wartete, bis sich ihr Magen beruhigt hatte, und sie fragte sich, wie es Uwe gehen würde, wenn er wüsste, was sie gerade erfahren hatte.

 

*

 

Jetzt bloß keine Radarfalle, dachte Silvia Denner, als sie mit mehr als der erlaubten Geschwindigkeit nach Bolzenhagen fuhr. Sie warf einen raschen Blick zu ihrem Mann, der neben ihr mit geschlossenen Augen auf dem Beifahrersitz saß. Er wirkte bewusstlos und wurde von den Bewegungen des Autos hin und her geschüttelt. Schweißtropfen rollten über seine Stirn, und er stöhnte in fast regelmäßigen Abständen. 

Die Angst um Uwe hielt Silvia gefangen wie eine unsichtbare Klammer.

»Lass ihn wieder gesund werden«, murmelte sie.

Wütend schlug sie mit der Faust auf das Lenkrad. Warum musste er nur diesen verdammten Eintopf probieren! Ihr Reiseführer hatte sie noch gewarnt!

Sie rief sich alles noch einmal in Erinnerung.

Als sie nach dem Besuch des Dorfes ihr Hotel erreicht hatten, war alles noch in Ordnung gewesen. Ihre eigene Übelkeit war verschwunden, und Uwe war fröhlich wie immer auf dieser Reise. Sie hatten sich eine Kleinigkeit vom Room-Service kommen lassen, da sie noch packen mussten. Der Bus, der sie am nächsten Morgen zum Flughafen bringen würde, fuhr sehr früh ab, und sie wollten auf jeden Fall rechtzeitig einen guten Platz im Bus ergattern.

Uwe hatte in dieser letzten Nacht schlecht geschlafen. Silvia selbst hatte kaum ein Auge zugetan, weil er sich ständig herumwälzte und immer wieder leise stöhnte. Immerhin hatte er zum Frühstück gehen können, und auch bis zum Flughafen hatten sie es ganz gut geschafft. Seine Temperatur war leicht erhöht, wie Silvia feststellte.

Uwe reagierte unwirsch, als sie sich immer wieder nach seinem Befinden erkundigte. Es würde nur am Essen liegen, behauptete er. Das würde vorbeigehen, wenn sie erst im Flugzeug säßen.

Doch es ging nicht vorbei. Die Flugbegleiterin hatte ihm zwei Paracetamol gegeben, die eine fiebersenkende Wirkung hatten. Dennoch warf sie ihm misstrauische Blicke zu, wenn sie vorbeiging, als ob sie fürchtete, dass er gleich ausflippen würde. Silvia hatte ihren Mann auf den Fensterplatz bugsiert, sodass die anderen Passagiere nicht mitbekamen, wie schlecht es ihm ging.

Irgendwann am Nachmittag waren sie endlich in Berlin gelandet. Uwe ging es wieder besser, doch seine Augen blickten trübe, und seine Temperatur war immer noch erhöht. Sie schafften es ganz gut bis zu ihrem Auto, das auf einem der Langzeitparkplätze stand, und Silvia war froh, endlich die letzte Etappe ihrer Reise antreten zu können.

Uwe murmelte immer wieder unzusammenhängende Worte, und er schwitzte stärker. Seine Stirn war heiß wie eine Ofenplatte.

Bolzenhagen besaß kein eigenes Krankenhaus. Also hatte sie beschlossen, sofort zu Doktor Walldorf zu fahren, bei dem sie schon mehrfach gewesen war. Er hatte auf sie einen sehr kompetenten Eindruck gemacht, und er würde wissen, was jetzt zu tun war. Es war Montag, und Silvia hoffte, dass der Doktor länger in der Praxis sein würde. Sie musste es einfach rechtzeitig schaffen!

Sie sah aus dem Augenwinkel, dass Uwe wach war. Seine Augen waren weit aufgerissen. Er tastete mit einer Hand nach seiner Stirn und drehte den Kopf.

»Silvia? Wo sind wir? Was ist passiert?«

Sie streckte ihre rechte Hand aus und legte sie auf seinen Unterarm. »Wir sind gleich da. Noch ein bisschen Geduld.«

»Mir ist schlecht. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich Bilder.«

Er sackte zur Seite und versank wieder in einer Art Halbschlaf. Seine Arme zuckten unkontrolliert, sein Gesicht glühte.

