Drei kleine Buchläden am Ende der Welt - Ruth Shaw - E-Book

Drei kleine Buchläden am Ende der Welt E-Book

Ruth Shaw

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Beschreibung

Die Fortsetzung des Überraschungsbestsellers

„DER BUCHLADEN AM ENDE DER WELT“ hat Leser auf der ganzen Welt bewegt und inspiriert. Nun nimmt uns Ruth Shaw erneut mit auf eine Reise durch ihr erfülltes, aber nicht immer einfaches Leben – und in ihre winzige Bücherwelt ganz weit im Süden Neuseelands. Aus dem kleinen Buchladen sind inzwischen drei geworden. Abwechselnd erzählt Ruth von den herzergreifenden Begegnungen in ihrer kleinen Bücherwelt und davon, wie es in ihrem Leben weiterging, nachdem sie ihren Sohn und ihre große Liebe Lance wiedergefunden hatte. Ein Buch, mal berührend, mal traurig, mal voller Lebensfreude. Geschichten über die Höhen und Tiefen des Lebens, die wärmen und glücklich machen wie es eben nur ein gutes Buch und eine Tasse dampfenden Tees können.

  • Die Fortsetzung des internationalen Bestsellers
  • Ein kleiner Buchladen als Mikrokosmos des Lebens
  • Eine berührende und abenteuerliche Lebensgeschichte

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Seitenzahl: 318

Veröffentlichungsjahr: 2025

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RUTH SHAW

DREI KLEINE BUCHLÄDEN AM ENDE DER WELT

Aus dem Englischen von Elsbeth Ranke

Die englische Originalausgabe ist unter dem Titel

„Three Wee Bookshops at the End of the World“ bei Allen & Unwin in Sydney und Auckland erschienen

© Ruth Shaw, 2025

Drei kleine Buchläden am Ende der Welt

1. Auflage 2025

ISBN 978-3-616-03541-3

© MAIRDUMONT, Marco-Polo-Str. 1, 73760 Ostfildern

Alle Rechte vorbehalten

Übersetzung: Elsbeth Ranke

Lektorat: Christin Ullmann

Umschlaggestaltung: Saskia Nicol und Birgit Kohlhaas

Satz: typopoint GbR, Ostfildern

Fotos Umschlagklappe, Schmutztitel: zur Verfügung gestellt von Ruth Shaw

www.dumontreise.de

Dieses Buch ist für Jo und Nelson, Sally und Jenny, Wilma und Renee und Jeongeun.

INHALT

Prolog

KAPITEL 1 Die Segelregatta Auckland-Suva

KAPITEL 2 Durchbruch auf Breaksea Island

KAPITEL 3 Zurück in die Nacht

KAPITEL 4 Wer warst du, Rita?

KAPITEL 5 Tauchen? Niemals!

KAPITEL 6 Unser Beitrag zum Verbot der Treibnetzfischerei

KAPITEL 7 Transvestiten oder Fritten?

KAPITEL 8 Quer über die Tasmansee – nie wieder!

KAPITEL 9 Auntys letzte Reise

KAPITEL 10 Aufrecht wie die Bäume

KAPITEL 11 Onkel Bryans Elefantenhoden

KAPITEL 12 Wer war Dmitri?

KAPITEL 13 Endlich Bären

KAPITEL 14 Designer-Vagina

KAPITEL 15 Mein alter Dad

KAPITEL 16 Runter in die Subantarktis

KAPITEL 17 Höchste Zeit für unsere Hochzeit

KAPITEL 18 Arrest in Dubai

KAPITEL 19 Leb wohl, Moskau

KAPITEL 20 Die alljährliche Otago Cavalcade

KAPITEL 21 Der Zoo im Garten

KAPITEL 22 Sucht

KAPITEL 23 Coves letztes Kapitel

KAPITEL 24 Nicht so einfach, grün zu sein

KAPITEL 25 Die alte Frau am Ende der Welt

Dank

Über die Autorin

Das Buch

PROLOG

Wie oft hatte mein Mann Lance schon zu mir gesagt, ich solle meine Geschichte aufschreiben? Ich weiß es nicht mehr, jedoch hörte ich das seit Jahren. Aber erst, als Jenny Hellen vom australischen Verlag Allen & Unwin an mich herantrat, fand ich das Selbstvertrauen, um ernsthaft mit dem Schreiben zu beginnen.

Ich hatte dicke Ordner mit Kurzgeschichten, die ich schrieb, seit ich 20 war. Ich schrieb Kindergeschichten für die Zeitung in Neuguinea, als ich in Rabaul lebte; ich gewann einen Kurzgeschichten-Wettbewerb im australischen Bundesstaat New South Wales, und ein paar Jahre danach wurde ich für eine Geschichte über das Tauchenlernen mit einem unglaublichen Tauchabenteuer für zwei an der Küste von Queensland belohnt.

Für unsere Familie schrieb ich Geschichten über meine Kindheit, meine Tanten und Onkel. Sorgfältig schrieb ich in meiner winzigen Handschrift Tagebuch, manchmal mit Zeichnungen und mit gepressten Blättern, Blüten, Bus- und Zugtickets zwischen den Seiten.

Ja, schreiben konnte ich, aber konnte ich ein ganzes Buch schreiben, das die Leute auch lesen wollten? Jenny war offenbar dieser Meinung und mailte mir einen Vertrag! Lance war begeistert. In weiser Voraussicht stellte Jenny mir eine Unterstützung an die Seite, nämlich die begabte Journalistin und Publizistin Emma Clifton. Ich sprang ins kalte Wasser, und einmal im Monat gingen Emma und ich durch, was ich geschrieben hatte, manchmal mit Tränen in den Augen, manchmal unter großem Gelächter.

Ich hätte nicht geglaubt, dass Der Buchladen am Ende der Welt Erfolg haben würde. Dass das Buch ein Bestseller wurde, verdanke ich meinem großartigen Verlag. Inzwischen wurde der Text in zwölf Sprachen übersetzt. Ich kann das immer noch kaum fassen.

Wie sehr Der Buchladen einschlug, wurde mir klar, als immer mehr Leute in Manapōuri in meinen winzigen Buchläden auftauchten und das Buch kaufen oder ihr eigenes Exemplar signieren lassen wollten. Offenbar war ich plötzlich »berühmt« – und mit 75 Jahren eine anerkannte Autorin!

