Driven. Bittersüßer Schmerz - K. Bromberg - E-Book
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Driven. Bittersüßer Schmerz E-Book

K. Bromberg

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Beschreibung

Rockstar Hawkin hilft seinem Zwillingsbruder Hunter immer wieder aus der Patsche – und landet dafür vor Gericht. Um einer Haftstrafe zu entgehen, muss er als Gastdozent am College unterrichten – und trifft dort auf die attraktive Assistentin Quinlan Westin. Sie zu verführen ist ein leichtes Spiel, denkt er ...

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Das Buch

Trotz seines Bad-Boy-Images ist Rockstar Hawkin Play im Grunde ein guter Kerl. Immer wieder hilft er seinem Zwillingsbruder Hunter aus der Patsche – und landet dafür schließlich sogar vor Gericht. Um einer Haftstrafe zu entgehen, willigt er ein, als Gastdozent am College zu unterrichten – und trifft dort auf die attraktive Assistentin Quinlan Westin. Sie zu verführen ist ein leichtes Spiel, denkt er ...

»Der Roman ist glühendheiß, bittersüß und klingt noch lange in deinen Gedanken nach.«

Jennifer L. Armentrout

Die Autorin

K. Bromberg lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern im südlichen Teil Kaliforniens. Wenn sie mal eine Auszeit von ihrem chaotischen Alltag braucht, ist sie auf dem Laufband anzutreffen oder verschlingt gerade ein kluges, freches Buch auf ihrem E-Reader.

Lieferbare Titel:

Driven. Verführt

Driven. Begehrt

Driven. Geliebt

Driven. Verbunden

Driven. Tiefe Leidenschaft

K. BROMBERG

Driven

BITTERSÜSSER SCHMERZ

Roman

Aus dem Amerikanischenvon Anu Katariina Lindemann

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel Sweet Ache bei Signet Eclipse, New York.

Copyright © 2015 by K. Bromberg

Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkterstraße 28, 81673 München

Redaktion: Anita Hirtreiter

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München,

unter Verwendung von shutterstock / MediaGroup: BestForYou

ISBN 978-3-641-20087-9 V005

www.heyne.de

HAWKIN

»Wenn du wirklich willst, dass dich jemand grob behandelt, dann kann ich es sicher einrichten, dass es diskret für dich abläuft.«

Ich drehe schnell den Kopf und würge an den M & M’s, die ich gerade verschluckt habe. Hat er das gerade eben wirklich gesagt? Ich blicke in Bens gar nicht begeistert aussehende Augen. Er starrt mich hinter seinen Brillengläsern an und zieht lediglich die Augenbrauen hoch. Seine untypische Bemerkung bringt mich zum Stammeln, während Vince wegen der Stichelei in sich hineinlacht.

»Du bist mein Anwalt – hol mich da wieder raus!« Ich schüttle den Kopf und sehe ihn vielsagend an. »Verdiene dir das viele Geld, das du von mir verlangst … wär das nicht mal was?«

Ich weiß, dass ich mich wie ein Arschloch verhalte, aber gerade jetzt hab ich von allem einfach nur die Schnauze voll. Die Songtexte, die mir nicht einfallen wollen, um das Album komplett zu machen, oder Ben, der mir gegenübersitzt und mich herausfordert, ihm die Wahrheit zu sagen, sodass er mich schelten kann wie das Kind, das ich damals war, als wir uns vor Jahren zum ersten Mal trafen, und dieser verdammte Hunter und sein Mist, der mich erst in diese Zwangslage gebracht hat.

Mal wieder. Aber dieses Mal steht verdammt viel mehr auf dem Spiel!

»Du willst ein Arschloch sein, Hawkin? Ich kann diesen Part ebenfalls sehr gut spielen – für den Fall, dass du es vergessen haben solltest. Wie wär’s, wenn du auspackst? Wie wär’s, wenn du Hunter für seine eigenen Fehler einstehen lässt und damit aufhörst, alles, für das du so hart gearbeitet hast, aufs Spiel zu setzen?« Er lehnt sich vor, stützt seine Ellenbogen auf dem großen Tisch ab und sieht mich provozierend an. Die Stimmung ist gereizt, und ich weiß nur zu gut, dass er recht hat.

»Ich hab’s dir doch gesagt – die Jacke hat mir gehört.« Bei der Lüge beiße ich die Zähne zusammen. »Ich hab keine Ahnung, wie das Koks in meine Tasche gekommen ist … Scheiße, ich war total besoffen. Für ein paar Minuten hab ich sie abgelegt – wahrscheinlich hat irgendein Groupie das Beutelchen mit dem Stoff da reingestopft oder so. Ich erinnere mich nicht. Die Party ist außer Kontrolle geraten, dann sind die Bullen gekommen, haben uns alle gefilzt, und es war einfach da in meiner Tasche.«

»Du meinst, es war in Hunters Tasche.«

Dieses Gespräch hätte bereits vor ungefähr zehn Minuten beendet sein müssen. Oder, besser noch, es hätte niemals stattgefunden.

»Nee. Es war meine. Die Leute haben uns die ganze Nacht verwechselt, weil wir beide Jeans und dunkle T-Shirts trugen. Meine Jacke, meine Tasche, mein Fehler.« Ende vom Lied, Ben. Lass stecken.

Meine Gedanken schweifen zurück zu dem Blick, den Hunter mir zuwarf, und die Verzweiflung in seiner Stimme, als er mir seine Jacke zuschmiss, als die Bullen reinplatzten. Bitte, Hawke. Es gehört mir nicht. Ich schwör’s! Ich kann nicht ins Gefängnis wegen diesem dummen Fehler. Es wird Mom umbringen!

»Wie praktisch.« Seine Worte bahnen sich ihren Weg durch meine Gedanken und bringen mich zurück ins Hier und Jetzt. »Aber du darfst nicht vergessen, dass es Aufnahmen von der Party gibt, und du hast kein einziges Mal diese Jacke getragen … Hunter mit Sicherheit allerdings schon. Dein Märtyrertum ist bewundernswert, aber ich sage immer noch, dass es Quatsch ist!«, meint er und lehnt sich mit Verachtung in seinen Augen zurück.

Und ich hasse es, ihn anzulügen. Ich hasse es, seine offensichtliche Frustration zu sehen und zu wissen, dass ich ihn enttäusche, doch ich kann nicht das tun, wonach er verlangt. Ich kann nicht riskieren, dass Hunter nach Kaliforniens Three-Strikes-Gesetz wegen irgendeinem dämlichen Koks für längere Zeit eingesperrt wird. Moms Gesundheitszustand ist ohnehin schon schlecht genug – wenn ihr jetzt auch noch ihr Liebling genommen wird, könnte sie völlig den Verstand verlieren. Es könnte der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Und abgesehen davon, breche ich nicht meine Versprechen!

Vince kichert wieder, und Ben wirft ihm einen zornigen Blick zu. »Du glaubst, dass das hier ein verdammter Witz ist, Vinny?«, knurrt Ben. Er erinnert Vince an den Raufbold-Punk, der er einst war, und den Spitznamen, von dem er sich so weit wie möglich distanziert hat.

Das Lachen stoppt augenblicklich, die Spannung nimmt um eine Stufe zu, und jetzt wird allzu deutlich, dass die beiden sich noch nie leiden konnten. »Willst du, dass man deinen Kumpel hier einsperrt? Willst du, dass dein neues Album und die Tour den Bach runtergehen, weil er etwas Liebe im Zellenblock G bekommt? Er kann den Groupies dann nicht mehr zusingen, oder?«

Vince lehnt sich auf seinem Stuhl nach vorne und schüttelt lediglich den Kopf. Ich kann sehen, wie sein Zorn unter der Oberfläche brodelt, aber zum Glück hält er ihn im Zaum, weil ich ganz bestimmt nicht noch mehr gebrauchen kann, mit dem ich mich auseinandersetzen muss.

»Ich weiß, was auf dem Spiel steht,Benji! Keiner braucht mir das zu erklären.« Er zieht die Augenbrauen hoch, der Komm doch her, wenn du dich traust-Spott steht ihm ins Gesicht geschrieben.

»Es war in meiner Tasche«, behaupte ich erneut, um den Gedanken an unsere gemeinsame Vergangenheit zu durchbrechen und um ihre Aufmerksamkeit zurück zu dem Scheiß hier zu bringen, von dem ich will, dass er aus und vorbei ist.

»Ich kauf es dir immer noch nicht ab. Du bist bereit, einen Meineid zu begehen und sowohl dich als auch Hunter hinter Schloss und Riegel zu bringen? Deinen Bruder zu schützen ist eine Sache, aber, verdammt, Hawke, du …«, sagt Ben hustend, und ich weiß todsicher, dass er Hunter meint. »Du hast genug Stoff bei dir gehabt, um dir anzulasten, dass du die Absicht hattest, es weiterzuverkaufen. Wir reden hier über ein schweres Delikt, falls du verurteilt wirst!«

»Man wird mich schon nicht verurteilen«, erkläre ich mit Bestimmtheit, obwohl ich mir da mittlerweile selbst nicht mehr so sicher bin.

