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Ein kleines Mädchen verschwindet spurlos aus einem Mehrfamilienhaus. Bei den Ermittlungen stößt die Polizei auf Verbindungen zu einem alten ungelösten und äußerst rätselhaften Fall, bei dem mehrere Kinder aus einem Kinderheim entführt wurden und ebenfalls spurlos verschwanden. Doch die Spuren führen zunächst in die falsche Richtung. Aber schon bald wird klar, dass es sich bei dem gesuchten Täter um einen Serienmörder handelt.
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Seitenzahl: 521
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Ben Kossek
Haus der toten Engel
Thriller
Impressum:
Copyright © 2022 by Ben Kossek
Umschlaggestaltung: Bernd Moch
Verlag und Druck: tredition GmbH
Halenreie 40-44
22359 Hamburg
ISBN 978-3-347-52982-3 (Paperback)
ISBN 978-3-347-52984-7 (Hardcover)
ISBN 978-3-347-52986-1 (e-Book)
„Sanft schließt man
den Toten die Augen.
Sanft muss man auch
den Lebenden
die Augen öffnen.“
Jean Cocteau (1889-1963)
INHALT
PROLOG
ERSTER TEIL – Suche
AARON – Erinnere dich!
DANIEL – Ein unerwarteter Zeuge
AARON – Spurensuche
ELISABETH – Düstere Erinnerungen
AARON – Ein erster Hinweis
DANIEL – Die Vergangenheit ruft
ZWEITER TEIL – Abgründe
DANIEL – Der Künstler
MATHILDA – Racheengel
AARON – Zurück aus der Dunkelheit
MAIK – Todesengel
AARON – Unter Verdacht
DANIEL – Kein schöner Tod
TILLA – Der verschwundene Student
DRITTER TEIL – Verblendung
MATHILDA – Falsche Spuren
AARON – Der gute Sohn
TILLA – Der Buchhalter-Typ
MATHILDA – Mutter und Tochter
TILLA – Die Falle schnappt zu!
DANIEL – Im Sande verlaufen?
AARON – Der falsche Vater
TILLA – Das Feuer
MATHILDA – Das Ende der Wut
VIERTER TEIL – Enthüllung
AARON – Zurück zum Anfang!
TILLA – Eine seltsame Freundin
DANIEL – Wo ist Mathilda?
AARON – Der Halbbruder
MATHILDA – Wie ein wildes Tier
TILLA – Der Mann mit der Maske
GREGOR – Ein grausiger Fund
AARON – Friedhof des Bösen
TILLA – Der Schatten
GEREON – Wie ein Schlachtruf
TILLA – Entkommen!
FÜNFTER TEIL – Rache
REGINA – Die Drohung
MATHILDA – Ein Sturm zieht auf
AARON – Ein rätselhafter Mord
ROLF KAJETAN – Hüter des Dämons
DANIEL – Eine gewagte Theorie
MATHILDA – Auge in Auge
AARON – Vermisst!
SECHSTER TEIL – Offenbarung
ROLF KAJETAN – Dem Tode so nah
TILLA – Am frühen Morgen
TILLA – Am Ende des Flurs
Epilog
Danksagung
Anmerkung des Autors
Bisher vom Autor erschienen
Prolog
21 Jahre zuvor
Ein lauer, nächtlicher Sommerwind zwängte sich durch die geöffneten Oberlichter der hohen Fenster und bewegte mit einer sanften Brise die langen Vorhänge, als seien sie schemenhafte Gespenster, die im matten Leuchten des weißen Mondes durch die Dunkelheit des Schlafraums schwebten. Leise, beinahe geräuschlos, hatte er das Fenster, dass er vor zwei Tagen nur angelehnt hatte, geöffnet und war wie ein Schatten in die friedliche, sanfte Stille des Raumes eingestiegen. Sein Atem ging schnell, denn er war angespannt und erregt. Jedes Mal, wenn der Mond hinter den Wolken hervorlugte, spiegelte sich das matte, fahle Licht auf den dunkel glänzenden, mit Wachs sorgfältig gebohnerten Holzdielen des Fußbodens wider. Er liebte dieses Spiel von Licht und Schatten, weil es ihn stets aufs Neue faszinierte. Bewegungslos und voll der Erregung stand er so inmitten der nachtdunklen, unschuldigen Stille des Schlafraums, die ihn mit all ihrer Ahnungslosigkeit umgab und die nur durch die leisen und unregelmäßigen Atemgeräusche der schlafenden Kinder unterbrochen wurde, und lauschte. Er vernahm die Bewegung, wenn eines der Kinder sich im Schlaf in seinem Bettchen drehte, um gleich darauf wieder friedlich einzuschlafen.
Heute Nacht war er gekommen, um sie endlich zu holen, die kleine Johanna mit ihren leuchtend blonden Haaren, so wie er schon die andere geholt hatte, aus dem Schlaf heraus und ohne auch nur die geringste Spur zu hinterlassen. Heute Nacht würde er sie holen und dann mit ihr verschwinden – für immer und für alle Zeit.
In der Stille lauschte er auf jedes noch so kleine Geräusch. Von außerhalb des Schlafraums war nicht der geringste Laut zu hören, keine Schritte auf dem Flur, die näher kamen und ihn hätten stören können, und auch kein Lichtschein, der unter dem Türspalt hindurchschimmerte. Draußen auf dem Flur war es ebenfalls dunkel und still. Alle Bewohner des Hauses schienen wohl tief zu schlafen. Ein zufriedenes Lächeln überflog sein Gesicht und ließ ihn nun etwas ruhiger werden. Die fluoreszierenden Zeiger der Armbanduhr an seinem Handgelenk zeigten ihm, dass es gerade kurz vor vier Uhr war. Es war genau die richtige Zeit, um sein Werk in Angriff zu nehmen und das zu tun, wozu ihn seine innere Unruhe, dieser gnadenlose Dämon, schon seit vielen Tagen trieb! Diese erstickende und fortwährende Unruhe, die so unerbittlich war, die ihn des Nachts nicht schlafen ließ und ihn beinahe in den Wahnsinn getrieben hatte! Dieser verdammte Dämon!
Mit vorsichtigen Schritten bewegte er sich wie ein Schatten in den Raum hinein. Das leise Knarren der Bodendielen begleitete jeden seiner Schritte. Gezielt ging er nun auf eines der Bettchen zu, in dem die kleine Johanna selig und ahnungslos schlief. Wovon sie wohl gerade träumt, fragte er sich, ohne den Blick von ihr zu lassen.
Begonnen hatte alles vor ungefähr fünf Jahren mit der kleinen Marie, die er am helllichten Tag vom Spielplatz des Kinderheims geholt hatte. In einem unbeobachteten Augenblick hatte er zugeschlagen. Schnell und geräuschlos. Und niemand hatte etwas bemerkt. Er hatte den kleinen Moment abgepasst, in dem sich Marie hinter einem der Büsche versteckte. Erst einige Minuten später war einer Betreuerin aufgefallen, dass das Mädchen nicht mehr da war. Sie riefen laut nach ihr und suchten sie in ihrer Angst und Verzweiflung. Aber da hatte er sie schon in den hellen Lieferwagen gebracht, den er zuvor in einiger Entfernung, aber nahe genug, hinter einer Wegbiegung versteckt abgestellt hatte. Welch ein Triumph war das für ihn gewesen! Und welch ein Hochgefühl zugleich! Es war damals sein erstes Mal!
Von diesem Moment an war das Spannungsgefühl und der ganze Druck, der sich immer über Wochen hinweg langsam, aber stetig in ihm aufgebaut hatte, völlig verschwunden. Diese verdammte, gnadenlose Sucht, dieser Zwang, etwas darstellen zu müssen, Beachtung zu finden, wichtig zu sein für diese Gesellschaft, war zufriedengestellt. Und wenn ihm die Gesellschaft nicht die Würdigung und Aufmerksamkeit zukommen lassen wollte, die er verdient hatte und die er von ihr forderte, würde er sie dazu zwingen müssen, sie ihm zu gewähren! Und das hatte er dann getan! Er hasste seinen Vater dafür, dass er ihm dieses Gefühl der Wertlosigkeit gegeben hatte, dass er ihm, seinem einzigen Sohn, das alles angetan hatte. Sein Vater war es, der ihn dazu gemacht hatte, was er jetzt war – ein gottverdammtes Monster! Aber damals, als er sich Marie geholt hatte, fühlte er sich danach frei, unbesiegbar, unüberwindlich. Das kleine hilflose Mädchen in seiner Gewalt zu haben gab ihm das Gefühl von Stärke und befreite ihn! Es gab ihm die Illusion von unbegrenzter Macht! Nur zu schade, dass er die kleine Marie danach verschwinden lassen musste. Er hatte das Mädchen töten müssen, nachdem er seine Spielchen mit ihr vollzogen hatte und dieses berauschende Gefühl von Überlegenheit und Unverwundbarkeit, dass vorübergehend wie eine böse Droge Besitz von ihm ergriffen hatte, ihn dann am Ende doch wieder verlassen hatte – als wäre die Energie verbraucht wie bei einer Batterie. Und dann – er konnte sie ja unmöglich wieder laufen lassen. Sie hätte ihn womöglich noch verraten.
