Du kannst alles lassen, du musst es nur wollen - Torsten Sträter - E-Book

Du kannst alles lassen, du musst es nur wollen E-Book

Torsten Sträter

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Beschreibung

Sträter is bäck! Der neue Bestseller des Comedy-Stars!! In echt: Ein neues Buch vom Meister. Es handelt sich hierbei um die besten Geschichten der letzten drei Jahre. Storys mit Pfiff. Eine Führung durch die ganze Welt der Idiotie, verbunden mit der Einsicht, dass nichts menschlicher ist als das Missgeschick. Ferner: seltsame Berichte vom Rand der schiefen Ebene. Schilderungen, die man sich auf gar keinen Fall verkneifen kann. Und zwischendurch paar Infos darüber, was sonst noch so war. Ein seriöses Konzept. Und Sträter gelobt, es sehr lustig zu gestalten. 

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Seitenzahl: 258

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Du kannst alles lassen, du musst es nur wollen

Der Autor

Torsten Sträter, Jahrgang 1966, wohnhaft in Waltrop bei Dortmund, arbeitet in einer Möbelspedition, hilft in einer Buchhandlung aus und trägt seit 2008 auf Poetry Slams und in Solo-Shows selbstgeschriebene Texte vor. Geringste Zuschauerzahl: 9. Höchste Zuschauerzahl: über 4000.

Das Buch

In echt: Ein neues Buch vom Meister. Es handelt sich hierbei um die besten Geschichten der letzten drei Jahre. Storys mit Pfiff. Eine Führung durch die ganze Welt der Idiotie, verbunden mit der Einsicht, dass nichts menschlicher ist als das Missgeschick. Ferner: seltsame Berichte vom Rand der schiefen Ebene. Schilderungen, die man sich auf gar keinen Fall verkneifen kann. Und zwischendurch paar Infos darüber, was sonst noch so war. Ein seriöses Konzept. Und Sträter gelobt, es sehr lustig zu gestalten. 

Torsten Sträter

Du kannst alles lassen, du musst es nur wollen

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein.de

ISBN 978‑3‑8437-2807-2© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022Alle Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: Hans Scherhaufer, BerlinAutorenfoto: Guido SchroederLektorat: Oliver DomzalskiE-Book-Erstellung powered by pepyrus

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Inhalt

Titelei

Der Autor / Das Buch

Titelseite

Impressum

Vorwort

Vorwort

Teil 1    

Stories

Versicherung

Juni 2019

Am nächsten Morgen

Zucker

17:00 Uhr

17:04 Uhr

17:10 Uhr

18:00 Uhr

20:45 Uhr

21:00 Uhr

21:06 Uhr

23:17 Uhr

03:12 Uhr

Früher Morgen

Fitness

1.

2.

3.

4.

Influencer

Käse

Die heilende Kraft der Blamage

Platz 3

Platz 2

Hier ist Platz 1

Senil daneben

Corona 76

Januar 1976. Mittwoch. 19:30 Uhr.

April.

Der kleine dicke König 1

Der kleine dicke König 2

Teil 2    

Die Pandemie-Papiere

Omikron

Öl

Gurken!

Gelassen bleiben

Lockdown

Wollen Sie das?

Bundespräsident

ZWISCHENSPIEL

Warum ich kein Buch über meine Depressionen schreibe

Gut. Wo fange ich an?

Teil 3    

Akte Wichs: das Beste vom Schlechten

Vorneweg

Komfortzone

ASAP

Folgendes

Roundabout

Kopf in ’n Nacken

Selbsterklärend

Guter Weg

Geringverdiener

Monothematisch

Personaldecke

Quasi

Ich danke Ihnen!

Teil 4    

Weitere gute Texte

Buenos Dias

Motivation

Das Nibelungenlied

Emoji

Acht wenig hilfreiche Klopper zum Thema Depression

Abitur

After Eight

Teil 5    

7 Tage, 7 Köpfe: die Texte

Superbowl

Valentinstag

Tierwohl

Parfum

Teil 6    

Spielzeug

Action Team

Kinderpost

Parkhaus

Die Balltröte

Teil 7    

Ansprachen ans Volk

Hallo

The great Schnittmenge

Sie, Herr Müller!