Silvia fuhr so schnell, wie sie gerade noch riskieren konnte. Zum Glück waren auf der Landstraße nicht viele Fahrzeuge unterwegs. Sie erreichte das Ortsschild von Bolzenhagen. Jetzt musste sie runter mit der Geschwindigkeit. Der Ort war eine Kleinstadt, und die Berliner Straße führte direkt ins Zentrum. Dort befand sich das Ärztehaus, in dem Doktor Walldorf seine Praxis hatte.

Sie seufzte erleichtert auf, als das Gebäude in Sicht kam.

 

 

2. Kapitel

 

Doktor Alwin Walldorf trocknete sich nach dem Waschen sorgfältig die Hände ab und blickte dabei auf die Uhr. Die Sprechstundenzeit war gleich zu Ende, und er fragte sich, wie viele Patienten immer noch im Wartezimmer saßen.

Doktor Walldorf war achtundfünfzig Jahre alt und von beeindruckender Statur. Buschige Augenbrauen, grau meliertes, aber noch volles Haar und freundliche Augen in einem rosigen, gesunden Gesicht waren das Erste, was seine Patienten bemerkten.

Seine Praxis befand sich im Ärztehaus in der Nähe des Marktplatzes der Kleinstadt Bolzenhagen, die im sogenannten Speckgürtel Berlins in Brandenburg lag. Er und seine Frau lebten gern hier, schließlich war er selbst hier aufgewachsen und zur Schule gegangen. Seine Ausbildung und seine ersten Meriten als Arzt hatte er allerdings in der Großstadt erfahren. In Berlin hatte er es bis zum Oberarzt in einem Krankenhaus gebracht.

Als ihn eines Tages ein alter Freund aus Bolzenhagen anrief und ihm anbot, dort eine Praxis zu übernehmen, hatte er nicht lange gezögert.

Der Freund war jetzt Bürgermeister und auch Doktor Walldorf saß im Stadtrat. Seine Patienten schätzten nicht nur seine medizinische Kompetenz, sondern auch die Tatsache, dass er ein guter Zuhörer war. Viele medizinische Probleme hatten oft ihre Ursache in ganz anderen Dingen, und so kam es, dass er auch ein offenes Ohr für Probleme der Menschen hatte, die nicht mit Tabletten zu behandeln waren.

Kurzum: Er war ein geschätzter und beliebter Arzt in Bolzenhagen.

Quietschende Bremsen und zuschlagende Autotüren weckten seine Aufmerksamkeit. Er trat ans Fenster und sah zur Straße hinunter. Direkt vor dem Haus war ein Golf vorgefahren. Eine junge Frau war gerade dabei, einem ebenso jungen Mann aus dem Auto zu helfen, dem es offenbar nicht sehr gut ging.

Rasch ging er zum Empfang. Roswitha Schäfer, die Dame hinter dem Tresen, hob den Kopf.

»Wir bekommen wahrscheinlich gleich Besuch«, sagte er. »Haben wir noch Patienten im Wartezimmer?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, für heute ist alles erledigt. Wir haben keine offenen Termine.«

Es klingelte.

»Ich glaube, diesen Patienten müssen wir noch annehmen. Ist Susanne noch hier?«

Roswitha Schäfer schüttelte den Kopf. »Frau Schrader ist heute etwas früher gegangen.« Sie betonte den Nachnamen, obwohl die beiden Damen sich untereinander duzten. Susanne Schrader war die medizinisch-technische Assistentin in der Praxis und von Doktor Walldorf ebenso geschätzt wie ihre Kollegin Roswitha, die für den Empfang der Patienten sorgte, die Termine überwachte und für zahlreiche andere Aufgaben zuständig war. Walldorf war stolz auf sein kleines Team.

Walldorf sah Roswitha etwas irritiert an, begriff dann aber, dass er eine der kleinen Spitzen mitgekriegt hatte, mit denen die beiden Damen ihre gelegentlichen Eifersüchteleien austrugen. In diese Dinge mischte er sich grundsätzlich nicht ein.

Roswitha hatte inzwischen den Türdrücker betätigt, und die Praxistür wurde geöffnet.

---ENDE DER LESEPROBE---