Also hatte er sie getötet und vergraben. Dort, wo man sie so schnell nicht finden und keiner nach ihr suchen würde. Aber dieses fatale, kranke und besessene Verlangen ließ ihn von nun an nicht mehr in Ruhe. Er spürte wohl, dass er krank war, aber er konnte sich nicht dagegen wehren! Er hatte sich danach, zwei Jahre später, ein weiteres Opfer holen müssen, die kleine süße Silvie. Wie heute war er in der Nacht in den Schlafraum der Kinder eingedrungen und hatte sie geholt. Die Sucht hatte sich wieder aufgebaut und ihn ohne Erbarmen gezwungen, ihr ein weiteres Mal zu folgen. Er konnte nicht anders. Und heute war es nun wieder so weit. Drei Jahre hatte er widerstanden. Doch er konnte dieses ungestüme Verlangen, das von Zeit zu Zeit immer wieder Besitz von ihm ergriff, dieser unbändige Dämon, der ihn wie ein Raubtier in seinen Krallen hielt, einfach nicht auf eine andere Art und Weise besänftigen. Er hatte es mit aller Kraft versucht, aber es war das Böse in ihm, dass sich gegen seine Bemühungen zur Wehr setzte und ihn nicht mehr zur Ruhe kommen lassen wollte! Das Böse, dass er selbst gerufen hatte, dass er zugelassen hatte, dass er in sich hatte wachsen lassen … und das ihn nun ohne Unterlass quälte!
Leise knarzte der Boden unter seinen bedachten Schritten, als er sich dem Bettchen näherte, in dem die kleine Johanna lag und fest schlief. Er hatte sie schon eine ganze Weile lang beobachtet, um herauszufinden, ob sie auch die richtige war. Aber nun war er sich sicher. Johanna war genau die richtige! Das Böse, das ihn die ganze Zeit über beherrschte, hatte ihn zu diesem kleinen sanften Mädchen geführt. Und das Böse, dieser Dämon, irrte sich nie!
Plötzlich schien sich eines der Kinder ganz in der Nähe zu bewegen! Er hielt den Atem an und sah sich um, konnte aber im Dunkeln nicht erkennen, welches der Kinder es war. Still wartete er nun ab und rührte sich nicht von der Stelle, bis es sich wieder beruhigt hatte und endlich weiterschlief. Oder hatte es ihn soeben doch bemerkt und beobachtete ihn nun aus ängstlichen Augen? Hatte es seinen Schatten im Dunkeln gesehen und vielleicht seinen schweren, unruhigen Atem gehört? In der Düsternis des Schlafsaals konnte er das nicht ausmachen. Soeben verschwand der Mond hinter einem Wolkenband und es wurde wieder dunkler im Raum. Er trat zitternd vor Erregung geräuschlos neben das Bettchen der kleinen Johanna und beobachtete sie. Wie sie dort lag in ihrer Unschuld und Unwissenheit und tief und selig träumte. Nichts ahnend vom dem, was gleich geschehen würde! Ja, sie war wirklich perfekt, so wunderschön und so zart. Erneut fielen jetzt die Strahlen des Mondes durch die Fenster herein und streiften ihr zartes und unschuldiges Gesichtchen, dass aussah wie reines, weißes Porzellan. Er stand still neben ihr und war beinahe ergriffen von dieser weichen Schönheit. Eine kleine Ewigkeit wagte er nicht, sich zu bewegen, verharrte auf der Stelle und starrte sie nur an unter seiner Maske. Doch dann, ganz plötzlich, schien ihn die innere Stimme anzutreiben. ‚Mach‘ es endlich! Warte nicht damit, sonst ist es noch zu spät! Tue es jetzt!‘ Die innere Stimme gab nie auf. Und sie war immer da. Das Böse drängte ihn erbarmungslos, endlich zu handeln und sein Werk zu vollbringen.
Er nahm nun das weiße Tuch aus der Tasche und das kleine Fläschchen mit der durchsichtigen Flüssigkeit und gab eine kleine Menge davon in das Tuch. Dann ließ er das Fläschchen wieder in seiner Jackentasche verschwinden und beugte sich zu Johanna hinab. Er drückte ihr das Tuch erst nur sanft, und dann, als sie erwachte und sich zu bewegen begann, fester in ihr wunderschönes Puppengesicht. Das Mädchen zappelte kurz, als sie spürte, was mit ihr geschah, jedoch nur, um gleich darauf wieder in tiefer Bewusstlosigkeit zu versinken. Schnell ließ er das Tuch wieder in seine Jackentasche gleiten, dorthin, wo sich schon das Fläschchen befand, denn die innere Stimme ermahnte ihn nun zum wiederholten Mal, sich zu beeilen. Er beugte sich eilig hinunter und schob seine Arme unter den kleinen Körper, der nun schlaff und schwer wirkte. Er hob sie hoch und legte sie vorsichtig über seine Schulter, um sie besser tragen zu können.
Wieder schien sich eines der Kinder zu bewegen, und er verharrte einen Augenblick, um zu lauschen und es wieder einschlafen zu lassen. Als er nach einer kleinen Weile keine weiteren Geräusche vernahm, ging er vorsichtig durch den Raum hinüber zu dem Fenster am Ende des Schlafsaals, durch dass er auch hereingekommen war. Er hatte es nur angelehnt und öffnete es jetzt leise. Ein kaum hörbares Quietschen der Angeln war zu hören, zu leise, um jemand auf ihn aufmerksam zu machen. Ohne ein weiteres Geräusch zu verursachen, stieg er mit dem rechten Bein durch das nun offene Fenster, und als er mit seinem Fuß draußen festen Boden spürte, schlüpfte er hindurch und zog den Fensterflügel hinter sich wieder leise bei, so dass es den Anschein hatte, als sei er nie geöffnet worden. Der nächtliche Sommerwind streifte der kleinen Johanna durch die hellen Haare, die jetzt lang auf seinen Rücken herabfielen.
Mit der Zeit wurde die kleine Last, die er auf seiner Schulter trug, schwerer. Er blickte sich um. Der Mond tauchte gerade wieder hinter einem der zahlreichen Wolkenfelder auf und beleuchtete die grauen Mauern des Engelhauses und die Bäume, Büsche und Hecken mit seinem weißen, matten Leuchten. Nur wenige Tage vor Vollmond, dachte er gerade. Aber er konnte beruhigt sein. Keine Menschenseele schien außerhalb des Hauses auf dem Gelände zu sein. Alles lag in tiefem Schlaf. Doch ihm entging die schmale Gestalt, die im Schutze einer Hecke kauerte und ihm und seinem Tun mit starrem, entsetzten Blick folgte. Die Gestalt rührte sich nicht von der Stelle, blieb in ihrer Angst im Verborgenen und rührte sich nicht, um ihn nicht noch auf sich aufmerksam zu machen, aber sie hatte ihn genau beobachtet!
Eilig und in leicht geduckter Haltung lief er im Laufschritt über die Wiese hinter dem Haus und hinüber zu der niedrigen Steinmauer, die den Garten des Anwesens umgab und gegen die umliegenden Felder und Wiesen abgrenzte. Und ohne das Mädchen von der Schulter zu nehmen, stieg er jetzt zügig über die nur kniehohe Mauer und folgte einem schmalen Pfad. Das Mondlicht wies ihm den Weg, und am Ende des Pfades stand sein alter Lieferwagen, den er dort im Schatten einiger Bäume abgestellt hatte. Es war vollbracht! Er hatte sich die kleine Johanna geholt, so wie es ihm der Dämon in seinem Inneren befohlen hatte!
„Ich bringe dir dein Opfer, bald schon, aber lass‘ mich jetzt endlich in Ruhe, du verdammter Dämon“, murmelte er vor sich hin, als wäre noch jemand an seiner Seite, der neben ihm stand, während er das kleine bewusstlose Mädchen endlich auf der Rückbank des Wagens ablegte und dann eilig nach vorne lief, um den Motor zu starten. Seine Hände zitterten stark vor Erregung und er keuchte vor Anstrengung, ohne den Zündschlüssel umzudrehen. Er saß einfach nur da und schien auf etwas zu warten.
Erst jetzt wurde er gewahr, wie ihm der Schweiß aus allen Poren strömte. Sein Hemd klebte auf seiner Haut, und Zweifel nagten an ihm, weil er immer noch keine Veränderung spüren konnte. Warum ließ sie dieses Mal so lange auf sich warten, die Erlösung?