Cancel Culture

November-Ansprache

The Voice

Für den Doktor

Teil 8    

Extra 3: die Texte

Scholz II

Söder

Trump

Laschet

Johnson

Teil 9    

Kammanommakucken

Erstmal

Batman hält die Welt in Atem

Fantomas. Von 1964

Karate Kid, 1984

Shining

Stirb langsam

Auf dem Highway ist die Hölle los

Highlander – Es kann nur einen geben

Poltergeist

Anhang

Bildnachweis

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Vorwort

Vorwort

    

Liebe Leserin, lieber Leser, verehrte nicht-binäre Peoples, na?

Ich finde es nahezu mega-schmeichelhaft, dass Sie mein Buch in den Händen halten. Falls Sie Hände haben. Ich habe durchaus schon beobachtet, dass Menschen mit ihren Füßen ein Buch halten. Wenn auch nur auf TikTok. Falls Sie das nicht kennen: TikTok ist das Geräusch, dass Ihre Gehirnzellen machen, wenn diese beim Benutzen der App gegen die Schädeldecke ticken und zu Seife werden. Unglaublich dumme Anwendung. Ich nutze sie täglich. TikTok ist das exakte Gegenteil von Meditation. Nach zwanzig Minuten intensiver Betrachtung weiß man immerhin: Wir sind alle verloren, das aber durchaus verdient. Was wollte ich sagen?

Genau! Dieses Buch hier enthält unter anderem (wie auch die Bücher davor) meiner bescheidenen Ansicht nach das am meisten geglückte Material der letzten drei Jahre.

Ich hatte ja bei dem ganzen Elend der letzten tausend Tage das Glück, weiter Texte schreiben zu können – fürs Fernsehen, für meine Live-Show, für meine geistige Gesundheit … und einige dieser Texte sind gut genug für ein Buch. Vorsichtshalber weise ich lieber direkt darauf hin, dass die hier vorliegenden Sachen zwischendurch ein bisschen pandemielastig sind. Der Nachteil daran ist, dass wir alle massiv die Schnauze voll von dem Scheiß haben, der Vorteil indes, dass mir da einige gute Geschichten geglückt sind, die so dufte wie konfus ein opulentes Bild der letzten drei Jahre zeichnen.

Sie werden aber auch völlig neue Geschichten entdecken. Und einen Diavortrag.

Was bleibt zu sagen? Ich schulde Ihnen Dank, und zwar aus dem Souterrain des klebrigen Klumpens, den wir Herz nennen – dafür, dass Sie mich und meine Kolleginnen und Kollegen unterstützt haben in den letzten Jahren, dafür, dass ich dann und wann Ihre im besten Fall lachenden Gesichter sehen darf; dafür, dass ich ohne Sie nicht der wäre, der ich bin.

Danke.

(Hier könnte man jetzt so einen verästelten Dekor-Balken hinmachen, um das Ganze grafisch abzubinden, stilistisch so ein bisschen wie eine weinrebenhafte Downton-Abbey-Fußleiste, einfach, um den warmen Charakter dieses Vorworts buchstäblich zu unterstreichen, aber dafür hab ich das Manuskript zu spät abgegeben, und bevor jetzt einer vom Verlag mit wehenden Hosenbeinen losrennt, um ein passendes Clipart zu kaufen, sage ich: Lass ab. Es muss auch mal so gehen.)

IhrTorsten Sträter

Teil 1    Stories

Versicherung

Diese Geschichte hat den besten letzten Satz überhaupt. Ernsthaft. Er lautet: »Eine Woche später war das Geld auf dem Konto.«

Juni 2019

Ich sitze in meinem Arbeitszimmer und schwitze mich kaputt. Draußen sind 40 Grad, im Raum 50, Wärmeisolierung funktioniert also. Der Klimawandel, so viel sei gespoilert, existiert. Weil es so unmenschlich warm ist, tue ich Dinge, die mich nicht so anstrengen. Und Dinge, die mal nötig sind.