Diese Leute waren nicht nur Neuseeländer – manche Reisende aus Übersee berichteten, sie hätten ihre ganzen Ferien um die Öffnungszeiten meiner Läden herum geplant, um mich treffen zu können! Aus den wenigen Besuchern wurde bald ein ganzer Besucherstrom, und ich musste Helfer anstellen. Mehrere Tage pro Woche arbeitet Phil bei mir, ein pensionierter einheimischer Gentleman mit einem wahren Wissensschatz über unsere Region und großer Liebe zu Büchern. Auch Lance arbeitet jetzt in der Hauptsaison fast jeden Tag in den Läden. »Lovely Lance«, wie die Damen ihn manchmal nennen, lässt sich auch sehr gerne fotografieren.

Dazu kommt Dylan, inzwischen im dritten Jahr seiner Buchladen-»Lehre«. Angefangen hat er mit dreizehn. Bereits damals war es sein Lebensziel, Buchladenbesitzer zu werden. Und dann ist da Sarah, eine Buchliebhaberin/-leserin/-sammlerin, die mindestens einen Tag in der Woche aushilft.

Da in der Hauptsaison in den Läden so viel los ist, steht Hausarbeit dann nicht auf meiner To-do-Liste. Die erledigt für mich meine fabelhafte Haushaltshilfe und »Frau für alles« Veronica. Jede Woche steht sie mit einem breiten Grinsen bereit und schafft innerhalb von ein paar Stunden Ordnung in und um unser Haus.

Und wie hat das alles mein Leben verändert? Nun, es wurde auf den Kopf gestellt. Mehrmals am Tag werde ich umarmt und fotografiert. Täglich bekomme ich Briefe und E-Mails. Ich beantworte sie alle, weil ich meinen Leserinnen und Lesern nie genug für ihre Aufmerksamkeit werde danken können.

Wir haben Exemplare von Der Buchladen am Ende der Welt an die 40 neuseeländischen Frauenhäuser sowie an die beiden Frauengefängnisse im Land geschickt. Es berührt mich zutiefst, dass so viele Frauen – und Männer – zu mir kommen und mir ihre Geschichten über Zwangsadoption, Vergewaltigung, Scheidung, Verlust eines Kindes und zerbrochene Ehen erzählen. Oft gibt es Tränen, aber oft lachen wir auch – und natürlich gibt es Umarmungen.

Meine Leserinnen und Leser fingen schnell an, nach einer Fortsetzung zu fragen, aber ich war noch nicht so weit, den zweiten Teil meiner Lebensgeschichte aufzuschreiben, und schrieb stattdessen Bookshop Dogs. Und das hat richtig Spaß gemacht. Hunde und Bücher – was für eine tolle Kombination. Jetzt kommen die Leute mit ihren Hunden in die Wee Bookshops, und ich bekomme jedes Mal einen Glücksrausch, wenn ich einen neuen Hund streicheln und hätscheln darf.

* * *

2011 heiratete ich im Alter von 65 Jahren zum vierten Mal und wurde damit Mrs Ruth Shaw.

Ein Jahr zuvor hatten Lance und ich unsere Firmen verkauft – die Fiordland Ecology Holidays und die zugehörige Buchhandlung 45 South and Below – und waren in den Ruhestand gegangen.

In den folgenden sechs Jahren reisten wir um die ganze Welt. Lance kaufte eine Noelex 22 und fing wieder an, Segelregatten zu fahren. Mein Sohn baute uns ein hübsches neues Bad mit Blick über unseren großen Garten, und ich kümmerte mich um unseren kleinen Wald und engagierte mich (wieder) im Umweltschutz.

Aber das Wort »Ruhestand« finde ich schwierig. Man denkt dabei an fehlende Energie – man hat eben ein Alter erreicht, in dem man vom Leben erschöpft ist und sich zurücklehnen und Ruhe geben muss.

Lance erzählte unseren Freunden, er absolviere ein Studium in der Kunst des Ruhestands und werde auf jeden Fall einen Abschluss ablegen. Er machte gute Fortschritte, aber nach sechs Jahren wusste ich, dass ich der Herausforderung nicht gewachsen war. Ich versuchte es, wirklich, aber der Gedanke, einen neuen Buchladen zu eröffnen, ging mir nicht aus dem Kopf.

Als ich ihn nicht mehr ignorieren konnte, fiel die Entscheidung, und auf einem riesigen Lastwagen wurde der erste Wee Bookshop angeliefert. Der beste Standort war auf unserem Grundstück gleich neben unserem Haus, an der Ecke Home Street / Hillside Road in Manapōuri.

Ich stand wieder zwischen Regalen voller herrlicher Bücher: Ich war glücklich, beschäftigt und nicht im Ruhestand.

Als ich mit meinen Freunden 2010 die Bücher im 45 South zusammengepackt hatte, brachte ich es nicht über mich, sie zu verkaufen oder wegzugeben, und lagerte sie ein. Unser Haus voller Regale, die unter dem Gewicht dieser Bücher ächzten, platzte aus allen Nähten. Lance hatte eine klare Grenze gezogen: keine Bücherregale im Schlafzimmer. Ich hielt mich daran, aber das Ergebnis waren immer höhere Bücherstapel auf beiden Seiten unseres Betts – Lance ist ein genauso gieriger Leser wie ich.

2016 hatten also all diese Bücher plötzlich ein Zuhause. Schon bald wurden aus meinem Wee Bookshop zwei, und dann drei, ein sicheres Zeichen für chronische Bibliophilie.

Die Wee Bookshops sind von Ende September bis Mitte April geöffnet. In den restlichen vier Monaten des Jahres mache ich Bücher ausfindig, um meine leeren Regale zu füllen, versuche mit dem Lesen nachzukommen, reise quer durchs Land zu Lesefestivals und anderen Ereignissen und schreibe. Nicht wirklich ein Ruhestand …

* * *

Jetzt ist Herbst, die Luft ist feucht; es ist Zeit, die Läden für den Winter zu schließen. Ich packe alle Kinderbücher ein, setze ein Häkchen in der Datenbank. Die Plüschtiere kommen in eine große Kiste, dann schließe ich die kleine rote Tür ab.

Ich wiederhole die Prozedur mit The Snug, dem dritten und kleinsten der drei Läden. Angeln, Jagd, Krieg, Farm-, Traktor- und Eisenbahnbücher werden in der Datenbank abgehakt und für den Winter eingelagert.