Doch dann war es plötzlich wieder da, jenes Hochgefühl, das er so sehnsüchtig erwartet hatte und das ihm seine Ruhe wieder geben sollte. Ganz langsam und unscheinbar kam es nach oben, kroch in ihm hoch wie ein böses, hämisch grinsendes Tier, das ihn unbesiegbar und wertvoll machte, und wurde immer stärker. Es erfasste ihn, hob ihn vom Boden hoch und ließ ihn schweben, beinahe schwerelos, befreite ihn von allen Spannungen, von allen Ängsten und von dieser Sucht und dem Zwang zu handeln, die auf ihm gelastet hatten! Er spürte, wie sich jede Zelle in seinem Inneren mit jener wunderbaren und geheimnisvollen Energie aufzuladen begann, die ihn so stark und unbesiegbar, so selbstbewusst und frei werden ließ. Oh ja, nun war er endlich wieder der Alte! Er war wieder er selbst, frei von seinem Dämon. Und dann wurde es plötzlich ruhig und still in ihm.
Er würde immer wieder auf die Jagd gehen müssen, seinem unerbittlichen und gnadenlosen Trieb folgend, doch war er sich auch der unausweichlichen Tatsache bewusst, dass sie ihn eines Tages erwischen würden, vielleicht schon sehr bald, vielleicht auch erst in vielen Jahren. Aber irgendwann ganz sicher. Wer konnte das schon wissen? Doch bis es so weit war, würde er seine teuflische und todbringende Mission fortführen, die ihm das Böse in seinem Inneren aufzwang. Er würde einfach immer weitermachen müssen, denn der gnadenlose Dämon, der ihn so sehr im Griff hatte, würde keine Ruhe geben und ihn so lange quälen, bis er endlich wieder auf die Suche ging. Das war nun mal sein verdammtes Schicksal!
Aber daran wollte er jetzt nicht denken, nicht heute!
Ein befreites Grinsen flog über sein Gesicht, als er das kleine, bewegungslose Mädchen auf der Rückbank hinter sich ansah. Johanna lag still und friedlich da. Aber sie würde bald wieder zu sich kommen, und bis dahin musste er zurück sein. Er drehte den Zündschlüssel, und der Motor startete mit einem tiefen Brummen in der Dunkelheit der Nacht.
Erster Teil
Suche
„Die wirklich großen Erkenntnisse,
sie liegen in ungeheuren Abgründen,
wo man sie sucht,
nicht an jenen sichtbaren und greifbaren Örtlichkeiten,
wo man sie zu finden meint.“
Edgar Allen Poe (1809-1849)
AARON
Erinnere dich!
Mit einem lauten Knall, dessen Echo von den kalten Betonwänden des Ganges noch verstärkt zurückgeworfen wurde und in der Luft spürbar nachvibrierte, schloss sich die schwere Metalltür hinter ihm und seinem Begleiter. Ihre Schritte erzeugten ein laut trommelndes Geräusch auf dem gefliesten Boden, waren fast im gleichen Rhythmus. Doch nur wenige Sekunden lang, nur ein paar Schritte, dann wieder eine dieser Türen, wieder dieser Summton, der quälend in seine Ohren drang und signalisierte, dass die nächste Schleuse vor ihnen nun entriegelt war. Der Mann in der Uniform, der ihn begleitete, zog mit einem kräftigen Ruck am Griff, und mit einem erlösenden Klacken des Schlosses erlosch der Summton. Er ging durch die Schleuse und blieb gleich danach wieder stehen, der Uniformierte folgte ihm. Ein übler, stechender Schmerz im Kopf begleitete jeden einzelnen seiner Schritte. Dann wieder der laute Knall, als auch diese Tür hinter ihnen ins Schloss fiel. Wieder dieses Stechen, als hätte ihm jemand einen Pfeil durch den Schädel gejagt. Das dröhnende Summen und Knallen der Türen hatte etwas Endgültiges, etwas Unabänderliches und gleichzeitig etwas Abscheuliches. Er hatte das Gefühl, als würde sich sein Gehirn in der Flüssigkeit, in der es schwamm, überschlagen.
Die Handschellen scheuerten an seinen Handgelenken, was ihn jedoch nicht weiter störte. Wenn das alles war, was er ertragen musste, dann wollte er sich nicht beklagen. Schließlich hatte er es auch nicht anders verdient! Und ihm stand auch keine Sonderbehandlung zu, nur weil er ein Bulle war. Er hatte offensichtlich einen Fehler gemacht und würde dafür geradestehen. Das gebot ihm alleine schon sein Ehrgefühl. Er hatte sich hinreißen lassen, hatte das Gesetz, so wie es aussah, selbst in die Hand genommen, sich zum Ankläger und Richter in einer Person aufgeschwungen. Und alles nur, um dieses elende Schwein nicht davonkommen zu lassen! Doch das war gegen das Gesetz! Und er hatte etwas getan, was er nicht hätte tun dürfen.
Er, der Bulle, hatte die Kontrolle verloren!
Oder etwa doch nicht? Er wusste es nicht.
Er konnte sich nicht erinnern!
Als sie wenige Augenblicke später den kahlen, mit einem schmutzig-hoffnungslosen Gelbton gestrichenen Besucherraum mit den in unerreichbarer Höhe angeordneten, schmalen Oberlichtern betraten, die jeden Blick nach draußen verwehrten, saß nur ein einziger Mann an einem der sechs Tische. Er trug einen teuren, dunkelgrauen Anzug, und auch die Ledertasche, die er vor sich auf der Tischplatte abgelegt hatte, erweckte den Eindruck, dass sie nicht gerade in das Budget eines Hauptkommissars, in sein Budget, passen würde. Der Mann hatte dichte graue Haare, die ihm fast bis auf die Schultern fielen, und er sah ihn mit interessierter Wachsamkeit durch seine randlose teure Brille an. Kannte man diesen Mann nicht, so würde man wohl sagen: Typisch Anwalt eben!
Er kannte diesen Mann, und er kannte ihn verdammt gut. Er kannte jede seiner Macken, seine negativen wie positiven. Er kannte vor allem seine Großzügigkeit, seine Zuverlässigkeit, seine Loyalität, und er kannte auch den Menschen, der in diesem teuren Outfit steckte. Sie hatten schon gemeinsam das Gymnasium besucht und zusammen im gleichen Jahr das Abitur gemacht. Sie hatten mit einer verschworenen Clique als Abi-Streich in der Nacht vor der großen Abschlussfeier die Tür zum Lehrerzimmer zugemauert, sich sogar in das gleiche Mädchen verliebt, ohne sich deshalb zu entzweien, und sich ein ganzes Leben lang begleitet und nie aus den Augen verloren. Er konnte sich nicht einmal erinnern, ob es je einen Menschen gab, der sein Leben länger begleitet hatte als Lennard. Nicht einmal Mutter hatte das geschafft! Aber nicht nur das: Er und Lennard waren viel mehr als nur einfach Freunde, sie waren so etwas Heiliges wie Blutsbrüder!
Er nahm auf der anderen Seite des Tisches Platz.
„Nehmen Sie ihm bitte die Handschellen ab“, murmelte der Mann, der Lennard hieß und nicht nur sein Freund war, sondern auch sein Anwalt, in Richtung des Vollzugsbeamten, der neben der Tür stand. Dieser kramte murrend und umständlich einen Schlüssel hervor und entfernte die metallenen Fesseln. Man wurde den Eindruck nicht los, dass ein Polizeibeamter, gleich welchen Dienstgrads, der sich eines Vergehens schuldig gemacht hatte oder auch nur im Verdacht stand, etwas derartiges getan zu haben, schlimmer behandelt wurde als ein normaler Straftäter von der Straße. Warum dies so war? Eine der Fragen, auf die er keine Antwort hatte. Für einen Polizisten war so etwas allem Anschein nach tabu.
„Wie geht es dir, Aaron?“ Die Frage war voller Mitgefühl und erfüllt von einem ehrlichen, tiefen Bedürfnis, helfen zu wollen. Er erkannte sofort die Besorgnis, gepaart mit einer gewissen Ratlosigkeit in den Augen seines guten Freundes, und ja, es schmerzte ihn! Lennard hatte doch sicher genug anderes zu tun. Musste er ihm jetzt auch noch Sorgen und Schwierigkeiten bereiten und ihm seine kostbare Zeit stehlen? Was war nur in ihn gefahren am vorgestrigen Abend? Sein schlechtes Gewissen meldete sich.
„Ich weiß es nicht, Lennard. Ich fühle mich leer und von mir selbst verlassen. Alles fühlt sich unwirklich und falsch an. Wie konnte ich nur so etwas tun, einen Menschen erschießen! Ich weiß nicht, was da in mich gefahren ist und kann mich auch nicht erinnern.“ Er sah Lennard mit einem Blick an, der seine innere Verzweiflung offenbarte, die diesen in höchstem Maße erschrecken ließ. „Tut mir wirklich leid, dass ich dich jetzt brauche.“
„Wir sind Freunde, schon vergessen? Und richtige Freunde helfen sich, wenn sie einander brauchen. Du glaubst also, du hast ihn erschossen.“ Lennard Brunnhäuser, der sein Freund und Anwalt war, betonte diesen Satz nicht als Frage, sondern als nüchterne Feststellung, die er jedoch offensichtlich nicht zu teilen schien. Das sagte sein Blick, der deutliche Zweifel an der ganzen Geschichte erkennen ließ.
