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Der dritte Band der spannenden und vielschichtigen Amsterdam-Trilogie um illegale Waffengeschäfte, Drogenhandel, Organisiertes Verbrechen, Mord und Korruption von rücksichtslosen Geschäftemachern und einer besonderen Ermittlungsgruppe, die den Kampf gegen das Verbrechen aufgenommen hat.
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Seitenzahl: 544
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Ben Kossek
Dunkel ist die Finsternis
Thriller
Amsterdam-Trilogie
Band 3
Impressum:
Copyright © 2021 by Ben Kossek
Umschlaggestaltung: Bernd Moch
Verlag und Druck: tredition GmbH
Halenreie 40-44
22359 Hamburg
ISBN 978-3-347-05635-0 (Paperback)
ISBN 978-3-347-05636-7 (Hardcover)
ISBN 978-3-347-05637-4 (e-Book)
Die klassischen Drogenarten Heroin, Kokainund Cannabis spielen in derRauschgiftkriminalität nach wie vor einemaßgebliche Rolle.
Hinzu kommen inzwischen ebensoetablierte synthetische Drogen sowieneue psychoaktive Stoffe.
Quelle:„Bundeslagebild Rauschgiftkriminalität 2019“des Bundeskriminalamts.
Prolog
Es war ein regnerischer und windiger Morgen, beinahe schon herbstlich, obwohl es gerade erst Mitte September war. Aber man spürte die Veränderung des Wetters hin zu kühleren Temperaturen in diesem Jahr schon sehr zeitig. Der Sommer war vorüber, und der Herbst drängte sich mit aller Kraft hinein ins Land, obwohl die meisten Menschen noch gar nicht bereit für ihn waren. Aber das wusste der Herbst nicht, und selbst wenn, es wäre ihm wohl völlig gleichgültig gewesen. Man konnte sich das Wetter nun mal nicht aussuchen – genau wie das Leben. Das konnte man sich auch nicht aussuchen. Manchmal schlug das Leben, ähnlich wie das Wetter, eine ganz andere, eigene Richtung ein als die, die man sich gewünscht hatte! Man musste sich damit abfinden, dass die Wirklichkeit nicht immer den eigenen Wünschen folgte. Eine schlichte Wahrheit, die zu akzeptieren war. So etwas Komplexes wie das Leben konnte man nicht planen.
Er wusste das. Denn ihm war es auch nicht gelungen. Auch sein Leben war in eine Strömung geraten, die er so nicht geplant hatte! Wie leicht so etwas doch geschehen konnte!
Vom Fenster seines Büros aus sah er hinüber zur Langebro, der sechsspurigen Verbindungsbrücke über den Inderhavnen, die Seeland mit Amager verband. Hier im Herzen Kopenhagens befand sich das Polizeipräsidium, in dessen drittem Stockwerk man ihm und seinem Partner ein großzügiges Büro zur Verfügung gestellt hatte. Mit imposanter Aussicht!
Und hier stand er nun, beobachtete, wie dicke Regentropfen gegen die Scheiben klatschten, um gleich darauf in kleinen Rinnsalen der Schwerkraft folgend den Weg nach unten zu suchen. Und er grübelte über dieses neue Gerücht nach, das im Präsidium seit einigen Tagen die Runde machte. Eigentlich hatte alles damit begonnen, dass eine neue Ermittlungsgruppe gebildet wurde, die einen Mann namens Frederik Mortensen beobachten sollte. Der Mann, ein Spediteur, wurde verdächtigt, in großem Stil und seit längerer Zeit illegale Geschäfte mit allem zu machen, was man transportieren konnte. Waffen, Drogen, junge Frauen aus den baltischen und anderen osteuropäischen Staaten. Man hatte sie hierher gelockt mit dem trügerischen Versprechen auf eine gut bezahlte Arbeit, um sie dann in zwielichtigen Nachtclubs auszubeuten. Die Drahtzieher dieser illegalen Machenschaften waren zahllose gut organisierte Banden aus dem osteuropäischen Raum, die nun seit geraumer Zeit versuchten, in Westeuropa, vorrangig in Dänemark, Deutschland, Belgien und den Niederlanden, Fuß zu fassen. Und dazu brauchten Sie genau solche Leute wie diesen Frederik Mortensen aus Kopenhagen, dessen größtes Interesse darin bestand, viel Geld zu verdienen. Ob mit sauberen oder unsauberen Mitteln, das spielte für ihn dabei keine große Rolle. Er schmuggelte alles, was eine gute Verdienstspanne versprach, und transportierte es mit seiner Firma dorthin, wohin es die Auftraggeber haben wollten, ganz gleich, ob es sich dabei um lebende oder tot „Ware“ handelte. Aber jetzt war dieser Frederik Mortensen aufgrund von Ermittlungen gegen einen Waffenschieberring in den Niederlanden, genauer gesagt in Amsterdam, ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten. Die Polizeikollegen in Amsterdam hatten herausgefunden, dass bereits seit längerer Zeit eindeutige Verbindungen zwischen den Waffenschiebern aus Amsterdam und Frederik Mortensen bestanden, und aus diesem Grund hatte man neuerdings ein ganz besonderes Auge auf den Spediteur, der alles transportierte, geworfen.
Zunächst konnte man Mortensen nichts nachweisen. Um aber hinter seine unlauteren Machenschaften zu kommen, hatte man beschlossen, einen verdeckten Ermittler bei ihm einzuschleusen, eine höchst gefährliche und brisante Aktion. Es hieß, man habe dafür einen der besten Undercover-Ermittler geholt, die es gab. Dieser Spezialist war von außerhalb gekommen und niemand kannte ihn, schon gar nicht seinen Namen. Aber auf eine andere Weise war dem korrupten Spediteur nicht beizukommen. Der Kerl agierte mit größter Vorsicht und hinterließ keinerlei Spuren, sodass jegliche Beweise gegen ihn fehlten. Der verdeckte Ermittler sollte nun diese Beweise beschaffen, um Frederik Mortensen letztendlich überführen und verhaften zu können.
Die erste wichtige Information, die der „Verdeckte“ lieferte, war jedoch eine völlig überraschende, die überall im Polizeipräsidium wie eine Bombe einschlug. Der Mann hatte durch einen glücklichen Zufall ein Telefonat Mortensens mitbekommen, in dem es darum ging, dass es einen Verräter hier in den Reihen der Polizei gab, einen Maulwurf also, der diesem Mortensen heimlich Informationen zukommen ließ und auf diese Weise verhinderte, dass man dem Mistkerl etwas anhängen konnte. Dieser Maulwurf stand nun im Verdacht, jede bevorstehende Aktion der Polizei zu verraten, und genau aus diesem Grund hatte man große Sorge, dass er auch die Identität des verdeckten Ermittlers preisgeben und den Mann damit in Gefahr bringen könnte.
Die Suche nach dem Maulwurf in den eigenen Reihen lief hinter den Kulissen inzwischen auf Hochtouren, doch es gab nicht den kleinsten Hinweis, um wen es sich hierbei handeln könnte. Man wusste jetzt nur aus sicherer Quelle, dass es ihn wirklich gab. Allerdings hatte einer der Ermittler vor wenigen Tagen einen von Mortensens Männern dabei beobachten können, wie dieser sich heimlich mit einem Unbekannten traf, von dem man annahm, dass es dieser Maulwurf war. Man hatte einen Dienstwagen der Kripo in unmittelbarer Nähe des Treffpunkts entdeckt, mit dem der Verräter danach auch noch unerkannt entkommen war. Der Kripomann, der den Dienstwagen normalerweise fuhr, lag seit über einer Woche mit einem Leistenbruch in einem Kopenhagener Krankenhaus. Irgendwie musste der Maulwurf an die Wagenschlüssel gekommen sein. Auch Fingerabdrücke waren keine zu finden außer denen des kranken Kollegen. Der Verräter wusste offenbar genau, wie er sich zu verhalten hatte!
Hier im Polizeipräsidium war man seit dieser erschreckenden Entdeckung in allerhöchster Alarmbereitschaft. Offenbar war der verdeckte Ermittler von Mortensens Leuten noch nicht enttarnt worden, sonst wäre der Mann mit großer Wahrscheinlichkeit bereits irgendwo tot aufgefunden worden. Jeder wusste, Frederik Mortensen fackelte nicht lange. Aber da der Mann noch lebte und sich bei seinem Kontaktmann im Präsidium gemeldet hatte, gab es für niemanden eine plausible Erklärung, weshalb er noch nicht aufgeflogen war. Die Identität des „Verdeckten“ war natürlich nur den führenden Köpfen bei der Polizei bekannt. Vielleicht hatte ihn genau dieser Umstand bisher gerettet.
Für den Mann, der immer noch in seinem Büro am Fenster stand und durch die verregneten Scheiben den Verkehr auf der Langebro beobachtete, hatte dies alles eine ganz besondere Bedeutung. Er wusste sehr genau, dass der Maulwurf die Identität des verdeckten Ermittlers nicht kannte, und er wusste auch, dass diese nur schwer herauszufinden war. Selbst sein Kontaktmann im Präsidium wurde geheim gehalten. Das alles wusste er, denn er selbst war der fieberhaft gesuchte Maulwurf! Er selbst war es, der diesem Schwein Frederik Mortensen schon seit geraumer Zeit wichtige Informationen zukommen ließ. Er tilgte auf diese Weise seine Schulden, Schulden, die er jetzt bei Mortensen hatte. Aber das war eine andere, eine eigene Geschichte, die er sich selbst zuzuschreiben hatte!