Im Hauptladen stelle ich einen Entfeuchter auf und drehe eine kleine Ölheizung auf die niedrigste Stufe. Ich sperre die Tür ab, und die drei einst unbekannten Wee Bookshops gehen bis zum Frühjahr in den Winterschlaf.

Ich bin ganz aufgeregt: Jetzt habe ich Zeit zum Schreiben.

»Wann kommt dein nächstes Buch heraus, Ruth?«

Diese Frage höre ich fast täglich.

Nun, liebe Leserinnen, liebe Leser, hier ist es: die Fortsetzung von Der Buchladen am Ende der Welt.

Dieser Abschnitt meines Lebens war weniger chaotisch als meine ersten 35 Jahre, aber es gab immer noch viele Tränen und viel Gelächter. Willkommen zurück in meiner Welt.

Dann wollen wir mal los, oder?

KAPITEL 1 DIE SEGELREGATTA AUCKLAND–SUVA

Mein erstes Buch endet 1985, als ich Andrew fand, den hübschen blonden Jungen, den ich 21 Jahre zuvor zur Adoption freigegeben hatte. Diese Begegnung ist und bleibt einer der unglaublichsten Momente meines Lebens. Ich schrieb darüber: »Wir reden noch heute über unser erstes Treffen, und dieses spontane Gelächter ist uns in lebendiger Erinnerung geblieben. Andrew hat das gleiche Lachen und das gleiche Breitmaulfrosch-Lächeln wie ich.«

Für mich war es eine bewegte Zeit. Ich hatte seit einem Jahr wieder Kontakt zu Lance, 17 Jahre nachdem wir – zu unser beider grenzenloser Trauer – unsere Verlobung aufgelöst hatten. Ich war katholisch erzogen, er nicht, und damals ließ sich dieser Graben nicht überbrücken. Inzwischen waren wir älter und klüger und knüpften voller Freude da wieder an, wo wir aufgehört hatten.

* * *

Ende April 1985 schlossen Lance und ich uns der Crew der Shaylene an, der Jacht von Les und Olive Hutchins, den Gründern von Fiordland Travel (heute RealNZ). Wir sollten als eine von dreißig Jachten an der Regatta Auckland–Suva in der Bootsklasse Cruising Jacht teilnehmen.

Die Shaylene war ein 16,8-Meter-Segelkutter mit Stahlrumpf und Gardner-6LW-Dieselmotor. In der Crew waren wir zu acht, Regatta-Erfahrung hatten aber nur Lance und Graham. Vier von uns hatten Hochsee-Erfahrung, aber für alle war es die erste Hochseeregatta. Wir sollten uns am Samstag, den 4. Mai an der Startlinie einfinden.

Bereits seit 1931 richtete der Royal Akarana Jachtclub Hochseeregatten aus, nämlich die Trans-Tasman-Regatta. Die erste Regatta Auckland–Suva über eine Strecke von 1100 Seemeilen fand 1956 statt. Der Sieg ging damals an eine Jacht namens Wanderer, die die Strecke in 11 Tagen, 12 Stunden und 26 Minuten zurücklegte.

Um die Shaylene kennenzulernen und uns mit ihren Segeleigenschaften vertraut zu machen, waren wir am nächsten Tag um 10 Uhr morgens auf dem Hauraki Gulf. Les verkündete stolz, er habe einen neuen Blister gekauft, ein asymmetrisches Vorsegel, das wir mit großen Schwierigkeiten setzten. Les wurde ganz blass, als er uns kämpfen sah.

Die nächsten Tage waren extrem anstrengend. Wir brauchten noch etliche Dinge für unsere Ausrüstung: einen neuen Spiegel für den Sextanten, Signalflaggen, die den Vorschriften der Regatta-Jury entsprachen, Ersatzschäkel, -batterien und -leinen, ein vollständiges Erste-Hilfe-Set, Rettungswesten, Essensvorräte, Ersatzteile für den Funkempfänger und eine Seenotfunkbake.

Les hatte eigens eine riesige gepolsterte Sitzbank anfertigen lassen, die aussah, als stammte sie aus einem Bus. Sie war genau von der Breite der Jacht über der Achterkabine. Sie passte perfekt, aber ein großes Problem war, dass wir die Winschen nicht mehr so leicht bedienen konnten. Die Kurbeln der Seilwinden ließen sich nur noch um 180 Grad drehen, und wir stießen uns dabei ständig die Fingergelenke an der verfluchten Sitzbank. Zum Spaß sammelte ich gebrauchte Bustickets und überreichte sie den Crewmitgliedern: Ohne Ticket durfte niemand auf Les’ Sitzbank Platz nehmen, die zur beliebtesten Sitzgelegenheit an Bord werden sollte.

Zur selben Zeit brachten andere Crews Ausrüstung an Land, die sie für das Rennen an Bord nicht brauchten, um ihre Boote so leicht wie möglich zu machen …

Die Crew der Urban Cowboy hatte stapelweise fertige Sandwiches für die Mahlzeiten. Wir hatten mindestens acht gekochte Hühnchen, dazu Zutaten für Salate, frisches Gemüse, jede Menge Obst, Eis und sogar Pfefferminzbonbons.

Les hatte auch T-Shirts bedruckt, die wir stolz bei der Vorbesprechung im Jachtclub, die vor allem ein Sicherheits-Briefing war, zur Schau trugen. Beim Händeschütteln mit den Crews anderer Boote spürte man die Spannung, die in der Luft lag. Einige hatten uns offenbar beobachtet, und jemand fragte sogar, ob wir zur Rennleitung gehörten! Vielleicht lag das an unserer coolen Sitzbank …

Lance wurde offiziell zum Kapitän ernannt. Les war Skipper und Navigator, ich war für Funk und Erste Hilfe zuständig, und alle sollten beim Kochen mit anpacken. Zwei Mann pro Wache, die zwei Stunden dauerte, dann sechs Stunden Freiwache – das war doch easy!

REGATTASTART – 4. MAI

Ideales Wetter, und mit dem Blister konnten wir sogar ein paar Boote überholen. Fünf von uns acht wurden in den ersten Stunden seekrank, obwohl wir Medikamente genommen hatten. Wie immer hatte ich auch Durchfall – ich sagte allen auf Deck, sie sollten nach vorne schauen, während ich meinen blanken Hintern über die Achterreling hängte.