„Alles deutet darauf hin, ja doch!“
Hauptkommissar Aaron Kramer versuchte erneut, sich zu erinnern und den Film noch einmal vor seinem geistigen Auge ablaufen zu lassen – zum hundertsten Mal. Ohne jeden Erfolg! Die Faktenlage war auf den ersten Blick eindeutig und klar. Man hatte ihn, Hauptkommissar Aaron Kramer, in der vorletzten Nacht festgenommen wegen des Verdachts, er habe einem Menschen in den Rücken geschossen und dabei getötet. Er selbst wurde bewusstlos am Boden liegend unter einer Unterführung nahe des Rheinufers aufgefunden, mit der Dienstwaffe in seiner Hand, aus der unwiderlegbar zwei Schüsse abgefeuert worden waren. An seiner rechten Hand konnten eindeutig Schmauchspuren festgestellt werden, die belegten, dass er geschossen hatte. Und nur wenige Meter entfernt lag der Mann, den er an diesem Abend beschattet hatte und der durch einen der beiden Schüsse getötet worden war. Die Kugel war ihm in den Rücken eingedrungen und hatte das Herz getroffen. Er musste sofort tot gewesen sein, so die Annahme der Rechtsmediziner! Und – diese Kugel stammte zweifelsfrei aus seiner Dienstwaffe, die obendrein auch noch keine Fingerabdrücke außer seinen eigenen aufwies! Das zweite Projektil hatte man allerdings bisher am Tatort noch nicht finden können. Das waren zunächst einmal die mehr als eindeutigen Fakten! Und die sahen nicht gut aus für den Hauptkommissar.
Der Tote hieß Elmar Kohnen, 36 Jahre alt. Er wurde bereits mit 24 Jahren wegen Entführung und sexuellen Missbrauchs an einem zehnjährigen Mädchen zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das völlig verstörte und verängstigte Kind hatte man lebend in seiner Wohnung auffinden können, nachdem Hinweise aus der Nachbarschaft bei der örtlichen Polizeidienststelle eingegangen waren. Elmar Kohnen hatte noch während seiner Inhaftierung verschiedene Resozialisierungsprogramme durchlaufen und befand sich seit zwei Jahren wieder auf freiem Fuß. Nun aber hatte sich der Verdacht erhärtet, dass genau dieser Kohnen etwas mit dem äußerst rätselhaften Verschwinden eines kleinen Mädchens zu tun haben könnte. Die gerade erst siebenjährige Annalena Strobel war vor drei Tagen aus einem Mehrfamilienhaus im Bonner Stadtteil Limperich spurlos und auf sehr merkwürdige Weise verschwunden. Kohnens neue Wohnung lag in genau diesem Haus, in dem auch Annalena mit ihrer Mutter wohnte. Und damit war er sofort in den Fokus der Polizei geraten. Sie hatten Kohnen im Rahmen der Ermittlungen mehrfach befragt und seine Wohnung regelrecht auseinandergenommen, dabei jedoch nichts Auffälliges gefunden. Der Anfangsverdacht hatte sich nicht bestätigt. Dennoch wurde er von nun an rund um die Uhr beschattet. Und diese Aufgabe hatte er, Hauptkommissar Aaron Kramer, mit seiner neuen Kollegin, der jungen Kommissarin Tilla Wendler, übernommen. Tilla, sie war erst vor wenigen Tagen als frischgebackene Kommissarin auf seine Dienststelle versetzt worden, hatte Aaron an diesem Abend begleitet.
Höchst seltsam waren die Umstände des Verschwindens von Annalena Strobel. Eine Freundin des Mädchens wollte Annalena nachmittags zum Spielen auf dem Spielplatz hinter dem Haus abholen. Die Mutter sagte noch über die Gegensprechanlage, dass Annalena gleich nach unten kommen würde. Sie sei gerade dabei, ihre Jacke aus dem Kinderzimmer zu holen. Danach verließ das Mädchen die Wohnung. Als die Mutter eine halbe Stunde später auf dem Weg in den Keller nach unten kam, fand sie die Freundin immer noch wartend vor. Auf die besorgte Frage der Mutter, wo Annalena sei, antwortete die Freundin, sie wisse es nicht. Annalena sei noch nicht heruntergekommen. Die Mutter hatte sofort im und um das Haus nach dem Kind gesucht, hatte bei den Nachbarn geklingelt. Auch einige dieser Nachbarn hatten sich spontan bereiterklärt, im ganzen Haus und in der Umgebung nach Annalena zu suchen. Das Kind wurde nicht gefunden, worauf die Mutter dann schließlich gegen 18 Uhr die Polizei verständigte.
Von der kleinen Annalena fehlte seitdem jede Spur – seit vier Tagen! Auch eine sofort eingeleitete große Suchaktion war erfolglos geblieben. Die Suche lief auch weiterhin auf Hochtouren. So viel zur Vorgeschichte.
„Du bist dir also wirklich sicher, dass du ihn erschossen hast?“ Jäh unterbrach Lennard Brunnhäuser Aaron Kramers Gedanken.
„Lennard, ich bitte dich! Wonach sieht das denn deiner Meinung nach aus? Ich hatte meine Dienstwaffe in der Hand, aus ihr wurden zwei Schüsse abgegeben, von denen der eine sein Herz durchbohrt hat. Beide Geschosse stammen eindeutig aus meiner Dienstwaffe, und an meiner Hand fand man Schmauchspuren. Hast du eine andere Erklärung?“
Lennard sah Aaron mit einem langen, eindringlichen Blick an, als versuche er in Erfahrung zu bringen, was hinter der Stirn seines besten Freundes vor sich ging.
„Und du erinnerst dich daran, dass du geschossen hast?“
„Nein, natürlich nicht.“
„Warum um alles in der Welt bist du so überzeugt, dass du es getan hast, Aaron? Ich möchte dich nur daran erinnern, du lagst mit einer Kopfwunde am Boden, mit dem Gesicht nach unten. Alles deutet darauf hin, dass du von hinten niedergeschlagen wurdest. Und du kannst dich nicht einmal daran erinnern, abgedrückt zu haben. Das ist doch äußerst merkwürdig, oder etwa nicht?“
„Ja, schon. Mir fehlt jede verdammte Erinnerung an die letzten Momente vor den Schüssen. Vielleicht hat mich jemand niedergeschlagen, nachdem ich geschossen habe. Vielleicht … um genau das zu verhindern. Aber dieser Jemand kam wohl zu spät!“
Lennard Brunnhäuser erhob sich mit einem lauten Seufzer und ging einige Schritte im Raum auf und ab, so wie man es tat, wenn man sich sammeln und konzentrieren wollte. Die Hände vergrub er so tief es ging in den Hosentaschen. Dann lehnte er sich mit dem Rücken an die Wand hinter seinem Stuhl, so dass er Aaron gegenüber stand und ihn genau in Blickrichtung hatte. Er sah kurz auf seine glänzenden, polierten italienischen Schuhe, die er letztes Jahr im Urlaub in Rom gekauft hatte, und ließ nun einen fast verzweifelt klingenden Seufzer hören.
„Genau das ist das Problem, Aaron. Genau hier liegt der verdammte kleine Unterschied. Wurde deine Waffe vor oder nach dem Schlag auf deinen Kopf abgefeuert. Genau das ist bei all diesen Fragestellungen der alles entscheidende Aspekt. Davor oder danach.“ Mit einer wiegenden Hin-und-Her-Bewegung seiner Hände verdeutlichte er die beiden möglichen Varianten in eine bildliche Sprache.
„Du meinst …“
„ … dass jemand dich niedergeschlagen und dann den Kerl mit deiner Waffe erschossen hat. Ich meine das nicht. Es ist nur eine von einigen Möglichkeiten.“
„Aber warum …“
„ … er dir danach wieder die Waffe in die Hand gedrückt hat? Um den Verdacht auf dich zu lenken. Und um ein zweites Mal abzudrücken – wegen der Schmauchspuren. Für mich klingt das gar nicht so abwegig.“
„Lennard, warum sollte jemand so etwas tun? Und vor allen Dingen wer?“
„Ganz ehrlich – ich habe nicht die geringste Ahnung. Aber es ist, wenn du meine ziemlich unbedeutende Meinung hören willst, die wahrscheinlichste Variante. Ich bin zwar kein Bulle, aber mein bester Freund ist einer und er ist jemand, der mir viel beigebracht hat, was strategische Analysen verschiedener Möglichkeiten angeht.“
„Danke für das Kompliment. Allerdings haben wir für deine These keinerlei Beweise. Für mein Fehlverhalten aber jede Menge.“
„Nicht ganz. Wir haben den Schlag auf deinen Kopf! Du hast dich höchstwahrscheinlich nicht selbst niedergeschlagen, oder?“, fragte Lennard ironisch.
