Dragon Prince – Der Prinz der Drachen Buch 2: Himmel (Roman) - Aaron Ehasz - E-Book

Dragon Prince – Der Prinz der Drachen Buch 2: Himmel (Roman) E-Book

Aaron Ehasz

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Beschreibung

Die Ergänzung zur zweiten Staffel der epischen Netflix-Fantasy-Serie. Rayla, Callum und Ezran haben alle Hände voll zu tun, sich um Zym, den frisch geschlüpften Drachenprinzen, zu kümmern. Die Dinge werden noch komplizierter, als Claudia und Soren, die Kinder von Viren, die abtrünnigen Prinzen aufspüren und Callum zwingen, sich für eine Seite zu entscheiden – soll er seinen alten Freunden vertrauen oder der Elfe Rayla, die er doch kaum kennt? Währenddessen schmiedet auch ihr Vater weiter Intrigen und gewinnt neue Verbündete. Das Trio rast nach Xadia, wo ein Krieg zwischen den Menschen und den Drachen droht. Doch während feurige Schlachten ausbrechen und verborgene Wahrheiten ans Licht kommen, werden Freundschaften auf die Probe gestellt und schwere Entscheidungen getroffen …

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Inhalt

HIMMEL

Prolog

Kapitel 1: Ein paar Tage noch

Kapitel 2: Die Bresche

Kapitel 3: Ein Geheimnis und ein Funke

Kapitel 4: Alte Freunde, neue Feinde

Kapitel 5: Die Macht der Pfannkuchen

Kapitel 6: Das Schnell-rutschiflitschi-Seil des Schreckens

Kapitel 7: Händchen haltende Schatten

Kapitel 8: Heulebeule

Kapitel 9: König Harrows Brief

Kapitel 10: Der Magier im Spiegel

Kapitel 11: Die Falle

Kapitel 12: Der Trick

Kapitel 13: Abstürze und Lernerfahrungen

Kapitel 14: Die Ruthruhtnichtgut

Kapitel 15: Planänderung

Kapitel 16: In den Sturm

Kapitel 17: Gipfel der Pentarchie

Kapitel 18: Verfechter von Liebe und Gerechtigkeit

Kapitel 19: Das Herz des Titanen

Kapitel 20: Das Leben und das Grosswerden

Kapitel 21: Wie ein Fluss

Kapitel 22: Letzte Worte

Kapitel 23: Sich der Bedrohung stellen

Kapitel 24: Der abstürzende Drache

Kapitel 25: In Stücken heimkehren

Kapitel 26: Deine Form der Magie

Kapitel 27: Finstere Konsequenzen

Kapitel 28: In Finsternis

Kapitel 29: König Ezran

Kapitel 30: Drache matscht Mann

Kapitel 31: Veränderungen, mit denen man nicht rechnet

Kapitel 32: Kopf, Hand und Herz

Kapitel 33: Ich bin der Flügel

Kapitel 34: Rauch und Mondschatten

Kapitel 35: Der Mondsteinpfad

Kapitel 36: Nach Xadia hinein

HIMMEL

Es war eine große Welt, und manchmal konnte sie einen einschüchtern.

Das Mädchen war die Enkelin eines berühmten Erfinders, der Flügel aus Wachs gebaut hatte. Aus diesem Grund kannte sie die lehrreiche Geschichte besser als alle anderen. Sie handelte davon, wie ihr Onkel gestorben war, weil er nicht auf die Ermahnungen seines Großvaters gehört hatte: Er war zu nahe an die Sonne herangeflogen, und die Flügel waren geschmolzen.

Das Mädchen sagte zu seiner Mutter, es wolle unbedingt fliegen, mehr als alles andere. Doch die Mutter und alle anderen Erwachsenen meinten zu dem Mädchen, das sei zu gefährlich. Wieder und wieder mahnten sie: Denk an die Geschichte.

Sie hielt dennoch an ihrem Traum fest.

Sie fand die alten Wachsschwingen, die versteckt gewesen waren. Das Wachs war stark genug, die Federn zu halten, aber die heiße Sonne würde es schmelzen. Also verstärkte das Mädchen es, indem sie es mit ihrem stärksten Kleber vermischte. Der würde auch bei Hitze fest bleiben, das wusste sie.

Als die anderen ihre verbesserten Flügel sahen, schrien sie sie an, sie solle das lassen. »Du wirst zu hoch fliegen!«, sagten sie.

Hatten sie Angst, dass sie versagen würde? Oder davor, dass sie Erfolg haben könnte?

Mit etwas Glück und einem starken Wind gesegnet, schlug sie mit den Flügeln. Bald schon war sie in der Luft. Wie frei man sich doch fühlte, wenn man durch den Himmel dahinschoss! Und von so hoch oben sah die Welt … kleiner aus. Nicht klein, sondern genau richtig groß. Und da wusste das Mädchen, es konnte alles schaffen – sogar die Welt verändern.

Prolog

Lieber König Harrow,

ich hoffe, du machst dir nicht zu viele Sorgen um Ezran und mich. Eine Ewigkeit scheint vergangen zu sein, seit wir von zu Hause weg sind, dabei ist es erst eine Woche her. Wir mussten verschwinden, denn wir haben etwas gefunden, von dem die Welt geglaubt hatte, es wäre vernichtet: das Ei des Drachenprinzen! Ich hab versucht, dir davon zu erzählen, aber Lord Viren hat mich daran gehindert, deine Gemächer zu betreten. Also haben Ezran und ich beschlossen, durch die Welt zu reisen, nach Xadia, und das Ei seiner Mutter zurückzubringen. Beut haben wir bei uns, falls du nach ihm suchst. Wir hoffen, dass wir den Krieg aufhalten können, wenn die Drachenkönigin ihr Ei von Menschen zurückbekommt.

Es ist ein Wahnsinnsabenteuer. Ich lerne sogar, wie man zaubert! Seltsamerweise bin ich irgendwie sogar gut darin. Und es fühlt sich gut an, endlich mal gut in etwas zu sein. Seltsam gut.

Auf unserer Reise haben wir einen Haufen Überraschungen erlebt. Nichts lief, wie wir es geplant hatten. Während der letzten Woche haben wir in Wäldern geschlafen, wurden vom Banther-Landsitz gejagt und sind mit einem Ruderboot die Stromschnellen hinuntergesaust. Unten angekommen, griff uns ein Seemonster an: Es fand wohl, Beut wäre der perfekte Snack! Der hat das zwar alles gut überstanden, aber er hatte so große Angst, dass ich ein paar ganz neue Farbtöne bei ihm gesehen hab.

Während eines gewaltigen Schneesturms lag das Ei ein paar Minuten lang in einem zugefrorenen See, und wir dachten schon, alles sei verloren … Doch dann ist etwas Unglaubliches passiert. Wir haben es geschafft, das Ei bis auf die Verfluchte Caldera zu schleppen, wo wir ein paar gute Hinweise bekommen haben, und … Ich will es kurz machen. Die Schale ist aufgebrochen, und wir haben nun noch jemanden, um den wir uns kümmern können: Der Drachenprinz ist hier! Er ist das mächtigste Geschöpf auf der Welt, und er ist wohl das süßeste Wesen, das ich je gesehen hab.