Lance bestand als ehrgeiziger Segler darauf, die Shaylene so hart wie möglich zu segeln. Die nächste Wache holte dann die Segel weniger dicht, um die Krängung, die Schiffsneigung, zu reduzieren, was aber auch Geschwindigkeit kostete. Ich lag in meiner Koje und ärgerte mich, dass wir je nach Besatzung vom Regatta- ins Kreuzfahrttempo wechselten.

Die Windstärken nahmen zu, und da die Shaylene ein schweres Boot war, kam sie mit dem rauen Wetter gut zurecht. Die Al Fresco musste wegen eines Ruderschadens aufgeben, die Paneka, die unsere Bootsklasse anführte, erlitt Mastbruch; in Führung lag jetzt die Kismet.

Funkspruch um 7:25 Uhr: Wir hatten über Nacht zwei Plätze verloren und waren jetzt Sechster nach Handicap. Lance verkündete: »Schluss mit der Freizeitfahrt, alle Segel hoch, jetzt wird es ernst mit dem Rennen.«

Alle Jachten in der Regatta mussten jeden Tag per Funk ihre Position melden. Der Wind hatte deutlich nachgelassen, wir schafften nur 4 bis 6 Knoten. Die Nova hatte große Probleme – sie hatte ihr Ruder verloren, und mehrere Crewmitglieder waren schwer seekrank, weshalb sie das Rennen aufgaben.

Wir versuchten alles, um ein paar Knoten mehr aus den Segeln zu holen, lockerten sogar das Vorsegel, weil der Blister sich ständig im Vorstag verfing und nicht richtig stand. Gerade hatten wir zum fünften Mal den Blister vom Vorstag befreit, als eine Böe ihn fasste und wir eine ungewollte Wende hinlegten – es herrschte totales Chaos, bis Lance uns rettete. Les war sprachlos, denn sein neuer Blister hatte einen Riss. Im Funk hörten wir, dass die anderen Boote unter Spinnakersegel großartig liefen, aber einen Spinnaker hatten wir nicht dabei.

TAG 7

Lance und ich hatten Wache von 6 bis 8 Uhr. Der Funkspruch um 7:25 Uhr verriet, dass wir in unserer Bootsklasse jetzt Fünfter waren. Lance wollte uns unbedingt voranbringen, also machten wir uns daran, den gerissenen Blister zu flicken. Das gesamte Unterliek sowie das Schothorn waren gerissen. Zum Glück hatte ich Lederhandschuhe und Segelnähzeug dabei, und zu dritt arbeiteten wir mehrere Stunden lang an der Reparatur.

Unterdessen wechselten die anderen ständig die Segel, um so viel wie möglich aus ihnen herauszuholen, während alle ungeduldig warteten, dass der Blister fertig wurde. Graham, Lance und Dave vollzogen gerade ein Segelmanöver, als sich plötzlich die Windrichtung änderte und der Baum über das Vorderdeck schlug und in die Wanten, die Seile, die den Mast stabilisieren, krachte. Und zwischen Mast und Wanten lag Daves Hand.

»Mein Finger ist ab!«, brüllte Dave.

Ich riss mein T-Shirt von der Reling, wo es zum Trocknen hing, rannte zu ihm hinüber und umwickelte damit seine blutende Hand. Ich führte ihn nach unten und legte ihn in eine Koje, rief nach dem Erste-Hilfe-Set und untersuchte unterdessen die Hand. Zwei Finger seiner linken waren schlimm gebrochen und verdreht, einer davon hing nur noch an einem Fetzen Haut. Ich sedierte Dave, so gut ich konnte, und reinigte seine Hand, legte die Finger in die richtige Position. Dann verpflasterte und bandagierte ich die ganze Hand und wickelte zwei Tüten Tiefkühlerbsen darüber. Lance half mir, eine Schlinge an der Koje über Dave zu befestigen, sodass wir seinen Arm hochhängen konnten.

Ich versuchte, den Jachtclub Suva und die Funkstation in Suva anzufunken, um den Unfall zu melden und sofortige Hilfe anzufordern, erreichte sie aber nicht. Die Jacht Spyker leitete unseren Hilferuf bereitwillig weiter. Nach sehr kurzer Wartezeit hörte ich klar und deutlich einen Arzt aus dem Jachtclub Suva. Ich erklärte, was ich unternommen und wie viel Beruhigungsmittel ich Dave gegeben hatte. Er bestätigte, dass ich an Bord kaum mehr tun konnte, doch leider wurden in Suva am Wochenende keine Operationen durchgeführt, wenn es nicht um Leben und Tod ging.

Die nächste Option war, ihn in den ersten möglichen Flug nach Auckland zu bekommen, damit seine Finger dort wieder angenäht wurden. Wir meldeten nach Suva, dass wir aus dem Rennen ausschieden und unter Motor zu einer Insel fahren würden, wo wir auf einen Hubschrauber oder ein Wasserflugzeug hofften.

Der einzige verfügbare Hubschrauber kostete 1000 Dollar pro Stunde, hatte aber keine Rettungswinde, kam also nicht infrage. Wir brauchten ein Wasserflugzeug. Dave schlief noch – unter Schlafmitteln –, aber seine Temperatur stieg, weshalb ich ihm in ein Handtuch gewickelte Eispacks auf die Stirn legte.

Dann plötzlich hatten wir ein neues Problem – der Hauptmotor versagte. Unbemerkt war der Auspuff vollgelaufen und der ganze Motor war abgesoffen.

Graham, Les und Lance arbeiteten sechs Stunden lang an dem Motor. Sie schraubten die Ölwanne auf und leerten Öl und Wasser aus dem Motor. Um das Wasser aus den Zylindern zu bekommen, nutzten sie die Vorwärtsbewegung des Boots, um langsam die Schraube zu drehen und so nach und nach das Wasser aus den Kolben zu verdrängen. Zum Glück hatten wir einen robusten Gardner-Motor, und kurz nach Mitternacht lief er wieder.

Wir nahmen Kurs auf die Fidschi-Insel Kadavu, von wo am nächsten Tag um 10:15 Uhr das Wasserflugzeug starten sollte. Wenn alles gutging, würde Dave nach Nadi geflogen werden und dort den Air-New-Zealand-Flug nach Auckland um 14 Uhr erwischen. Das Krankenhaus in Auckland war unterrichtet, und er würde, sobald er dort war, in den OP gefahren werden.

Die meisten von uns gingen um 4 Uhr erschöpft zu Bett, während Les und Olive Wache hielten. Um 8 Uhr wollten wir vor Kadavu auf Anker gehen.