»Du meintest auch, dass du nie einen Nummer-eins-Hit in den Charts haben würdest«, erwidert er mit hochgezogenen Augenbrauen. »Und ich möchte mal anmerken, dass dir das in den letzten zwei Jahren viermal gelungen ist … Sag niemals nie, Hawke!«

»Du hast dein verdammtes Argument vorgebracht, Ben. Jetzt geh mir nicht weiter auf den Sack, und hör damit auf, über mich zu urteilen. Ich …«

»Ich würde dich liebend gerne nicht mehr weiter damit nerven. Eigentlich sollte es nicht einmal einen verdammten Prozess geben, weil es Hunter sein sollte und nicht du, der hier sitzt!« Die Stille schnürt mir förmlich die Luft zum Atmen ab, während mich sein Blick herausfordert, ihn eines Besseren zu belehren. Dass ich zugebe, für den Fehler meines Bruders den Kopf hinzuhalten.

Am liebsten würde ich Scheiß drauf! sagen, hinausstürmen und auf Gizmos Schlagzeug einhämmern, bis meine Arme schmerzen und es in meinen Ohren dröhnt, aber das wird überhaupt nichts wieder in Ordnung bringen. Stattdessen lehne ich mich in meinem Stuhl tief zurück. Ich blicke an die Decke und kneife mir in den Nasenrücken.

Ich würde meinen Arsch darauf verwetten, dass ein Richter mich nicht eines einschlägigen Verbrechens bezichtigen wird. Nie im Leben!

»Und bevor du da sitzt und anfängst zu denken, dass ein Richter dir für dein erstes richtiges Vergehen nicht das Leben schwer machen würde, denk noch einmal scharf nach.«

Wie zur Hölle wusste Ben, was ich dachte? »Scheiß drauf! Meine Weste könnte nicht reiner sein – einmal abgesehen von dem Mist, den wir alle als Kinder gemacht haben.«

»Mach dir doch nichts vor. Denn seien wir doch mal ehrlich: Der Abercrombie & Fitch-Look funktioniert vielleicht zu deinen Gunsten, aber du hast dennoch eine dokumentierte Presse-Vergangenheit, der hitzköpfige Rebell zu sein: Schlägereien in Clubs, Auseinandersetzungen mit Paparazzi, eine Vorliebe für schnelle Autos …«

»Worauf willst du hinaus? Hitzköpfig und ein verdammter Drogendealer zu sein sind zwei völlig unterschiedliche Dinge, oder?« Vince nimmt kein Blatt vor den Mund und rutscht nach vorn, sodass seine Ellenbogen auf seinen Knien ruhen. Der Kerl würde mir jederzeit den Rücken freihalten, wenn ich ihn darum bitten würde.

Aber natürlich würde Ben das Gleiche tun. Zumindest hab ich Rückendeckung von allen Seiten.

Dann fällt mir wieder seine Bemerkung über das Gefängnis ein, und ich erzittere bei dem Gedanken, wer sonst noch an meiner Rückseite interessiert sein könnte, falls ich verurteilt werden sollte. Fuck!

Frustriert atme ich aus und schließe die Augen. Ich weiß, dass ich jemanden wütend machen werde – ganz egal, wie ich mich entscheide. Es ist ätzend, wenn das Richtige tun und das, was von dir verlangt wird, zwei völlig unterschiedliche Dinge sind.

Dann muss ich eben leider noch ein paar weitere Menschen enttäuschen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Hunter schützen und damit vermutlich auch meine Mutter und mein Versprechen halten oder ihn fallen lassen, meine Integrität verlieren, aber jeden anderen glücklich machen.

Doch was macht mich denn glücklich? Nichts von dem Erwähnten.

»Stimmt, ein Richter täte allerdings nichts lieber, als bei deinem hübschen Gesicht und öffentlichen Status ein Exempel zu statuieren. Die Frauen, die kreischen, dass sie ein Kind von dir wollen, mögen vielleicht dein Ego aufpolieren, aber sie können nichts tun, um den Richter bezüglich der Dauer deiner Haftstrafe zu beeinflussen«, gibt Ben zu bedenken.

Neben mir schnaubt Vince. »Seinen weiblichen Fans würde ich so was glatt zutrauen … Ich bin mir sicher, dass einige von ihnen dem Richter einen Blowjob anbieten würden, um dieses Arschloch hier zu schützen.«

Ich lehne den Kopf gegen die Stuhllehne und starre ihn zornig an, doch er ignoriert mich einfach. Mir ist klar, dass er sauer ist und die Schnauze voll hat von Hunters Bullshit, der Auswirkungen auf mich hat und somit auch auf die Band.

Also starre ich wieder zurück an die Decke, Kopf und Herz streiten sich, aber nur, weil ich weiß, dass das hier falsch ist und ich genauso schuld bin, weil ich es Hunter ermögliche. Ich muss das nun durchziehen und sage mir selbst, dass ich jetzt wirklich zum letzten Mal seinen Arsch auf meine Kosten rette.

Blut ist dicker als Wasser, aber man kann trotzdem genauso darin ertrinken.

Ich hebe den Kopf und schaue wieder Ben an. »Was habe ich für Möglichkeiten?« Ich weigere mich, darüber zum zigsten Male zu reden, ob tatsächlich ich es war oder nicht. Mit diesem Thema bin ich durch.

Ben verzieht den Mund, als er mich anschaut – verwirrter Unglaube steht ihm ins Gesicht geschrieben, warum ich nicht nachgebe, aber es sollte ihn eigentlich gar nicht wundern, da er meine Vergangenheit kennt. »Mann …« Er seufzt resigniert. »Ich wünschte, du würdest es dir noch mal überlegen, aber ich wusste, dass du es nicht tun würdest, also habe ich mit einigen meiner Kollegen gesprochen, die den Richter, der für deinen Fall zuständig ist, kennen, und, na ja … es gibt eine Alternative …«

»Eine Alternative? Kumpel, ich brauch hier jetzt was Konkretes«, sage ich zu ihm und blicke rüber zu Vince, der Ben erwartungsvoll anstarrt, wie er diese aussichtslose Situation wieder in Ordnung bringen will.

»Na ja, der Richter ist ein ehemaliger Student der USC und mag es, seinen Status und Erfolg bekannt zu machen, indem er der Uni auf ungewöhnliche Weise wieder etwas zurückgibt.«

Ich kann ihm absolut nicht mehr folgen. Was hat das hier bitte mit mir zu tun? »Und …?«

»Na ja, meine Kollegen haben vorgeschlagen, dass, wenn du vielleicht zustimmen würdest, eine Vorlesung über öffentliche Medien zu halten und den Druck auf die heute bekannten Persönlichk…«

»Eine Vorlesung?« Ben muss den Verstand verloren haben! Weiß er etwa nicht mehr, dass die Schule nicht gerade zu meinen Stärken gehörte? Scheiße, ich war so damit beschäftigt, meinen Tagträumen über Liedtexte nachzuhängen und mich in ihre Noten zu flüchten, dass ich nicht aufpasste. Na ja, außer wenn die Lehrerin ein enges Top und einen kurzen Rock trug und eine Vorliebe für den Rücksitz meines Autos hatte. Natürlich war ich dann aufmerksam. »Du meinst, ich soll einmal eine Gastvorlesung halten?«

»Nein, die Vorlesung geht schon über das ganze Semester«, erwidert er mit ausdruckslosem Gesicht und schiebt eine Schale mit Schokolade über den Tisch, nutzt meine allbekannte Schwäche für Süßes aus, um zu versuchen, den Schock ein wenig abzuschwächen.

»Auf gar keinen Fall!«, sage ich im selben Moment, in dem Vince wie eine Hyäne in hysterisches Lachen ausbricht. Hat sich Ben etwa das Koks von den Beweismitteln genommen und ist gerade high? Weil, verdammt, er klingt nicht mal so, als würde er das ernsthaft vorschlagen. Die Schule war eine einzige Enttäuschung für mich, und jetzt will er, dass ich unterrichte?

Offenbar denkt Ben nicht, dass unser Lachen besonders witzig ist, denn er sitzt einfach nur da und starrt mich an, bis unser Lachen schwächer wird. Er will gerade etwas sagen, als die Gegensprechanlage auf dem Tisch piept. »Ja, Jennifer?«

»Mr. Levine ist hier, um die Verträge persönlich abzugeben, und möchte, wenn möglich, kurz mit dir sprechen.«

»Sag ihm, dass ich gleich da bin, aber ich hab nur eine Minute Zeit, weil ich einen Mandanten hier habe«, erwidert Ben, während er sich von seinem Stuhl erhebt und dabei in meine Richtung eine Hand hochhält. »Ich bin sofort wieder zurück. Das wird dir Zeit geben, die Angelegenheit zu überdenken … und das musst du unbedingt tun, Hawke! Du bist hier in ernsthaften Schwierigkeiten. Zwölf Vorlesungen, und du stehst in der Gunst des Richters, wodurch das Strafmaß milder ausfallen könnte, sofern es dann überhaupt eine Strafe geben sollte.« Er knöpft seine Anzugsjacke zu, während er von seinem Schreibtisch in die Richtung der Bürotür geht. »Deine Möglichkeiten sind begrenzt: keine Band und Haftstrafe oder die Vorlesung halten und das Album fertig machen.«

Er legt seine Hand an den Türgriff und dreht sich um, um mir wieder in die Augen zu blicken. »Lass die Idee nicht sausen. Du brauchst das hier, Hawke. Wenn du Hunter schützt, um deiner Mutter zu helfen, was glaubst du, was mit ihr passiert, wenn du weg bist? Die eine Person, die wirklich auf sie aufpasst?« Und mit diesen Worten öffnet er die Tür und verlässt den Raum, während ich mir den Fluch verkneife, den ich ihm an den Kopf werfen will.