Diese Reise ist nicht immer leicht – tatsächlich ist sie wohl das Schwerste, was ich je gemacht habe. Aber wir müssen sie nicht allein durchstehen. Wir reisen mit einer neuen Freundin: Rayla, ein Mondschatten-Elfenmädchen. Es stimmt nichts von dem, was ich so über Elfen gedacht hab. Rayla ist liebenswürdig und gut. Sie ist furchtlos, schnell und stark …

Aber ich will nicht weiter von ihr schreiben, denn ich muss dir noch etwas sagen. Ezran meint immer wieder, dass du dich bestimmt freuen würdest, wenn ich dich „Papa“ nenne. Ich weiß, du bist nicht mein erster Vater, mein Vater-Vater … Den gibt es nicht mehr. Aber vielleicht hat Ezran recht, und du wärst hiermit einverstanden? Lass mich meinen Brief also noch einmal beginnen.

Lieber Papa,

ich liebe und vermisse dich. Ezran und ich werden gut aufeinander aufpassen, bis wir dich wiedersehen.

Dein Callum

Kapitel 1

Ein paar Tage noch

»Alle kommen, Essen fassen!«

Callum spitzte die Ohren. In seinem Magen, wo Nahrung hätte sein sollen, herrschte quälende Leere. Lujanne schien eine Ewigkeit gebraucht zu haben, um das Frühstück zu machen. War sie nicht eine Magierin? Hätte sich nicht einfach etwas heraufbeschwören können?

Er eilte zu dem langen Holztisch hinüber, der auf der Lichtung stand, nahm Platz und sah sich auf der Caldera nach Rayla um. Es war immer noch ein komisches Gefühl, mit einem Mondschatten-Elfen befreundet zu sein, insbesondere mit einer Attentäterin, die geschickt worden war, um seinen kleinen Bruder umzubringen. Doch Ezran und er – die beiden Prinzen von Katolis – waren noch am Leben, und nun gehörte Rayla zu seinen besten Freunden aller Zeiten. Er sah sie allerdings nirgends. Vielleicht schlief sie ausnahmsweise mal aus.

»Morgen, Callum«, sagte Ezran, der nach ihm eintraf. »Junge, hab ich Hunger. Aber ich glaub, Beut hat sogar noch größeren Hunger.« Ezran deutete auf die Leuchtkröte zu seinen Füßen.

Callum schaute Beut an. Die Fähigkeit seines kleinen Bruders, wahrzunehmen, was in Tieren vorging, war immer wieder erstaunlich. Gewöhnlich konnte zwar auch Callum selbst Beuts Stimmung an seiner gegenwärtigen Färbung ablesen, aber die war immer noch gelb mit blaugrünen Sprenkeln – Beut war so grantig wie eh und je (alle, die Beut besser kannten, wussten natürlich, dass sich hinter seiner Fassade des »Griesgrams« Loyalität, Mut und sogar eine mürrische Art von Liebe verbargen).

»Ach, seine Haut hat ihn nicht verraten«, meinte Ezran. »Und auf Leuchtkrötisch hat er’s mir auch nicht gesagt, sondern in der Sprache, die alle verstehen – mit einem Magenknurren!« Ezran kicherte. »Aber ich glaub, Zym hat von allen den größten Hunger.«

Azymondias, der Drachenprinz, den sie alle »Zym« nannten, kam zu Ezran und Callum herübergetollt. Vor einer Woche hatte dieser hinreißende, welpenhafte Drache mit den langen Wimpern und dem sanften Herzen noch in einem Ei gesteckt. Und nun war er geschlüpft und bei bester Gesundheit! Es war etwas schwer zu glauben, dass es Zyms Bestimmung sein sollte, zu einem mächtigen, epischen Erzdrachen heranzuwachsen. Callum tätschelte ihm den Kopf, und Zym fing sofort an, an seinen Fingern zu knabbern.

»Geduld, Kumpel«, sagte Callum. »Frühstück kommt gleich.«

»Brr! Ava! Komm zurück, Mädchen!«

Eine riesige Wölfin kam auf die Lichtung geprescht, gefolgt von Ellis. Ellis war das mutige Mädchen, das sie auf die Verfluchte Caldera geführt hatte, auf der Suche nach der Mondmagierin Lujanne. Die hatte vor Jahren Ellis’ Haustier geheilt, die Wölfin Ava. Sie war riesig, aber dennoch so zahm (und so flauschig) wie ein Kätzchen. Infolge einer alten Verletzung fehlte ihr ein Bein, aber sie schien es weder zu bemerken noch sich etwas daraus zu machen. Sie schleckte Zym längs über die Wange.

Callum seufzte. Sie hatten Glück gehabt, auf ihrer Reise so viele neue Leute und Wesen kennenzulernen. Schließlich wäre Zym vielleicht nie ausgeschlüpft, wären sie nicht Ellis, Ava und Lujanne begegnet.

Doch Callum hatte noch einen Grund, sich glücklich zu schätzen: Er würde gleich das verlockendste Festmahl verzehren dürfen, das er je gesehen hatte.

»Elfen und Menschen hierher.« Lujanne zeigte auf den geschmückten Tisch. »Alle mit drei oder mehr Beinen können sich da drüben hinsetzen, bei Phö-Phö.« Sie deutete auf eine Lichtung in der Nähe, wo ihr Haustier, der riesige Mondphönix, stand. Phö-Phö bewachte vier große Schalen mit ihren ausgebreiteten Federn, doch Callum konnte erkennen, dass sie randvoll mit wimmelnden Wurmdingern waren. Ava, Zym und Beut hüpften zu ihr hinüber und stürzten sich sofort auf das Futter.

»Du hast dein Haustier ›Phö-Phö‹ genannt?«, fragte Ellis Lujanne mit ihrer piepsigen Stimme.

»Sie ist ein Mond-Phönix«, sagte Lujanne. »Ihr Name ist die Abkürzung von Phönix-Phönix.«

Phö-Phö krächzte und schlug mit ihren strahlend blauen Schwingen, als sie ihren Namen hörte.

»Können wir probieren, was wir wollen?« Callum blickte gierig zu einem Schokoladenkuchen mit Glasur hinüber. Ezran hatte sich bereits an einer Platte voller Kekse bedient, aber Callum wollte nicht unhöflich sein.

»Natürlich, mein Lieber«, sagte Lujanne. »Bedient euch einfach.«

»Du hast das beste Essen hier oben«, meinte Ezran mit vollem Mund, Kekse in beiden Händen. »Was ist dein Geheimnis?«

»Nun ja …«, fing Lujanne an. Sie tippte sich mit einem langen, formschönen Fingernagel gegen die gebräunte Wange. Ihr Mundwinkel zuckte. »Mein Geheimnis ist, dass das alles nicht echt ist.« Sie lächelte.

»Nicht echt?«, fragte Callum. »Wie meinst du das?« Er hatte die Zähne in eine knusprige geschichtete Pastete geschlagen. Nichts hatte je flockiger, buttriger, ergötzlicher geschmeckt als dieser delikate Turm der Verzückung.

»Du weißt schon, nicht echt eben«, sagte sie. »Es sind köstliche Illusionen.«

Callum nickte kauend, obwohl er keine Ahnung hatte, wovon Lujanne redete.

»Eigentlich esst ihr gerade Raupen.« Lujanne lächelte süß.