Seine Spielsucht hatte ihn in arge finanzielle Schwierigkeiten gebracht und ihn schließlich in die Arme des korrupten und verbrecherischen Spediteurs getrieben. Seine hohen Schulden, die er bei einer dieser illegalen Pokerrunden im Laufe der Zeit angesammelt hatte, konnte er irgendwann von seinem Gehalt nicht mehr zurückzahlen. Es kamen die ersten ernstgemeinten Drohungen der Geldeintreiber. Seine Familie, seine Frau und auch die beiden Kinder, die von alledem nichts wussten, waren durch sein Zutun in Gefahr geraten. Doch dann, eines Tages, stand da urplötzlich dieser Kerl in der Tiefgarage des Einkaufszentrums neben seinem Wagen – dieser Simon Faltum! Offenbar hatte er dort schon auf ihn gewartet. Er erklärte ihm ohne Umschweife, dass sein Boss von seinen Spielschulden wisse, und dass es eine Möglichkeit gäbe, ihm zu helfen. Er hatte keine Ahnung, woher zum Teufel dieser Mann von seinen finanziellen Problemen wusste und wer ihm da seine Hilfe anbot. Aber das Wasser stand ihm schon bis zum Hals und er hatte dem Vorschlag, den dieser Simon Faltum ihm unterbreitete, zugestimmt, aus reiner Verzweiflung und ohne nachzudenken. Als einzige Gegenleistung für die Übernahme seiner Schulden erwartete man von ihm „nur“ die eine oder andere kleine Information aus dem Polizeiapparat. Das wäre alles.
Damit war er erst einmal gerettet! Doch wer auch immer das mit seinen Spielschulden eingefädelt hatte, stellte für ihn eine Gefahr dar. Und derjenige war offenbar kein kleiner Fisch im Teich, was ihm ernsthaftes Unbehagen bereitete!
Und schon bald spürte der Maulwurf, dass er vom Regen in die Traufe gekommen war. Die Forderungen nach bestimmten Informationen an ihn wurden immer konkreter. Und sie waren immer schwerer zu beschaffen. Doch da war es bereits zu spät, um dagegen aufzubegehren. Er erkannte, dass er hierbei nicht nur seinen Job und vielleicht seine Familie verlieren konnte, wenn das alles herauskam, jetzt stand auch sein Leben auf dem Spiel! Simon Faltum machte ihm klar, dass er nichts zu befürchten habe, wenn er nur weiterhin die nötigen Informationen liefere. Und irgendwann hatte er sich mit dieser Situation abgefunden und aufgehört, sie zu hinterfragen. Von seinen damaligen Spielschulden hatte er nie wieder etwas gehört, und es sah ganz danach aus, als gäbe es sie nicht mehr. Doch dafür gab es jetzt eine andere Schuld, die viel schwerer auf seinen Schultern lastete!
Seit dieser Zeit war er ein Maulwurf.
Verzweifelt hatte er nun herauszufinden versucht, wer dieser „Verdeckte“ war, denn er hoffte, sich mit dieser Information, die so überaus wichtig war für Mortensen, aus dieser verdammten Abhängigkeit freikaufen zu können. Bisher wusste Frederik Mortensen noch nichts von der Existenz des verdeckten Ermittlers. Und wie sich herausstellte, war es auch wirklich nicht so einfach, dessen Identität aufzudecken. Man hatte den Mann irgendwo von außerhalb geholt, kein bekanntes Gesicht also, jedenfalls keiner, dessen plötzliche Abwesenheit im Präsidium vielleicht sogar aufgefallen wäre. Ein verdammt kluger Schachzug! Und er hing nun genau zwischendrin! Wie sein Pendant auf der anderen Seite, der „Verdeckte“.
Er musste jetzt wachsam sein!
Und dann hatte Mortensen überraschend seine rechte Hand, Simon Faltum, zu ihm geschickt und ihm einen Auftrag erteilt. Und er hatte ihm in Aussicht gestellt, dass bei Erfüllung dieses Auftrags ein Großteil seiner Schulden getilgt wären und er höchstens noch ab und zu eine Information liefern müsste – wenn es wirklich mal dringend war. Aber er war Polizist, und er wusste genau, dass solche Zusagen keinen besonderen Wert hatten. In solchen Kreisen wurden diese schnell mal für nichtig erklärt.
Bei dem Treffen mit Mortensens Kurier Simon Faltum hatte er, der Maulwurf, noch einmal Glück gehabt – um nicht zu sagen: unverschämtes Glück! Bisher hatte niemand hier im Präsidium von seiner Existenz gewusst. Man hatte keine Ahnung, dass es einen wie ihn überhaupt gab. Jemand, der Mortensen jedes Mal gewarnt hatte, wenn eine Aktion gegen den Spediteur bevorstand. Man hatte sich nur gewundert, dass der Kerl ihnen immer einen Schritt voraus zu sein schien. Und man hatte vielleicht spekuliert. Mehr nicht. Aber nun wussten sie es! Und seitdem war das Risiko für ihn größer geworden und die Kollegen waren mit der Weitergabe von Informationen sehr viel vorsichtiger als bisher. Keiner traute dem anderen mehr über den Weg.
Sein großer und vielleicht einziger Vorteil war, dass er hier bei der Kripo einen einwandfreien Ruf genoss. Keiner zweifelte seine Loyalität und Aufrichtigkeit hier in der Dienststelle an. Vielleicht hatte Mortensen ihn ja gerade deshalb ausgewählt. Er war ein angesehener und beliebter Kollege, der gemeinsam mit seinem Partner eine überragende Aufklärungsquote vorzuweisen hatte. Das war die beste Tarnung in diesem Spiel. Und die musste er unter allen Umständen aufrechterhalten! Und er musste darauf hoffen, dass die unerwartete Chance kam, den „Verdeckten“ doch noch zu enttarnen. Dieser Mann war im Augenblick sein gefährlichster Gegner – und paradoxerweise gleichzeitig auch der Einzige, der ihn retten konnte!
Der ihn retten konnte aus dieser verzweifelten Lage!
Bei allem, was er nun tat, bestand für ihn eine erhöhte Gefahr, entdeckt zu werden. Und dann Gnade ihm Gott! Dann gab es kein Erbarmen mehr für ihn. Er würde alles verlieren, alles was ihm wichtig war! Erst seinen Job, dann seine Familie und seine Pension, und am Ende vielleicht auch noch sein Leben. Doch dafür war er mit siebenundvierzig Jahren noch viel zu jung!
Es war eine verfluchte Geschichte, die sich für ihn immer wieder im Kreis zu drehen schien! Er musste diesen verdeckten Ermittler ausfindig machen, sonst würde der ihn finden. Aber noch wusste er nicht, wie er an die wenigen Leute herankommen sollte, die wussten, wer der Kerl war. Er würde vorsichtig Fragen stellen müssen und hoffen, dass niemand misstrauisch wurde.
Er musste jetzt sehr wachsam sein!
Und dann, nur wenige Tage später, ergab sich für ihn die einmalige Gelegenheit, Frederik Mortensens Auftrag zu erfüllen und gleichzeitig seine eigenen Pläne zu verfolgen …
Eine einmalige Gelegenheit!
1.
Frederik Mortensen starrte Simon Faltum mit entsetztem Blick an. Dann starrte er auf die Kaffeetasse auf seinem Schreibtisch, die noch halbvoll war. Der Kaffee war allerdings inzwischen kalt. Zuerst wollte er seinen Ohren nicht trauen, aber die Nachricht, die sein Leibwächter und zweiter Mann ihm gerade eben überbracht hatte, war alles andere als erfreulich! Über ihren Spitzel im Präsidium, einen durchaus angesehenen Polizisten, den sie wegen seiner Spielschulden in der Hand hatten, hatte Simon soeben erfahren, dass die Polizei in Amsterdam Hendrik Mulders verhaftet hatte! Und dass bereits vor nahezu einer Woche! Mortensen stieß einen ungehobelten Fluch aus und ließ sich wütend in den wuchtigen Bürosessel hinter seinem Schreibtisch fallen. Er starrte vor sich hin, bevor er plötzlich mit geballter Faust auf die Schreibtischplatte schlug, als wolle er seiner unbändigen Wut über Mulders Verhaftung noch einmal besonderen Ausdruck verleihen. Die Kaffeetasse schepperte auf dem Unterteller und kämpfte kurz ums Gleichgewicht, ohne jedoch ihren abgestandenen Inhalt auf dem Schreibtisch zu verteilen.
Simon Faltum, Mortensens Leibwächter und rechte Hand, sah ausgesprochen gelassen aus. Er kannte die Wutausbrüche seines Chefs, die nicht selten darin gipfelten, dass ein halbvolles Glas Bourbon an die Wand flog. Dann musste man nur schnell ausweichen können, denn in seinem Zorn achtete Mortensen nicht darauf, ob zufällig jemand in der Schusslinie stand. Faltum kannte ihn schon lange, war von Anfang an mit dabei. Er kannte die Firma und ihre Geschäfte so gut wie sein Chef, und er erinnerte sich noch genau, wie sich alle damals das Maul über Mortensen zerrissen hatten, als sie beide damit begannen, ein Netzwerk aufzubauen. Dieser ungeliebte Außenseiter, der sich hier in Kopenhagen breit machen wollte. Sie würden ihm schon zeigen, wo es lang ging und wo die Grenzen waren. Heute redeten sie immer noch über ihn, allerdings jetzt mit großem Respekt, und das war das Einzige, was am Ende zählte. Ja, Frederik Mortensen hatte sich Respekt verschafft!
Aber im Augenblick war der Chef wütend, sehr wütend. Dann sah er plötzlich zu Simon Faltum auf, mit diesem ganz bestimmten Blick in den Augen, und Simon wusste sehr genau, was nun kommen würde. Er kannte diesen Blick, der eine nicht zu erschütternde Entschlossenheit in sich barg. Und eine Hartnäckigkeit, mit der man sich nicht anlegen konnte!