»Verdammt!«, fluche ich, als die Tür zufällt. Ich lege meine Hände hinter den Kopf und lehne mich in meinem Stuhl zurück. Sein Schlag unter die Gürtellinie hat genau ins Schwarze getroffen.

»Kumpel … du und unterrichten? Das ist echt witzig«, lacht Vince. »Professor Play. Klingt wie ein schlechter Künstlername für einen Porno.«

»Halt die Klappe, Vince.« Selbst wenn ich die Absicht hätte, Ja zu sagen, worüber würde ich dann reden? Ich bin mir sicher, dass der Richter nicht nach jemandem sucht, der eine Vorlesung hält über die Frauen, die mich darum bitten, ihnen ein Autogramm auf die Titten zu schreiben oder die mir ihre Höschen als eindeutiges Angebot aushändigen. Ich schiebe mich aus dem Stuhl hoch, muss mich bewegen, um das alles in Ruhe zu überdenken.

»Na ja, wenn du nicht sicher bist, was du tun sollst, dann würde ich vorschlagen, dass du einfach nur die Wahrheit sagen und damit aufhören solltest, Hunters Scheiße wieder auszubügeln.«

»Ich sage die Wahrheit!« Mit zusammengebissenen Zähnen spucke ich die Worte aus. Meine Hände habe ich für einen Moment geballt, während ich den Drang zügele, gegen die Wand neben mir zu schlagen. Sie müssen damit aufhören, dass ich mich ständig wiederholen muss!

»Ja. Aha …«

»Vince.« Das ist die einzige Warnung, die ich ihm geben kann, weil er ja recht hat und ich nichts anderes hab, um ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Er ist mein bester Freund, Herrgott noch mal, kennt mich besser als ich mich selbst, und dennoch bin ich hier, spinne ein Netz von Lügen und hoffe, dass er sie nicht durchschaut.

»Schau mal … tu, was du tun musst, Mann. Ich stehe hinter dir, wofür du dich auch immer entscheiden solltest und was auch immer deine Gründe sein sollten, aber …« Seine Stimme verstummt allmählich, während meine Schultern herabsinken von der Last der Schuld, die ich mit mir herumschleppe wie eine zweite Haut.

»Aber was?«, frage ich, obwohl ich bereits die Antwort kenne. »Stehst du, was diese Sache angeht, auf Bens Seite?« Fuck, wenn das der Fall sein sollte, dann weiß ich, dass er es ernst meint.

»Nein, Alter. Aber logisch betrachtet, ist es doch ganz einfach. Wir haben alle so verdammt hart für das hier gearbeitet … In den letzten zehn Jahren haben wir alles dafür gegeben. Hunter hat es schon einmal fast versaut und eventuell jetzt wieder – jetzt, da wir uns endlich einen Namen gemacht haben.« Seine Stimme bricht für einen Moment, und ich weiß, dass da noch mehr kommt. Ich weiß, dass er noch etwas anderes sagen will, und in der für ihn so typischen Manier nimmt er sich reichlich Zeit, um auf den Punkt zu kommen. »Gleichzeitig verstehe ich und verstehe es auch wiederum nicht – deine Loyalität deinem Bruder gegenüber, aber was ist mit deiner Loyalität uns gegenüber? Was alles auf dem Spiel steht? Was ist damit, uns im Stich zu lassen?«

Und natürlich hat er damit zum finalen Schlag ausgeholt.

»Ja, setz mich bloß nicht unter Druck. Vielen Dank auch«, entgegne ich leise. Es gibt niemanden, dem ich die Schuld an dieser misslichen Lage zuschieben könnte außer mir selbst. Ich erhasche einen Blick von meinem Spiegelbild im Fenster und hasse die Person, die ich dort sehe, weil Hunter wieder einmal genau das bekommt, was er will, und das auf meine Kosten: großer Bruder beschützt kleinen Bruder – koste es, was es wolle.

Ich denke nur, dass das hier jetzt das Fass zum Überlaufen bringt.

Wir sind beide still, während ich versuche, mir meinen nächsten Schritt zu überlegen, meinen nächsten Akkord, den nächsten Songtext in dem Lied meines Lebens.

»Na ja, die angenehme Seite ist, dass du auf einem Campus sein wirst, was eine Menge von jugendlich frischen Collegestudentinnen bedeutet, unter denen du dir eine aussuchen, mit deinem Hübscher-Junge-Lächeln ködern und dann mit deinen abgefuckten Methoden verderben kannst.« Er dreht sich um, um mich zum ersten Mal anzuschauen, und ich sehe die Bitte an mich, es zu tun, das Angebot anzunehmen, die Vorlesung zu halten. Der Band entgegenzukommen, wenn sie doch ihr ganzes Vertrauen in mich gesetzt haben, während ich damit beschäftigt bin, meinen Bruder zu schützen. »Wir haben diesen Übergangsritus verpasst, weil wir so viel unterwegs waren. Da könnte man doch genauso gut diesen Vorteil ausnutzen, während du jetzt die Möglichkeit hast, oder?«

Als ich mir mit einer Hand durchs Haar fahre, erhasche ich einen Blick von dem Tattoo auf der Innenseite meines Handgelenks. Ein Violinschlüssel und ein afrikanisches Symbol für Stärke, Mut und Kraft. Meine stets präsente Erinnerung daran, wo ich herkam und was ich zu tun habe, um dorthin zu kommen, wo ich hinwill.

Wenn ich mir selbst gegenüber ehrlich bin, dann weiß ich bereits, was ich tun werde, trotz dem Widerwillen und meiner Verärgerung darüber, dass ich überhaupt eine Entscheidung treffen muss.

Wenn ich mir einbilden würde, ich könnte Vince austricksen, dann würde ich jetzt mein Bühnen-Gesicht aufsetzen, um ihn von meinem Entschluss, hiermit weiterzumachen, zu überzeugen, aber wir sind schon viel zu lange Freunde gewesen und haben miteinander schon zu viel durchgemacht, als dass ich ihm irgendetwas vormachen könnte. Trotzdem lasse ich meine Stimme enthusiastisch klingen.

Durch Schein zum Sein. Klingt ganz danach, als hätte ich mich entschieden.

»Ich liebe den klassischen, intelligenten Typ«, murmele ich.

»Wen versuchst du hier eigentlich zu verarschen?«, fragt Vince. Erleichterung schwingt in seiner Stimme mit, da er weiß, dass meine Bemerkung meine Art ist, ihm zu sagen, dass ich es tun werde. Mich selbst verkaufen, um alle anderen zu schützen. »Wenn sie eine Muschi haben, dann sind sie dein Typ!«

Ich kann nicht gegen das Lächeln auf meinem Gesicht ankämpfen. »Stimmt schon, aber, Kumpel, du musst mir hier ein wenig Glauben schenken. Du lässt mich hier ja so klingen, als ob ich mit jedem Kätzchen spielen würde, das gestreichelt werden will.«

Er hebt die Augenbrauen, ein amüsiertes Grinsen ist auf seinen Lippen zu sehen.

»Dies wurde gesagt von dem Zirkusdirektor seines eigenen dreimanegigen Cirque du Muschi.«

»Du liegst ja so was von daneben.« Ich lache über unseren alten Witz über Frontsänger und ihre innewohnende Anziehungskraft auf weibliche Fans. Und Gott sei Dank bin ich hier der Glückliche. Eigentlich sollte ich froh sein, dass mich diese Vorlesung vor dem Mikrofon bleiben lässt, anstatt dass ich in einer Gefängniszelle versauere. Ich rolle meine Schultern und fühle, wie die Last der Entscheidung, die ich nun gefällt habe, etwas leichter wird, als der Gedanke sich allmählich festsetzt. Kopfschüttelnd gehe ich zurück zu dem Stuhl neben ihm und stehe einfach nur da, als ich seinem Blick begegne. Meine Entscheidungen stelle ich niemals infrage, deshalb bin ich mir nicht wirklich sicher, warum ich es jetzt gerade tue.

»Das ist die richtige Entscheidung, oder?« Und ich bin mir nicht sicher, ob ich gerade darüber rede, für Hunter den Kopf hinzuhalten oder die Vorlesung zu halten, als ich die Frage stelle, aber er fragt auch nicht weiter. Er nickt lediglich mit unerschütterlicher Unterstützung, da er die Unruhe in meinen Augen sieht.

»Gefängnis oder Muschi? Klingt nach einer leichten Entscheidung, wenn du mich fragst.«

QUINLAN

»Welche Leute sich auch immer ausgedacht haben, ein Rennen in einem Weinanbaugebiet zu veranstalten, wussten mit Sicherheit, was sie taten.« Ich nehme einen Schluck Wein und schaue herüber, um dem amüsierten Blick meiner Schwägerin Rylee zu begegnen.