„Nicht, dass ich mich erinnern könnte.“
„Dann erkläre mir doch bitte, weshalb du zwei Mal auf den Kerl geschossen, aber nur einmal getroffen hast?“
„Ich … muss nicht zweimal schießen …“
„Genau, Aaron – weil du einer der besten Schützen bist, die ich kenne. Wenn du ihn erschossen hättest, wäre kein zweiter Schuss nötig gewesen. Ein Schuss, und fertig! Auf diese Entfernung sowieso. Du warst schon immer verdammt gut. Du erinnerst dich doch noch an die lustige und äußerst köstliche Anekdote mit deinem damaligen Ausbilder beim Schießtraining auf der Polizeischule? Mein Gott, wie oft hast du mir die erzählt! Wir haben uns jedes Mal gebogen vor Lachen! Du erinnerst dich?“
Mit einem Mal legte sich ein leicht verstohlenes Grinsen auf Kramers Gesicht. Er sah den Kerl noch heute vor sich, sein überhebliches und selbstzufriedenes Breitbackengesicht in der gespannten Erwartung, den Grünschnäbeln am Schießstand mal so richtig zu zeigen, wo der Hammer hing. Das Ziel, ein Pappganove in leicht gebückter Haltung und einer Pappwaffe in der Hand, mit einem weißen Kreis im Gesicht und einem im Brustbereich. Die beiden Kreise hatten den Durchmesser von je fünfzehn Zentimetern, und die galt es nach Möglichkeit zu treffen.
„Jetzt gut aufgepasst, Jungs, damit ihr euch nicht die Fußnägel wegschießt, wenn ihr dran seid! Den Ohrenschutz auf und dann hergesehen!“
Nachdem alle ihren Ohrenschutz aufgesetzt und hinter dem Ausbilder Aufstellung bezogen hatten, um ja keine Phase seiner lehrreichen Demonstration zu verpassen, zwinkerte er ihnen kurz und gönnerhaft zu, stellte sich, die Füße schulterbreit auseinander, in Schussposition und ging dabei leicht in die Knie. Dann hob er die Waffe, eine übliche Dienstpistole, zum Anschlag. Fünf Schüsse donnerten durch die Schießhalle, alle in einem Abstand von etwas weniger als einer Sekunde. Dann setzte er die Waffe ab und zeigte den Grünschnäbeln sein breites Hab-ich‘s-euch-doch-gezeigt-Grinsen. Und nachdem man nun den Pappganoven herangeholt hatte, waren fünf Einschusslöcher oben im Gesichtskreis zu sehen, keines mehr als eine Daumenbreite vom nächsten entfernt! Mit einem übertrieben gefälligen Gesichtsausdruck baute sich der Kerl nun vor der Mannschaft auf. Er deutete mit dem Zeigefinger auf die Einschüsse und sagte:
„Nicht, dass ich das von euch erwarten würde, aber versucht wenigstens, den Pappkameraden zu treffen. Wer will als Erster?“ Da sich natürlich keiner der anderen aktiv nach vorne drängte, bohrte sich sein Zeigefinger vom Pappkameraden weg geradewegs in Aarons Richtung. Auf die ihm eigene provozierende Art, begleitet von einem hämischen Grinsen, wie nur er es konnte, polterte er los.
„Kramer, Sie haben doch sonst immer eine große Klappe. Wie wär’s denn mit Ihnen? Vielleicht wollen Sie mal den Anfang machen! Wollen doch mal sehen, ob das hiermit genauso gut geht.“ Damit gab er Kramer die nachgeladene Pistole in die Hand und knurrte ihm noch zu: „Und beim Abdrücken die Augen aufmachen, sonst sind die Zehen ab. Dann los!“
Aaron hatte noch genau vor Augen, wie er nach vorne getreten war, in Position ging, die Waffe hob und zielte. Wieder fielen fünf Schüsse, doch die Schussfolge war hörbar schneller. Allerdings war schon aus der Entfernung zu sehen, dass sich kein einziges Einschussloch in einem der beiden weißen Zielkreise befand.
„Na, dann wollen wir doch mal nachsehen, ob die vielleicht in der grünen Wiese gelandet sind, was Männer?“ Die ganze Gruppe begann zu lachen, und das Lachen klang verdammt hämisch in seinen Ohren.
Dann wurde der Pappganove nach vorne gefahren, und je näher er herankam, desto ruhiger wurde es in der Gruppe. Und dann plötzlich rief einer der Jungs:
„Scheiße, der hat dem Pappes die Glocken durchlöchert!“
Es wurde merkwürdig still, beinahe hätte man sagen können, totenstill. Das hämische Gelächter und Getuschel aller Umstehenden einschließlich des Ausbilders erstarb.
Dort, wo sich normalerweise die Genitalien des Pappganoven hätten befinden müssen, klaffte ein größeres Loch, dass an den Rändern ziemlich ausgefranst war. Alle fünf Einschüsse lagen so dicht beieinander, dass es wie ein einziger Treffer aussah. Mit reglosem Gesichtsausdruck glotzte der Ausbilder auf das Loch.
„Alle fünf in den linken Hoden“, sagte ein anderer.
„Du Blindfisch, es ist der rechte“, grinste der nächste.
Der Ausbilder ließ ein verächtliches Zischen hören, dann sagte er in einem abfälligen Ton, dem jedoch jede Art von Überheblichkeit abhandengekommen war:
„Vorbei! Keiner im weißen Kreis! Ab in die Mittagspause.“ Dann stampfte er trotzig brummend von dannen und ließ seine Schützlinge einfach stehen, ohne sie wissen zu lassen, weshalb die Schießübung so plötzlich beendet war und die Mittagspause heute eine halbe Stunde früher begann.
Aaron Kramer musste nach diesem denkwürdigen Vorfall nie wieder am Schießstand als erster antreten.
„Das war eine richtig geile Nummer“, antwortete Kramer und sah Lennard Brunnhäuser nun zum ersten Mal an diesem Morgen grinsend in die Augen. „Aber sage mir bitte, was mir das in der aktuellen Situation helfen soll.“
„Hast du zweimal geschossen, Aaron?“ Die leise, eindringliche Stimme, mit der die Frage gestellt wurde, verwirrte ihn.
„Ich habe keine Ahnung, das sagte ich doch schon.“
„Du hast nicht geschossen, mein Freund. Du hättest gar keinen zweiten Schuss benötigt. In meinen Augen hast du weder ein- noch zweimal abgedrückt. Du warst es nicht!“
„Aber wieso … zweimal?“ Aaron Kramer war anzusehen, dass er nun völlig neben der Spur war. Worauf wollte Lennard hinaus?
„Erinnere Dich, Aaron! Versuche dich zu erinnern!“
„Nichts, da ist nichts, woran ich mich erinnere, verdammt! Es ist alles weg. Ich weiß nicht einmal, wie ich in diese verdammte Unterführung geraten bin.“
„Was war das Letzte, an das du dich noch erinnern kannst.“ Lennards Stimme wurde nun immer eindringlicher und er sah ihm fest in die Augen, als wolle er ihn nicht mehr loslassen.
„Tilla und ich haben diesen Mistkerl beschattet. Er hatte das Haus verlassen und war in Richtung Rheinufer unterwegs – zu Fuß. Wir folgten ihm mit einigem Abstand im Wagen. Dann ist er plötzlich rechts von der Straße den Hang hinunter und auf die Unterführung zu. Er muss uns bemerkt haben. Ich habe noch zu Tilla gesagt, sie soll über Funk sofort Verstärkung anfordern und oben auf die Kollegen warten. Dann bin ich raus aus dem Wagen. Von da an ist alles weg.“
„Du kannst dich nicht erinnern, wie du zu der Unterführung gekommen bist? Und danach?“
„Nichts mehr.“
„Dann sage ich dir, was ich denke, obwohl ich keiner von euch Bullen bin. Du bist Kohnen gefolgt, nachdem er euch entdeckt hatte. Er wollte sich davonmachen, durch die Unterführung, du ihm nach. Dann stand er ganz plötzlich wenige Schritte vor dir. Jemand hat dir von hinten eine verpasst und du bist zu Boden. Dieser jemand schnappt sich deine Waffe und erschießt Kohnen. Danach legt er die Waffe in deine Hand und drückt mit deinem Finger am Abzug ein zweites Mal ab. Das erklärt die Schmauchspuren. Und wo die zweite Kugel gelandet ist, das müssen deine Leute herausfinden. Vielleicht in der grünen Wiese …“ Lennard Brunnhäuser nahm wieder am Tisch Platz und sah Aaron Kramer erwartungsvoll an. Dennoch wartete er geduldig, ohne dessen Gedanken zu unterbrechen.