TAG 8

Um 6:30 Uhr waren wir alle wieder auf den Beinen. Dave war bester Laune, redete und lachte, ein Traumpatient. Ich wechselte den Verband und war froh zu sehen, dass die Blutung gestoppt und seine Finger noch an Ort und Stelle waren.

Früher als gedacht ankerten wir am vereinbarten Ort. Um 10:10 Uhr sahen wir das Wasserflugzeug auf uns zukommen, aber dann drehte es ab Richtung Süden. Wir versuchten den Piloten anzufunken, erhielten aber keine Antwort. Gespannt warteten wir, ob das Flugzeug wiederkommen würde, aber nach zwanzig bangen Minuten fehlte von ihm immer noch jede Spur. Der Einzige von uns, der entspannt war, war offenbar Dave – er riss sogar Witze! Von der Suva-Funkstation erfuhren wir, dass auch sie den Kontakt zum Piloten verloren hatten.

Nach 35 Minuten tauchte das kleine Flugzeug wieder am Horizont auf, und wir feuerten mehrere Signalraketen ab – obwohl wir alles andere als schwer zu finden waren, denn wir waren die einzige Jacht am Ankerplatz.

Endlich kam wieder Leben ins Funkgerät. Der Pilot traute sich nicht, in unserer Nähe zu landen, und fragte, ob wir Dave mit dem Rettungsfloß zu ihm hinausbringen könnten. Wir sträubten uns, das große, für zehn Personen ausgelegte Rettungsfloß aufzublasen, weil wir es für unnötig hielten.

Lance übernahm das Funkgerät und erklärte, er habe von Fiordland her viel Erfahrung mit der Landung von Wasserflugzeugen neben unserem Schiff. »Landen Sie einfach und kommen mit der Nase voraus an Steuerbord«, sagte er. »Die Leinen liegen für Sie bereit.« Nach langem Zögern war der Pilot einverstanden. Alles ging glatt – wir verfrachteten Dave auf das Flugzeug, winkten ihm zum Abschied und benachrichtigten Suva, dass er unterwegs war.

Wir erfuhren, dass wir um 12:30 Uhr wieder in die Regatta einsteigen konnten. Also setzten wir den geflickten Blister, der zum Glück hielt, als der Wind ihn aufblähte. Wir waren wieder im Rennen.

Wir gingen davon aus, dass wir um Mitternacht im Ziel sein würden. Die Segelbedingungen waren hervorragend, doch es war gerade Ebbe und wir mussten mehrfach kreuzen, um durch die Passage zu kommen. Ich stand am Bug und horchte auf die Wellen, die sich am Riff brachen. Wenn sich das Riff nah anhörte, schrie ich: »Wende!«, und auf dieses Kommando hin brachte die Crew die Shaylene durch den Wind und setzte sie auf den anderen Bug. Es war stressig und gefährlich; normalerweise hätten wir bis zum Morgen gewartet.

Wir kreuzten die Ziellinie um 1:49 Uhr.

* * *

Am nächsten Tag traf die wunderbare Nachricht ein, dass Daves Finger beide gerettet werden konnten. Wir jubelten vor Freude. Ich schrieb an die Fiji Times und an die Suva Sun, um allen, die uns geholfen hatten, Dave nach Auckland zu transportieren, zu danken und von dem guten Ausgang zu berichten.

Bei der Siegerehrung erfuhren wir, dass die Shaylene von der Regattaleitung disqualifiziert worden war; ich erinnere mich nicht mehr, warum, weiß aber noch, wie enttäuscht wir alle waren. Gewonnen hatte die Urban Cowboy mit den jungen Typen, die sich während des gesamten Rennens von Sandwiches ernährt hatten: in 5 Tagen, 8 Stunden und 53 Sekunden, also der Hälfte der Zeit, wie sie 1956 die Wanderer gebraucht hatte.

Ich erschrak, als danach der Commodore des Royal Akarana Jacht Club mich nach vorne rief. Er erzählte allen von Daves Unfall und überreichte mir eine kleine Reiseuhr. Ein bisschen standen die Shaylene und ihre Crew also doch noch im Rampenlicht.

* * *

Wir brauchten ein Ersatzteil für unseren Motor, das ans Boot geliefert werden sollte. Als wir zum Abendessen an Land gehen wollten, war das Teil immer noch nicht da, und Les bot an, es abzuwarten und später zu uns zu stoßen.

»Nein«, rief Lance dazwischen. »Das übernehmen Ruth und ich. Kein Problem, Les.«

»Das müsst ihr nicht«, erwiderte Les, aber Lance beharrte auf seinem Angebot, und wir blieben zurück.

Die restliche Crew brach auf, und endlich waren Lance und ich unter uns – zum ersten Mal nach beinahe zwei Wochen an Bord. Wir gingen in die Bugkabine. Die einzige Stelle, an der wir zu zweit hinpassten, war der Boden zwischen den Kojen, und selbst von da ragten unsere Füße nach draußen. Ganz schnell vergaßen wir alles um uns herum und holten aus dieser kostbaren Zeit der Zweisamkeit das Beste heraus. Dass ein Motorteil geliefert werden sollte, war uns dabei ziemlich egal.

Als wir in die Kajüte zurückkamen, sahen wir das Teil auf dem Tisch liegen. Hoppla! Die Person, die es dort hingelegt hatte, konnte unmöglich übersehen haben, dass unsere Füße unter dem Vorhang hervorragten. Wenigstens hatte nun jemand etwas zu erzählen!

Wir machten uns auf den Weg zu Les und den anderen. »Das Teil ist da, Les«, merkte Lance nüchtern an.

»Und was haben sie gesagt?«

»Nichts.«

»Irgendetwas müssen sie doch gesagt haben, als sie es abgegeben haben.«

»Nein, sie haben es einfach abgegeben.«

Les schüttelte den Kopf. »Sehr merkwürdig.«

Erst sehr viel später erzählten wir ihm die ganze Geschichte.

GESCHICHTEN AUS DEN BUCHLÄDEN: Der Buchladen für Urologen

Der erste meiner winzigen Buchläden war ein freistehender, bunter kleiner Container mit etwa 700 Büchern. Er brauchte einen Namen. Man sollte meinen, dass einer Wortliebhaberin irgendetwas Einprägsames einfallen würde, aber mir fiel nichts ein. Wie immer war ich in Eile, und ich brauchte den Namen sofort, weshalb wir ihn einfach The Wee Bookshop nannten – denn winzig war er definitiv.