Callum hielt mitten im Bissen inne. Dann legte er die exquisite Leckerei, die er in Händen hielt, zurück auf den Tisch. Er versuchte, sich auf das Gefühl zu konzentrieren, wie das Essen im Mund schmolz, das flockige Glück, doch nun, da er wusste, dass es sich um einen Zauber handelte, nahm er allmählich die sich windenden Larven wahr, die offenbar von einer Illusion getarnt gewesen waren.

»Oh, du meinst bestimmt ›wie die Raupen‹?«, fragte Ezran und strich sich ein paar lange dunkle Locken aus den Augen. »Wie in: ›Guck mal, die fressen ja wie die Raupen!‹«

Callum warf Ezran einen Seitenblick zu. Sein kleiner Bruder aß immer noch mit Genuss. Er wollte ihm erklären, dass es beim Wort Raupen kein kulturelles Missverständnis geben konnte, aber ihm war zu übel.

»Äh … nein«, sagte Lujanne. »Siehst du, was Phö-Phö da frisst?«

Callum blickte zum Haustierbereich hinüber, wo die vier Tiere die Schnauzen in wuselnden Larven vergraben hatten. Callum konnte nur hoffen, dass Ezran den letzten Bissen noch hinunterschluckte, ehe er der unerfreulichen Wahrheit gewahr wurde.

»Die Schale Würmer da?«, fragte Ezran vorsichtig.

»Das sind Raupen«, sagte Lujanne. »Technisch gesehen keine Würmer, sondern Insektenlarven. Extrem nahrhaft!«

Ezran hielt sich den Bauch. In seiner Nähe kaute Ellis weiterhin auf etwas herum, das wie ein Stück Blaubeeren-Schokoladen-Kuchen aussah.

»Ist mir egal«, meinte Ellis. »Würmer. Fliegen. Der Müll von gestern. Dieser Illusionskuchen ist der beste, den ich je hatte.« Sie schnitt sich noch eine Scheibe ab, während Ezran sich leise ins Gras übergab.

»Hallo, alle zusammen!« Rayla sprang von einer Erhöhung herunter und winkte mit beiden Armen.

Rayla! Callum stand auf, denn er wollte dringend die ganze Raupensache hinter sich lassen.

»Na, du hast ja gute Laune«, sagte Ellis zu Rayla.

»Schon ein schönes Gefühl, wieder zwei funktionierende Hände zu haben.« Rayla wackelte vor Aufregung mit den spitzen Ohren. Dann fiel ihr Blick auf Ava mit ihren drei Beinen, und sie wirkte ein wenig verlegen. »Äh, nichts für ungut, Ava.« Aber Ava hechelte nur glücklich und kehrte zu ihren Raupen zurück.

»Wisst ihr was, Leute? Ich kann wieder mit beiden Schwertern schritzen und schratzen.« Rayla schwang sich auf einen zerklüfteten Felsen und wirbelte ausgelassen ihre beiden Klingen herum. Dann ließ sie sie rasch wieder einfahren. »Außerdem kann ich klatschen, Handstand machen – und diese eine Pose, die man macht, wenn man ’ne tolle Nummer gezeigt hat.« Rayla klatschte, warf sich in einen perfekten Handstand und endete formvollendet auf den Füßen, beide Arme emporgereckt.

»Das ist so toll, Rayla!«, rief Ezran aus.

Callum war erleichtert, dass ihre Hand wieder ganz geheilt war. Noch vor wenigen Tagen war sie auf verstörende Weise dunkelpurpurfarben gewesen, eingeschnürt von dem Band am Handgelenk. Rayla hatte sich magisch verpflichtet, den Menschenprinzen umzubringen, Ezran. Da hatten sie sich natürlich noch nicht gekannt. Als Rayla beschlossen hatte, dass sie ihrer Attentäterpflicht nicht nachkommen würde, war die unzerstörbare Bindung immer straffer geworden, bis es so ausgesehen hatte, als würde die Hand demnächst abfallen. Doch der kleine Drache Zym hatte das Problem gelöst, indem er das Band einfach mit seinen Babyzähnen durchgenagt hatte! Leicht für ihn, aber für jeden ein wahres Wunder, der kein legendärer Drache war.

»Und wie geht es euch allen?«, fragte Rayla und hielt sich die nun gesunde Hand ans Ohr.

Es erklang ein Chor aus enthusiastischen Antworten.

»Freut mich, dass es allen gut geht!« Sie blickte sich schelmisch um. Dann wandelte sich ihre Stimme von verspielt zu todernst. »Wir müssen nämlich los.«

»Was? Warum?«, fragte Callum. »Wir sind doch gerade erst beim Mondnexus angekommen.«

Alle anderen ächzten zustimmend. Callum hatte geglaubt, das Drachenei gerettet und ausgebrütet zu haben, würde ihm wenigstens drei oder vier Tage voller Ruhe und Entspannung einbringen.

Doch Rayla beachtete das Gejammer nicht weiter. »Gefahr ist auf dem Weg zu uns, das weiß ich«, erklärte sie. »Je länger wir hier bleiben, desto höher ist das Risiko. Ich will euch keine Angst machen, ich bin nur realistisch.«

»Sie hat recht«, sagte Lujanne. »In der Nacht, da der Drachenprinz geboren wurde, habe ich gespürt, dass etwas nicht stimmt.« Sie schüttelte den Kopf. »Diese seltsamen violetten Irrlichter in jener Nacht wurden von dem neugeborenen Drachen angezogen. Hübsch waren sie ja, aber es steckten dunkle Mächte dahinter, die euch nun wahrscheinlich verfolgen.«

»Niemand mag dunkle Mächte! Und darum …« Rayla schwang beide Hände in Richtung des Rückwegs, um zu signalisieren, dass sie aufbrechen mussten.

»Du lässt keine Gelegenheit mehr aus, deine zwei Hände zu nutzen, was?«, fragte Ezran.

Callum lächelte. Sein kleiner Bruder hatte den Sinn für Humor von seiner Mutter geerbt. Ihre Witze waren oft von einem ermutigenden Lächeln begleitet gewesen, wie nun auch Ezrans.

»Darauf kannst du Gift nehmen«, sagte Rayla. »Außerdem haben wir eine kostbare Fracht abzuliefern. Ein Krieg zieht herauf, wie die Welt ihn noch nicht gesehen hat, es sei denn, wir bringen den Babydrachen heim zu seiner Mutter.«

»Aber Zym … ist doch noch so klein«, meinte Ezran. »Er muss erst lernen, wie man fliegt.«

»Ez hat recht.« Auch Callum war abgeneigt, die relative Sicherheit des Mondnexus zu verlassen, solange Zym noch so verletzlich war. Außerdem hoffte er, dass er hier ein wenig Mondmagie lernen konnte.

»Ezran, du scheinst eine besondere Verbindung zu dem Drachenjungen zu haben«, sagte Lujanne nachdenklich. »Vielleicht könntest du ihm das Fliegen beibringen?«

»Ich?«, fragte Ezran. »Aber ich weiß doch auch nicht, wie man fliegt.«

Callum nickte seinem kleinen Bruder aufmunternd zu. Sicher war Ezran der Richtige für die Aufgabe, auch wenn ihm die Flügel fehlten.

»Ich kann’s ja mal versuchen«, sagte Ezran schließlich.