„Wir müssen etwas unternehmen, Simon! Ich war froh, dass Hendrik endlich zu uns kommen würde, nachdem Steelmans das Zeitliche gesegnet hat. Wir brauchen so einen wie Mulders. Und jetzt sitzt er im Knast! Und das können wir nicht so einfach hinnehmen, verdammt!“
Simon Faltum wartete darauf, dass sein Chef noch etwas sagen würde, doch der starrte ihn gerade nur an und neigte den Kopf leicht zur Seite. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als selbst nachzufragen.
„Und was hast Du vor?“
„Das einzig Vernünftige, Simon, das einzig Vernünftige! Wir fahren rüber nach Amsterdam und holen ihn da raus!“ Der eisige Blick, den Mortensen ihm nun zuwarf, ließ keinen Zweifel daran, dass nicht einmal eine Naturkatastrophe ihn von diesem Gedanken würde abbringen können. Er meinte es genauso, wie er es gesagt hatte – wir holen ihn da raus! Simon Faltum hatte es geahnt, aber er wusste auch, dass es nicht einmal ansatzweise einen Plan geschweige denn eine Idee gab, wie so etwas umzusetzen war. Nur den Entschluss, den gab es, und der stand unwiderruflich fest. Sie würden diesen Hendrik Mulders da rausholen!
„Was wissen wir über seine Verhaftung?“, fragte Mortensen.
„Wir wissen, dass er auf einer Raststätte gemeinsam mit seinem Freund, diesem Waldner, eine Frau in ihrem Wagen entführt hat und dass sie sich anschließend mit der Entführten in einer alten Fabrikhalle versteckt hielten. Aber irgendwie sind die Bullen dahintergekommen und haben sie dort in ihrem Versteck gestellt. Es gab wohl eine heftige Schießerei, bei der Waldner ums Leben gekommen ist. Er wurde von einem Beamten des Einsatzkommandos erschossen. Hendrik Mulders wurde verletzt, aber nicht ernstlich. Lag einige Tage im Krankenhaus und ist heute Morgen ins Gefängnis überführt worden.“
„Und wer hat ihn festgenommen?“, fragte Frederik Mortensen mit düsterem Blick.
„Es waren wohl Leute von dieser Ermittlungsgruppe, die dort neu aufgebaut wurde. Van der Beek und Huisman sind dabei, und die haben neuerdings die Unterstützung von drei Deutschen. Sollen angeblich drei Kommissare aus Köln sein, die zuvor schon diesen Claudius Steelmans im Visier hatten. Eine Frau befindet sich auch unter ihnen.“
„Haben wir Namen von denen?“
„Leider nein, aber unser Spitzel versucht, das gerade herauszubekommen. Ich denke, dass wir da schon sehr bald mehr über die Ermittlungsgruppe wissen.“
Mortensen erhob sich hinter seinem Schreibtisch und begann, tief in Gedanken versunken, in seinem Büro unruhig hin und her zu laufen, bis ihn sein Weg am Ende zur Bar führte, wo er wie abwesend zwei Gläser hervorholte, um sie dann mit Bourbon zu füllen. Eines reichte er Simon Faltum.
„Der Kerl soll sich gefälligst beeilen. Wir brauchen dringend noch mehr Informationen über diese Gruppe.“ Sein von Natur aus äußerst kurzer Geduldsfaden schien schon vor geraumer Zeit gerissen zu sein, was den Spitzel betraf. „Mach‘ ihm ordentlich Beine, Simon, er hat schließlich einiges gutzumachen. Ich will vor allem wissen, wer die Deutschen sind. Er soll alles in Erfahrung bringen, was die Aktion mit Mulders betrifft. Sag‘ ihm das. Wenn er ordentliche Informationen liefert, sind seine Schulden damit zum größten Teil abgetragen. Aber wir brauchen ihn jetzt.“
„Kein Problem. Er freut sich sowieso jedes Mal, wenn er mich sieht oder von mir hört.“ Ein süffisantes Grinsen begleitete Simon Faltums Worte, bevor er seinen Bourbon mit einem Zug leerte. Plötzlich fragte Mortensen:
„In welches Gefängnis haben sie Mulders gebracht?“
„Almere, soviel ich weiß.“
„Almere also. Das wird kein leichtes Spiel. Wer von unseren Leuten kann Niederländisch?“
„Nur Jesper Sonnesen.“
„Der Neue?“
„Ja. Ist ein guter Mann. Hat auch schon in Almere gesessen, zwei Jahre wegen schwerer Körperverletzung. Wurde damals in Amsterdam verhaftet und verurteilt. Hatte einen Streifenpolizisten vermöbelt, als der ihn nach Drogen durchsuchen wollte. Das Ganze ist aber schon eine Weile her, aber Jesper dürfte sich dort noch gut auskennen.“
„In Ordnung. Nimm‘ ihn und Jonstrup. Ihr drei fahrt morgen rüber und seht euch dieses Gefängnis in Almere mal genauer an. Findet einen Weg, welche Möglichkeiten wir haben, um Mulders rauszuholen. Ihr habt zwei Tage, mehr nicht. Verstanden?“
„Alles klar.“ Simon Faltum stellte sein leeres Glas neben die Kaffeetasse auf den Schreibtisch und verließ ohne ein weiteres Wort das Büro, um seine Vorbereitungen zu treffen.
2.
Es war ein grauer, verregneter Freitag, dieser 15. September. Es nieselte schon seit den frühen Morgenstunden, und jetzt hatte vor wenigen Minuten ein heftiger Regenguss eingesetzt. Dunkle Wolken waren urplötzlich aufgezogen, begleitet von kräftigen Sturmböen, die von Nordwesten her über das Markermeer fegten und fortwährend dicke Regentropfen klatschend gegen die Windschutzscheibe des Wagens peitschten. Die Scheibenwischer arbeiteten auf Hochtouren. Die beiden Männer im Wagen saßen seit geraumer Zeit schweigend nebeneinander und starrten missmutig nach draußen. Kein Wetter, das dazu angetan war, ihre Laune zu heben. Gerade fuhren sie über die Hollandse Brug in Richtung Almere, als eine Böe den Dienstwagen von der Seite her erfasste und ihn für einen kurzen Augenblick aus der Spur drückte. Doch der Fahrer hatte damit gerechnet und geschickt gegengesteuert.
Die beiden Kripobeamten waren gerade auf dem Weg in die Vollzugsanstalt Almere. Dort saß einer der meistgesuchten und gefährlichsten Verbrecher, der in den letzten zehn Jahren auf den Fahndungslisten der Polizei gestanden hatte, seit gestern Abend in Untersuchungshaft und wartete auf seine Vernehmung. Der Häftling, dessen Name Hendrik Mulders war, war einer von vier Hauptverantwortlichen des Waffenschieberrings unter Führung des erschossenen Spediteurs Claudius Steelmans gewesen.
Eine sechsköpfige internationale Ermittlungsgruppe, die aus Kollegen des Amsterdamer Polizeikorps und der Mordkommission in Köln unter der Leitung von Roger van Leeuwen gebildet worden war, hatte gegen die Bande von Amsterdam aus ermittelt. Dabei waren zwei der vier Rädelsführer unter teilweise rätselhaften Umständen ums Leben gekommen, Ruud van Dongen und Claudius Steelmans. Der dritte Mann, ein Este namens Arto Kraana, der in den Niederlanden unter einem falschen Namen, Daan van de Heijden, aufgetreten war, befand sich derzeit außer Landes und damit auch außer Reichweite der Ermittler. Man vermutete, dass er sich nach Tallinn, der Hauptstadt Estlands, abgesetzt hatte. Und letztendlich war da noch dieser Hendrik Mulders, wohl der gefährlichste der vier führenden Köpfe, den man am vergangenen Samstag nach einer Geiselnahme auf einem abgelegenen Fabrikgelände hatte festnehmen können.
Und nun befanden sich Luuk van der Beek von der Kripo in Amsterdam und Alex Berger von der Mordkommission in Köln, zwei Mitglieder der internationalen Ermittlungsgruppe, auf dem Weg in die Haftanstalt in Almere, um diesen Hendrik Mulders zu vernehmen. Es stand nicht zu erwarten, dass der Häftling eine Aussage machen würde – im Gegenteil. Mulders war ein äußerst gerissener Hund, mit allen Wassern gewaschen und würde es den Beamten so schwer wie möglich machen. Alles lief darauf hinaus, dass am Ende nur die Beweislage und die Indizien dazu führen konnten, den Mann langfristig hinter Gitter zu bringen. Dennoch wollten Van der Beek und Berger nichts unversucht lassen.
Als sie gegen 10 Uhr 20 die grauen Außenmauern der Haftanstalt hinter sich gelassen hatten und den Vorraum betraten, um ihre Dienstwaffen und Handys abzugeben, war der Anwalt des Häftlings, ein bekannter Strafverteidiger aus Amsterdam, bereits eingetroffen und wartete im Verhörraum. Als Van der Beek und Berger den Raum betraten, erhob sich der Anwalt mit neutraler Miene und gab jedem die Hand.