Ich bin vor einiger Zeit dazu übergegangen, wichtige Unterlagen mit einer App einzuscannen, damit mir nicht das Übliche passiert. Das Übliche ist, dass ich Papier-Belege wie Rechnungen, Tankquittungen, alarmierende Bescheide oder hyperwichtigen Kram wie Versicherungsunterlagen sehr sanft mit spitzen Fingern, behutsam wie ein Chirurg, an den Kanten greife, sauber aufeinander- und dann ablege, zum Beispiel kurz und übergangsweise auf den Rücksitz meines Wagens, um mich dann für einen Moment abzuwenden.

Nun spulen wir behutsam vor.

Mein Steuerberater ruft an und teilt mir mit, dass er gerne mal einige Unterlagen beim Finanzamt einreichen wollen würde. Denn das sei im Prinzip eine seiner Aufgaben, und wie es denn mit Belegen aussehe. Und überhaupt könne ich das mal häufiger tun. Belege kämen derart selten, oft nicht einmal aus demselben Jahr oder dem davor, und er habe keinen Bock mehr, dem Finanzamt mit Wachswappen versehene Rechnungen über eine Meerschaumpfeife und mehrere Monokel einzureichen.

Ich sage: »Sicher«, lege auf und gehe zum Auto.

Die Belege sind noch immer auf dem Rücksitz, haben aber eine beunruhigende Metamorphose durchgemacht. Klar, sie waren ja mit mir auf Tour, und dementsprechend sehen sie auch aus.

Ein Menschenjahr sind sieben Belegjahre, und der Stapel Unterlagen klumpt subtil und sieht nun eher aus wie der vollgeschmierte Volleyball, den Tom Hanks in diesem Inselfilm volllabert. Und überhaupt ist der Rücksitz voller Zwiebeln.

Stimmt, entsinne ich mich, ich hatte versucht, auf der Autobahn während rasender Fahrt eine Gyros Pita zu verzehren, irgendwann das Fenster heruntergefahren und festgestellt, dass massive Luftverwirbelungen durchaus in der Lage sind, dir in der Karre aus der Hüfte ein Pfund Gemüse umzusiedeln. Also hatte ich vorne keine Zwiebeln mehr. Und hinten war keiner.

Es waren viele Ereignisse wie diese, die zum Zustand der Papiere führten. Das würde wieder übel werden, dachte ich beim Anblick der Unterlagen. Ich pfriemelte das Papier auseinander. Da! Eine Rechnung über Putzmittel. Vom Schlecker in Castrop. Das ganze Papier erinnerte vage an Teile einer derbe antiken Schatzkarte. Die würde mein Steuerberater nur einreichen können, wenn er dabei einen Papagei auf der Schulter hätte. Ganz übel. Bitter.

Deswegen scanne ich jetzt alle Unterlagen.

Und während ich da so in meinem eigenen Saft im Arbeitszimmer hocke und meine Belege, Rechnungen und Versicherungsunterlagen scanne, fällt mir was auf.

Ich bin einer von vielen, die ein bisschen überversichert sind. Das ist völlig normal. Es gibt einem einfach ein gutes Gefühl, abgesichert zu sein.

Es gibt zum Beispiel eine spezielle Versicherung für Wintergärten, weil die ja zu 90 Prozent aus Glas bestehen, und da ist ruckzuck was passiert, ganze Elemente müssen ausgetauscht werden, es regnet rein, und meine Wintergarten-Versicherung ist da top, lückenlos, da ist jede Schraube bis zum Exzess durchversichert, auf Anraten meines Versicherungsagenten ohne Selbstbeteiligung, bisschen teurer, aber dafür null Sorgen. Sofort gemacht.

Dann bin ich nach Hause gegangen und habe gesehen: Ich habe gar keinen Wintergarten.

Das ist eigentlich auch ziemlich schlau, denn wenige Zentimeter hinter dem Fenster zum Blumenbeet kommt sofort die Garage. Wenn man da einen Wintergarten zwischenkloppt, könnten den nur sehr flache Leute nutzen. Und diese Leute wären zu selten zu Hause, um den Wintergarten auszunutzen, weil sie mit einem bizarren Wanderzirkus auf Tour wären, um sich unter dem Motto »Durch Bernd kann man durchgucken« auf irgendwelchen mit Heu bestreuten Bühnen zu exponieren. Egal jetzt. Denn was ich erzählen wollte: Ich stelle bei Durchsicht der Scans fest, dass ich nicht nur eine, sondern zwei Rechtsschutzversicherungen besitze. Zwei. Einmal eine seit vier Jahren bei einem Versicherer mit H am Anfang, und noch eine etwas frischere bei einem mit P. Beide natürlich nicht beim Steuerberater eingereicht. Wie blöd kann man sein?