»Schön«, meinte Callum. »Wir werden als Gruppe stärker sein, wenn Zym fliegen kann. Und noch stärker, wenn ich mehr Magie beherrsche. Vielleicht könntest du mir ein bisschen Mondmagie beibringen, Lujanne?«

»Ich kann dir ein paar Sachen zeigen.«

»Ääähm, Lujanne, ich dachte, du wärst auf meiner Seite«, sagte Rayla. »Dunkle Kräfte, violette Irrlichter, weißt du noch?«

Lujanne zuckte unverbindlich mit den Schultern.

»Noch ein paar Tage, Rayla – um mehr bitten wir ja nicht«, flehte Callum. »Ich hab meinem Stiefvater einen Brief geschrieben, um ihn in allem auf den neuesten Stand zu bringen. Ich glaub, es gibt eine echte Chance, dass er uns Hilfe schickt, wenn er kann. Das sollten wir noch abwarten.«

»Ein Brief an deinen Stiefvater?«, fragte Rayla. »Den … König?«

»Ja, das habe ich gesagt.« Callum fiel auf, dass Rayla blasser war als sonst. Sie konnte sicher auch eine Pause vertragen.

»Na schön«, gab Rayla nach. »Wir bleiben einen zusätzlichen Tag – einen! Aber ich meine das ernst mit der Gefahr. Ich geh weiter auf Patrouille. Und alle anderen halten die Stellung und bleiben wachsam.« Sie blickte sie der Reihe nach eindringlich an. Schließlich kam sie bei Zym an. »Abgesehen von dir. Du hältst keine Stellung, sondern siehst zu, dass du in die Luft kommst!« Sie flatterte mit den Händen, als wären es Flügel, und der Babydrache schien zur Antwort zu lächeln.

Callum war froh, dass Rayla weiter auf Streife gehen würde, um sie zu beschützen. Noch froher war er jedoch, dass er nun vielleicht genug Zeit haben würde, ein bisschen Mondmagie zu lernen.

Kapitel 2

Die Bresche

Gren wird die Prinzen finden und beschützen. Das muss er einfach.

Dieser eine Gedanke ging General Amaya durch den Kopf, als sie in aller Eile von Katolis in Richtung Bresche aufbrach. Sie hatte ihren treuen Dolmetscher Commander Gren mit der Sicherheit der Prinzen betrauen müssen. Denn ohne ihre Führung würde die Bresche, der geheime Zugang zu den magischen Landen Xadias, angreifbar werden.

Sie grub ihrem Pferd die Fersen in die Flanken, bis der Rhythmus der Hufe auf dem Boden beinahe so schnell hämmerte wie ihr Herzschlag. Die Bresche zu beschützen, war eine gewaltige Verantwortung. Vor Jahrhunderten, nachdem alle Menschen aus Xadia vertrieben worden waren, war der Kontinent wortwörtlich zweigeteilt worden: Die großen Drachen hatten eine tiefe Furche in die Erde gebrannt und sie mit einem Strom aus geschmolzener Lava gefüllt. Die Menschen hatten jedoch eine Entdeckung gemacht: Unter einem monumentalen Lavafall sprang eine schmale Felskante vor und bildete einen tückischen Pfad über den geschmolzenen Fluss hinweg – eine einzigartige, geheime Verbindung mit Xadia! Die Bresche war ein streng gehütetes Geheimnis des Königreichs Katolis, und Menschen kontrollierten Außenposten auf beiden Seiten des Übergangs. Es war von kritischer Bedeutung, dass Elfen und Drachen niemals von diesem Geheimweg erfuhren, der die Kluft im Kontinent überwand.

Amaya verlangsamte ihr Pferd, als sie der Bresche näher kam. Um den Außenposten auf der Xadianer Seite zu erreichen, musste sie diesen Pfad nehmen, der in der Felswand selbst verborgen lag.

Als sie ihn erreichte, war der Himmel stockdunkel, und man konnte kaum glauben, dass Morgen war. Vorsichtig ritt sie vorwärts und suchte die Landschaft nach allem ab, was womöglich nicht stimmte.

Amaya war taub geboren, hatte jedoch gelernt, in Situationen wie diesen mit ihren Augen zu hören. Sie nahm jedes Detail und jede Bewegung in sich auf, und seien sie noch so klein. Ihr Geist konstruierte eine perfekt detailgetreue Karte von allem vor und hinter ihr – und natürlich in jede andere Richtung –, sodass sie Veränderungen oder Variationen sofort bemerkte.

Sie brachte ihr Pferd dazu, sich einmal im Kreis zu drehen, und hielt Ausschau nach allem, was wichtig sein konnte. Dabei sah sie sich vor, dem Dampf aus dem Weg zu gehen, der immer wieder aus Ritzen im Boden hervorschoss. Waren die Ohren ihres Pferdes soeben nach links gezuckt?

Amaya ließ ihren Blick in diese Richtung schnellen und ritt langsam auf einen großen Schlot zu. Viel Dampf drang nicht aus dem Loch hervor, gemessen an seiner Größe. Sie stieg ab und beugte sich nach vorn, um es sich genauer anzusehen. Das ist eigenartig …

Plötzlich spürte sie hinter sich Vibrationen im Boden. Das waren eindeutig nicht die Hufe ihres Pferdes. Sofort sprang sie ab und wirbelte herum: Drei Gestalten waren ihr den Pfad entlang gefolgt. Alle drei trugen feuerrote Rüstungen, die ihre mahagonifarbene Haut betonten. Amaya erkannte sie sofort.

Sonnenfeuer-Elfen.

Die Krieger hoben ihre Schwerter und stürmten auf die Generalin zu.

Sie waren feurige, entschlossene Elfen, und es stand drei gegen eins, doch Amaya, mit ihrer Stärke, ihrer Erfahrung und dem mächtigen Schild, übertraf sie alle drei. Einen nach den anderen trieb sie zum Rand des Wegs, bis er schreiend in die feurigen Fluten hinabstürzte.

Außer Atem, aber auf der Hut, blickte Amaya auf. Anscheinend war sie noch nicht fertig.

Ein Stück entfernt stand eine Kriegerin mit einem goldenen Kopfschmuck, und ihre Rüstung funkelte im Feuerschein. Das goldgelbe Gesicht ließ ihre dunkelbraunen Augen deutlich hervortreten. Grimmig blickte sie Amaya entgegen, eine Hand auf dem Schwert, stand jedoch reglos da, ruhig und selbstbewusst. Amaya war sicher, dass sie zu den Sonnenfeuer-Rittern gehörte, den besten Kämpfern Xadias. Sie spürte einen kurzen Anflug der Einschüchterung, doch dann machte sie sich bereit für den Kampf.

Sie blickten einander in die Augen. Dann, mit langsamer, ruhiger Hand, griff die Ritterin nach ihrem Schwert, das in einer Scheide voller Runen steckte. Amaya presste die Zähne aufeinander: Die Waffe hatte eine jener glühenden Sonnenschmieden-Klingen. Es war eine der seltensten Waffen auf der Welt, und ihre Hitze allein konnte einen umbringen.

Plötzlich kam es Amaya so vor, als würden die Ritterin und sie einander schon seit Stunden taxieren – es war Zeit, zur Tat zu schreiten.

»AAAAAAAAAH!«, schrie sie, senkte den Kopf und griff die Ritterin an.