„Guten Tag, meine Herren. Ich bin der Rechtsbeistand von Herrn Mulders, Ludger van Holsbeck. Man sagte mir gerade, dass mein Mandant bereits unterwegs ist. Er müsste demnach jeden Moment hier erscheinen.“
„Vielen Dank, ich bin Kommissar Luuk van der Beek und das hier ist mein Kollege Alexander Berger, Mordkommission Köln.“ Die beiden Beamten nahmen am Tisch Platz. „Hätten Sie etwas dagegen einzuwenden, wenn die heutige Vernehmung von Herrn Mulders in deutscher Sprache geführt wird? Mein Kollege Berger spricht kein Niederländisch.“
„Nein, das sollte kein Problem darstellen.“ Ein Kopfschütteln begleitete Van Holsbecks Worte, während er sofort ins Deutsche wechselte und wieder an dem Tisch, an dem er bereits zuvor gesessen hatte, Platz nahm. Kurz darauf öffnete sich eine elektronisch gesicherte Metalltür an der anderen Seite des Verhörraums, und zwei Vollzugsbeamte führten einen Mann in einem Overall und in Hand- und Fußfesseln in den Raum. Er hinkte leicht, was seine Bewegungen schwerfällig erscheinen ließen. Aber Van der Beek wie auch Berger wussten genau, dass der Mann alles andere als schwerfällig war. Seine langen blonden Haare fielen ihm halb ins Gesicht, als ihn die Vollzugsbeamten zu dem freien Stuhl am Tisch führten.
„Wäre es möglich, Herrn Mulders die Fesseln abzunehmen?“, fragte Ludger van Holsbeck mit einer lässigen Handbewegung in Richtung seines Mandanten. Einer der beiden Vollzugsbeamten blickte fragend zu Luuk van der Beek und Alex Berger.
„Nein, tut uns leid. Das ist nicht möglich“, antwortete Luuk. Ludger van Holsbeck runzelte die Stirn und verzog mürrisch das Gesicht. Mulders saß mit einem feinen ironischen Lächeln neben seinem Anwalt und gab sich den Anschein, nicht sonderlich an dieser Zusammenkunft interessiert zu sein.
„Ich habe bereits gemäß unserer Absprache vorab mit meinem Mandanten gesprochen“, erklärte der Strafverteidiger, während er gleichzeitig von seinen Akten aufsah. „Dürfte ich zunächst einmal erfahren, was genau Sie Herrn Mulders zur Last legen?“
„Natürlich“, antwortete Luuk van der Beek jovial und zog sein Aufnahmegerät aus der Tasche. „Ich denke, dagegen gibt es keine Einwände.“ Ohne auf eine Antwort Van Holsbecks zu warten, schaltete er das Gerät ein und legte es in die Mitte des Tisches.
„Nein, das geht natürlich in Ordnung.“ Van Holsbeck beeilte sich, nun doch noch etwas zu sagen. „Und?“
„Nun, wir beschuldigen Herrn Hendrik Mulders, mindestens die folgenden vier Morde begangen zu haben: An dem deutschen Notar Johan Walter Grothe sowie dem Inhaber einer Reifenhandelsfirma, Marinus Sanders und dessen Mitarbeiter Sandro Roth. Außerdem ist er ebenfalls verantwortlich für den Tod des estnischen Staatsbürgers Asko Kraana, wobei hier die näheren Umstände noch zu klären wären. Dazu kommt die Geiselnahme von Emma Janssen und der Tatbestand der Erpressung in mehreren Fällen.“
„Welche Beweise liegen Ihnen vor, dass es sich bei den vier Morden um meinen Mandanten als Täter handelt?“ Offenbar war es für Van Holsbeck bereits klar, dass er gegen die Geiselnahme wegen der Beweislage schlecht vorgehen konnte.
„Es wurde die Mordwaffe, die in allen vier Fällen verwendet wurde, sichergestellt. Es ist eindeutig die Waffe Ihres Mandanten. Auf ihr befinden sich ausschließlich seine Fingerabdrücke. Und die an den Tatorten sichergestellten Geschosse wurden alle aus der Waffe Ihres Mandanten abgefeuert. Bei der Tötung von Asko Kraana waren wir selbst zugegen, Mulders konnte da gerade noch entkommen. Bei der Geiselnahme wurde er dann allerdings festgenommen, nachdem er zuvor auf uns geschossen hat. Und für die Erpressungen gibt es eindeutige Zeugenaussagen in mehreren Fällen.“ Luuk van der Beek wandte sich nun, ohne auf weitere Fragen von Seiten Van Holsbecks zu warten, direkt an Mulders. „Möchten Sie sich zu den vorgebrachten Anschuldigungen vorab äußern, Herr Mulders?“
Hendrik Mulders saß auf seinem Stuhl und warf ein ziemlich unverschämtes Grinsen in Richtung der Beamten. „Dazu kann ich Ihnen leider nichts sagen, ganz abgesehen davon, dass ich zu keiner Aussage verpflichtet bin, die mich selbst belasten könnte. Meine Personalien sowie meine Adresse haben Sie ja schon.“
„Wo waren Sie am 23. März dieses Jahres zwischen 10 und 12 Uhr vormittags, Herr Mulders?“
„Das weiß ich nicht mehr.“ Lässiges, süffisantes Grinsen.
„Das würde bedeuten, dass Sie für die Tatzeit, zu der Grothe auf dem Rastplatz Liempde-Oost erschossen wurde, kein überprüfbares Alibi haben. Ich kann Ihnen sagen, wo Sie zu diesem Zeitpunkt waren: genau dort! Sie waren es, der Grothe in seinem Wagen erschossen hat und einen Aktenkoffer, in dem sich höchst belastendes Material gegen Steelmans und Sie befand, aus dem Kofferraum von Grothes Wagen verschwinden ließ. Wir haben im Innenraum von Grothes Wagen noch etwas gefunden, das eindeutig Ihnen gehört und uns verrät, dass sie ganz sicher dort waren – wir fanden ein Haar von Ihnen und haben es mit Ihrer DNA abgeglichen. Sie waren dort, am 23. März, Mulders! Und Sie haben ihn erschossen. Auf Grothes Aktenkoffer, den wir in Ihrer Wohnung in Zwanenburg gefunden haben, waren neben seinen auch Ihre Fingerabdrücke! Zu dumm nur, dass sie den Koffer irgendwann doch noch ohne Handschuhe angerührt haben! Verdammt dummer Fehler, der Ihnen da unterlief.“
„Woher wollen Sie wissen, dass das Haar meines Mandanten nicht zu einem anderen Zeitpunkt in das Fahrzeug des Notars Grothe gelangt war?“, schaltete sich nun zum wiederholten Mal Ludger Van Holsbeck ein.
„Herr Grothe und ihr Mandant haben sich nur ein einziges Mal getroffen – an diesem besagten 23. März auf dem Rastplatz in Liempde Oost. Sie kannten sich überhaupt nicht.“
Hendrik Mulders verzog keine Miene. Er wusste genau, dass die beste Strategie nun war, sich zu den Vorwürfen direkt nicht zu äußern. Dass man ausgerechnet ein Haar von ihm in Grothes Fahrzeug sichergestellt hatte, war ein verheerender Beweis!
„Das sind doch alles Spekulationen, meine Herren. Wer weiß, wie das Haar meines Mandaten in den Wagen von Grothe kam“, antwortete stattdessen Ludger van Holsbeck genervt.
„Wohl kaum. Grothe und Ihr Mandant hatten, wie ich soeben schon sagte, noch nie zuvor etwas miteinander zu tun, außer an besagtem Tag auf der Raststätte Liempde Oost.“ Dann wechselte Luuk plötzlich ganz überraschend das Thema. „Aber eines muss man Ihnen lassen, Mulders: Wie Sie uns mit der vorgetäuschten Ermordung von Claudius Steelmans in diesem Hotel in Haarlem hinters Licht geführt haben, das war ganz großes Kino. Meine Hochachtung.“
„Danke, solch ein Lob erhält man nicht alle Tage. Ja, die beiden Kugeln, das war wirklich ich. Aber Van Dongen war zuvor bereits tot, wie Sie inzwischen ja wissen, also kein Mord. Es freut mich zu hören, dass Sie damit so einige Probleme hatten.“
„Die hatten wir tatsächlich. Wir haben die verkohlte Leiche für Claudius Steelmans gehalten. Aber am Ende hat uns doch der Knochenbau der Leiche verraten, dass es sich um Van Dongen handeln musste – und natürlich die beiden Zeugenaussagen, die uns bestätigten, dass sie Van Dongens Leiche nach Haarlem gebracht hatten. Aber dadurch, dass sie soeben zugegeben haben, die Kugeln auf den Leichnam im Hotel selbst abgefeuert zu haben, liefern Sie uns die Beweise, dass Sie auch Grothe, Sanders und Roth erschossen haben. Es war die gleiche Waffe, mit der die Schüsse auf die drei abgegeben wurden, und es waren nur ihre Fingerabdrücke auf dieser Waffe, Mulders. “ Luuk versäumte es nicht, nun ebenfalls lässig zu grinsen, während er sich entspannt zurücklehnte. Berger folgte dem Schauspiel schweigend und beobachtete Hendrik Mulders‘ Reaktionen indessen genau.
„Wo waren Sie in der Nacht vom 30. auf den 31. März dieses Jahres?“, fragte Luuk van der Beek sofort nach.
Mulders lieferte hier ein perfektes Schauspiel. Er tat so, als würde er ernsthaft nachdenken, um kurz darauf mit einem entschuldigenden Lächeln zu antworten: „Wenn ich das jetzt so spontan wüsste! Aber tut mir leid, ich muss Sie enttäuschen. Ich kann mich nicht mehr erinnern. Ist doch schon zu lange her.“
„Nur, um Ihr Erinnerungsvermögen etwas zu unterstützen: Es war die Nacht nach unserem Zugriff in Neuss, in der Sie hierher in die Niederlande geflohen sind, gemeinsam mit Van de Heijden, Steelmans und den später von Ihnen ermordeten Sanders und Roth. Sie haben in dieser Nacht den Touareg gefahren, Steelmans saß neben ihnen.“
„Warum erinnere ich mich bloß nicht?“
„Die Fingerabdrücke, die wir in dem Wagen fanden, haben das bestätigt. Sie sind gefahren und Steelmans saß daneben. Aber viel wichtiger ist doch, wohin Sie in dieser Nacht gefahren sind.“
„Wie gesagt, ich erinnere mich nicht.“
„Auch da helfe ich gerne. Sie und Steelmans fuhren zu Ihrer Villa in der Nähe von Montfort. Dort trafen Sie sich mit Van de Heijden und den beiden anderen, Sanders und Roth.“
Mulders schwieg.