Als der Kinderbuchladen kam und seinen Platz ein paar Schritte neben dem ersten fand, wurden sie zusammen The Two Wee Bookshops.

Wo immer ich hingehe, kennt man diese zwei winzigen Buchläden – getreu dem Mantra »keep it simple«. Die Läden existieren jetzt seit acht Jahren, und Kunden haben mir erzählt, sobald sie in die Suchmaschine Two Wee … eingegeben hatten, waren sie am Ziel, sogar ohne das letzte Wort. Anscheinend sind wir ziemlich berühmt.

Erst als Lance und ich einmal bei unseren Freunden Lisa und Jonathan in Wellington zu Besuch waren, meldeten sich bei mir kurz Zweifel an dem Namen. Die beiden sind große Buchliebhaber. Das merkt man auch an den vielen vollgestopften Bücherregalen überall in ihrem Haus, sogar im Klo, wo ich es mir mit The Big Little Book of Jewish Wit & Wisdom von Sally Ann Berk bequem machte. Es war das perfekte Buch für eine Sitzung auf einer warmen Klobrille, und ja, es enthielt eine Menge jüdischen Witz und Weisheit:

Wer einen Fremden bewirtet, bewirtet vielleicht einen Engel.

Wenn deine Frau klein ist, beug dich runter und hör ihr zu.

Beide Sprüche stammen aus dem Talmud, einer Sammlung von überlieferten Schriften aus dem 4. und 5. Jahrhundert, die den Juden nahezu heilig sind.

Lisa arbeitet als Buchhändlerin bei Unity Books in Wellington. Jonathan, selbst Jude, ist einer von Neuseelands führenden Palliativmedizinern und extrem einfühlsam. Wir haben den gleichen Sinn für Humor, der manchmal vielleicht rau oder gar ruppig wirken mag. Es hätte mich also nicht so schockieren sollen, als Jonathan fragte: » Wee Bookshop – ist das ein Buchladen für Urologen?«

Ich stieß ihm den Arm in die Rippen. Natürlich bedeutet wee nicht nur »winzig« – sondern eben auch »Pipi«. »Das ändert alles! Jetzt werden mich meine Buchläden für immer und ewig an Urologen und Pipi erinnern!«

KAPITEL 2 DURCHBRUCH AUF BREAKSEA ISLAND

Erst als mein Großvater gestorben war, wurde mir klar, wie viel er für die Umwelt getan hatte. Wenn er uns in Lyttelton Harbour zum Angeln mitnahm, brachte er uns von klein auf bei, nur so viel zu nehmen, wie wir auch essen konnten. Wenn wir wollten, dass die Muschelbänke und Felsenaustern gediehen, durften wir nur gerade genug für unsere Familie ernten.

Wenig überraschend also, dass ich seit der Kindheit umweltbewusst war und Stellung bezog, wenn ich es für nötig hielt. Mein erster Protestmarsch fand 1964 in Auckland statt – und es war der erste von vielen. Mein Leben und meine Lebensweise drehen sich schon lange um die Umwelt.

Eines meiner persönlichen Highlights war mit Sicherheit der Kampf um die Ausrottung der Ratten auf der Insel Breaksea Island in den 1980er-Jahren. Ich spielte dabei nur eine kleine Rolle, aber wir siegten, und heute geht es der heimischen Flora und Fauna dort gut.

Begonnen hatte die Sache bereits 1964, als beim neuseeländischen Wildlife Service (Vorgänger des Umweltschutzamts) ein Bericht einging, dass auf Taukihepa oder Big South Cape Island vor der Südwestspitze von Stewart Island/Rakiura die Rattenzahl explosionsartig zugenommen hatte. Das war eine schwerwiegende Bedrohung für die Schwärme von Dunkelsturmtauchern (auch Tītī oder muttonbirds, »Hammelvögel«) und viele andere Seevögel, die dort in unzähligen unterirdischen Nestern ihre Jungen aufziehen. Die Big South Cape Island galt als einer der letzten sicheren Zufluchtsorte für viele bedrohte Pflanzen- und Tierarten Neuseelands, etwa den Südinsel-Sattelvogel und die Große Neuseelandfledermaus.

Vermutlich waren die Ratten zu Beginn der 1960er-Jahre auf dem Boot eines Muttonbirders (Muttonbird-Jägers) auf die Insel gekommen, und innerhalb weniger Jahre verwüsteten sie die Insel, auf der es zuvor keine Raubtiere gegeben hatte – Waldstummelschwanz, Stewartschnepfe und Große Neuseelandfledermaus wurden so ausgerottet.

Drei Jahre vor der Ratteninvasion hatte der Ornithologe Don Merton für den Wildlife Service einen Monat auf der Insel verbracht; daher konnte er die Auswirkung der Plage kompetent beurteilen. Gemeinsam mit Brian Bell und einem kleinen Team erhielt er den Auftrag, die Insel zu besuchen und der Frage nachzugehen.

Sie stellten fest, dass die hungrigen Ratten in den Hütten die Tapeten, wegen des stärkehaltigen Kleisters, von den Wänden gefressen hatten; das war aber nichts gegen die Schäden im Wald. Jungen Bäumen war die Rinde abgezogen worden, kleine Büsche waren komplett abgefressen, und viele Insektenarten, darunter die Riesen-Wētā, waren verschwunden. Die letzten paar Waldstummelschwänze wurden in einem kleinen Gehege in Sicherheit gebracht, aber dieser verzweifelte Versuch, die winzigen, beinahe flugunfähigen Vögel zu retten, scheiterte. 1972 gab es keine Waldstummelschwänze mehr.

* * *

Als Don Merton ein junger Forschungsassistent war, hieß es, der flugunfähige Kākāpō sei dem Aussterben geweiht. In den 1970er-Jahren wurden in Fiordland ein paar männliche Vögel gefunden, aber keine Weibchen. Als dann doch ein paar weibliche Vögel auftauchten, leitete Merton die Bemühungen zur Aufzucht und Wiederansiedlung, die, so hoffte man, das Überleben der Art sichern würden. Und das taten sie: 2023 gab es 247 registrierte lebende Kākāpōs.