Die beiden Kriegerinnen prallten aufeinander. Die Sonnenschmieden-Klinge schnitt durch Amayas Schwert wie durch Butter und schlug die Klinge entzwei. Amaya würde sich nun auf ihren Schild verlassen müssen.

Die Ritterin attackierte Amaya mehrmals und schwang dabei ihr schweres Schwert mit Leichtigkeit. Die Generalin wich jedem der gefährlichen Hiebe aus, doch die Klinge leuchtete in einem so hellen Orange, dass es sie beinahe blind machte. Einmal traf sie auf den Schild und hinterließ eine schwelende Scharte.

Das Selbstvertrauen der Sonnenfeuer-Ritterin schien mit jedem Schlag zu wachsen. Doch wer sich unverwundbar fühlte, vernachlässigte manchmal seine anderen Sinne – ein Fehler, den Amaya selbst niemals begehen würde.

Deine Klinge mag unbezwingbar sein, dachte Amaya, während sie den Schwingern auswich. Doch du bist es nicht. Sieh zu und lerne.

Sie wartete auf den richtigen Moment, bis sie ein wenig Abstand zu der Ritterin hatte. Dann warf sie sich in die Brust und winkte ihre Gegnerin zu sich.

Die Ritterin biss auch tatsächlich an. Als sie heranstürmte, war Amaya bereit: Sie verpasste ihr einen Seitwärtstritt in den Torso, der sie zurückschleuderte. Die Ritterin landete auf dem Rücken und kam eine Handbreit von der Lava entfernt rutschend zum Liegen.

Es war immerhin ein kleiner Triumph. Doch Amaya wusste, dass sie mit ihren Waffen der Sonnenschmieden-Klinge nicht ewig würde standhalten können. Sie nutzte die Gelegenheit, sprang auf ihr Pferd und ritt auf demselben Weg zurück, auf dem sie gekommen war.

»Drachen!«, sagte Viren und rammte die Fäuste auf den Schlachtplanungstisch. »Die Bedrohung durch Xadia wächst jeden Tag. Wacht endlich auf!«

Es war früher Morgen, aber er war schon seit Stunden wach und überlegte sich Strategien, tat etwas für die Zukunft des Königreiches. Ein paar der anderen Ratsmitglieder rieben sich noch den Schlaf aus den Augen.

Viren, der Hochmagier, hatte diese Ratssitzung im Thronsaal einberufen, um die nächsten Schritte für das Königreich Katolis zu besprechen. Die Prinzen waren beide verschwunden; der Thron war verwaist, und es gab keinen klaren Nachfolger. Der Rat würde ihn anhören. Er würde ihnen allen klarmachen, dass der Anschlag auf König Harrow nur der erste Vorfall war und sicher ein ausgewachsener Krieg daraus hervorgehen würde.

»Es wurden beängstigende Schatten in den Wolken gesichtet, hoch über den Städten und Dörfern von Katolis – Kriegsdrachen!«

Ein skeptisches Ratsmitglied machte eine wegwerfende Handbewegung. »Nun aber mal langsam – Kriegsdrachen?

Woher wollt Ihr wissen, dass das ›Kriegs‹-Drachen waren und nicht einfach … Ihr wisst schon, gewöhnliche Drachen?«

Viren lachte verächtlich. Man musste schon arg ignorant sein, um eine solche Frage zu stellen. Er blickte die anderen Ratsmitglieder an und schüttelte den Kopf, ein Versuch, sie auf seine Seite zu ziehen.

»Gigantische zerstörerische Bestien ziehen ihre Kreise am Rande unseres Königreichs«, sagte er. »Das sind nicht unsere Freunde. Es wäre naiv, dem keine Beachtung zu schenken. Sie bereiten sich auf einen Schlag vor. Wir müssen zur Tat schreiten!«

Mit finsterer Miene nahm er das Getuschel zur Kenntnis, das jetzt unter den Ratsmitgliedern ausbrach.

»Nein, wir sollten warten«, sagte Hochklerikerin Opeli schließlich. »Xadia hat Attentäter geschickt, und sie haben dem König das Leben genommen.«

»Ja«, rief Viren aus. Das war doch genau sein Punkt. Wollte Opeli herumsitzen und warten, bis sie wieder angegriffen würden? »Und nun müssen wir Xadia eine machtvolle Antwort bieten.«

»Aber es hat seitdem nicht das kleinste Gefecht gegeben«, sagte Opeli. »Vielleicht war es das ja mit dem Attentat. Sie hatten ihre Rache, und es wird nun einfach … Frieden einkehren. Alles, was wir jetzt tun, könnte die Eskalation einer Lage bedeuten, die sich eigentlich gerade entspannt.«

»Frieden?!«, sagte Viren höhnisch. »Begreift Ihr denn nicht, in welcher Gefahr wir schweben? Generalin Amaya hat berichtet, dass sich Elfenkräfte auf der Xadianer Seite der Bresche sammeln. Wir müssen uns auf Kämpfe einstellen, und alleine werden wir sie nicht zurückschlagen können.« Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Ich kann nur hoffen, dass ich nicht allein mit meiner Ansicht bin: Wir müssen einen Gipfel der Pentarchie einberufen.« Wenn dieser Konflikt eskalierte, das wusste Viren, war von kritischer Bedeutung, dass die Menschenkönigreiche mit vereinter Kraft agierten. Er blickte sich unter den Ratsmitgliedern um und versuchte in ihren Mienen zu lesen.

Opeli bot ihm wie gewöhnlich die Stirn.

»Ihr überschreitet Eure Befugnisse, Lord Viren«, sagte sie. »Nur ein König oder eine Königin kann ein Gipfeltreffen einberufen. Offen gesagt bezweifle ich, dass die anderen Herrscher auch nur einen Blick auf ein Schreiben werden, das nicht das Siegel des Königs trägt.« Sie verschränkte die Arme.

»Aber das hier ist eine Krise von historischem Ausmaß!«, schrie Viren. Wieso verstand Opeli die Bedrohlichkeit der Lage nur nicht? »Die Menschheit sieht womöglich der Auslöschung entgegen, wenn wir nicht gemeinsam mit den anderen vier Königreichen etwas tun!«

»Nichts von alledem spielt eine Rolle, solange wir keinen König haben.« Opeli lehnte sich vor und starrte ihn an, bis er den Blick abwenden musste. »Und darum ist unsere oberste – die einzige – Priorität, die Prinzen zu finden. Bis dahin sind uns die Hände gebunden.«

Ein weiteres skeptisches Ratsmitglied grinste, einer Ansicht mit Opeli. Ein anderes gähnte.

»Es scheint, der Rat ist noch uneins«, sagte Viren, »und vielleicht nicht alarmiert genug, um diese Entscheidung zu treffen.« Er warf dem Gähner einen anklagenden Blick zu. »Der Rat wird wieder zusammentreffen, wenn alle ordentlich auf diese Diskussion vorbereitet sind.«

Er verließ den Saal, ehe jemand protestieren konnte. Was die Prinzen anging, war er anderer Ansicht als Opeli. Seine Hände waren in ihrer Abwesenheit nicht gebunden – ganz im Gegenteil. Doch ein gutes Argument hatte Opeli vorgebracht: Die Aufmerksamkeit der anderen vier Königreiche ließe sich nur mit Briefen erringen, die das Königssiegel trugen.