„Sie haben Sanders und Roth dort mit Ihrer Waffe erschossen, Mulders, in dieser Nacht“, mischte sich nun Alex Berger ein, und Luuk van der Beek ergänzte: „Um Ihre Leichen danach im Polderveld versenken zu lassen. Visser war Ihnen dabei behilflich. Die Projektile, die wir aus den Köpfen der beiden geangelt haben, stammen aus Ihrer Waffe. Aus dieser Nummer kommen Sie nicht mehr raus.“
„Manet quod demonstrandum“, ließ Van Holsbeck verlauten, jedoch machte er kein glückliches Gesicht dabei.
„Das werden wir. Wir werden es sicher beweisen. Und dann wäre noch die Tatsache, dass Sie am Abend des 4. September dieses Jahres am gleichen Ort einen weiteren Mann erschossen haben, einen gewissen Asko Kraana.“
„Oh, daran erinnere ich mich tatsächlich. Nun, das ist ja auch noch nicht so lange her“, bemerkte Mulders überraschend, um sogleich anzufügen: „Aber da Sie ja nach eigenen Angaben selbst vor Ort waren, als dies geschah, dürfte Ihnen auch nicht entgangen sein, dass ich eindeutig in Notwehr gehandelt habe. Der Kerl wollte mich dort erschießen und hat meine Villa angezündet. Ich denke, das lässt sich alles ohne Probleme nachvollziehen. Darin seid ihr doch die Spezialisten. Von einem Mord kann man hier wohl nicht sprechen, oder?“
„Manet quod demonstrandum“, konterte Luuk. „Die näheren Umstände werden, wie bereits erwähnt, von uns noch untersucht. Waren Sie nicht überrascht, wen Sie da erwischt haben?“
„Dazu hatte ich nicht die nötige Zeit – ich meine, um überrascht zu sein. Ich habe mich gewehrt. Und alles ging verdammt schnell, wie Sie sich denken können.“
„Ich frage das nur, weil wir sicher sind, dass Sie es eigentlich auf jemand anderen abgesehen hatten.“
„Jemand anderen? Wer sollte das sein? Ich habe mich gewehrt und den Kerl erschossen, weil er mich und meine beiden Freunde töten wollte, das ist alles!“ Mulders hob nun bei diesen Worten doch deutlich die Stimme.
„Es ging Ihnen nicht nur darum, sich zu verteidigen, Mulders. Sie wussten genau, dass der Mann kommen würde und dass er die Absicht hatte, Sie zu töten, ganz speziell Sie.“
„Woher wollen Sie das wissen?“
„Weil Sie alles so arrangiert hatten, dass dieser Showdown dort bei Ihrer Villa stattfinden sollte. Sie hatten dieses Aufeinandertreffen genaustens geplant. Mit anderen Worten: Sie wollten den Spieß umdrehen und dem Mann mit Ihren beiden Freunden eine Falle stellen, stimmts?“
„Unsinn.“
„Leider nicht. Sie dachten, dass dieser Mann, der zuvor schon Steelmans im Garten seines Hauses in Kinderdijk wie auch Ihren Freund Gerrit Visser auf dessen Firmengelände in Westpoort erschossen hatte, nicht Asko, sondern Arto Kraana war. Sie hatten Arto Kraana erwartet.“
„Was soll das alles“, mischte sich Ludger van Holsbeck nun erneut ein. „Asko oder Arto, wer sind die Kerle überhaupt?“ Er richtete einen ungeduldig fragenden Seitenblick auf Mulders und dann auf die beiden Kommissare.
„Asko und Arto Kraana sind estnische Staatsbürger und außerdem Brüder, Zwillingsbrüder, um es genau zu sagen. Und das Interessante an der Sache ist, dass die zwei sich zum Verwechseln ähnlich sind, wie ein Ei dem anderen. Man kann sie nicht einmal auseinanderhalten, wenn man direkt vor ihnen steht.“
Während Van Holsbeck nun doch etwas belämmert und ratlos dreinschaute, saß Mulders mit versteinertem Gesicht auf seinem Stuhl und sagte kein Wort. Man konnte nur erahnen, was gerade im Kopf des Mannes vorging. Er musste sich fragen, woher die Polizei wusste, dass es zwei Brüder gab, eben Zwillingsbrüder, Arto und Asko Kraana. Woher hatten die ihre Informationen? Er selbst hatte es nur von Frederik Mortensen erfahren, der den ganzen verdammten Clan offenbar kannte.
„Tut mir leid, ich weiß nichts von zwei Zwillingsbrüdern“, begann Mulders nun. Aber das ironische Grinsen war aus seinem Gesicht gänzlich verschwunden.
„Zu dem Zeitpunkt, als Sie ihn erschossen haben, wussten Sie es wohl wirklich nicht. Denn Sie dachten, Sie hätten Arto Kraana erschossen. Oder sollte ich lieber sagen: Daan van de Heijden, ihren ehemaligen Kumpel und Weggefährten, der sie offenbar hintergangen hatte und dadurch den Unmut von Steelmans und Ihnen auf sich zog.“
Wäre Hendrik Mulders nicht ein so gerissener Hund und so abgebrüht, wäre er bei diesen Worten Van der Beeks vermutlich wütend aufgesprungen oder tot vom Stuhl gefallen! Woher wussten die Scheißbullen das alles nur, fragte er sich. In seinem Kopf arbeitete es auf Hochtouren. Wenn sie ihm das nachweisen konnten, würden sie ihn ganz bestimmt drankriegen!
„Ich denke, der kleine Plausch ist jetzt und hier zu Ende“, erklärte er mit einem leichten Knurren in der Stimme. „Ich wüsste nicht, was ich Ihnen noch zu sagen hätte.“ Luuk van der Beek und Alex Berger spürten, dass sie ihm einen ordentlichen Treffer in der zwölften Runde verpasst hatten, und Ludger van Holsbeck warf das Handtuch in den Ring, indem er gerade damit begann, schon mal seine Unterlagen zusammenzupacken. Er schien für heute erst einmal genug und es plötzlich sehr eilig zu haben.
„Es ist für uns eigentlich nicht wichtig, was Sie hier aussagen, Mulders. Wir werden alles, was wir heute gegen Sie vorgebracht haben, auch beweisen. Verlassen Sie sich drauf! Eigentlich wollten wir Ihnen nur mitteilen, dass wir bereits alles wissen, ob Sie nun eine Aussage machen oder nicht. Es ist uns gleichgültig. Wir wollten nur Ihr Gesicht dabei sehen.“
Mit diesen Worten erhob sich Luuk van der Beek. Alex Berger folgte seinem Beispiel. Dann verließen beide den Raum, ohne Mulders noch eines Blickes zu würdigen.
Sie hatten ihren Auftritt gehabt …
3.
Joris Rijkaard war ein geduldiger Mann. Deshalb konnte er bereits seit dreißig Minuten in diesem kleinen Café an der Prinsengracht auf seinen Informanten warten, ohne unruhig zu werden. Im Gegensatz zu Martijn Westing, der in der Rechercheabteilung des Amsterdamer Polizeikorps arbeitete, war er zeitlich unabhängig. Aber Martijn würde kommen, sobald er sich dort unauffällig entfernen konnte. Joris Rijkaard kannte ihn bereits seit Jahren, fast könnte man sagen, dass sie eine Art Freundschaft verband, und Martijn versorgte ihn gegen gute Bezahlung hin und wieder mit dem, was sich bei der Kripo gerade Wichtiges abspielte. Für Joris Rijkaard war er einer der wichtigsten Informanten, denn Joris war ein Spürhund, ein moderner Fährtenleser, dessen Hauptaufgabe es war, für seinen Chef Gabriel Schoster Leute aufzuspüren, die entweder verschwunden oder untergetaucht waren. Und natürlich brauchte ein guter Spürhund gute Informanten – solche wie Martijn. Wenn man es so sehen wollte, war Joris ein privater Ermittler im Dienste des Drogenkartells von Gabriel Schoster. Er war es schließlich auch gewesen, der vor wenigen Tagen den flüchtigen Hendrik Mulders aufgespürt und die Information an Martijn Westing weitergegeben hatte. Manchmal lief es bezüglich der Informationen auch genau in die andere Richtung, wenn es im Interesse seines Auftraggebers lag. Am Ende konnten die Beamten der internationalen Ermittlungsgruppe Mulders und dessen Komplizen Enrico Waldner in einer alten Fabrikhalle nahe Amsterdam festnehmen und die Geisel, die die beiden auf einem Autobahnrastplatz entführt hatten, befreien. Die junge Frau blieb bei der Befreiungsaktion wie durch ein Wunder unverletzt.
Sein Chef, Gabriel Schoster, besaß mehrere Nachtclubs, die er zur Tarnung seines Drogenhandels betrieb. Dabei achtete der Mann besonders darauf, immer im Hintergrund zu bleiben. Die Clubs wurden stets von sogenannten Geschäftsführern geleitet, die offiziell auch als Inhaber fungierten, doch im Hintergrund zog Schoster die Fäden und führte seine „Unternehmen“ mit harter Hand. Wer ihm in die Quere kam oder aus der Reihe tanzte, riskierte eine harte Strafe, aber auch nur dann, wenn Schoster gute Laune hatte. Wenn dies aber nicht der Fall war, und das war oft nicht der Fall, konnte der Betreffende auch ganz schnell mit einer Kugel im Kopf irgendwo verschwinden. Und aus genau diesem Grund wagte es nur selten jemand, ihn herauszufordern, denn es war bekannt, dass Schoster erstens oft schlechte Laune hatte und zweitens nicht lange fackelte.