„Aber die Fingerabdrücke, da waren nur meine, Lennard. Der Kerl müsste Handschuhe getragen haben, wenn es denn so war, wie du es …“
„Du hast es erfasst, endlich! Mensch, Aaron, du bist doch sonst nicht so begriffsstutzig – entschuldige!“
Aaron Kramer sah Lennard Brunnhäuser an, als habe der ihm gerade eine Lehrstunde in logischem Denken verpasst. Tief drinnen in sich, wo sich seine Eingeweide zu einem Knoten verschlugen hatten, wusste er plötzlich, dass sein bester Freund richtig lag! Er konnte es nur nicht beweisen! Aber ein letzter Zweifel wollte sich noch einmal nach oben drängen.
„Hm, aber außer diesem Elmar Kohnen und mir war dort niemand mehr …“
„Halt! Woher willst du das wissen? Du erinnerst dich doch an nichts, oder? An nichts, was in dieser beschissenen Unterführung passiert ist! Oder hast du dich umgedreht und noch einmal nachgesehen, ob da einer hinter dir steht, bevor du angeblich abgedrückt hast, Aaron?“
„Warte … Kohnen, er war allein …“ Plötzlich schien sich das Gesicht von Aaron Kramer aufzuklären wie nach einem Wolkenbruch, einem starken Regenguss nach einem schwülen Sommertag, wenn danach gleich wieder die Sonne durch die Wolken bricht.
„Erinnere dich, Aaron!“, forderte Lennard ihn auf. Er war auf ihn zugekommen und hatte ihn an beiden Schultern gepackt, als wolle er ihn wachrütteln. „Erinnere dich, Junge!“
„Ja … er hat etwas zu mir gesagt. Richtig! Jetzt weiß ich es wieder, verdammt! Er hat mich frech angegrinst und gesagt, dass wir ihn so lange beschatten könnten, wie wir wollten. Trotzdem könnten wir ihm nichts nachweisen. Er hatte in der Unterführung auf mich gewartet, als wolle er mir das unbedingt sagen, dieser verdammte Mistkerl!“
„Gut, Aaron. Weiter! Was geschah dann?“ Lennard hatte sich gerade noch weiter nach vorne gebeugt und Kramer nun an beiden Handgelenken gepackt.
„Dann plötzlich … ja … sein Gesichtsausdruck hat sich plötzlich verändert. Er hat mich beinahe ängstlich und mit weit aufgerissenen Augen angestarrt … aber warum nur?“
„Weiter!“
„Er stand da wie angewurzelt … er hatte Angst, Lennard! Er hatte eine verdammte Scheißangst! Ich habe es gesehen, ja! Jetzt weiß ich es wieder!“
„Und danach? Komm‘ schon, Aaron, mach‘ weiter!“
„Keine Ahnung, was dann war … dann war alles weg.“ Der Film, der eben völlig überraschend vor seinen Augen abgelaufen war, war wieder gerissen – so plötzlich wie früher im Kino.
„Dein Filmriss, der Moment, an dem du niedergeschlagen wurdest! Kohnen hat nicht dich ängstlich angestarrt. Er hat erkannt, wer hinter dir aufgetaucht ist und dich niederschlug. Elmar Kohnen hat seinen Mörder dort gesehen, Aaron! Kohnen kannte seinen Mörder, verdammt nochmal. Und er muss, wie du schon sagtest, eine Riesenangst vor ihm gehabt haben! Das ist die verdammte Wahrheit, Aaron! Wir können es nur noch nicht beweisen.“
„Was können wir jetzt tun, Lennard?“
„Deine Leute müssen den unbekannten Dritten finden! Den Kerl, der wirklich geschossen hat, und zwar schnell …“
DANIEL
Ein unerwarteter Zeuge
Oberkommissar Daniel Bremer hob den Kopf. Er brauchte einige Augenblicke, um sich zu orientieren. Noch bevor er registrierte, dass er an seinem Schreibtisch in der Dienststelle kurz eingenickt war, spürte er die fade Trockenheit in seinem Mund. Er griff zu der Wasserflasche, die gleich neben dem Bildschirm stand und öffnete den Schraubverschluss. Dann nahm er einen großen Schluck, und noch während er gierig trank, sah er verstohlen hinüber zum Schreibtisch seiner jungen Kollegin Tilla Wendler. Ein seltsames Mädchen, dachte er für sich. Unnahbar und verschlossen, gerade so, als würde sie eine schwere Last mit sich herumschleppen. Er hatte versucht, mit ihr ins Gespräch zu kommen, seitdem sie vor gut zwei Wochen von Köln hierher versetzt worden war, aber Reden war wohl nicht die Stärke der jungen Kommissarin.
Er schraubte den Verschluss auf die Flasche und beobachtete sie weiter. Sie saß mit unbeweglicher, beinahe versteinerter Miene an ihrem Schreibtisch und starrte aus dem Fenster.
Am Morgen hatte es zu regnen begonnen. Das frühherbstliche Wetter war genauso trübe wie die Stimmung im Raum. Die dicke bleierne Wolkendecke, die den Himmel überzog, schien es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, selbst den kleinsten Sonnenstrahl zu verhindern. Sie hatten die ganze Nacht hindurch gearbeitet. Denn die Zeit drängte. Die ersten achtundvierzig Stunden seit dem mehr als rätselhaften Verschwinden der kleinen Annalena Strobel aus Limperich waren schon lange ergebnislos verstrichen, und sie hatten nicht die geringste Spur, nicht den kleinsten Hinweis über den Verbleib des Mädchens! Auf der Suche nach der Siebenjährigen war die ganze Umgebung des Mehrfamilienhauses abgesucht worden, sogar mit Spürhunden und einem Hubschrauber, ein Dutzend Polizeibeamte hatten stundenlang jeden einzelnen Bewohner des Wohnblocks und auch die Nachbarn umliegender Häuser befragt. Das ganze Gebäude war vom Dachboden bis in den hintersten Keller genaustens durchsucht worden, auch der kleinste Winkel war durchleuchtet, jeder Schrank war geöffnet, unter jedes Bett gesehen worden – doch die kleine Annalena Strobel war und blieb auf rätselhafte Weise spurlos verschwunden. Die alleinerziehende Mutter, Christine Strobel, stand immer noch unter Schock, hatte aber dennoch einer Aussage zugestimmt.
Annalena und ihre Freundin Mira hatten sich am 4. Oktober nachmittags gegen 16 Uhr zum Spielen auf dem nahen Spielplatz verabredet. Mira Bell, Annalenas Freundin, wohnte im Haus nebenan. Der Spielplatz lag gut einsehbar direkt hinter den beiden Wohnblocks. Als Mira Bell zur vereinbarten Zeit bei den Strobels geklingelt hatte, sei sie, Christine Strobel, zur Gegensprechanlage gegangen. Mira hatte gesagt, sie würde unten im Treppenhaus warten. Das machte sie immer so, wenn sie mit Annalena verabredet war. Sie saß dann neben der Eingangstür auf der untersten Stufe, schräg vor dem Aufzug, und wartete. Annalena war voller Vorfreude in das Kinderzimmer gelaufen, um ihre Jacke überzuziehen. Dann habe sie ihrer Mutter beim Hinausgehen noch einen Kuss gegeben und „Bis später, Mama“ gesagt. Das sei das letzte Mal gewesen, dass Christine Strobel ihre Tochter gesehen hatte. Als die Mutter eine halbe Stunde später hinunter in den Keller ging, um sich um die Wäsche zu kümmern, habe sie zu ihrer Überraschung Mira Bell immer noch wartend vorgefunden. Annalena sei noch nicht heruntergekommen, hatte das Mädchen auf ihre Nachfrage gesagt.
Seitdem waren vier Tage vergangen!
Es hatte mehrere Zeugenaussagen gegeben, die sich allerdings alle als Sackgasse erwiesen. Eine Zeugin beispielsweise wollte die kleine Annalena Strobel noch zwei Stunden nach ihrem Verschwinden am Kiosk eine Straße weiter gesehen haben, wie sie sich dort einen Schokoriegel kaufte, ein anderer Zeuge will ihr rotes Fahrrad in einem Garten um die Ecke entdeckt haben – Annalena hatte allerdings gar kein Fahrrad – und ein dritter glaubte, sie in einem kleinen Transporter einer Elektrogerätegroßhandlung gesehen zu haben, der um die Nachmittagszeit für etwa eine Viertelstunde vor dem Haus gestanden haben soll.
Und dann noch diese Sache mit Aaron! Angeblich soll er diesem Elmar Kohnen, dem Kinderschänder, in den Rücken geschossen und ihn getötet haben! Verdammter Unsinn!
Daniel Bremer kannte Hauptkommissar Aaron Kramer schon seit vielen Jahren. Wenn es jemand gab, der mit der Dienstwaffe präzise und verantwortungsvoll umging, dann war es Aaron! Sie waren schon in unzähligen Einsätzen draußen gewesen und hatten sich immer hundertprozentig aufeinander verlassen können. Sie waren eben Partner, verflucht nochmal! Kramer hätte niemals jemandem in den Rücken geschossen!