Viren schritt über den Schlosshof hinweg und stieg die Treppe zu König Harrows Gemächern hinauf. Oben angekommen, schauderte er unwillkürlich: Pfeile, von Elfen wie von Königswachen, staken aus der Tür. Die Wände waren mit getrocknetem, verkrustetem Blut überzogen. Einen Moment lang durchlebte er erneut die Nacht der letzten Schlacht, hörte wieder die Schreie und das Chaos. Er schüttelte den Kopf, um die Traumbilder zu vertreiben. Dann betrat er das Schlafzimmer des Königs.

Zwar hatte jemand versucht, im Turm aufzuräumen, doch das Schlafzimmer des Königs war unberührt geblieben. Das Bett war ungemacht. Harrows Habseligkeiten waren zerbrochen und lagen überall verstreut. Ein Pfeil ragte aus dem gesprungenen Ziffernblatt einer großen Pendeluhr, die stehen geblieben war und noch immer die Zeit des Angriffs zeigte. Die Balkontür stand ein Stück weit offen, und die Vorhänge flatterten sanft in der Brise. In der Ecke saß Pip, der Singvogel des Königs, still in seinem Käfig.

»Freut mich, dass du den Angriff überlebt hast«, sagte Viren zu dem Vogel. Pip gab keine Antwort.

Viren legte sich eine Hand vor den Mund, um einen Schluchzer zu ersticken – und sank auf das ungemachte Bett. Ich vermisse dich bereits so sehr, mein lieber Freund …

Er strich über das weiche Bettzeug, um sich zu beruhigen, doch seine Hand blieb an einem harten Gegenstand hängen: ein kleines Gemälde in einem Rahmen. Er hob es hoch und betrachtete es: Es handelte sich um ein Porträt der königlichen Familie mit Harrow, Königin Sarai, dem jungen Callum und Ezran, noch ein Säugling. Dieses Bild hatte sicher zu dem Letzten gehört, was der König gesehen hatte, bevor die Attentäter gekommen waren.

Viren spürte einen Schmerz in der Brust: ein Gemisch aus Kummer, Reue, Schuld und Verlust. Er kämpfte die Emotionen jedoch nieder, ehe sie so stark anwachsen konnten, dass er die Kontrolle über sie verlor. Er war nicht aus sentimentalen Gründen hier.

Er legte das Porträt wieder aufs Bett. Dann trat er an Harrows Schreibtisch und zog am Griff der mittleren Holzschublade, aus der er den König eine Million Mal Papier und Feder hatte hervorholen sehen.

»Verschlossen«, murmelte Viren. Er schüttelte den letzten Rest Schuldgefühl ab und sprach einen einfachen Zauber. Augenblicklich schoss die Schublade heraus, und Viren sah das königliche Siegel, das neben einem Ball aus rotem Wachs auf einem Stapel Papier lag. Viren steckte alles ein, was er benötigte, und verließ das Gemach.

Kapitel 3

Ein Geheimnis und ein Funke

Am Nachmittag begleitete Callum Lujanne zu einem Ort, den sie als Mondsteinkreis bezeichnete. Sie mussten zweitausend Stufen hinaufgestiegen sein, und das ging so richtig in die Beine, wie Soren vielleicht gesagt hätte. Hätte Callum gewusst, dass er so viel körperliche Energie verbrauchen würde, hätte er sich vielleicht gezwungen, mehr von den als Nahrung getarnten Raupen hinunterzuwürgen.

Nun … Nein, das hätte er dann doch nicht getan.

»Was, du bist nicht beeindruckt?«, fragte Lujanne und breitete die Arme aus.

Callum blickte sich um. Schillernde Wasserflächen umgaben eine Ansammlung von Ruinen – Überbleibsel, die offensichtlich einmal ein mondförmiges Bauwerk gebildet hatten. Ein sprudelnder, wunderbarer Wasserfall reflektierte das Licht des schwach sichtbaren Tagmondes. Es war friedvoll, großartig und übernatürlich. Callum sog die altehrwürdige Erhabenheit der Stätte in sich auf.

»Lujanne, vielen, vielen Dank, dass du dich einverstanden erklärt hast, mir was beizubringen!« Claudia hatte ihm hier und da ein paar Kleinigkeiten über Magie erzählt, aber von einer Elfenzauberin zu lernen, fühlte sich authentisch an, als wäre er ein richtiger Schüler. »Ich kann nicht fassen, dass ich Magie von einer echten Magierin lernen werde.«

»Woher willst du wissen, dass ich echt bin?«, fragte Lujanne geheimnisvoll.

»Äh …« Callum wusste nicht, was er darauf sagen sollte, aber er war bereit, sich alles von ihr gefallen zu lassen, wenn sie ihn nur das Zaubern lehrte.

»Keine Sorge, ich bin echt«, sagte sie und lachte. »Komm, hier entlang.« Callum beeilte sich, mit ihr Schritt zu halten.

»Das ist der Steinkreis«, fuhr Lujanne fort. »Es ist ein besonderer Ort, der eine magische Verbindung zum Mondnexus oben auf der Caldera hat. Vor Tausenden von Jahren, als Xadia noch ein geeintes Land gewesen ist, war dieser Ort die Verkörperung sehr tiefgründiger Magie. Die Architektur, das Design, jeder Aspekt dieser Stätte war selbst ein magisches Symbol, wie bei einer riesigen komplexen Rune. Die Urahnen der Mondschatten-Elfen führten hier fantastische Rituale durch. Willst du mal einen Blick darauf werfen?«

Sie wartete nicht erst auf eine Antwort, sondern begann zu zaubern: »Historia viventem.« Beim Sprechen der alten Worte malte sie eine Rune in die Luft und machte eine ausholende Bewegung mit dem Arm.

Callum wartete still, doch es geschah nichts. Vielleicht ist Lujanne ja doch nicht echt, ebenso wenig wie ihr Raupenbankett …

Plötzlich lief es ihm eiskalt über den Rücken. Er blinzelte, und dann sah er einen der alten Elfen von hinten, anscheinend ein Gespenst. Und soeben war es durch ihn hindurchgeschritten! Dann begannen die rissigen Ruinen, ein elektrisch blaues Licht abzustrahlen. Vor Callums Augen fügten sich die Trümmer wieder zusammen, und die alten Mauerreste wuchsen zu ihrer alten Erhabenheit zusammen, wenngleich sie nur aus schwachem geisterhaften Licht bestanden. Zwei mondhelle Kapellen ragten hoch in den dunklen Himmel auf. Callum war, als täte er einen Blick in die ferne Vergangenheit, wäre Zuschauer einer Begebenheit, die sich vor mehr als tausend Jahren ereignet hatte. Dutzende durchscheinender Elfengeister gingen durch den Phantom-Mondsteinkreis, gefangen in ihrer eigenen Welt.

»Den Legenden zufolge konnten diese alten Elfen die Macht des Steinkreises nutzen, um ein Portal in eine andere Daseinsebene zu eröffnen«, sagte Lujanne. »Das war eine schillernde Welt jenseits von Leben und Tod. Oder vielleicht eine Ebene zwischen Leben und Tod? Jenseits oder dazwischen, in jedem Fall war das eine ziemlich seltsame Ebene, und sehr gefährlich.«

Callum war egal, welche Beschreibung hier eher zutraf; diese Stätte nahm seine Vorstellungskraft gefangen. Eine Welt auf der anderen Seite von Leben und Tod klang wie ein Ort, an dem er vielleicht wieder mit seiner Mutter vereint werden könnte.