Ich rufe die erste an. Warteschleifenmusik.

Eine Dame hebt ab.

»Tag, Sträter, ich habe eine Versicherung bei Ihnen. Rechtsschutz.«

»Schön. Geben Sie mir die Nummer der Police?«

Warum, frage ich mich, heißt das so? Police ist ’ne britische Band, da hat Sting gesungen, wie kommen die auf die Bezeichnung? Echt jetzt!

»Warum heißt es eigentlich Police?«, frage ich.

»Wie meinen Sie das?«, fragt die Dame am Telefon.

»Na Police! Wie die Band.«

»Welche Band?«

»Wie welche Band? POLICE!«

»Sagt mir nichts.«

»Was hören Sie denn für Musik?«, frage ich.

Ich spüre geradezu, wie die Dame kurz überlegt, ob ihr diese Frage zu persönlich ist. Dann antwortet sie kühl: »Ach, eigentlich alles.«

»Wirklich?«, sage ich.

»Ja.«

»Auch Zwölftonmusik von Arnold Schönberg?«

»Nein.«

»Die Kopulationstrommeln der Tellerlippen-Krieger?«

»Nein.«

»Bad Boys Blue?«

»Nein.«

»Ding, Dong, die Hex ist tot?«

»Nein.«

»Ulf Barkasch und das Szegediner Nasenflötenorchester?«

»Nein.«

»Die Kassierer? Kiss? Den Soundtrack von Sie nannten ihn Mücke?«

»Würden Sie mir jetzt die Nummer Ihrer Police geben?«

Ich seufze, dann gebe ich die Nummer durch.

»Ja«, sagte die Dame. »Rechtsschutz. Keine Selbstbeteiligung. Und was wollen Sie wissen?«

»Kann ich die kündigen?«

»Natürlich.«

»Sofort?«

»Nein«, erwidert die Dame.

»Ich hab die nämlich noch nie in Anspruch genommen.«

»Das ist gut«, sagt die Dame.

»Für wen?«, frage ich.

»Nun, Sie hatten immerhin keinen Rechtsstreit.«

»Gut, dann will ich die jetzt kündigen.«

»Das geht nur schriftlich. Per Einschreiben mit Rückantwortschein.«

»Einfacher geht’s nicht?«

»Das ist einfach. Nur ein formloses Anschreiben.«

»Formlos?«

»Ja.«

»Also einfach: Hey, löscht mich, Ihr Heiopeis, Grüße, der Meister.«

»Etwas förmlicher.« Sie klingt nun genervt.

»Hochverehrte Heiopeis, löscht die Scheiße?«

»Kann ich noch was für Sie tun?«, fragt sie.

»Nein – ich schick Ihnen das.«

»Per Einschreiben mit Rückantwortschein.«

»Nicht per Message in a bottle?«

»Bitte?«

»Das ist ein Song von Police.«

»Wem?«

»Police.«

»Hätten Sie die Nummer?«

»WAS?«

Ich lege auf.

Versuche es beim anderen Versicherer. Identisches Ergebnis. Schriftlich kündigen, Versicherung nie in Anspruch genommen, was ein Käse.

Ich bin ziemlich sauer, vor allem, weil ich doppelt im Rechtsschutz bin und nie was davon hatte. Und dieser Kack-Spruch: »Ach, ich hör eigentlich alles.« Wer so was sagt, will doch verarscht werden. Aber im Moment bin eher ich hier der Blöde.

Am Abend sitze ich vor der Glotze und schaue eine Serie über lateinamerikanische Rauschmittel-Logistik namens Narcos. Im Verlauf der sattsam untertitelten Folge sehe ich eine Szene, die in einen Hahnenkampf mündet. Was ist das denn für eine Kack-Idee? Wem haben denn Hähne was getan? Die machen ja auch wenig mehr als buchstäblich vögeln, breitbeinig den Hermann machend durch Scheiße stapfen und einem zu unmöglichen Zeiten das Gelände zusammenschreien. Aber ich mag Hähne. Die ziehen ihr ziemlich überschaubares Ding durch. Und sehen aus wie Karnevalsprinzen mit sehr dünnen Füßen. Welcher Blödmann lässt Hähne gegeneinander antreten?