Tilla Wendler, die junge Kommissarin mit den dunklen, kurzgeschnittenen Haaren, starrte immer noch unentwegt aus dem Fenster. Sie sah müde und fertig aus, dachte Daniel. Sie kratzte sich gerade gedankenverloren an einer Narbe auf dem rechten Unterarm. Woher sie die wohl hatte? Daniel erhob sich ein wenig schwerfällig und begann, die Kaffeemaschine in Gang zu setzen. Nachdem sich die Glaskanne unter dem Filter gefüllt hatte, schenkte er zwei große Tassen gut zur Hälfte voll und ging damit hinüber zu Tillas Schreibtisch.
„Hier, Tilla, zum Aufmuntern.“ Mit diesen Worten stellte er eine der beiden Tassen vor ihr ab.
„Danke, Daniel“, erwiderte sie, als sei sie gerade aus einem tiefen Traum erwacht. Ihr blasses Gesicht schenkte ihm ein schmales, notdürftiges Lächeln, gerade so viel, dass es nicht zu freundlich wirkte und ohne die Struktur einer Maske aufzugeben. Sie nahm einen Schluck des heißen Kaffees und ließ einen tiefen Seufzer hören. „Warum fragt mich keiner, weshalb ich ihn alleine habe da runtergehen lassen.“ Diese Frage schien sie nicht ihm zu stellen, sondern viel mehr sich selbst. Offensichtlich gab sich Tilla alleine die Schuld daran, dass Aaron in Untersuchungshaft gelandet war.
„Er hat dich gebeten, Verstärkung zu holen. Und du solltest oben auf die Jungs warten. Das hat er dir gesagt, oder?“
„Ich hätte ihm folgen können. Dann wäre das bestimmt nicht passiert. Stattdessen blieb ich aber oben, um auf die Verstärkung zu warten.“
„Du hast genau das gemacht, was Aaron dir gesagt hat. Auch wenn du dann noch hinterher wärst, du hättest nichts verhindern können. Du wärst zu spät gekommen. Es wäre trotzdem genau so passiert, wie es passiert ist, Tilla.“
Sie sah wieder trotzig in Richtung Fenster. Obwohl Daniel den Eindruck hatte, dass Tilla keine Lust verspürte, dieses Gespräch noch weiterzuführen, blieb er bei ihr sitzen. Auch er blickte jetzt aus dem Fenster und schien die tausende von Regentropfen zu zählen, die an der Scheibe nach unten liefen, um sich zu kleinen Rinnsalen zu vereinigen.
„Und außerdem war er’s nicht.“
„Wie meinst du das?“ Sie sah ihn plötzlich mit einer Schärfe im Blick an, die ihn überraschte.
„Ich meine das so, wie ich es gesagt habe. In dieser verfluchten Unterführung muss noch etwas anderes passiert sein. Aaron hätte den Mistkerl nie im Leben von hinten erschossen!“ Er antwortete nun ebenfalls mit mehr Schärfe und Nachdruck im Ton, gerade so, als müsse er ihr irgendetwas entgegensetzen.
„Die Ergebnisse sagen etwas anderes! Dass er es war.“
„Unsinn, Tilla! Du bist erst seit zwei Wochen hier. Du kennst Aaron Kramer überhaupt nicht! Du kennst ihn kein bisschen! Er hat nicht geschossen, und schon gar nicht in den Rücken!“ Daniel klang nun derart ärgerlich, dass Tilla darauf verzichtete, ihm zu antworten. „Ergebnisse und Fakten sind eine Sache, einen Menschen zu kennen, eine andere“, schob er noch nach, jedoch schon in einem versöhnlicheren Ton. Er wusste, dass es auch für sie nicht leicht war. Immerhin war sie bei diesem Einsatz Aarons Partnerin gewesen, dachte Daniel.
„Tut mir leid, ich habe nicht das Recht, so etwas zu sagen.“ Ihre Mimik hatte etwas Bedauerndes.
„Schon gut. Ich denke, die ganze Sache hat uns alle ziemlich mitgenommen, vor allem das mit dem Mädchen.“
„Ja, stimmt. War wohl etwas viel.“ Sie nahm erneut einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse. Sie wirkte immer noch auf eine seltsame Weise trotzig. Dann aber wurde sie mit einem Mal ganz ruhig. Sie stützte beide Ellbogen auf die Schreibtischplatte, vergrub ihr Gesicht in beiden Händen und schwieg. Daniel schwieg ebenfalls.
Wie die Axt in einen Holzklotz peitschte der Klingelton des Telefons auf seinem Schreibtisch hinein in diesen Augenblick des von Verzweiflung geprägten Schweigens. Daniel schnellte hoch und ging hinüber zu seinem Schreibtisch, um den Hörer abzunehmen.
„Oberkommissar Bremer, Kripo Bonn.“
Einen Augenblick lang herrschte angespannte Stille. Tilla Wendlers Blick war ihm gefolgt und blieb nun erwartungsvoll an seinen Gesichtszügen hängen. Daniel Bremer wirkte gerade überrascht und lauschte aufmerksam in die Leitung. Dann sagte er plötzlich:
„Bringt ihn rüber in unser Büro, auf der Stelle.“ Mehr sagte er nicht. Er sagte es auch nicht in einem fordernden Ton, sondern seltsam ruhig. Mit halb offenem Mund starrte er in Tilla Wendlers Richtung.
„Wir haben einen Zeugen.“
„Einen Zeugen?“ Tilla war plötzlich hellwach.
„Ja, einen Zeugen, der gesehen haben will, was vorgestern Abend in der Unterführung passiert ist. Die Jungs bringen ihn gerade her.“
Tillas Gesicht wurde jetzt noch um einen Hauch blasser. Dann stand sie langsam auf und sagte:
„Aber wie kann das sein! Da war doch niemand, Daniel! Und selbst wenn doch, warum meldet er sich erst jetzt, verdammt.“ Sie sah hinüber durch die Glaswand des Büros in Richtung Flur. Soeben öffnete sich am anderen Ende die Tür, und einer der Kollegen trat ein, gefolgt von einem älteren Mann, der einen verunsicherten Eindruck machte. Er schien aufgeregt und nervös zu sein und blickte sich ständig um, als erwarte er etwas Unangenehmes auf sich zukommen. Daniel Bremer ging zur Tür und öffnete sie, um den unerwarteten Besucher hereinzubitten.
„Es tut mir leid, dass ich erst jetzt komme“, sagte der Mann sogleich mit leiser Stimme. „Es tut mir wirklich leid.“
„Schon in Ordnung. Bitte nehmen Sie doch Platz. Mein Name ist Oberkommissar Bremer, das ist meine Kollegin, Kommissarin Tilla Wendler. Möchten Sie etwas trinken, Wasser oder vielleicht Kaffee?“ Daniel Bremer versuchte sogleich, die Situation zu entspannen. Er hatte die Unruhe des Mannes sofort registriert.
„Nein danke. Ich hoffe nur, ich komme nicht zu spät.“
„Weshalb denken Sie, dass Sie zu spät kommen könnten? Wie ist Ihr Name, Herr …“
„Schindler, Arno Schindler. Werden Sie mich jetzt verhaften, Herr Kommissar? Weil ich doch erst heute zu Ihnen komme?“ Und wieder sah er sich nervös um, als erwarte er, dass sich gleich eine Horde Polizisten auf ihn stürzen und ihn hinter Schloss und Riegel bringen würde. So sah man es doch immer wieder im Fernsehen.
„Nein, Herr Schindler. Dafür gibt es keinen Grund. Sie sind doch als Zeuge gekommen, um eine Aussage zu machen. Dürfen wir Ihre Aussage aufzeichnen?“ Arno Schindler bemerkte erleichtert den beruhigenden Tonfall des Oberkommissars und nickte.
„Ja, als Zeuge“, erwiderte er, wobei er seinen verwirrten Blick weiter unruhig durch das Büro schweifen ließ. „Meine Frau sagte, ich muss dringend eine Aussage machen. Weil ich doch was gesehen habe vorgestern am späten Abend.“
„Was haben Sie denn genau gesehen, Herr Schindler.“
„Nun, wissen Sie, es war ja ziemlich dunkel …“ Er hielt kurz inne, als müsse er noch einmal darüber nachdenken, was er denn nun wirklich sagen wollte. Daniel Bremer stöhnte innerlich auf. Nicht schon wieder einer dieser Wichtigtuer, die eigentlich gar nichts gesehen haben, weil es doch so dunkel war … bitte nicht! Es war immer das gleiche Spiel. Erst vor zwei Tagen war einer hier, wegen Annalena. Hatte angeblich ‚etwas beobachtet‘. Am Ende stellte es sich heraus, dass er überhaupt nichts gesehen hatte, geschweige denn irgendetwas wusste. Er wollte nur ein einziges Mal ein echtes Büro der Kripo von innen sehen. Als wenn es das wert wäre! Jemand hatte ihn sofort wieder hinausbefördert. Leider kam das häufiger vor, als ihnen allen lieb sein konnte. Plötzlich aber sagte der Mann, der sich ihnen eben als Arno Schindler vorgestellt hatte:
„ … aber da war dieser Kerl. Hatte es verdammt eilig.“
„Welcher Kerl?“ Daniel stutzte.