Er sah, wie die funkelnden Elfen-Illusionen tanzten. Ein paar spielten schöne Saiteninstrumente.

»Aber jetzt liegt alles in Ruinen«, sagte Callum. »Was ist denn passiert?«

Lujanne ließ den Zauber fallen. Die Illusionen verpufften, und es blieben nur Trümmer zurück.

»Die Monddruiden haben es selbst vernichtet – damals, als Xadia zweigeteilt wurde. Der Mondnexus war zufällig auf der den Menschen zugedachten Seite des Kontinents. Daher erschien es den Monddruiden sicherer, diese magische Stätte unwirksam zu machen.«

»Das ist so traurig.« Je mehr Callum über Krieg hörte, desto weniger Sinn sah er darin. Wegen all dieser Kämpfe konnte sich nun niemand mehr an diesem besonderen Platz erfreuen. Über ein Wiedersehen mit seiner Mutter nachzudenken, war sinnlos: Das Portal hatte sich für immer geschlossen.

»Seit das Portal zu ist, hat es immer einen Wächter des Nexus gegeben – einen Magier wie mich«, sagte Lujanne. »Es ist die Pflicht dieses Wächters, zu verhindern, dass Menschen den Nexus entdecken.«

»Was passiert denn dann?« Callum schauderte bei dem Gedanken daran, dass er damit zu einer sehr kleinen Gruppe gehörte. »Heißt das, du …« Callum zog sich den Finger über die Kehle und schluckte. Lujanne wirkte nett auf ihn, aber so langsam begann er zu glauben, dass jeder zu so gut wie allem fähig war.

Lujanne lachte über seine Frage. »Ach, warum sollte man sie umbringen, wenn man stattdessen ihre Gehirne mit wahnsinnigen Illusionen verwirren kann?«, sagte sie. »Ich hab ein paar echte Hirnschmelzer, da würde dir die Kinnlade runterklappen! Interessiert?«

»Äh, nein, danke.« Ein geschmolzenes Gehirn reizte Callum nicht besonders. Und auf eine heruntergeklappte Kinnlade konnte er auch verzichten.

»Wie du meinst.« Lujanne setzte sich wieder in Bewegung. »Folge mir.«

Während die Sonne unterging, stiegen die beiden den Pfad hinauf, der vom Mondsteinkreis zum Rand der Caldera führte. Lujannes Energie war unerschöpflich – Callum hatte Schwierigkeiten, mitzuhalten.

»Urmagie ist zwar überall«, sagte sie, »aber sie ist mal stärker, mal schwächer, zu verschiedenen Zeiten, an verschiedenen Orten. Der Ozean ist während der Flut am stärksten, der Himmel während eines Sturms. Und der Mond ist am stärksten …«

»Wenn er voll ist!« Callum hatte ein stolzes Lächeln auf dem Gesicht.

»Bitte unterbrich mich nicht«, sagte Lujanne, und Callums Grinsen löste sich in Wohlgefallen auf. »Aber du hast recht. Und da ist noch mehr: Es gibt sechs besondere Orte, wo die Magie der Ur-Energien reiner und mächtiger ist als überall sonst auf der Welt. Und der Nexus ist einer dieser Orte. Da sind wir – sieh!«

Sie wies auf die Caldera, die sich vor ihnen ausdehnte. Es war ein enormer kreisförmiger Krater, gefüllt mit funkelndem blauen Wasser. Callum staunte. Die Caldera war ein Naturwunder. Das klare blaue Wasser schimmerte pink und orange im abnehmenden Nachmittagslicht. Irgendetwas an dem See ließ Callum an den Mond denken.

»Der Mondnexus reflektiert den Mond auf vollkommene Weise«, fuhr Lujanne fort. »Wenn der Mond voll ist, füllt sein Licht den See komplett aus. Mondlicht ist bereits eine Reflexion: Jeder einzelne Lichtstrahl wird vom Mond selbst zurückgeworfen. Der Mond spiegelt die Sonne, so wie der Tod das Leben spiegelt.« Sie schloss die Augen, anscheinend vertieft in ihre tiefsinnigen – wenngleich etwas verwirrenden – Gedanken.

Callum fand die Landschaft durchaus schön und beeindruckend … Aber sie hatte nichts mit dem zu tun, weswegen er Lujanne um Hilfe gebeten hatte. Er brauchte etwas praktische Unterweisung im Wirken von Magie. Also beschloss er, es unumwunden zu sagen.

»Das ist echt toll!«, begann er. »Mehr über Magie zu erfahren, ist großartig. Aber ich möchte, dass du mir ein bisschen Mondmagie beibringst. Vielleicht was ganz Praktisches, Einfaches für den Anfang … Ein bisschen Mondlicht, ein Mondstrahl oder was in der Art?«

Lujanne blickte ihn prüfend an. »Menschen können keine Magie wirken.«

Callum wollte Lujanne gegenüber nicht unhöflich sein, aber sie hatte unrecht. »Äh … Ich hab aber schon Magie gewirkt.«

»Ja, mit einem Urstein«, sagte Lujanne. »Aber dann hast du ihn zerschlagen, und jetzt bist du wieder bloß ein gewöhnlicher Mensch.« Sie kicherte.

Callum spürte, wie ihm die Mundwinkel herabsanken. All seine Hoffnungen für die Zukunft waren dahin.

»Aber du musst auch das Gute sehen.« Lujanne wackelte mit ihren vierfingrigen Elfenhänden, um zu verdeutlichen, was sie meinte. »Ihr Menschen habt diesen Extrafinger, den kurzen. Wie nennt ihr den noch? Kurzen Finger?«

»Ich kenne auch andere Menschen, die zaubern.« Callum blickte dabei deprimiert auf seine nutzlosen kleinen Finger hinunter.

Lujanne holte tief Luft und schüttelte den Kopf. »Diese Praxis bezeichnen wir nicht als Magie.« Offenbar wollte sie die Worte dunkle Magie nicht einmal aussprechen. »Das ist etwas Grässliches.«

Callum ließ den Kopf hängen. »Das kann doch nicht sein. Ich dachte, Magie sei … mein Ding. Ich war gut darin.«

»Ich glaub, du könntest ein Stück Kuchen vertragen.« Lujanne hatte plötzlich ein köstlich aussehendes Stück Vanillekuchen in der Hand.

»Das ist in Wirklichkeit ein Teller voller Würmer«, sagte Callum.

»Oh. Du bist zu schlau für die Illusionen der alten Lujanne.« Sie ließ den Kuchen hinter ihrem Rücken verschwinden und zückte sogleich eine Schale. »Wie wäre es dann mit einem schönen altmodischen Eis? Hmm?«

Unterdessen bereitete sich Ezran weiter unten auf der Verfluchten Caldera darauf vor, Zym eine Flugstunde zu geben. Ava und Ellis waren mitgekommen, um der Übung zuzusehen, und Ezran verspürte Erfolgsdruck. Beut war auch da, einen strengen Ausdruck auf dem Gesicht.