Aber Joris Rijkaard hatte keinen Grund, sich zu beklagen, denn Gabriel schätzte ihn und seine hervorragende Arbeit und wusste, dass er sich auf ihn verlassen konnte. Schon oft hatte er Leute aufgespürt, die nur schwer zu finden waren – so wie diesen Notar, diesen Mulders. Und Schoster zahlte immer gut und pünktlich!
Und nun saß er hier bei seinem zweiten Kaffee und wartete auf Martijn Westing. Entspannt blätterte er in einer Tageszeitung, die er herrenlos auf dem Nebentisch liegend entdeckt hatte, als Westing zur Tür hereinkam. Wie immer bestellte der schon beim Hereinkommen, dieses Mal einen Kaffee und ein Schinkensandwich. Erst dann kam er zu Rijkaard an den Tisch und setzte sich. Heute sah Martijn etwas gestresst aus.
„Hallo Joris, wartest du schon lange?“
„Geht schon. Ich habe Zeit. Und, Martijn, du hast hoffentlich gute Neuigkeiten für mich?“
„Das will ich hoffen. Mulders wurde gestern aus den Krankenhaus entlassen und sitzt nun in Almere in Untersuchungshaft ein. Van der Beek und Berger waren heute Vormittag dort, um das Schwein zu vernehmen.“
„Schon etwas durchgesickert?“
„Leider nein. Dafür gibt es andere Neuigkeiten. Gerade, als die beiden zurückkamen, hat man uns gesagt, dass offenbar noch ein weiterer Kollege die Ermittlungsgruppe verstärken soll, und zwar ein Oberkommissar aus Dänemark, aus der Zentrale in Kopenhagen, wie man sagt.“
„Aus Kopenhagen? Was haben denn die Dänen damit zu tun?“
„Es gibt mehr als eindeutige Hinweise darauf, dass die Verbindungen zwischen Steelmans Leuten und den Dänen um diesen Mortensen doch sehr viel enger gewesen waren, als zunächst vermutet wurde. Und offenbar war Hendrik Mulders auf dem Weg nach Kopenhagen, bevor man ihn aufgespürt und verhaftet hat. Der wollte weg von hier, Joris.“
„Ja, ich dachte es mir schon. Das wäre der einzig logische Rückschluss. Weshalb sonst sollte gerade hier in Amsterdam und ausgerechnet vor Mulders Wohnung einer von Mortensens Lastern auftauchen? Die sollten ihn unauffällig von hier nach Kopenhagen schaffen. Weiß man schon, wer der dänische Oberkommissar ist?“
„Ein gewisser Aksel Abrahamsen. Er soll mit seinem Partner schon seit einiger Zeit hinter Mortensen her sein. Bisher konnten sie dem Mistkerl noch nichts nachweisen.“
„Und wann soll dieser Abrahamsen hier eintreffen?“
„Ab Montag ist der schon dabei, so habe ich es gehört.“
„Nun, mir ist nur noch nicht klar, weshalb die Dänen einen ihrer Männer für eure Ermittlungsgruppe abstellen, wenn dieser Mortensen doch in Kopenhagen sitzt.“
„Weshalb die Entscheidung so getroffen wurde, weiß ich auch nicht. Ich weiß nur, dass Aksel Abrahamsen ein scharfer Hund ist und er schon seit mehr als zwei Jahren hinter diesem Frederik Mortensen her ist wie der Teufel hinter einer armen Seele. Er und sein Chef Poulsen vermuten schon seit längerer Zeit, dass Mortensen illegal Waffen und Drogen verschiebt. Aber irgendeinen Grund muss es ja geben, dass Abrahamsen genau jetzt zu dieser Ermittlungsgruppe geholt wurde.“
„Schon möglich.“ Joris Rijkaard wusste in diesem Augenblick nicht, inwiefern diese Informationen noch wichtig für ihn werden könnten. Aber er war es gewohnt, alles was er zugetragen bekam, in seinem Kopf abzuspeichern und es bei Bedarf abzurufen. Sein Gedächtnis war hervorragend, und schon manches Mal hatte er aus der hinteren Ecke seines Gedankenspeichers zur richtigen Zeit die genau passende Information abgerufen. Das machte ihn aus, und aus diesem Grund hörte er auch jetzt aufmerksam auf das, was Martijn zu berichten hatte. Man konnte ja nie wissen …
„Ich habe noch etwas erfahren, was dir und Schoster nicht so sehr gefallen wird. Berger und die neue Kollegin Kramer wollen kommende Woche nach Heinsberg fahren, um Erkundigungen über Gabriel Schoster einzuholen.“
„Verdammt! Weshalb das?“ Joris Rijkaard war alles andere als begeistert von dieser Information. Das würde seinem Chef tatsächlich nicht gefallen. Der mochte es nicht, wenn man in seiner Vergangenheit herumschnüffelte. „Woher kommt das plötzliche Interesse an Gabriel Schoster?“
„Drogen.“
„Ich habe es geahnt, dass dieser Drogendeal mit den Esten für ihn nur Probleme bringt. Aber auf mich wollte er nicht hören! Es ist doch wegen des Deals mit den Esten, oder?“
„Natürlich. Wir suchen jetzt intensiv nach Arto Kraana, der unter dem falschen Namen Daan van de Heijden hier in den Niederlanden und auch drüben in Deutschland Waffen verschoben hat, gemeinsam mit Steelmans. Und mit dem hat sich dein Chef nun eingelassen. Es wird langsam eng, Joris.“
„Verdammter Mist aber auch!“, fluchte Joris Rijkaard. Er hatte ein ungutes Gefühl bei dem, was er gerade gehört hatte. Es wäre auch weiterhin gut ohne die Esten gelaufen. Man hatte sie bisher in Ruhe gelassen, weil sie nicht groß aufgefallen waren, aber nun musste Gabriel unbedingt bei den großen Fischen mitmischen – das konnte nicht gutgehen!
In auffallender Eile verabschiedete er sich von Martijn.
Er musste dringend telefonieren …
4.
Es war bereits später Nachmittag, aber der Regen hatte den ganzen Tag über nicht nachgelassen. Es gab Leute, die vehement behaupteten, wenn es in Kopenhagen mal regnet, dann regnet es richtig. Und zumindest heute schien sich genau das zu bestätigen. Magne Poulsen, Hauptkommissar bei der Kripo und zuständig für die Abteilung Bandenkriminalität, blickte mit bewegungsloser Miene aus dem Fenster, ohne jedoch zu bemerken, was draußen geschah. Seine ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf seine Gedanken, nicht auf das, was um ihn herum passierte.
Er wartete noch auf Aksel Abrahamsen. Er, Magne, hatte sich persönlich dafür eingesetzt, dass man Aksel in diese Ermittlungsgruppe nach Amsterdam geschickt hatte, denn er wusste, wenn es einen gab, auf den er sich verlassen konnte und der ihm vertraute, dann war es Aksel Abrahamsen! Seit über zwei Jahren hatten sie gemeinsam versucht, diesen hinterhältigen und gerissenen Spediteur, den sie verdächtigten, illegale Schmuggeltransporte in großem Stil zu betreiben, auf frischer Tat zu erwischen! Bisher war es aus den bekannten Gründen diesem Kerl immer wieder gelungen, sie ins Leere laufen zu lassen. Keiner hier im Präsidium hatte sich vorstellen können, wie Mortensen ihnen immer wieder zuvorkommen konnte!
Aber nun, seit ein paar Tagen, hatten alle die Antwort auf ihre Fragen. Es gab einen Maulwurf – hier im Präsidium, der heimlich Informationen an den Spediteur weitergeleitet und ihn auf diese Weise immer rechtzeitig gewarnt hatte. Nie hatten die Ermittler etwas bei ihm finden können. Nicht einen einzigen Beweis. Jetzt wusste jeder, warum. Als Aksel Abrahamsen von diesem Maulwurf erfuhr, hatte er vor Wut mit der Faust einen Spiegel in der Herrentoilette zertrümmert, denn dort hatte Magne Poulsen es ihm erzählt. Er konnte es nicht fassen, all die Arbeit, all die Zeit, die sie an diesen Fall gegeben hatten – und dann so etwas! Magne Poulsen war sich sicher: Hätte der Maulwurf damals vor Abrahamsen gestanden, der hätte ihm ohne mit der Wimper zu zucken glatt den Hals umgedreht! Und Aksel war ein Baum von einem Mann, ein wahrer Hüne, gut ein Meter fünfundneunzig groß und kräftig. Sein blondes Haar trug er kurz geschnitten. Normalerweise war er kein aggressiver Mensch, und bis zu einem gewissen Grad war er sogar als gutmütiger Mensch bekannt. Doch wehe, wenn ihn jemand oder etwas ärgerte, oder wie jetzt, wenn ihn jemand derart an der Nase herumzuführen versuchte wie dieser Maulwurf! Dann hatte seine Gutmütigkeit ganz schnell ihre natürlichen Grenzen erreicht. Aksel war genau der richtige für die Ermittlungsgruppe in Amsterdam. Und der hatte sich sofort freiwillig gemeldet, was er, Magne Poulsen, unterstützt hatte. Nur er wusste, wie wertvoll Aksel Abrahamsen dort für ihn war. Aksel würde ihn ständig über die neuesten Entwicklungen informieren.