Merton widmete sein Leben der Rettung vieler seltener und gefährdeter Vogelarten in Aotearoa (Neuseeland) wie etwa dem Chathamschnäpper. Auf Māngere Island, einer der Chatham-Inseln, wurden fünf lebende Individuen gefunden. Im Wildlife Service hieß das einzige Weibchen Old Blue. In ihrem langen Leben zog sie elf Jungvögel auf und sicherte damit das Überleben des Chathamschnäppers. Als sie im Greisenalter von etwa 13 Jahren starb, wurde im Parlament eine Schweigeminute für sie abgehalten. Diese unglaubliche Geschichte ist eine von vielen in David Butlers und Don Mertons Buch The Black Robin: Saving the World’s Most Endangered Bird.

* * *

Trotz der ökologischen Katastrophe auf Taukihepa/ Big South Cape Island im Jahr 1964 dauerte es noch zwölf Jahre, bis 1976 in Wellington 57 führende Umweltbehörden zusammenkamen, um über das Eindämmen von Nagetierbeständen in Naturschutzgebieten zu diskutieren. Damals waren die Wanderratte, die Hausratte und die kleinere Kiore (Pazifische Ratte) gemeinsam dabei, unsere heimische Flora und Fauna auszurotten, besonders die Vögel. Die Kiore war mit frühen Maori-Reisenden nach Neuseeland gekommen, während die anderen Arten auf Walfängern und mit frühen europäischen Siedlern eingetroffen waren.

Ein aufmerksamer Teilnehmer bei dieser Konferenz war der junge Umweltschutztechniker Bruce Thomas, denn Ratten interessierten ihn! Als Jugendlicher hatte er versucht, die Ratten auf der Farm seiner Familie loszuwerden. Schon früh in seiner Laufbahn war er Rowley Taylor begegnet, der ebenfalls Ratten jagte. Beide arbeiteten in der Umweltabteilung des neuseeländischen Forschungsinstituts für Wissenschaft und Industrie (DSIR). Taylor war eher pessimistisch, was die Ausrottung der Ratten im Wald von Neuseeland anging, aber Thomas war ein unverbesserlicher Optimist. Als er Anfang der 1980er-Jahre auf Breaksea Island vor der Küste Fiordlands eintraf, wimmelte es dort von Wanderratten. War es möglich, sie alle loszuwerden?

Die zerklüftete, dicht bewachsene, 170 Hektar große Insel Breaksea liegt vor dem Eingang zum Breaksea Sound, einem der südlichen Fjorde. Direkt östlich dieser Hauptinsel liegt die kleinere Hāwea Island, die ebenfalls ein Rattenproblem hatte. Für ihr radikales Experiment wählten Thomas und Taylor 1986 diese kleinere Insel. Sie lag erwiesenermaßen außerhalb des Schwimmradius von Hermelinen, und es gab keine Gleitbeutler. Wenn sie die Insel von Wanderratten befreien konnten, wäre das eine riesige Leistung für den Umweltschutz.

Ein britischer Agrochemiker hatte mit dem Wirkstoff Brodifacoum ein neues Gift entwickelt, das unter dem Namen Talon registriert wurde. Es war geplant, das Gift in die Nistplätze der Ratten einzuschleppen, indem man ihr eigenes Kommunikationssystem nutzte.

Hāwea Island hatte mit ihren etwas weniger als 9 Hektar die ideale Größe für dieses Experiment, das im März 1986 startete. Die Teammitglieder legten auf der gesamten Insel Pfade an und darauf etwa alle 40 Meter in einem Stück Wasserrohr etwas Gift aus – insgesamt 73 Köderstationen.

Lance war bei diesem Projekt von Anfang an dabei, nämlich als Skipper der Renown, dem Schiff des Umweltschutzamts, das nicht nur als Transportmittel für die Forscher und freiwilligen Helfer diente, sondern auch als Unterkunft.

Nach einer Woche gab es auf Hāwea Island keine Ratten mehr.

Als Nächstes hatten sie Breaksea Island im Visier. Trotz knapper Finanzen organisierten Taylor und Thomas Verpflegung, Freiwillige, eine Hütte und Hubschrauberstunden. Junge Freiwillige von der britischen Organisation Raleigh kamen zur Unterstützung, allerdings hatten sie keine Ahnung, dass die Insel, auf der sie leben und arbeiten würden, so abgelegen sowie vollständig mit Regenwald bewachsen war und damit Millionen Sandfliegen beherbergte (anderswo heißen sie blackflies, Kriebelmücken; aber Captain Cook benutzte in seinem Reisebericht das Wort sandfly, das seither in Neuseeland hängen geblieben ist).

Das Team hatte keine Vorstellung, wie lange die Ausrottungsaktion dauern würde; sie schätzten, drei Wochen. Das DSIR und das neu gegründete Umweltschutzamt finanzierte das Projekt nur in Teilen, aber ihre Mitarbeiter halfen individuell, wo immer sie konnten. Ein ansässiger Fischer lieferte Lebensmittel auf die Insel, häufig legte er auch kleine Überraschungen für die Freiwilligen bei, dazu gelegentlich eine Zeitung.

Lance wusste von einer Stelle, an der alte Leinen von Krebsreusen lagen, die die Freiwilligen bestens gebrauchen konnten. Einige ihrer Pfade führten über steile Felshänge, an denen man unbedingt am Seil gehen musste. Ernie Cave, der mit seinem Fischkutter Hustler eines Tages Verpflegung lieferte, erkannte, dass einige dieser Seile von seinen Reusen stammten. Er schlug Lance den Deal vor, zum Ausgleich seine alten Reusenleinen durch ein paar Rollen 14-mm-Polypropylen zu ersetzen.

Ende April 1988 waren im Abstand von 50 Metern 743 Stücke Wasserrohr ausgelegt worden; so weit kann eine Ratte riechen. Am 24. Mai liefen wir auf der Renown aus dem Doubtful Sound aus, um letzte Hand anzulegen: die Köderstationen zu befüllen. Ich durfte als drittes Crew-Mitglied mit von der Partie sein, half beim Kochen und tat, was immer ich konnte, um dem Projekt zum Erfolg zu verhelfen.

Bruce Thomas hatte berechnet, dass sie ungefähr 350 Kilogramm Gift brauchen würden, das zu großen Teilen vom Hersteller zur Verfügung gestellt wurde. Ein Team aus sechs Freiwilligen bestückte alle Köderstationen, die täglich überprüft und nachgefüllt wurden. Wie viel von den Ködern aus jeder Station entnommen wurde, wurde aufgezeichnet – sie verschwanden so schnell, wie sie nachgefüllt werden konnten.