»Das glaube ich auch«, stimmt sie mir zu. Sie lacht, was sich ein bisschen wie ein Glucksen anhört und was mich denken lässt, dass sie wie ich bereits einen kleinen Schwips hat.

Ich lehne den Kopf zurück, um die kühle Brise in dem Sonomatal und die Wärme der Sonne auf meinem Gesicht zu genießen. Es ist ein willkommenes Gefühl, verglichen mit den endlosen Stunden in den Hörsälen, die in den kommenden Wochen auf mich warten. Grelle Lichter, ermüdende Stunden der Recherche für meine Dissertation und die immer aufzehrenden Vorlesungen, in denen ich meine Pflichten als Lehrassistentin erfüllen muss, sehe ich im Geiste vor mir.

Also genieße ich das hier, schätze die Auszeit, um sie mit meiner Familie bei Coltons Rennen zu verbringen, bevor ich wieder in den Unialltag zurückmuss. Ein Motor brummt in der Ferne, der Nachhall vibriert in meiner Brust und lässt den Wein in meinem Glas sich leicht bewegen, als sich der Lärm unserem Standort nähert.

Gerade rechtzeitig hebe ich wieder den Kopf, um zu sehen, wie Rylees Kopf nach links schnellt, als der Wagen meines Bruders an der Boxengasse vorbeiprescht und mit gekonntem Geschick um den Straßenverlauf driftet, wo wir gerade im Innenfeld sitzen. Ihre entspannten Gesichtszüge spannen sich sofort an, als sie Coltons Open-Wheel Indy Car beobachtet, der die Runden der Rennbahn fährt, bis er nicht mehr zu sehen ist.

»Machst du dir immer noch Sorgen?«, frage ich sie, obwohl ich die Antwort bereits kenne, weil ihn in seinem Rennwagen zu sehen mein Herz ebenfalls vor Sorge schneller schlagen lässt, trotz der vielen Male, die ich schon dagesessen und ihn beobachtet habe. Weil ungeachtet dessen, wie oft er die Ziellinie gesund und munter überquert hat, es doch das eine Mal so gewesen ist, als dies nicht der Fall war, das mein Herz immer noch gefangen hält. Der Unfall, bei dem wir ihn fast verloren hätten.

»Ja und nein«, erwidert sie. Ein weiches Lächeln breitet sich auf ihren Lippen aus, die Liebe für meinen absolut nervtötenden Bruder ist offensichtlich. »Ja, weil das einfach gefährlich ist. Die Geschwindigkeit, mit der er fährt. Nein, weil er es liebt. Ich kann ihm nicht vorschreiben, etwas nicht zu tun, was er so leidenschaftlich gern macht.«

Und so einfach ist das. Es ist unglaublich, dass er jemanden gefunden hat, der mit seinen Fehlern umgehen und all seine Ecken und Kanten abrunden konnte.

Irgendwann. In ferner Zukunft werde ich auch so einen Menschen kennenlernen … aber mit Romantik hab ich derzeit nichts am Hut.

»Du verdienst echt einen Orden dafür, dass du es mit ihm aushältst«, necke ich sie. Unser alter Witz bringt sie wieder einmal zum Lachen.

»Er hat schon auch seine Vorzüge«, ärgert sie mich im Gegenzug, ihre Worte verstärken das zärtliche Lächeln auf ihren Lippen und die Liebe, die ihr ins Gesicht geschrieben steht. »Was ist mit dir? Wie läuft’s bei dir mit den Kerlen?«

Seufzend rolle ich mit den Augen. »Ich hab den Männern für eine Weile abgeschworen.«

Sie schnaubt und lacht dabei. »Aha.« Mit hochgezogenen Augenbrauen schaut sie über ihr Weinglas hinweg, ihr Blick fordert mich dazu auf, mit der Sprache rauszurücken.

»Ich bin mir echt dafür zu schade, um mich schlecht behandeln zu lassen …«

»Das kannst du aber laut sagen!«, lacht sie.

Ich schüttle lediglich den Kopf, frage mich, warum sie so reagiert und warum mich jeder Mann, den ich mir aussuche, tatsächlich schlecht behandelt. »Es ist einfach zu stressig, ehrlich. Du kennst mich … ich will etwas Spaß haben. Ich will ein bisschen guten Sex haben und glaube nicht, dass das Klischee Glücklich bis an ihr Lebensende etwas für mich ist.«

»Na ja, manchmal schenkt dir die Liebe eine Art Märchen, wenn du gerade am allerwenigsten damit rechnest.« Natürlich denkt sie so, nachdem das mit ihr und meinem Bruder so super geklappt hat.

Aber sie ist nicht ich.

»In meinem Falle zweifle ich daran«, entgegne ich. »Aber ich habe schon verdammt viele Frösche geküsst, wenn’s so ist.« Ich muss an meine letzten paar Exfreunde denken und daran, wie ich aus heiterem Himmel von dem Scheiß, den sie mit mir abgezogen haben, getroffen wurde. Es ist beinahe so, dass, je einfacher es für mich ist, Sex zu bekommen, es umso schwerer für mich ist, wahre Liebe zu finden.

»Na ja, ich nehme mal an, dass ich nicht die Richtige bin, um dir einen Rat zu geben, da mir damals gesagt wurde, ich solle wilden, unbekümmerten Sex mit einem Kerl haben, und schau mal, wohin mich das gebracht hat.« Sie lächelt, als sie ihre Hand hochhält und mit ihrem Ringfinger wackelt. Der Diamant reflektiert das Sonnenlicht und versendet Prismen, die um uns herum funkeln.

Unser Lachen wird übertönt, als Colton auf der Rennbahn um die Kurve zischt. Der Motorenlärm wird allmählich schwächer, und ich bin gerade im Begriff, etwas zu sagen, als ich jemanden an die Tür von unserem Beobachtungsstand klopfen höre.

»Also wenn das mal nicht Quinlan Westin ist!« Die Stimme sendet einen leichten Schauer vermischt mit Irritation durch meinen Körper.

Für einen Moment begegne ich Rys Blick. Sie versucht krampfhaft, ein wissendes Lächeln zurückzuhalten, während sie aufsteht. Sie hat bereits etwas von den hitzigen Diskussionen zwischen Colton und mir über Luke und seine Entschlossenheit, mich auszuführen, mitbekommen. Sie ist sogar ein paarmal dazwischengegangen, um ihm zu erklären, dass, nur weil die beiden Männer vor langer Zeit um dasselbe Mädchen konkurrierten, es aus Luke noch lange keinen schlechten Kerl macht. Ihre Bemerkung fiel auf taube, testosteronverstopfte Ohren.

»Hey, Luke«, sagt sie. Ihr Ton ist völlig leer von jeglicher Gastfreundschaft. »Ich wollte mich gerade auf die Suche nach etwas machen. Entschuldigt mich.« Der Ausdruck in ihrem Blick sagt mir, dass sie die Flucht ergreift, um sich selbst das Drama zu ersparen, das folgen wird, wenn Colton herausfindet, dass Luke uns aufgesucht hat.

Kluges Mädchen.

Mich hingegen könnte es nicht weniger interessieren, was Colton über Luke Mason denkt, weil ich mir immer meine eigene Meinung bilde. Zumindest versuche ich das gerade. Aber wenn seine Hartnäckigkeit, ein Date mit der kleinen Schwester seines Erzfeindes zu bekommen, nicht mal bewundernswert ist …

Er muss schon sehr mutig sein, dass er hier hereinmarschiert und bewusst den schlafenden Hund anstupst. Jedoch muss ich ihm auch meine Anerkennung zollen – es misslingt ihm nie, mich auf der Rennbahn zu finden, niemals versäumt er es, mich noch ein weiteres Mal zu fragen, obwohl er weiß, dass die Antwort jedes Mal ein lautstarkes Nein sein wird.

Als ich mich umdrehe, um ihm ins Gesicht zu sehen, kann ich nichts dagegen tun, dass es mir bei seinem Anblick die Sprache verschlägt – wie er sich lässig an den Türpfosten lehnt. Der Reißverschluss seines schwarz-silbernen Feuerschutzoveralls ist geöffnet, und die Ärmel hat er sich um seine Hüften gebunden. Das schlichte weiße T-Shirt, das er trägt, ist diese perfekte Kombination aus nicht zu eng und nicht zu locker, um genau die richtige Andeutung zu geben von den wohlgeformten Muskeln darunter. Ich kann nicht gerade behaupten, dass dieser Mann nicht weiß, wie man sich vorteilhaft kleidet.

Und ich bin mir sicher, dass wenn seine Klamotten weg sind, er das, was darunter ist, sogar noch besser trägt. Zu schade nur, dass ich das niemals herausfinden werde.

»Also wenn das mal nicht Luke Mason ist«, ahme ich ihn nach. Ein langsames schiefes Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus, und so typisch amerikanisch, der-attraktive-Junge-von-nebenan, er auch ist, rührt sich nichts bei mir. Verdammt ja, so gut aussehend wie eh und je, aber etwas, das so hübsch ist, braucht auch etwas Raues, um für mich attraktiv zu sein, und alles, was ich von ihm sehe und höre, sind bloß lässige Flirtversuche.