Ezran setzte Zym auf einen kleinen Felsbrocken und machte sich bereit, mal ernsthaft, aber dennoch freundlich mit dem kleinen Drachen zu reden. Es fiel ihm jedoch schwer, sich zu konzentrieren, da Beut ihn so ansah. War er vielleicht eifersüchtig? Ezran hatte gedacht, die Leuchtkröte würde ein grünliches Licht abstrahlen, wenn sie ernsthaft eifersüchtig war, aber es konnte nicht schaden, sie dennoch ein wenig zu besänftigen.

»He, Beut, du weißt, dass du mein bester Kumpel bist, oder?«, fragte er. »Ich kenne dich praktisch schon ewig.« Als er Beut unterm Kinn kraulte, hörte der auf, ihn so brummig anzustarren.

Zym blickte aus großen, unschuldig wirkenden Augen auf das kleine Publikum herab.

»So, Zym. Jetzt ist es Zeit, sich ordentlich ins Zeug zu legen«, sagte Ezran und stemmte die Hände in die Hüften.

Beut murrte zustimmend.

»Fliegen ist was Natürliches und Schönes«, meinte Ezran. »Das heißt aber nicht, dass es leicht ist …«

Wieder pflichtete ihm Beut mit einem Knurren bei. Diesmal drehte sich Ezran zu ihm um. »Du musst das nicht die ganze Zeit machen«, sagte er.

Beut verengte die Augen und brummte trotzig, was Ezran in weiser Voraussicht ignorierte. Wenn sein Vater wollte, dass er irgendeine Kleinigkeit, die ihn ärgerte, nicht weiter beachtete, sagte er gern: »Kämpfe nur, wenn es sich auch lohnt.« Das hier schien einer dieser Momente zu sein.

»Bereit, Zym?«, fragte Ezran. »Flügel ausgestreckt! Und … FLATTERN!« Er breitete die Arme aus und demonstrierte das Flattern so gut, wie es einem Menschen möglich war. »Komm schon, du musst mit den Flügeln schlagen!« Er sprang auf und ab, doch Zym schien nicht zu begreifen, worauf Ezran hinauswollte. Der kleine Drache legte den Kopf schief … und fiel hin, weil sein Kopf so schwer war!

Ellis lachte. Beut rollte mit den Augen.

»Oh nein … Geht es dir gut?«, fragte Ezran, half Zym auf und stellte sicher, dass der Drache seinen Kopf gerade hielt.

»Noch einmal. Wir versuchen es schön langsam. Flaaaa… tteeeer …« In Zeitlupe hob und senkte er die Arme. Diesmal wackelte Zym zur Antwort mit den Ohren und grinste.

Ezran lachte. »Das ist zwar nicht Fliegen, aber ein sehr, sehr guter Anfang!« Von seinem Vater hatte er auch die Macht des Zuspruchs gelernt.

»Das war ein guter Versuch!«, rief Ellis.

Zym sprang auf Ezran herab und leckte ihn ab. Ezran giggelte.

Doch dann spürte er Blicke auf sich und hörte auf. Langsam wandte er sich um: Beut hatte den Grad seines Starrens von intensiv zu superintensiv gesteigert. Wie konnte eine Leuchtkröte mit einem einzigen Blick nur so viel Abscheu ausdrücken?

»Machen wir eine Pause«, sagte Ezran. »Alle treffen sich in zehn Minuten wieder hier. Ich hab eine Idee.«

Etwas später kehrte Ezran zum Flugübungsfelsen zurück. Er wusste selbst nicht, wie man fliegt, daher war ihm der Gedanke gekommen, dass er für Zyms Einweisung lieber jemanden finden sollte, der Erfahrung damit hatte. »Und … da sind wir wieder. Diesmal haben wir einen besonderen Gast dabei. Sie ist mystisch, magisch und mondgestärkt, und sie weiß, wie man fliegt. Bitte heißt herzlich willkommen: Phö-Phö!«

Ellis klatschte, als Lujannes Mondphönix anmutig vortrat.

»Bereit, Phö-Phö?«, fragte Ezran. »Zeig ihm, wie’s geht.«

Phö-Phö breitete ihre enormen blauen Schwingen aus und flatterte damit. Nahezu mühelos hob sie ab.

»Siehst du? Es ist ziemlich leicht.« Ezran war nicht ganz wohl dabei, das zu sagen, schließlich hatte er selbst keinen Schimmer. Aber Zym imitierte Phö-Phö und spannte versuchsweise die Flügel auf.

»Ja, so ist’s richtig!«, meinte Ezran. Wenigstens hatte Zym nun begriffen, worum es beim Fliegen ging. »Jetzt zeige ich dir, wie sich das anfühlt, wenn man fliegt.« Er hob Zym, der die Flügel weiterhin ausbreitete, über den Kopf. Dann fing er an, im Kreis zu rennen. »Siehst du? Spürst du es? Fühlst du das Wuusch der Luft unter deinen Flügeln?«

»Oooooo-eeeeeee«, zirpte Zym.

»Er schafft es«, sagte Ellis. »Er ist toll!«

»Ja, ja … Er ist toll«, bestätigte Ezran und rannte schneller und schneller. Er würde es schaffen und diesem Babydrachen das Fliegen beibringen. Auf dem Höhepunkt seiner Aufregung beschloss er, es Zym einmal allein probieren zu lassen. Es wurde Zeit, dass er sich in die Lüfte emporschwang.

Ezran sprintete mit Vollgas vorwärts, dann bremste er plötzlich und ließ Zym los. Flieg, Zym, flieg!, dachte er.

Einen Augenblick lang schlingerte der Babydrache durch die Luft. Es sah wirklich so aus, als würde er fliegen! In Wahrheit trug ihn jedoch nur der Schwung weiter, weil Ezran plötzlich stehen geblieben war. Ein paar Augenblicke später …

Plllummmppppps. Zym landete in einem Gebüsch und verschwand zwischen den Blättern.

»Ezran!«, rief Ellis. »Du hast den Drachenprinzen umgebracht!«

»Oh nein!« Ezran lief zu den Büschen hinüber und durchsuchte sie fieberhaft. »Ich bin so dumm. Oh nein, oh nein, oh nein!«

Endlich förderte er einen benommenen Zym zutage.

»Es tut mir so leid, Zym«, sagte Ezran. »Ich wollte dir nicht wehtun, versprochen. Geht’s dir gut?«

Auf Zyms Gesicht zeigte sich ein breites Grinsen, und er hechelte glücklich. Ezran drückte ihn an sich.

Als er sich wieder löste, bekam er mit, wie Beut in Phö-Phös Richtung mit den Augen rollte.

Ezran musste sich mehr Mühe geben.

»Komm schon, Kumpel«, sagte Ezran. »Versuchen wir es noch mal.«

Am Abend kehrte Callum zum Lager zurück. Nach all der Zeit, die er mit Lujanne verbracht hatte, freute er sich wahnsinnig darauf, Rayla, Ezran und Zym zu sehen.

Es stellte sich jedoch heraus, dass Rayla gerade aufbrechen wollte.

»He … Wo willst du hin?«, rief Callum ihr zu, als sie über den Hof sprintete.

»Ich muss nach dunklen Mächten Ausschau halten«, rief Rayla zurück.

Callum blickte ihr nach. Er wünschte nur, sie müsste nicht immer wieder ihr Leben für sie alle riskieren.