Bereits nach wenigen Tagen zeigte die Karte, auf der die Stationen markiert wurden, weniger blaue Nadeln, an denen der Köder verschwand, als rote Nadeln, die anzeigten, dass der Köder unberührt liegen blieb. Rowley Taylor überwachte einige der Köderstationen vor Ort und beobachtete große Rattenmännchen, die darauf warteten, dass ein neuer Köder ankam, sich daran sattfraßen und den Rest in ihre Nester brachten.

An Tag 20 war nur noch eine einzige blaue Nadel übrig. Es gab also mindestens noch eine Ratte, aber wir mussten am nächsten Tag abreisen. Alle Stationen wurden noch einmal mit je zwei Giftködern und einem Apfel bestückt. Dann fuhren wir aus dem Breaksea Sound und die Küste hinauf zum Doubtful Sound und waren alle höchst optimistisch, dass wir den Kampf um Breaksea gewonnen hatten.

Einen Monat später kamen wir zurück und fanden sämtliche Köder mitsamt den Äpfeln unberührt. Jetzt hatten wir Gewissheit, dass die Insel rattenfrei war. Dieser Triumph des Umweltschutzes war der Entschlossenheit von Rowley Taylor, Bruce Thomas und ihrem Team engagierter Freiwilliger zu verdanken. Weltweit machten sich viele andere rattenverseuchte Inseln daran, nach dem Vorbild von Breaksea wieder den Status Predator Free (Raubtier-frei) zu erlangen.

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Als wir Jahre später Fiordland Ecology Holidays gründeten, reiste Lance nach Queensland, um einen Austernfischer zu kaufen, nämlich die Ketsch Reef Explorer. Er segelte sie in ihre neue Heimat, wo wir sie umtaufen wollten. In einer Runde mit ein paar Freunden und unserer Crew entschieden wir uns für den Namen Breaksea Girl.

Da für eine fortgesetzte Überwachung der jetzt raubtierfreien Breaksea Island keine staatlichen Gelder zur Verfügung standen, beschlossen Lance und ich, jährlich eine sechstägige Expedition unter der Führung von Taylor und Thomas auszurichten, um die Rehabilitation von Flora und Fauna zu überwachen.

Eine kleine Gruppe Passagiere zahlte für das Privileg, bei dieser wichtigen Arbeit mitwirken zu dürfen. Es war unglaublich: Jahr für Jahr schrieben sich dieselben Teilnehmer ein. Sie hatten alle einen ganz unterschiedlichen Background, aber alle vereinte das gemeinsame Ziel, und sie ließen sich begeistern von der lohnenden Arbeit, Vögel, Pinguine und Knollige Neuseeland-Rüsselkäfer zu zählen und mitzuerleben, wie der Wald wieder gesundete.

Was wir damals anstellten, würde Gesundheits- und Sicherheitsexperten heute die Haare zu Berge stehen lassen. Wir zählten nachts Käfer, sprangen vom Dingi aus im Licht unserer Stirnlampe auf Felsvorsprünge. Auch unter schwersten Wetterbedingungen hüpften wir vom Boot aus an Land und gingen alle möglichen sonstigen kalkulierten Risiken ein. Und das zwölf Jahre lang.

Unendlich viel verdanken wir den ersten zähen Freiwilligen, die sich auf Breaksea Island durchschlugen, um die Pfade anzulegen und die Köderstationen zu platzieren.

Seit der erfolgreichen Ausrottung der Ratten diente die Insel der Umsiedlung mehrerer seltener Vogelarten, darunter der Tieke (Südinsel-Sattelvogel) und der Mōhua (Gelbköpfchen). Wieder eingeführt wurden außerdem die Fiordland-Echse und der Neuseeland-Rüsselkäfer. (Wir machten sogar das vielleicht einzige Foto von Neuseeland-Rüsselkäfern bei der Paarung.)

Die Käfer-, Wētā- und Spinnenpopulationen explodierten, und die Fiordlandpinguine bezogen neue Nistplätze.

Bei einer unserer Fahrten war der Seevogelforscher Graeme Taylor mit von der Partie, der einige Zeit mit der Erforschung der Gilbert Islands weiter südlich von Breaksea verbracht hatte. Eines Tages kam er ganz aufgeregt zu uns an Bord und sagte, er habe eben den nördlichsten Nistplatz des Forster-Entensturmvogels entdeckt. Lance und sein Crew-Kollege Peter verkniffen es sich zu erzählen, dass sie diese Sturmvögel bereits vorher beim Nisten auf Wairaki, einer der kleineren Inseln vor Breaksea Island, beobachtet hatten.

Am nächsten Tag malten sie ein Schild und stellten es auf Wairaki auf; darauf stand: »Nördlichster Nistplatz des Forster-Entensturmvogels«. Ohne ein Wort darüber zu verlieren, setzten sie Graeme für einen halben Tag Feldforschung am hinteren Ufer von Wairaki ab. Sie vereinbarten, dass sie ihn auf der anderen Seite der Insel wieder abholen würden, wo das Schild stand. Offenbar benutzte er, als er das Schild las, eine recht drastische Sprache, aber der Streich gefiel ihm trotzdem.

Bei vielen der Breaksea-Fahrten war ich Köchin und Crew-Mitglied. Heute kann ich nur den Kopf schütteln über die unglaublichen Hürden, die wir zu meistern hatten; schließlich waren damals die meisten von uns zwischen 50 und 70. Wir schlossen Freundschaften fürs Leben mit den Freiwilligen, die zwölf Jahre lang alljährlich wiederkamen, und sind immer noch stolz auf unseren Beitrag zu dem, was damals ein wahrer Triumph des Umweltschutzes war.

Das Naturkunde-Programm des neuseeländischen Fernsehens in Dunedin produzierte 1989 einen kurzen Dokumentarfilm mit dem Titel Battle for Breaksea (Kampf um Breaksea), den man sich auf der Website von New Zealand Geographic anschauen kann.

Allen, die sich für die Ausrottung der Ratten auf verschiedenen Inseln weltweit interessieren, empfehle ich wärmstens Rat Island: Predators in Paradise and the World’s Greatest Wildlife Rescue von William Stolzenburg, das 2012 bei Bloomsbury erschien.

GESCHICHTEN AUS DEN BUCHLÄDEN: Der neue alte Schreibtisch