Er macht einen Schritt in den Raum, und unsere Augen spiegeln die Anerkennung unserer gegenseitigen Anziehungskraft wider. »Hinreißend wie immer.« Er spricht die Worte aus, so als ob er sie austesten würde. Er versucht herauszufühlen, ob er dieses Mal mein Interesse mehr geweckt hat als bei den zahlreichen anderen Versuchen.

»Danke, aber meine Antwort ist trotzdem immer noch Nein«, sage ich mit einem Lächeln, hätte allerdings genauso gut auch anders auf seinen Flirtversuch reagieren können. Es gibt allerdings keinen Grund, um den heißen Brei herumzureden, wenn er letzten Endes doch keine Chance haben wird.

Er versucht, sein Lachen zu unterdrücken. Seine Reaktion bewirkt, dass mein Lächeln breiter wird. »Ziemlich überheblich, da ich nicht glaube, dass ich dich irgendetwas gefragt hätte.«

»Nur weil du nicht geredet hast, bedeutet das nicht, dass deine Augen nichts gefragt hätten.« Ich ziehe die Augenbrauen hoch, meine eigenen Augen sprechen ebenfalls für mich.

Fast unmerklich schüttelt er den Kopf, und Verzweiflung schwingt in seinem Seufzen mit. »Gut zu wissen, dass du so viel von dir hältst, dass du glaubst, ich würde dich immer wieder mit meiner Anwesenheit belästigen.« Sein Grinsen verrät mir, dass er Witze macht, aber da ist immer noch die Frage in seinen Augen. »Nun gut. Jetzt, da das geklärt ist …«, meint er dann und lehnt seine Schulter gegen die Wand neben mir. »Wie geht’s dir, Q?«

Wieder einmal habe ich ihn abgewiesen, und er steht hier trotzdem wie ein Held. Sein Optimismus ist vorbildlich. »Mir geht’s gut, und dir? Wie läuft der Wagen?«

Er schaut hinaus zu Coltons Fahrzeug, als es sich nähert und wieder vorbeifährt. Als der Motorenlärm in der Ferne leiser wird, spricht er. »Schnell. Schnell genug, um ihn zu schlagen.«

Ich schnaube und runzele die Stirn. »Luke, ich glaube, du hast gerade meinen Bruder beleidigt.«

»Ganz und gar nicht, Schätzchen.« Er zwinkert mir zu, und normalerweise fände ich so etwas gruselig, aber aus irgendeinem Grund ist es bei ihm charmant. »Wenn ich deinen Bruder beleidigen wollte, dann würdest du es mit Sicherheit durch meine Wortwahl allein wissen …«

»Gut zu wissen«, entgegne ich. Unsere Augen führen das Flirten ohne Worte fort, und ich ertappe mich dabei, dass ich mich frage, warum, obwohl er attraktiv ist, die Chemie zwischen uns doch nicht stark genug ist, dass die Funken sprühen. Ich seufze, denn ich weiß, dass er darauf wartet zu sehen, worauf ich mit dieser Konversation hinauswill, also denke ich mir, scheiß drauf, warum eigentlich nicht. »Wie geht’s deiner Freundin?«

Einer seiner Mundwinkel verzieht sich, in seinen Augen sehe ich Belustigung. »Na ja, sie weigert sich nach wie vor, sich mit mir zu verabreden, obwohl ich sie seit Sonntag auf sieben verschiedene Arten gefragt habe, aber ich bleib am Ball und lass es dich wissen, wenn sie endlich Ja sagt.«

Scheiße, ich bin geradewegs in die Falle getappt, oder? »Sie weiß wohl nicht, was sie verpasst«, entgegne ich.

»Hm, ich würde sagen, dass sie fünfundzwanzig dicke Zentimeter verpasst, aber man weiß ja nie. Es könnte zu viel für ein Mädchen wie sie sein, um damit umgehen zu können.«

Eingebildeter Idiot! Ich lasse mir nichts anmerken, während ich überlege, wie sehr er wohl übertreibt – oder ob er es überhaupt tut –, und gehe sicher, dass meine Augen nicht nach unten schweifen und ihm die Genugtuung geben zu wissen, dass ich jetzt doch etwas neugierig geworden bin.

»Na ja, da liegt dein Problem, Mason«, sage ich, als ich mich erhebe. Coltons Fahrzeug biegt scharf in die Boxengasse und kommt zum Stehen, und ich bin erleichtert und zugleich verärgert, dass unsere Konversation nun zu einem Ende kommen wird. »Die Zahlen, über die du sprechen solltest, sind diejenigen, die du brauchst, um sie anzurufen. Eine Frau weiß, dass, wenn ein Mann von seinen Zentimetern redet, er dies nur tut, um sein Ego aufzupolieren. Wir gehen immer davon aus, dass wir die Zahl durch zwei teilen müssen«, lüge ich und zwinkere ihm zu, so wie er es zuvor getan hat, während ich an ihm vorbeigehe und zur Tür eile und dabei gegen zwei Dränge ankämpfe. Der eine ist, hinschauen zu wollen, ob er tatsächlich so einen langen Penis hat, und der andere ist, nicht in Gelächter auszubrechen wegen seinem Gesichtsausdruck, seine Reaktion auf meine unverschämte Lüge.

»Nun gut, wenn wir nach deinen Spielregeln spielen, dann hätte ich dir lieber erzählen sollen, dass es fünfzig sind.«

Ich höre, wie er hinter mir ein Kichern unterdrückt, und bin froh, dass er meine Beleidigung mit Humor nimmt. Ich gehe die Treppe nach unten zum Innenfeld, eile in Richtung der Garagen, denn ich weiß, dass dort der Rest meiner Familie sein wird, um Colton zu begrüßen und um mit ihm zu quatschen, wenn er aus dem Wagen steigt, was seit Kurzem unser üblicher Brauch ist. Das Geräusch von Lukes Stiefeln hallt von den Metallstufen genau hinter mir, und ich bin neugierig, wie sehr er wohl gewillt ist, das Schicksal herauszufordern, indem er mir folgt.

Schweigend hält er schließlich neben mir Schritt, aber der Geräuschpegel um uns herum aufgrund der Fahrtzeiten-Tests um die Poleposition filtert alles andere aus. »Hey, Quin?«, sagt er, als wir die Mechaniker-Buchten erreichen.

»Hey, Luke?«, ahme ich ihn wieder nach.

»Was hältst du davon, mich morgen Nacht zu einer Siegesfeier zu begleiten?« Er neigt den Kopf zur Seite und wartet auf meine Antwort.

Und ich kann nicht widerstehen, er macht es mir einfach zu leicht. »Du schmeißt für Colton eine Siegesfeier? Wie süß von dir!« Er schnaubt ungläubig und fährt sich mit einer Hand durch sein geschnittenes Haar. Für einen Moment lege ich meine Hand auf seine Brust. »Danke für den Lacher und den Spaziergang hier runter, aber …«

»Ich weiß, ich weiß«, erwidert er, hebt kapitulierend seine Hände und macht einen Schritt zurück. »Man darf einem Kerl keinen Vorwurf daraus machen, dass er es versucht hat.«

Ein paar Meter weiter kann ich hören, wie Colton zu Becks spricht – irgendetwas über Korrekturen am Kotflügel und Rundenzeiten. Und obwohl Colton beschäftigt ist, so bevorzuge ich es doch, wenn der Friede gewahrt bleibt und keine Schläge ausgeteilt werden.

»Ich denke, es ist für dich das Beste, wenn du jetzt gehst, bevor mein Bruder noch bemerkt, dass du hier bist.«

»Aha, wahre Liebe. Du passt auf mich auf, aber für den Fall, dass du es vergessen haben solltest …«, meint er und zeigt auf den Namen auf seinem Feuerschutz overall. »Ich habe jegliches Recht, hier zu sein.«

Ich presse die Lippen aufeinander und halte seinem Blick stand. »Na ja, nicht direkt hier«, entgegne ich und zeige auf die gelbe Linie, welche die Grenzen der Garagen für jedes Rennteam anzeigt.

Er macht einen Schritt zurück, sodass seine Zehen gerade am Rand der aufgemalten Abgrenzung sind, und schaut zu mir zurück mit einem Grinsen auf dem Gesicht. »Besser?«

»Viel besser«, entgegne ich, während wir dem Starren des anderen noch ein wenig länger standhalten. Ich versuche, ihn mit einer huschenden Bewegung zum Gehen zu bringen. »Jetzt hör auf damit, Unruhe zu stiften, und geh.« Ich liebe die Tatsache, dass er nicht sofort reagiert, dass er seinen eigenen Kopf hat und es nicht zulässt, dass ich ihn überrede. Vielleicht gibt es doch ein paar raue Kanten an ihm. Darüber sollte ich mal nachdenken …

»Ich liebe es, Unruhe zu stiften. Genau genommen täte ich nichts lieber, als dazubleiben und deinen großen, bösen Bruder zu beobachten, wie er dich vor Leuten wie mir beschützt.« Er zieht an seinem Shirt, welches beginnt, in der Mitte seiner Brust von der Hitze, die von der Asphaltbahn abprallt, festzukleben. Ich beobachte die Bewegung und lasse meinen Blick zum Schritt seines Rennanzugs hinunterwandern und hasse mich selbst dafür, dass ich gucke und immer noch überlege.

