Dschungel l(i)eben lernen - Johannes Wagenknecht - E-Book

Dschungel l(i)eben lernen E-Book

Johannes Wagenknecht

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Beschreibung

Februar 1990: Die Dunkelheit brach gerade herein, als wir nach 9 Stunden Busfahrt über 200 km Schotterpiste unser Ziel im ecuadorianischen Amazonastiefland erreichten. Petra und ich waren noch nie in den Tropen gewesen, hatten nur ein vage Vorstellung von dem, was uns erwartete. Und hier sollten wir - mitsamt unseren zwei kleinen Kindern - die nächsten 3 Jahre leben und arbeiten. Die Anspannung war entsprechend groß. Und dann dieses Erlebnis! Das Geklappere des Busses und das Gekreische aus dem Kassettenrekorder war schlagartig einem Konzert von Fröschen, Zikaden, Grillen und was weiß ich gewichen. Papageien wünschten sich noch lautstark eine gute Nacht und die ersten Fledermäuse huschten vorbei. Die Palmen und mächtigen Baumkronen waren nur mehr als Umrisse gegen den dunkel-violetten Himmel erkennbar, der sich schlagartig verfinsterte. In diesem Moment gravierte sich ein Gedanke ein: Ich gehöre hier her, ich möchte ein Teil dieses Ambientes werden!

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EPUB

Seitenzahl: 38

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Dschungel l(i)eben lernen

Wie geht das zu, wenn sich ein normaler Mitteleuropäer in den Dschungel verliebt und als Mittfünfziger beschließt, ins Amazonasgebiet zu übersiedeln und Landwirt zu werden? Wenn ich Ihre Neugier und Ihr Interesse an diesem faszinierenden und bedrohten Ökosystem wecken kann, ist der Zweck dieses Büchleins erfüllt.

Das dämmrige, feucht-warme Klima des tropischen Regenwaldes hat unzählige Tier- und Pflanzenarten entstehen lassen, aber auch jede Menge Mythen und schaurige Geschichten. Was mit den europäischen Eroberern vor 500 Jahren begann, setzen die Naturfilmer der heutigen Zeit fort. Das “gewöhnliche” Leben im Dschungel kennen nur wenige EuropäerInnen. Das Bild vom Dschungel bleibt sehr abstrakt, was leider dazu führt, dass die schleichende Ausrottung vieler Pflanzen und Tiere weitgehend unbeachtet bleibt.

Hölle oder Paradies?

Im Dschungel spüren wir - wie kaum sonst - die Fülle des Lebens hautnah. Diese Sinneseindrücke lassen sich nicht durch einen noch so perfekten Naturfilm ersetzen, diese feuchte, fast klebrige Luft, die Berührungen der Blätter und Lianen, die Struktur der Baumrinden, manchmal eben auch Insektenstiche. Man muss ihn riechen, diesen süßlichen, modrigen Geruch, ab und an durchzogen von der Duftschwade einer blühenden Orchidee oder reifen Früchten. Und man muss sie mit den eigenen Augen sehen, diese chaotische Vielfalt von Gewächsen, in allen Richtungen, auch über unseren Köpfen. Wurzeln sind hier nicht nur in der Erde versteckt, sondern schlängeln sich an den Baumstämmen von oben her oder kommen lotrecht aus einer Baumkrone in luftiger Höhe. Nur selten dringt ein Sonnenstrahl bis zum Boden. Dieser Boden, weich, feucht, übersät mit verwesenden Blättern, Früchten und Ästen, lässt uns erahnen, dass unter unseren Füßen ein weiteres undurchschaubares Universum existiert. Von den Tieren bekommen wir nicht viel zu sehen, aber umso mehr zu hören. Jedenfalls lässt die Geräuschkulisse keinen Zweifel, dass die Tierwelt hier vielfältiger ist als irgendwo sonst auf der Welt. Und viele dieser Geräusche sind uns unbekannt, des Nachts können sie uns leicht einen Schrecken einjagen. Unwillkürlich fragt man sich, wie viele dieser Lebewesen - einschließlich Bakterien und Viren, die man hier förmlich riechen kann - einem feindlich gesinnt sind.

Viel Fantasie braucht es nicht, um sich vorzustellen, wie sich Gonzalo Pizarro und Francisco de Orellana zu Beginn des Jahres 1541 unweit unserer Finca durch Sumpf und Dickicht gequält haben, auf der Suche nach dem legendären Zimtland. Mit Müh und Not schafften es einige wenige Spanier nach zwei Jahren zurück nach Quito. Für sie war der Dschungel die “grüne Hölle”. Und viele Europäer machten ähnliche Erfahrungen in dieser für sie fremden Welt, voller Tiere und Krankheiten, die sich förmlich auf die Eindringlinge stürzten. Für sie war es eine Bestätigung des damaligen Weltbildes. Die Wildnis war der Hort des Bösen und der Gefahr, als Gegenwelt zur “Kultur”. An dieser Stelle erlauben Sie mir bitte eine zynische Anmerkung: Zur Kultur gehörte es damals auch, Menschen mit einem anderen Weltbild den Schädel einzuschlagen. Sicher hätten die Eroberer auch den Dschungel kurz und klein geschlagen, wären sie dazu in der Lage gewesen.

Die europäische Kultur hat sich zum Glück in den letzten 500 Jahren weiterentwickelt. Im Umgang mit anderen Menschen sind wir doch etwas feinfühliger geworden. Die Einstellung zur wilden Natur hat sich demgegenüber nicht wesentlich geändert. Mit “Kultivierung” eines Stück Landes ist vor allem die Ausrottung aller unbeabsichtigt wachsenden Pflanzen gemeint. Zum Beispiel werden im Amazonasgebiet jährlich 20.000 km² Wald vernichtet, um Soja-Monokulturen oder Viehweiden anzulegen. Angesichts dieser Tatsachen überrascht es mich, dass eine Suche im Internet wesentlich mehr Treffer für “Dschungel Paradies” als für “Dschungel Hölle” liefert. Ursache dafür könnte aber ein falsches Bild sein, das wir vom Dschungel - vielleicht auch vom Paradies - haben. Die Bilder zum Thema Paradies zeigen jedenfalls so ziemlich das Gegenteil der chaotischen und überbordenden Natur eines Dschungels.

Die tausenden Fotos “Dschungel-Paradies” ähneln verblüffend den Malereien, die uns die Künstler der letzten Jahrhunderte hinterlassen haben - geordnete, lichtdurchflutete, sanft geformte, fruchtbare Landschaften. Ein Dschungel sieht anders aus.

Eines stimmt: fruchtbar ist der Dschungel auch. Aber die allermeisten der Blätter und Früchte sind für uns ungenießbar, wenn nicht sogar giftig. Es ist eine unüberschaubare Welt im Dämmerlicht, voller kleiner Ungeheuer, die es auf unsere empfindlichsten Körperstellen abgesehen haben. Die einzig lichten Stellen, an Flüssen oder um einen umgestürzten Baum, sind von undurchdringlichem, dornigem Gestrüpp umgeben. Solche Bilder findet man im Internet nicht.

Liebe