Moment, denke ich! Mir kommt eine Idee.

Am nächsten Tag suche ich meinen Anwalt auf. Er sackt in sich zusammen, als ich die Kanzlei betrete. Aber er ist Kummer gewohnt. »Was kann ich heute für Sie tun?«

Er vertritt mich noch in einer anderen Sache. Ich bin vor zwei Jahren geblitzt worden. Ich war etwas hektisch auf einer Landstraße unterwegs. Das Lichtbild war sehr deutlich, man erkannte jede Pore in meinem Gesicht, aber ich stritt rundheraus ab, der Mann hinterm Steuer zu sein. Ich erklärte schriftlich, der Mann auf dem Foto sei Markus Krebs. Das hätte auch funktioniert, aber Markus Krebs war zu der Zeit in Duisburg, wurde in eine Klopperei verwickelt und sagte bei seiner Verhaftung aus, er sei Torsten Sträter. Dann erfuhr er, dass ich ihn wegen des Verkehrsdelikts beschuldigt hatte, fuhr wütend zu mir und wurde dabei geblitzt. Verfahren läuft. Es ist kompliziert.

»Morgen«, sage ich.

»Ja«, sagt mein Anwalt. »Was also kann ich heute für Sie tun?«

»Hier.« Ich reiche ihm Dokumente. Dann reden wir.

Er sichtet die Unterlagen sehr genau, hört sich meine Klagen an und fasst dann zusammen:

»Sie möchten, wenn ich das korrekt verstehe, dass ich Ihre eine Rechtsschutzversicherung benutze, um die andere Rechtsschutzversicherung zu verklagen?«

»Oder andersrum«, sage ich. »Ich zahl ja beide.«

»Das geht nicht.«

»Warum nicht?«

»Keine Aussicht auf Erfolg.«

»Aber die eine Versicherung hat mich eiskalt belogen.«

»Inwiefern?«

»Die Frau am Telefon hat behauptet, sie höre eigentlich alles, also jede erdenkliche Form von Musik, und das stimmt so nicht.«

Eine Pause entsteht.

»Ich möchte«, sage ich noch mal, »dass Sie Klage erheben. Seelische Grausamkeit. Wenn ich belogen werden will, dann nicht von meiner Versicherung, da frag ich VW.«

»Herr Sträter …«

»Lass sie kämpfen«, sage ich.

»Was?«

»Lass sie kämpfen.«

Sechs Wochen später. Um 9:30 Uhr findet die Verhandlung statt.

Dem Prozess ist eine Flut irritierender Schreiben vorangegangen. Die eine Versicherung wollte die Kosten nicht dafür übernehmen, die andere Versicherung zu verklagen, und diese wollte nicht zahlen, wenn sie selbst verklagt werde, also habe ich eine dritte Rechtsschutzversicherung abgeschlossen. Ab da wurde es unübersichtlich. Eine der Versicherungen hat mich verklagt, und nicht mal mein Anwalt ist sich zu hundert Prozent sicher, worum es beim Gerichtstermin konkret geht.

Zimmer 12 des Amtsgerichts ist voller Leute. Mehrere Anwälte, Menschen auf den Zuschauersitzen. Der Richter wirkt zudem seltsam erbost.

Wir erheben uns. Der Richter fragt mich rundheraus: »Herr Sträter, Sie treiben hier ohne erkennbaren Grund Schindluder mit der deutschen Justiz. Möchten Sie sich dazu äußern?«

Ich nicke. »Ja, danke, Hochwürden.«

»Herr Richter«, sagt der Richter.

»Wer?«, sage ich.

»Ich«, sagt der Richter. »Sprechen Sie mich bitte mit Herr Richter an.«

»Zu Befehl. Herr Richter, ich beginne nun.«

Der Richter blickt mich starr an. Mein Anwalt wird fahl.

»War es nicht«, beginne ich, »Friedrich Dürrenmatt, der sagte: Die Gerechtigkeit wohnt in einer Etage, zu der die Justiz keinen Zugang hat?«

Mein Anwalt schließt die Augen.