Und ich verfluche den Rennanzug dafür, dass er so verdammt schlabberig ist!

»Ich kann ganz gut auf mich selbst aufpassen. Die Hilfe meines Bruders ist nicht nötig«, sage ich herausfordernd. Meine Augen funkeln belustigt.

Luke drückt seine Zunge in die Innenseite seiner Wange. »Nun gut … da dein Bruder nicht berücksichtigt wird, steht dem doch nichts im Wege. Also, warum willst du nicht mit mir ausgehen?«

»Weil arrogante Rennfahrer nicht mein Typ sind.« Vielleicht wird ihn das davon abhalten, mir weiterhin nachzustellen.

»Na ja, da ich mehr der gut aussehende, finanziell unabhängige, athletisch gebaute Typ bin, nehme ich an, dass ich Gold wert bin.« Sein Lächeln wird breiter, er ist offensichtlich ziemlich stolz auf seine Antwort.

»Weit davon entfernt. Ich würde eher sagen wie Silber.« Ich kneife die Augen etwas zusammen, als ich die metallische Farbe seines Rennanzugs betrachte, als er auf mich zukommt und nicht mehr länger das Sonnenlicht blockiert und völlig unverfroren die Abgrenzung zu seinen Füßen missachtet.

»Oh. Glaube mir, Quinlan. Solange es hart wie Metall ist, ist das alles, was zählt«, sagt er, und die Andeutung schwingt in seiner Stimme mit.

Hat er das gerade wirklich gesagt? »Oh mein Gott! Genau das ist es, warum ich dich bei den anderen zweiundvierzig Malen, als du mich gefragt hast, zurückgewiesen habe.«

»Na ja, Scheiße. Ich bin jetzt bei Nummer dreiundvierzig, also wirst du nächstes Mal Ja sagen.«

»Ähm, nein«, kontere ich entschieden, aber ich kann nichts gegen die Anerkennung tun, die in meinem Ton mitschwingt.

»Oh, Westin. Ich hab deine Nummer, Baby.« Er macht einen Schritt zurück, und ich blicke wieder runter zu der Abgrenzung, die er freigemacht hat, und grinse.

»Eigentlich hast du sie überhaupt nicht.«

Er lacht tief und laut, und ich weiß, dass Colton es gehört haben muss. Na, vielen Dank auch. »Du hast recht. Ich hab nur die Nummer zwanzig«, sagt er schulterzuckend. »Aber ich bin sicher, dass du gewillt wärst, damit zu arbeiten. Später, Quinlan.«

»Später, Luke«, sage ich zu ihm, während er mir den Rücken zukehrt und wegzugehen beginnt.

»Eines Tages wirst du Ja sagen!«, ruft er mir noch über die Schulter zu.

»Nein, das werde ich nicht.«

»Doch, das wirst du«, sagt er ein letztes Mal, was mich zum Lachen bringt und mich wünschen lässt, dass ich irgendetwas zwischen uns spüren würde, weil verdammt, aber wenn sein unnachgiebiges Bemühen nicht für sich allein schon attraktiv ist. Scheiße, es würde Spaß machen, ihn – was sein Angebot angeht – beim Wort zu nehmen, und wenn auch nur, um Colton zu ärgern. Hm. Vielleicht tue ich das einfach das nächste Mal.

»Was zum Teufel wollte er?«

Andererseits werde ich es vielleicht doch nicht tun. Es ist den Ärger nicht wert.

Ich drehe mich um und erblicke Colton, der sich an die Wand lehnt. In der Hand hält er ein Gatorade, sein Feuerschutzoverall ist geöffnet, und seine Brust ist schweißüberströmt.

»Ähm, du bist jetzt verheiratet. Du brauchst deine Brust nicht anzuspannen, um zu versuchen, Frauen abzubekommen. Das ist gemein.« Ablenkungsmanöver vom Feinsten.

»Ich musste früher gar nicht erst versuchen, sie abzubekommen«, erwidert er, betont sein Argument mit dem Aufblitzen eines Grinsens.

Ich rolle lediglich mit den Augen – zuerst Luke und jetzt auch noch mein Bruder. Einen Rennfahrer muss ich ganz bestimmt nicht daten.

»Du musstest dich ganz schön ins Zeug legen, um mich zu bekommen«, höre ich plötzlich Rylee sagen, als sie hinter ihm auftaucht und ihm einen Klaps auf den Hintern gibt.

Er lacht und küsst sie dann sanft auf die Lippen. Sie drückt ihn weg, als er versucht, bei dem Kuss noch weiterzugehen. »Siehst du das?«, fragt Colton. Sein Ton klingt verspielt. »Wir sind erst seit einem Jahr verheiratet, und sie beginnt bereits mich zurückzuweisen.«

»Armer Liebling«, spotte ich.

»Also hast du Ja gesagt?«, fragt Rylee, hebt ihr Kinn, um mir damit anzuzeigen, wohin Luke gegangen ist.

Danke, Rylee. Ich dachte, dass ich aus dem Schneider sei, aber ich vermute mal nicht.

»Natürlich hat sie nicht Ja gesagt. Meine kleine Schwester wird nicht mit diesem Arschloch ausgehen«, knurrt Colton und schwenkt dabei mit seinem Kopf zwischen uns hin und her.

Ich hab nie kapiert, was eigentlich das Problem ist. Luke und Colton waren mal an derselben Frau interessiert. Colton gewann, ganz große Sache. Na ja, und dann hat Luke deswegen ein paar Hiebe ausgeteilt … und eventuell, möglicherweise ließ er ein wenig dieser Feindschaft ein- oder zweimal auf der Rennstrecke raus.

»Reg dich ab, Ace«, sagt sie, zieht die Augenbrauen hoch und kommt mir zuvor. »Sie kann mit jedem ausgehen, mit dem sie will. Du bist nicht ihr Aufpasser!«

Ich kann sehen, wie der Muskel in dem angespannten Kiefer meines Bruders zittert, während Rylee ihre Stellung hält. Sie ist die einzige Person – von Coltons bestem Freund Becks und unserem Vater einmal abgesehen –, die dazu imstande ist.

»Er ist ein arrogantes Arschloch!«, entgegnet Colton. Sein Mund ist etwas geöffnet, so als ob Rylee und ich verrückt geworden wären.

»Ich scheine noch jemand anderen zu kennen, der genauso arrogant war und genauso gut aussehend«, stichelt Rylee.

Ich kann nichts gegen das Schmunzeln tun, das sich zu einem voll entwickelten Grinsen auf meinem Gesicht ausbreitet wegen Rylees Bemerkung, weil sie den Nagel auf den Kopf trifft. Becks fordert Colton dazu auf, rüber zum Wagen zu kommen. Er schaut mich mit seinem strengen Großer Bruder, leg dich nicht mit mir an!-Blick an. Irgendwie ist das süß.

Und nervig.

»Entspann dich! Ich hab Nein zu ihm gesagt.« Die Erklärung bringt mir das Aufblitzen eines Grinsens ein, ehe er Rylee flüchtig auf die Wange küsst.

Er beginnt wegzugehen, hält dann aber an und dreht sich um. »Lass es so, wie es ist«, warnt er mich, bevor er weiter zu Becks geht.

Rylee macht nur »Ts!«, während ihr Blick irgendetwas über meine Schulter hinweg folgt, und als ich mich umdrehe, sehe ich, wie Luke weiter die Boxen entlanggeht. Er grinst mir zu und verschwindet schließlich in einem Gebäude.

»Du kannst nicht leugnen, dass er schnuckelig ist.« Mein Genick schmerzt von dem plötzlichen Peitschenhieb ihrer Worte. »Oh, komm schon, Quin. Ich mag vielleicht verheiratet sein, aber ich bin nicht blind!« Sie zuckt mit den Achseln. »Tu nicht so, als würdest du nicht wissen wollen, wie oft man da schlecken muss, um an das Kaugummi-Innere eines Chupa-Chups-Lollis zu gelangen.«

Und das sagt sie dermaßen sachlich, dass ich in schallendes Gelächter ausbreche. Ich könnte schwören, dass all die Hormone, die sie genommen hat, um schwanger zu werden, ihre normalerweise ernste Art beeinflusst haben.

»Zumindest wünscht er es sich«, meine ich immer noch lachend.

»Nun gut, er ist hartnäckig. Das musst du ihm lassen.«

»Und das ist auch alles, was ich zulassen werde.«

QUINLAN

Die Hitze Südkaliforniens plus der zweiten Woche im Institut machen mir wirklich zu schaffen. Ich bin bereit, in der kühlen Klimatisierung der Büros der Schönen Künste zu zerfließen, als ich ziemlich übernächtigt die Tür aufreiße. Letzte Nacht ist es spät geworden, da ich mit Layla abgehangen habe – mein Fehler, aber nichtsdestotrotz ärgerlich – und weil ich mich mit ein paar Volldepp-Studenten in der Lehrassistenten-Veranstaltung herumschlagen musste, von der ich gerade erst gekommen bin. Und das macht es auch nicht besser, dass ich nicht richtig wach werde.