Noch während er seinen Gedanken nachhing, kam der Hüne zur Bürotür herein. Aksel Abrahamsen setzte sich schweigend zu Magne Poulsen und sah ebenfalls hinaus in den Regen. Nach ein paar Sekunden des Schweigens sagte er:
„Ich fahre schon am Sonntag, damit ich am Montag gleich am Morgenbriefing teilnehmen kann. War die Idee vom Chef.“
„Und wie sieht es mit deinen Sprachkenntnissen aus?“ Poulsen musste schräg grinsen.
„Du wirst es nicht glauben, die sprechen alle Deutsch.“
„Glück gehabt“, murmelte Poulsen. „Du bist da genau richtig, Aksel. Du bist der richtige Mann für die Gruppe.“
„Ich hoffe nur, dass ich helfen kann.“
Eine Weile herrschte Schweigen. Draußen klatschten weiter die schweren Regentropfen gegen die Fensterscheiben. Und ein unangenehm schneidender Wind zog über die Stadt. Ihre Blicke richteten sich nach draußen in die bleierne Wolkendecke.
„Es gibt noch immer keine Spur von diesem Verräter“, sagte Magne Poulsen in Gedanken versunken.
„Er ist einer von uns, Magne. Der weiß genau, was er tut. Er kennt sich aus, und vor allem: Er kennt die Strukturen.“
„Wahrscheinlich versucht er, herauszufinden, wer unser Mann bei Mortensen ist.“
„Mit Sicherheit. Der wäre dann schnell erledigt. Mortensen ist nicht der Typ, der lange fackelt. Wir können nur hoffen, dass er es nicht herausfindet, bevor wir ihn gefunden haben. Hast du eine Vermutung, wer es ist?“
„Du meinst den verdeckten Ermittler? Nein, auch ich habe keine Ahnung. Ist vielleicht auch besser so. Je weniger Leute seine wahre Identität kennen, umso sicherer ist der Mann.“ Poulsen zeigte ein seltsam schräges Grinsen, das beinahe etwas verkniffen wirkte.
„Stimmt.“ Aksel schwieg einen Moment. Dann meinte er: „Es wundert mich nur, dass sie den Mann da nicht rausholen und ihn stattdessen weiter dem Risiko aussetzen, dass er entdeckt wird. Sie setzen sein Leben aufs Spiel.“
Eine weitere Pause des Schweigens folgte. Aksel Abrahamsen erhob sich. Er sah müde aus. „Ich hole mir einen Kaffee. Soll ich dir einen mitbringen?“
„Nein danke. Für mich ist es schon zu spät für Kaffee. Seit ich dieses Magengeschwür habe, muss ich etwas aufpassen.“ Magne Poulsen starrte weiter in die dunklen Regenwolken, während sein Kollege sich auf den Weg zum Kaffeeautomaten machte. Plötzlich klingelte das Telefon auf seinem Schreibtisch. Er nahm den Anruf etwas lustlos entgegen – Freitagnachmittag. Meine Güte, es ist Wochenende! Musste das jetzt sein? Hoffentlich kein Notfall. Eigentlich wollte er heute mal pünktlich Feierabend machen. Aber den hatten sie sowieso nicht immer. Dann aber lauschte er interessiert dem Kollegen, der mit einem weiteren Beamten die Beschattung von Frederik Mortensens Büro übernommen hatte und nun aufgeregt anrief. Es musste irgendetwas Außergewöhnliches passiert sein!
„Hören Sie, Magne. Drei von den Kerlen steigen soeben vor dem Büro in einen Wagen, einen grauen Audi A 6“, rief der Kollege aufgeregt ins Telefon. Poulsen wunderte sich.
„Und weiter?“
„Nun, die drei Kerle haben jeder eine dicke Reisetasche dabei. Ich denke mal, die werden weder zum Picknick fahren noch in den Supermarkt zum Einkaufen. Das sieht mir nach einem etwas längeren Ausflug aus.“
„Könnt ihr erkennen, wer alles dabei ist?“, fragte Poulsen gerade in dem Augenblick, als Abrahamsen mit seinem Kaffee wieder zur Tür hereinkam. Der sah fragend zu Poulsen, der ihn gleich zu sich winkte und das Gespräch auf laut stellte.
„Der eine ist unser geschätzter Freund Simon Faltum. Könnte Johan Jonstrup sein, der noch dabei ist. Und den dritten kennen wir nicht.“
Die Müdigkeit bei Aksel Abrahamsen war von der einen auf die andere Sekunde verflogen. Er hatte sich mit einer Arschbacke auf Poulsens Schreibtischkante gesetzt und lauschte angespannt, während er eher beiläufig seinen Kaffee schlürfte. Etwas war da wohl im Gange!
„Habt ihr das Kennzeichen?“, fragte Poulsen gerade. „Gebt uns unbedingt das Kennzeichen durch, verstanden?“
„Ja, kommt gleich per SMS. Was sollen wir tun? Sollen wir die Verfolgung aufnehmen oder hier weiter beschatten?“, fragte der Beamte nun.
„Ja, bleibt an dem Audi dran. Ich lasse euch bei Mortensens Büro von Kollegen ablösen. Wenn Faltum und Konsorten auf große Fahrt gehen, sollten wir wissen, wohin die Reise gehen soll. Wir schicken euch auch Verstärkung, die euch dann bei der Verfolgung des Wagens ablösen kann. Könnt ihr schon abschätzen, in welche Richtung sie fahren werden?“
„Sie sind gerade erst losgefahren, aber so wie es aussieht, sind sie in Richtung E20 unterwegs.“
„Gut, das Kennzeichen habe ich jetzt. Ist eben angekommen. Ich schicke euch die Verstärkung auf die E20 in Richtung Süden. Die Kollegen melden sich dann über Funk. Sollten die drei doch noch die Richtung ändern, sagt sofort Bescheid, klar?“
„Alles klar, Poulsen. Wir melden uns.“
Nachdem Magne Poulsen aufgelegt und für die Kollegen die Verstärkung organisiert hatte, sah er den Kollegen Abrahamsen verwundert an. Was hatten Mortensens Leute nur vor? Und wohin wollten sie? Noch war es viel zu früh, um diese Frage zu beantworten. Sie mussten einfach abwarten. Also warteten die beiden und tranken Kaffee. Scheiß doch auf das verdammte Magengeschwür!
Nach etwas über einer halben Stunde meldeten sich die beiden Kollegen, die seither die Verfolgung aufgenommen hatten, erneut auf dem Apparat von Magne Poulsen.
„Der Audi fährt jetzt auf der E55 Richtung Süden. Wir haben gerade Hastrup passiert. Die Verstärkung ist auch schon da.“
„Gut, bleibt noch eine halbe Stunde dran. Dann meldet euch wieder, verstanden?“
„In Ordnung, bis später.“ Im nächsten Augenblick wurde die Verbindung unterbrochen. Es herrschte nachdenkliche Stille.
„Die fahren in Richtung Süden“, sagte Poulsen dann und sah seinen Kollegen mit fragendem Blick an. „Hast du vielleicht eine Idee, was die vorhaben, Aksel?“
„Dazu ist es noch zu früh. Aber ich habe tatsächlich so ein merkwürdiges Kribbeln.“ Abrahamsen wurde sehr nachdenklich. „Warten wir ab, ob sich das, was ich gerade denke, bestätigt.“
Das merkwürdige Kribbeln, das Aksel Abrahamsen verspürte, wurde später am Abend bestätigt. Simon Faltum und seine Leute fuhren immer weiter südwärts. Im Abstand von jeweils einer halben Stunde gaben die Beamten, die Poulsen zur Verstärkung angefordert hatte und die inzwischen die Verfolgung von ihren Kollegen übernommen hatten, dass der Audi inzwischen auf der E47 die Brücke über den Storstroemmen überquerte! Sie fuhren hinüber nach Falster und Lolland!
Inzwischen waren es mehrere Fahrzeuge, die sich je nach Streckenabschnitt ablösten und mit der Verfolgung des grauen Audi A6 betraut waren. Im Abstand von rund 30 Minuten wurden die neuen Standorte von Mortensens Leuten durchgegeben. Und gegen 23 Uhr sprach Aksel Abrahamsen das aus, was mittlerweile auch sein Partner Magne Poulsen zu erahnen schien:
„Die sind auf dem Weg zur Grenze, nach Deutschland.“
„Und von dort vielleicht nach Amsterdam?“, ergänzte Poulsen mit nachdenklicher Stimme. „Aber was wollen die dort? Die sind doch nicht wegen Mulders auf dem Weg dorthin, oder?“
„Wer weiß das schon. Warten wir es ab. Wenn die wirklich die Richtung beibehalten, sollten wir möglichst bald die deutschen Kollegen und natürlich auch die Niederländer verständigen“, murmelte Aksel aufgeregt vor sich hin
„Und die Ermittlungsgruppe in Amsterdam. Die sollten ebenfalls vorab Bescheid wissen. Das kann nicht bis Montag warten. Ich verständige Van Leeuwen gleich morgen früh. Bis dahin ist auch klar, ob wir wirklich richtig liegen mit unserer Vermutung. Vor allem brauche ich ständig Informationen, wenn du in Amsterdam bist, klar? Und jetzt lass‘ uns noch ein paar Stunden schlafen. Ich fürchte, dass morgen Arbeit auf uns wartet.“
Mit diesen Worten, die von einem müde klingenden Seufzer begleitet wurden, erhob sich Magne Poulsen langsam und fast schwerfällig aus seinem Bürostuhl und trank den letzten Rest kalten Kaffee aus der Tasse. Dann schlüpfte er in seine Jacke. Abrahamsen tat es ihm gleich, denn so wie es aussah, würden sie sich bereits früh am Morgen wieder hier treffen. Nachdenklich sah er seinem Kollegen Aksel Abrahamsen nach, der das Büro gerade verlassen hatte.