»Herr Sträter …«, sagt der Richter.

»Okay«, erwidere ich. »Einspruch stattgegeben! Anders: Ist es statthaft, einen Mann mit zwei Rechtsschutzversicherungen übers Ohr zu hauen, wenn man diese nicht einmal benutzen darf, um beide Versicherungen, die man ja quasi angeheuert hat, wie ein Pokémon-Trainer gegeneinander antreten zu lassen?«

»Mir reicht es gleich hier«, sagt der Richter.

»Gut, streichen Sie das aus dem Protokoll«, erwidere ich. »Ich frage anders: Wie viel muss ein unbescholtener Bürger hinnehmen, und ich richte diese Frage jetzt direkt an die Geschworenen, wie viel muss er hinnehmen, bis ihm der Kragen platzt?«

Ich blicke scharf in den Raum. »Wie viel, bis dieser Mann durchdreht und etwas Dummes tut?«

»Hier sind keine Geschworenen«, sagt der Richter.

Ich weise in den Zuschauerraum. »Diese Männer und Frauen, Herr Richter, erkennen die Wahrheit.«

»Diese Männer und Frauen«, sagt der Richter, »sind von der Westfälischen Rundschau.«

Einer der Männer im Publikum nickt. Ich stürme auf ihn zu. »Sie«, sage ich, »Sie können die Wahrheit doch gar nicht ertragen!«

»Herr Sträter«, sagt der Richter.

Ich winke zornig ab und sage: »Ich rufe STING in den Zeugenstand!«

Ich höre einen Hammer auf Holz krachen.

»Das ist eine Farce hier! Gut!«

Ich wirble herum. »Gut – schön. Bitte. Ich habe das hier getan, damit Sie sich in der Sicherheit Ihres Heiabettchens wiegen können, aber das sagen Sie nicht auf Partys, dass, wenn ich den Kampf gegen die Versicherungs-Titanen aufnehme, Sie ebenfalls daran partizipieren! Ich habe den CODE RED befohlen! ICH WAR ES!«

10:40 Uhr. Die Verhandlung ist geschlossen. Dem Vernehmen nach bekommen ab sofort mehrere Leute Geld von mir. Anwälte, meine und die diverser Gegenparteien, dann noch die Staatskasse.

Ich brauche Kohle. Rufe den Steuerberater an.

»Hallo«, sage ich, »ich habe gerade einen kleinen Engpass. Belege haben Sie ja – wie sieht’s denn da mit ’ner Steuerrückerstattung aus?«

»Gut, dass ich Sie dran habe«, sagt der Steuerberater. »Die Belege sind auch digital kaum zu entziffern. Aber einen Beleg kann ich gar nicht lesen. Könnten Sie das mal bei sich kontrollieren?«

»Ich rufe zurück«, sage ich, lege auf, sichte meine Unterlagen und finde ziemlich schnell die eine Datei, von der ich denke, dass sie gemeint ist. Ich kann ihr ebenfalls keine relevanten Abrechnungsdaten entnehmen, denn ich habe eine Scheibe Serrano-Schinken gescannt. Ich muss jetzt echt mal den Wagen aufräumen. Und ich brauche Geld. Habe aber schon eine Idee.

Am nächsten Morgen

Mein Versicherungsagent kocht mir einen Kaffee, lächelt, setzt sich und sagt dann: »Was kann ich heute für Sie tun?«

Ich nehme einen Schluck Kaffee und lächle zurück.

»Ich hab da ein Problem.«

»Was denn?«

»Vorneweg, ich bin doch gegen alles versichert, oder?«, frage ich.»Gewiss, Herr Sträter – wo drückt denn der Schuh?«

»Mir ist der Wintergarten gestohlen worden.«

Eine Woche später war das Geld auf dem Konto.

Zucker

Ich bin süchtig. Und zwar nach einer der gefährlichsten Substanzen überhaupt: Zucker. Billig, fast überall drin, völlig unnötig, dabei schädlich, nährstofffrei und hochgradig süchtig machend. Übel bis ins Mark. Zucker ist quasi der Hitler unter den Lebensmitteln. Auf dem Weltmarkt kostet eine Tonne Zucker ca. 600 Euro.