Normalerweise stört es mich nicht, wenn ein Student etwas nicht kapiert. Ich hab kein Problem damit, ihnen zu helfen, damit sie es verstehen. Aber wenn die Studenten zu sehr damit beschäftigt sind, irgendwelche Frauen anzubaggern und sich lieber darüber Gedanken machen, wen die Billy Boys dieses Wochenende wohl beglücken, dann ist es nicht mein Problem, dass sie bei ihrem ersten unangekündigten Test schlechte Noten bekommen haben.

Und es verbessert auch nicht gerade meine Laune, dass ich unbedingt flachgelegt werden muss. Es gibt nichts Schlimmeres als eine Frau, die einen guten Orgasmus braucht.

Oder zwei.

Oder drei.

Ich lasse meinen Rucksack auf die Ablage plumpsen mit einer plötzlichen Entschlossenheit, diese Situation mit dem ersten willigen Kandidaten zu beheben, der meine hohen Ansprüche erfüllt. Andererseits bin ich nahe daran, verzweifelt genug zu sein, meine Erwartungen zurückzuschrauben und einen großen Fehler in Kauf zu nehmen.

Ich beginne, mich durch die zig Papiere durchzuwühlen, die in mein Postfach gestopft sind – so ist nun mal das Leben einer Doktorandin der Filmproduktion. Scheiße, rettet einen Baum,Leute, und schreibt E-Mails! Automatisch werfe ich diejenigen über Wahlseminare in den Recycling-Behälter, ohne sie überhaupt zu lesen. Am Anfang eines Semesters ist das Letzte, wofür ich Zeit habe, mich mit Dingen auseinanderzusetzen, die nichts zu meiner Dissertation beitragen.

»Quinlan! Genau dich wollte ich sehen!«

Als ich mich umdrehe, um meine Tutorin für die Doktoranden zu begrüßen, muss ich ganz automatisch lächeln, weil ich eine der wenigen ausgewählten Glücklichen bin, denen sie zur Seite steht. »Hi, Dr. Stevens.« Sie sieht mich streng an, da ich sie so förmlich begrüßt habe, was mich jetzt zum Lachen bringt. Deshalb gebe ich ihrer oft wiederholten Aufforderung nach und korrigiere mich. »Hi, Carla.«

»Schon viel besser«, lacht sie. »Jetzt halte ich nicht mehr nach meinem Mann Ausschau, wenn du das sagst«, meint sie und bezieht sich dabei auf ihren Ehemann, der ein Kardiologe ist.

Zustimmend nicke ich. »Warum habe ich so ein ungutes Gefühl dabei, dass du mich sehen wolltest?«

Bitte, lieber Gott, lass sie mich nicht fragen, ob ich noch etwas Weiteres auf meine bereits übervolle Liste mit Verpflichtungen und Deadlines sowie einigen zu schreibenden Ausarbeitungen hinzufügen kann.

»Ich stecke gewissermaßen in der Klemme und brauche deine Hilfe.« Sie rümpft ihre Nase so, als ob sie wissen würde, dass ich nicht allzu glücklich sein werde über das, was als Nächstes kommt. »Was wäre denn, wenn die Hilfe eine dreiwöchige Verlängerung für dein erstes Konzept beinhalten würde?«

Ich beiße mir auf die Unterlippe und weiß, dass, ganz egal, was sie fragt, ich sowieso Ja sagen werde. Herrgott noch mal, sie ist schließlich meine Tutorin! Ich würde alles tun, um sie nicht zu enttäuschen. »Okay?« Ich ziehe das Wort in die Länge zu einer Frage, bin gleichzeitig ängstlich und neugierig.

»Nun gut, Dr. Elliot hat jemanden für eine Vorlesung ins Boot geholt, die nun beginnt.« Sie schaut runter auf ihre Armbanduhr und zuckt zusammen. »Na ja, eigentlich hat sie schon vor fünf Minuten begonnen. Jedenfalls hat er mich gefragt, ob ich ihm aushelfen kann. Seine Lehrassistentin Callie sollte es zuerst machen, aber sie hatte in letzter Minute eine Zeitplanänderung, um einem ihrer Professoren einen Gefallen zu tun … und all seine anderen Lehrassistenten haben jetzt gerade Unterricht …«

Ich unterdrücke das Bedürfnis, einen Klugscheißer-Kommentar von mir zu geben, dass Callies Konfliktsituation in Wirklichkeit wohl eher ihr Bedürfnis ist, mit dem Professor zu flirten, auf den sie scharf ist – scheiß auf die Richtlinien! Stattdessen blicke ich zu Carla, atme hörbar aus und bin mir sicher, dass mir mein Unwille anzusehen ist.

Normalerweise bin ich informiert, was alle Vorgänge im Institut betrifft, aber mein Last-Minute-Trip zu dem Sonoma-Rennen, um Colton zuzuschauen, und zusätzlich mit dem Beste-Freundin-spielen, um mich um Layla zu kümmern wegen ihrer unerwarteten Trennung, und der übliche Stress zu Semesterbeginn haben mich über Kurs-Besonderheiten im Dunkeln gelassen. Es sollte besser eine verdammt gute Vorlesung sein, wenn ich mich schon breitschlagen lasse.

»Dir ist schon klar, dass ich nur zustimme, weil ich mich bereits hinter mein Konzept geklemmt habe und diese Wochen dringend brauche, oder?«

»Genau!« Sie grinst. »Das Ph. D. steht nicht umsonst hinter meinem Namen.«

»Das ist fies.« Ich schüttle lediglich den Kopf, während ich meine Hand ausstrecke, um mir meine Tasche zu schnappen. »Also … sag mir bitte Näheres.«

»Du bist meine Rettung!« Sie tätschelt meine Schulter. »Also, die Vorlesung ist über Sex, Drugs and Rock and Roll.« Sie zieht die Augenbrauen hoch, will wissen, ob das okay für mich ist.

Als ob ich eine andere Wahl hätte. Ich kann’s mir schon in etwa vorstellen: Ein steifer Professor, der eine Vorlesung über irgendetwas hält, das komplett fremd für ihn ist. Jetzt muss ich auch noch meine Zeit damit verschwenden, jemanden unter meine Fittiche zu nehmen, während ich doch so viele andere Dinge habe, für die ich besser meine Zeit nutzen könnte. Klingt ja wie ein echter Knüller.

»Wer wird die Vorlesung halten?«, frage ich. Mein Ton spiegelt den Zynismus wider, den ich wegen der Unvereinbarkeit zwischen Kursleiter und Thema verspüre.

»Ein Gastdozent. Ich habe seinen Namen vergessen, aber er ist Mitglied irgendeiner bekannten Band.« Sie rollt mit den Augen. Ihr Musikgeschmack beinhaltet nur klassische Musik und Jazz. »Oh, und er ist süß«, sagt sie lächelnd und kommt mir dann zuvor, bevor ich sie noch nach irgendwelchen weiteren Einzelheiten fragen kann. »Und jetzt beeil dich – wahrscheinlich macht er gerade das Soundsystem kaputt, während wir uns hier miteinander unterhalten. Mikrofon verkehrt herum oder so was. Der Kurs ist in dem GFA-Gebäude, Raum 69.«

Im Geiste rolle ich mit den Augen bei der Raumnummer. Ich denke, dass etwas anderes, wofür diese Zahl steht, eine viel bessere Art wäre, meine Zeit in Anspruch zu nehmen, als einer monotonen Rede zuzuhören. Und ich frage mich, was für eine große Persönlichkeit er wirklich sein kann, wenn sich Carla Sorgen macht, dass er sein Mikrofon falsch herum benutzen könnte.

Ich schüttle den Kopf ein weiteres Mal und werfe mir dann den Riemen meiner Tasche über die Schulter. »Danke, Quinlan«, säuselt sie in einem zuckersüßen Ton, der mich schon wieder zum Lachen bringt.

»Nur damit du Bescheid weißt – ich verfluche dich gerade!«, rufe ich ihr noch über meine Schulter zu, als ich die Tür öffne und dann den Weg über den Campus antrete.

Ich bin außer Atem, mir ist sauheiß, und ich beschimpfe Carla in Gedanken sogar noch wüster, als ich die geschlossene Tür des Hörsaals erreiche. Als ich sie aufziehe und in den Vorraum trete, kann ich das Gelächter der Studenten hinter den geöffneten Türen hören.

Zwei Studentinnen verlassen gerade die Toilettenräume auf der anderen Seite des Gangs vor mir, beide viel zu overdressed für Studenten, die an einer Vorlesung teilnehmen, und eine trägt Lippenstift auf, während die andere unkontrolliert kichert. Sie gehen an mir vorbei, und ich höre gedämpfte Bemerkungen darüber, wie sie »es einfach mit eigenen Augen sehen mussten, ob er in echt genauso heiß ist«, und sich darüber ärgern, weil »diese verdammten Sicherheitsleute sie rausgeschmissen haben«, bevor sie schließlich durch die Tür gehen, durch die ich gerade gekommen bin.

Meine Neugierde ist jetzt allerdings definitiv geweckt. Wer zum Teufel ist der Gastdozent, wenn es hier sogar Sicherheitsleute gibt?!

Vielleicht ist es einer von Dads Freunden. Es sind schon seltsamere Dinge passiert.