5.
Luuk van der Beek war gerade unter der Dusche. Seine Frau Linda bereitete das Frühstück, und die Kinder, Sophie und Levin, schliefen noch an diesem Samstagmorgen. Es war noch ruhig im Haus, als in die Stille hinein Luuks Handy klingelte. Linda brachte es ins Badezimmer, wo Luuk bereits beim zweiten Klingeln aus der Dusche kam und sich soeben noch eilig ein Handtuch um die Hüften geschlungen hatte.
„Roger, was ist los?“, fragte er, als er sah, dass der Leiter der Ermittlungsgruppe, Roger van Leeuwen, anrief.
„Es gibt Neuigkeiten, Luuk, und die sind nicht unbedingt erfreulich, sonst würde ich dich nicht stören. Gerade haben uns die dänischen Kollegen angerufen. Sie haben es vor einiger Zeit doch geschafft, bei Frederik Mortensen einen verdeckten Ermittler einzuschleusen. Und der hat sich heute früh bei seinem Kontaktmann im Kopenhagener Präsidium gemeldet.“
„Ja und?“
„Mortensen hat drei seiner Leute zu uns nach Amsterdam geschickt. Das haben auch diejenigen bestätigt, die sein Büro in Kopenhagen beschattet hatten. Sie haben die Kerle die ganze Nacht über verfolgt. Und gegen 3 Uhr haben sie dann die Grenze nach Deutschland überschritten. Man vermutet dort, dass sie wegen Hendrik Mulders kommen.“
„Was, wegen Mulders? Und was haben die vor?“ Luuk war sofort auch ohne den morgendlichen Frühstückskaffee hellwach.
„Wir gehen davon aus, dass Mulders befreit werden soll, wie es damals bei Van Dongen versucht wurde. Und wir denken, dass es nur die Vorhut ist, die die Lage einschätzen soll. Weshalb sollte er sonst seine Leute schicken? Immerhin ist der erste Versuch, Mulders außer Landes zu bringen, gescheitert. Nun versuchen Sie es wohl ein zweites Mal. Wir wissen nur nicht wie.“
„Und wo befinden sich die drei gerade?“
„Genau das ist das Problem. Wir wissen es nicht.“
„Was soll das heißen? Wir wissen es nicht? Wurden sie nicht beschattet, wenn wir doch davon gewusst haben?“
„Natürlich wurden sie beschattet. Bis kurz vor die niederländische Grenze. Die deutschen Kollegen waren dran. Dann jedoch haben die Kerle offenbar bemerkt, dass sie verfolgt wurden und haben daraufhin in einem Waldstück die Straße verlassen. Die haben sie plötzlich verloren. Sie müssen in einen der Waldwege gefahren sein, um woanders wieder auf eine Straße zu kommen. Die Deutschen haben sich da nicht mit Ruhm bekleckert, würde ich sagen. Die Suchaktion läuft, bisher leider erfolglos.“
„Mein Gott, wie konnte das nur passieren! Wissen Berger und seine Leute schon Bescheid?“
„Ja, sie sind in einer halben Stunde hier.“
„Also gut, ich komme so schnell wie möglich“, erklärte Luuk, nicht ohne aber noch einen deutlich hörbaren Fluch von sich zu geben. „Linda, ich muss leider ins Büro“, rief er seiner Frau in der Küche zu. Sie verdrehte nur die Augen und sagte:
„Natürlich, ist ja Samstagmorgen.“
Vierzig Minuten später betrat Luuk Van Leeuwens Büro. Alex Berger, Lizzy Huisman, Jan Scheuer und Flo Kramer waren ebenfalls gerade angekommen. Das Team war also vollzählig. Roger van Leeuwen gab noch einmal eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse aus der vergangenen Nacht ab, dann schob er nach:
„Wir können froh sein, dass es den verdeckten Ermittler gibt, den die dänischen Kollegen bei Mortensen einschleusen konnten. Der Mann macht präzise Angaben. Aber wir müssen sie finden, und zwar schnell.“
„Mal wieder die Stecknadel im Heuhaufen, wie ihr Deutschen so gerne zu sagen pflegt, stimmts?“, ergänzte Luuk grinsend.
„Luuk, du lernst wirklich schnell“, schmunzelte Berger jetzt ebenfalls. „Dumm, dass unsere Leute die Sache versaut haben. Wie wollen wir jetzt vorgehen? Wir brauchen einen Plan, wenn wir die Dänen finden wollen.“ Er blickte zu Roger van Leeuwen, der gerade mit einem seltsam verkniffenem Gesichtsausdruck in die Runde schaute. Bergers Grinsen, dass er soeben noch zur Schau getragen hatte, faltete sich zusammen.
„Ich muss euch leider noch etwas sagen“, druckste Roger van Leeuwen herum. „Es gibt da noch ein weiteres Problem.“
„Welches Problem, Roger?“ Luuk sah seinen Vorgesetzten an, als wolle er ihn wie in einem Verhör zwingen, endlich die ganze Wahrheit zu sagen.
„Nun, ich sage es euch am besten gleich, denn am Montagmorgen hättet ihr es sowieso vom neuen dänischen Kollegen erfahren. Im Polizeipräsidium in Kopenhagen gibt es offensichtlich einen Maulwurf, der Mortensen zuarbeitet. Magne Poulsen und sein Kollege, Aksel Abrahamsen, der ab Montag hier mitmischt, haben sich schon gewundert, weshalb sie immer einen Schritt zu spät kamen mit ihren Aktionen. Jeder ihrer Schritte wurde zuvor verraten. Und das Problem: Alle tappen noch völlig im Dunklen, was die Identität des Maulwurfs angeht.“
„Verdammte Scheiße!“ ließ Luuk van der Beek vernehmen. In diesem Augenblick der Unbeherrschtheit achtete er nicht mehr auf seine ungehobelte Ausdrucksweise. „Tut mir leid, ist mir gerade so rausgerutscht“, schob er sofort entschuldigend nach und hob beide Hände. Doch er hatte das Gefühl, dass sie da oben fehl am Platze waren. Also ließ er sie wieder sinken.
„Ja, so kann man es auch nennen“, fuhr Van Leeuwen fort. „Jedenfalls wird das unsere Arbeit nicht gerade erleichtern. Aksel Abrahamsen ist auch deshalb zu uns geschickt worden, weil er hofft, hier Informationen zu erhalten, an die sie in Kopenhagen nicht so ohne Weiteres rankommen. Sie wissen nicht, wem sie dort noch trauen können. Ich habe heute Morgen schon mit dem dänischen Kollegen telefoniert. Er sagte, dass es wichtig sei, den Verräter zu enttarnen, da sie nicht wissen, ob er ihren verdeckten Kollegen bei Mortensen verraten könnte. Abrahamsen sagte mir, dass der Mann in Gefahr sei. Der dänische Kollege wird bereits morgen, am Sonntag, anreisen und Montagmorgen an unserem Briefing teilnehmen.“
Roger van Leeuwen sah in betroffene Gesichter. Keiner der Anwesenden wusste so recht, was er dazu sagen sollte. Nach einer Weile des Schweigens meldete sich Lizzy Huisman:
„Nun, die Frage ist nur, wie können wir von hier aus helfen, diesen Maulwurf zu enttarnen? Er sitzt in Kopenhagen und nicht hier bei uns. Eigentlich ist das die Aufgabe der Dänen. Keine Ahnung, was die da von uns erwarten. Wir können nur versuchen, Mortensens Leute aufzuspüren und vor allem müssen wir verhindern, dass sie Mulders zur Flucht verhelfen.“
„Wir werden alles tun, um unsere dänischen Kollegen bei ihrer Suche nach dem Maulwurf zu unterstützen, ist das klar? Ich habe heute Morgen auch schon mit der Haftanstalt in Almere und dem dortigen Anstaltsleiter gesprochen. Man wird jetzt ein besonderes Auge auf Mulders haben und die Sicherheitsvorkehrungen für ihn nochmal verschärfen.“
„Was ist mit dem verdeckten Ermittler? Kann man ihn denn nicht nutzen, um dem Maulwurf auf die Spur zu kommen?“ Alex Berger dachte an das Naheliegende. Der „Verdeckte“ saß an der Quelle des Geschehens. Der musste doch etwas mitbekommen haben und dementsprechend Nachforschungen anstellen. Letztendlich lag die Enttarnung des Maulwurfs in seinem Interesse.
„Der Mann ist schon informiert. Ich denke, der wird alles tun, um den Maulwurf zu enttarnen, denn ihm droht durch den Verräter die größte Gefahr. Aber Frederik Mortensen ist auch nicht dumm. Der weiß genau, dass er vorsichtig sein muss, um seinen Informanten im Präsidium nicht zu gefährden. Ich wollte auch nur sicherstellen, dass ihr über alles informiert seid.“
„Ich würde angesichts der neuen Lage vorschlagen, dass Flo und ich bereits heute rüber nach Heinsberg fahren“, schlug Alex Berger vor. „Dann wären wir Sonntagabend zurück und Montag anwesend, wenn Abrahamsen hier eintrifft. Geht das für dich in Ordnung, Flo?“
„Natürlich, ist schließlich mein Job, auch wenn Wochenende ist. Da können wir jetzt keine Rücksicht nehmen. Außerdem ist in den Clubs am Samstag immer was los. Vielleicht hilft uns das, an die richtigen Informationen ranzukommen.“
„Wenn ihr wollt, macht das. Es ist euer Wochenende“, sagte Roger van Leeuwen.