Ich bin schon als Kind auf Zucker hängen geblieben. Damals wurden wir für kleinere Botengänge mit gemischten Tüten entlohnt. Auch war es gang und gäbe, dass einem der Oppa aus dem Nachbarhaus in die Sucht verhalf: Mitunter winkte er mit gichtgekrümmter Hand nach uns, und wenn wir Kinder uns dann um ihn versammelt hatten, begann er ausufernde Geschichten über Entbehrung zu erzählen, merkte zwischendurch an, dass er, Zitat, »seit 1942 hier wohne, 20 Pfennig Kaltmiete waren dat damals, ein Bollerofen pro Etage, eine Steckdose für alle auf dem Gang, Gemeinschaftsklo stand in Bottrop, dat war ’ne Rennerei damals, alles zu Fuß, aber dat kennt ihr Blagen gar nicht mehr« – und wenn man einen dieser Vorträge verfolgte, ohne etwas hineinzurufen wie »Worum geht’s konkret?«, dann fuhr die Hand des alten Mannes irgendwann in seine Tasche und förderte den Stoff zutage, nach dem wir alle gierten: Kandis. Das waren fast faustgroße Klumpen reinen Zuckers, die zudem streng nach Kordhose schmeckten, und man konnte tagelang daran herumlutschen. Das waren wir damals: Kinder –, aber Kinder, die sich für Zucker mit ihren Ohren prostituierten. So fing es an. Ich kam nie wieder davon runter. Klar habe ich meine bürgerliche Existenz aufrechterhalten, aber der Zucker hatte mich immer im Griff. Mein ganzes Leben.

Mit Mitte 50 wird mir klar: Ich muss aufhören. Die Welt ist seltsam genug. Nie mehr Zucker. Ich werden einen kalten Entzug machen. Buche mich dafür in Köln im Hotel Savoy ein. Drei Nächte. Ich werde schreiben und auf Zucker verzichten, und dann werde ich als freier Mann aus dem Hotel treten.

17:00 Uhr

Komme am Savoy in Köln an. Sie haben einen Valet-Parkservice, bringen dir also dein Auto weg und holen es wieder, wenn du es brauchst.

Sie entladen das Gepäck, bringen es aufs Zimmer, sensationeller Service.

Ich steige aus dem Wagen, gebe dem Mitarbeiter meinen Wagenschlüssel und sage: »Das ist meine Kreditkarte für die Rezeption. Und wenn Sie hier am Schlüssel zweimal drücken, geht hinten der Kofferraum auf.«

Das sind Monologe, die man selten hält, aber das Savoy ist auch ein besonderes Hotel. Die kümmern sich um alles.

17:04 Uhr

Ich gehe rein. Der zuständige Desk-Manager weist mich darauf hin, dass mir, wie angewiesen, die Schokolade vom Kopfkissen entfernt und vernichtet wurde. »Vernichten wäre jetzt nicht nötig gewesen«, sage ich. »Doch«, sagt der Manager. »Wir haben sie verbrannt.« Er lächelt. Ich erhalte meinen Zimmerschlüssel.

17:10 Uhr

Bin im Zimmer. In der Obstschale liegt Staudensellerie. Kein Obst weit und breit. Die machen keine halben Sachen hier.

Gut, alles klar, denke ich. Ich gehe in den Schlafraum. Tatsache: Keine Schokolade auf dem Kopfkissen. Minibar enthält stilles Wasser. Sonst nix. »Prima«, sage ich laut in die leere Suite. »PRIMA, PRIMA.«

18:00 Uhr

Ich baue meinen Laptop auf. Zeit, eine Geschichte zu schreiben. Ich hab ja bald Vorpremieren. Vielleicht was über die Klimakrise, die ja gar keine Klimakrise ist, sondern eine Menschenkrise; dem Klima kann ja völlig latte sein, ob es immer wärmer wird, das Klima ist immer das Klima, und in seiner Eigenschaft als Klima ist es da ziemlich genügsam; Artensterben, Polkappen schmelzen, Steigen des Meeresspiegels, alles im Geld mit drin, denn schuld werden wir sein, die Krone des Planeten, und das ist ja auch Wunder genug. Als ob wir die Krone der Schöpfung sind!