»Also siehst du, es waren die Grammys. Es ist ja nicht so, als ob du Nein zu ihm sagen könntest, wenn er gerade für das Album des Jahres ausgezeichnet wurde und er dich danach fragt, mit ihm Zeit zu verbringen. Aber ich konnte ja nicht ahnen …«, sagt eine männliche Stimme in einem leisen Tenor, der fast ein Widerspruch ist: samtweich, aber dennoch rau, der meine Libido weckt und mich an Schlafzimmer-Gemurmel denken lässt und an heißen Sex, »dass ich mit ihm und dann in einen privaten Club gehen würde, in dem alles wie auf dem Präsentierteller lag – Drogen, Frauen, Musikproduzenten. Er hat sich mir zugewendet und gesagt: Willkommen in Hollywood. Scheiße, ich hab Vince angeguckt und gedacht, ob es das ist, was ich tun muss, um es hier zu schaffen? Dieses Spielchen spielen? Oder kann ich das hier auf ganz herkömmliche Weise tun? Und ich meine damit auch nicht, mich hochzuschlafen.«

Der Raum entlädt sich in Gelächter mit einigen Pfiffen, als ich aus der Türöffnung trete. Ich erkenne ihn sofort. Er mag zwar auf der Bühne in der Ferne stehen, aber sein Gesicht, seine Ausstrahlung sind unübersehbar. Ich habe ihn Boulevardblätter schmücken sehen. TMZ, Rolling Stone … alles Mögliche, und er ist auf diesen Covern gewesen.

Er ist Hawkin Play, Frontmann und Leadsänger der extrem beliebten Rockband Bent!

Und laut der jüngsten Presseberichterstattung ist er ein Mann auf dem direkten Wege zur drogenberauschten Zerstörung. Eine derartige Übertreibung bedeutet höchstwahrscheinlich, dass er geschnappt wurde, als er gerade im Besitz von Drogen war.

Aber warum zur Hölle ist er hier?

Ich gehe weiter in den Hörsaal hinein und bleibe oben auf der Treppe zögernd stehen, weil, gerade als sich meine Ohren an seine Stimme gewöhnt haben, mein Körper umgehend auf seinen überwältigenden Anblick reagiert.

Und so was will ich ganz bestimmt nicht!

Ich sage mir selbst, dass das nur so ist, da ich mal wieder ein bisschen Action im Bett brauche. Dass mein batteriebetriebener Freund alt wird und die instinktive Reaktion meines rasenden Pulses oder mein tiefes Durchatmen lediglich auf meine lange Durststrecke zurückzuführen ist. Na ja, nicht wirklich eine absolute Durststrecke, sondern eher das Fehlen von Sex, der dich komplett umhaut und den ich in letzter Zeit einfach nicht hatte. Es sind die guten Sexpartner, die leider nur selten zu finden sind.

Denk nicht einmal daran. Er mag vielleicht heiß sein, aber ich bin mit Colton aufgewachsen, dem ultimativen Playboy, deshalb weiß ich auch, wie sich so einer anhört und verhält. Und laut allem, was ich in den Schlagzeilen und den sozialen Medien über diesen Mann hier gelesen habe, spielt Hawkin Play diesen Part perfekt.

Aber der Gedanke, dass sein Ruf als Playboy genauso wie die Drogengerüchte, die in den Magazinen verbreitet werden, erfunden sein könnte, klingt in meinem Unterbewusstsein nach. Ich starre ihn wieder an, während die Studenten lachen. Seine Ungezwungenheit vor einer großen Gruppe ist mehr als offensichtlich, und ich frage mich sofort, ob ich eine Chance bei ihm hätte, falls ich sie ergreifen würde.

Was läuft bei mir eigentlich falsch? Mein Verstand sagt mir, nicht mehr an so etwas zu denken, diese Dinge werden sowieso nie passieren, während mir mein Körper sagt, die Beine gaaanz breit zu machen.

Ich zwinge mich dazu, nicht mehr an solche lächerlichen Sachen zu denken, und konzentriere mich stattdessen darauf, einen Platz in dem Raum zu finden, der vor Studentinnen überquillt. Langsam gehe ich die Gänge hinunter, blicke hin und her und versuche, einen freien Platz zu finden, aber es gibt keinen einzigen.

Ich schaue nach vorn und sehe einen muskulösen Kerl, der mit einem genervten Gesichtsausdruck auf mich zukommt. Augenblicklich wird mir klar, dass ich nicht beweisen kann, dass ich in diesem Kurs sein sollte. Ich habe kein Dokument bei mir – nichts, das ich dem Bodyguard, der auf mich zusteuert, zeigen könnte. Ich kann nicht beweisen, dass ich kein Fan bin, sondern einen legitimen Grund habe, an der Vorlesung teilzunehmen. Na ja, vielleicht schmeißen sie mich ja raus, und dann wird er an diesem Tag eben keine Lehrassistentin haben.

Nur eine Unterrichtsstunde weniger, die ich durchstehen muss.

Und ein Arschloch weniger, mit dem ich mich auseinandersetzen muss.

Er kommt näher und streckt einen sehr muskulösen Arm nach mir aus. »Kurs-Papierkram?«, fragt er in einem gedämpften Flüstern. Er versucht, das, worüber auch immer Mr. Rockstar vor dem Kurs gerade in einem fort brabbelt, nicht zu stören.

Ich atme tief ein, versuche mir zu überlegen, wie ich das hier angehen soll. Was ich wirklich tun will und das, von dem ich weiß, dass es das Richtige ist, sind leider zwei völlig unterschiedliche Dinge. Also stehe ich es klaglos durch und beschreite den rechten Weg.

Widerwillig.

»Ich hab nichts dabei«, flüstere ich zurück. »Aber ich bin die Lehrassistentin für diese Vorlesung.«

»Natürlich bist du das.« Er kichert, während er mit den Augen rollt.

Ich beiße die Zähne zusammen und halte meine Frustration im Zaum, da wir bereits beginnen, die Aufmerksamkeit der Leute um uns herum auf uns zu ziehen. »Ich bin gerade aus dem Institutsbüro gekommen, ich hab kein …«

»Gibt’s ein Problem, Axe?« Seine verdammt sexy Stimme dröhnt durch den Raum, was dazu führt, dass sich nun wirklich alle Köpfe in dem Raum zu uns umdrehen.

Der Bodyguard dreht sich um, um zu Hawke zu schauen, wodurch dieser mich sehen kann.

»Nein«, sagt Axe, und bevor er noch irgendetwas anderes sagen kann, ergreift auch schon Hawke das Wort.

»Wie nett von dir, dass du pünktlich erschienen bist.« Sarkasmus tropft aus seiner Stimme, und ich blicke zu ihm auf und in seine Augen – trotz der Entfernung zwischen uns.

Und ich schwöre, dass ich gerade alles an mir hasse, weil ich spüre, wie ein Ruck durch meinen ganzen Körper geht und sich die Lust zwischen meinen Schenkeln breitmacht, als wir uns in die Augen sehen. Das langsame Ich bin ein Gott, und du darfst dich vor mir verneigen-Lächeln lässt einen Mundwinkel von ihm nach oben ziehen.

Und verflixt und zugenäht, aber wenn ihn das nicht sogar noch anziehender macht!

Aber ein gutes Aussehen macht ihn todsicher nicht weniger zu einem Arschloch.

Meine Lippen verziehen sich zu einer angespannten, mürrischen Grimasse, Gedanken werden abgefeuert, aber die verdammten Worte kommen nicht, weil ich im Moment immer noch ganz starr bin wegen dem, was auch immer gerade zwischen uns hin- und hergeschossen wird.

»Na ja, zumindest bist du still, was? Keine, die stört, außer man zählt das Streiten mit Axe auf der Treppe dazu.«

Wie konnte ich wissen, dass er sich als Arschloch entpuppen würde? »Ich hab nicht gestritten. Und ich bin keine …«

»Schau mal«, unterbricht er mich. »Ein Platz ist noch übrig, und er ist genau hier.« Er zeigt auf einen Platz direkt vor dem Pult, woraufhin ein Mann eilig aufsteht und den Platz verlässt. Ich beobachte ihn, wie er an die Seite des Raums schlendert und sich mit dem Rücken an die Wand lehnt. Er verschränkt die Arme vor der Brust und grinst breit, während er die ganze Zeit über in Hawkins Richtung den Kopf schüttelt, so als ob es einen Insiderwitz zwischen ihnen gäbe.

Entfernt kommt er mir bekannt vor, aber ich bekomme nicht die Gelegenheit, es herauszufinden, weil Hawkin mich wieder anspricht. »Jetzt komm schon. Ich beiße nicht – oder, Leute?«, fragt er die anderen im Hörsaal, und die Zuhörer brechen in einer Kakofonie von Gejohle und Rufen aus, die mich piesacken, mich auf den Platz zu setzen.

Ich höre ebenfalls einige Angebote von Frauen, dass sie den Platz liebend gerne nehmen, falls ich es nicht tun sollte.

Ich bin mir sicher, dass sie das würden. Zumal der Platz genau unter seiner Gürtellinie ist, wenn ich mich nicht irre.

»Bitte, lass dir Zeit. Wir warten gerne.« Seine Stimme schwebt durch den Raum, aber kratzt an meinen Nerven.