„Nun ja, zuerst hatte ich ja noch nichts gesehen, weil ich mit meinem Hund, dem Bruno, noch hinter der Wegbiegung war. Bruno ist nicht mehr der schnellste, wissen Sie. Aber auf einmal hörte ich den Kerl die Böschung hinunterrennen. War ganz außer Atem, als sei der Teufel hinter ihm her. Hab‘ mich ganz schön erschrocken. Und dann kam da noch einer, gleich nach dem Ersten.“
„Und weiter?“
„Der zog eine Waffe und rief dem Ersten hinterher: ‚Stehenbleiben, Polizei!‘ Der andere blieb auch tatsächlich in der Unterführung stehen und hatte es plötzlich gar nicht mehr so eilig. Sah viel mehr so aus, als hätte er auf den zweiten Kerl gewartet. Ich dachte noch, ganz schön viel Betrieb hier heute Abend.“ Arno Schindler sah Daniel und Tilla verlegen an und kratzte sich nachdenklich am Kopf.
„Kommen Sie, was geschah dann“, fragte Daniel nun ungeduldig, und die Worte waren aus seinem Mund, bevor er sie zurückhalten konnte. Schindler schaute ihn nun wieder etwas irritiert und erschrocken an.
„Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht …“
„Und dann kam noch einer, so ein kleiner schmaler. Der stand plötzlich hinter dem Polizisten und schlug einfach zu. Habe gar nicht gesehen, wo der so plötzlich hergekommen ist, weil ich so aufgeregt war. Der arme Kerl ließ sofort die Waffe fallen und ist in die Knie gegangen. Dann hat der, der ihn niedergeschlagen hat, die Waffe genommen und den, der zuerst die Böschung herunterkam, einfach erschossen. Einfach so! Mein Gott, das ging so schnell.“
Daniel wechselte einen kurzen Blick mit Tilla und nickte ihr zu, als wolle er damit sagen: Habe ich es doch gewusst!
„Konnten Sie den Mann, der den Polizisten niedergeschlagen und den anderen erschossen hat, vielleicht erkennen?“
„Nee, war doch viel zu dunkel. Der hatte auch so schwarze Klamotten an und eine Kapuze auf. Hab‘ sein Gesicht nicht erkennen können …“
„Und mit was hat er den Polizisten niedergeschlagen?“
„Das konnte ich auch nicht sehen. Tut mir leid.“
„War es vielleicht ein Knüppel, eine Eisenstange oder etwas Größeres, was er in der Hand hatte?“
„Nein, habe nichts dergleichen gesehen.“
„Gut, Herr Schindler. Versuchen Sie sich jetzt genau zu erinnern, was dann geschah, nachdem er den Mann erschossen hat. Was hat der Kerl dann gemacht?“
„Nun, er sah sofort nach, ob der auch wirklich tot war. Dann ging er rüber zu dem Polizisten. Der lag bewegungslos am Boden. Er beugte sich runter, und dann gab es einen zweiten Schuss. Knallte ganz schön laut in der Unterführung, sag‘ ich Ihnen.“
„Wer hat den zweiten Schuss abgegeben?“
„Na, doch der kleinere Kerl, der auch schon den anderen niedergeschossen hat. Dachte erst, jetzt hat er auch noch den Polizisten erledigt, wissen Sie. Dann hatte der es plötzlich sehr eilig und ist schnell abgehauen …“
„Und in welche Richtung?“
„In die andere Richtung, durch die Unterführung.“
Daniel Bremer dachte kurz nach, während seine Kollegin Tilla Wendler stocksteif hinter ihrem Schreibtisch saß und den Zeugen mit großen Augen anstarrte, als könne sie das alles nicht so recht glauben. Möglich, dass sie sich gerade fragte, ob sie nicht doch hätte verhindern können, dass Ewald Kohnen erschossen und ihr Kollege, Hauptkommissar Aaron Kramer niedergeschlagen wurde! Oder sie fragte sich, wer wohl dieser unbekannte Kerl war.
„Was haben Sie danach gemacht, Herr Schindler? Haben Sie nach den beiden Männern in der Unterführung gesehen?“
„ Ja, wollte ich. Ich war aber so erschrocken, dass ich mich erst mal nicht vom Fleck rühren konnte. Hab‘ einfach die ganze Zeit nur dagestanden. Dann gab es oben auf der Straße ein Riesengeschrei, und es kamen da gleich mehrere Polizisten in Uniform den Hang runter. Da habe ich Bruno genommen und bin auf dem schnellsten Weg zurück nach Hause. Wollte da nicht mit reingezogen werden, wissen Sie.“
„Hm, verstehe. Gut, Herr Schindler. Ich bitte Sie noch um etwas Geduld. Jemand schreibt noch Ihr Aussageprotokoll, und das müssen Sie danach unterschreiben. Warten Sie bitte vorne bei den Kollegen.“
Arno Schindler erhob sich jetzt etwas schwerfällig und nickte stumm. Daniel Bremer ging mit dem Mann direkt nach vorne und gab das Aufnahmegerät weiter an einen Kollegen zur Abschrift. Leise fügte er noch hinzu:
„Passt auf, dass der nicht ohne Unterschrift verschwindet. Am besten nehmt ihr gleich auch seine Personalien auf.“
„Alles klar.“ Der Kollege nickte und bat Schindler, vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. Als Daniel Bremer wieder zurück ins Büro kam, saß Tilla Wendler immer noch hinter ihrem Schreibtisch und grübelte vor sich hin.
„Was ist, Tilla?“, fragte er.
„Ach, nichts Besonderes. Ich denke immer noch darüber nach, ob ich wirklich alles richtig gemacht habe bei diesem Einsatz. Ich bin mir nicht sicher.“
„Du hast nichts falsch gemacht.“ Er wunderte sich nun doch wegen des Verhaltens seiner jungen Kollegin. Weshalb machte sie sich nur solche Gedanken? „Weißt du noch, wie lange es nach deinem Anruf ungefähr gedauert hat, bis die Verstärkung eingetroffen ist?“
„Ja, schon. Die waren verdammt schnell vor Ort. Vom Anruf bis zum Eintreffen … etwa sechs, sieben Minuten.“
„Das war wirklich verdammt schnell. Und von der Straße oben bis zur Unterführung? Wie lange hat man da zu Fuß gebraucht?“
„Ich schätze mal, höchstens eine halbe Minute.“
„Und du hast beide Schüsse gehört?“
„Ja, die waren nicht zu überhören. Dachte, Aaron habe zur Warnung in die Luft geschossen. Verdammt, Daniel, ich hätte reagieren müssen!“
Daniel Bremer sah nachdenklich auf die Schreibtischplatte vor sich. Dann blickte er zu ihr hinüber und sagte:
„Ich überlege, ob wir nicht vielleicht etwas Entscheidendes übersehen haben, Tilla.“ Dann blickte er wieder zum Fenster hinaus und schien erneut Regentropfen zu zählen …
AARON
Spurensuche
Die unerwartete Aussage des Zeugen Arno Schindler warf ein völlig neues Licht auf die rätselhaften Ereignisse der vorletzten Nacht. Ein Team der Spurensicherung wurde ein zweites Mal zur Unterführung beordert, um nach dem noch fehlenden Projektil zu suchen. Schließlich fand man es nach einer Stunde intensiver Suche im Stamm eines Baumes, der direkt am gegenüberliegenden Ausgang der Unterführung stand. Wie nicht anders zu erwarten, war es aus der Dienstwaffe Aaron Kramers abgefeuert worden. Bei einer nochmaligen Untersuchung der Waffe selbst fand man jedoch nach genauerer Überprüfung des Fingerabdrucks am Abzug etwas, dass für die Ermittlungen von großer Bedeutung war. Die Papillarleisten stammen zwar eindeutig von Kramers rechtem Zeigefinger, aber nicht von der Mitte der Fingerkuppe. Der Abdruck stammte eindeutig von der seitlichen Partie des ersten Fingerglieds, was durch einen Vergleichsabdruck nochmals bestätigt wurde. Die Papillarleisten waren hier wesentlich schwächer ausgeprägt als im mittleren Bereich der Fingerkuppe.
Die Experten erklärten, dass Aaron Kramer seine Waffe mit dieser unnatürlichen Fingerstellung am Abzug niemals treffsicher hätte abfeuern können! Deshalb lag plötzlich doch der dringende Verdacht nahe, dass eine bisher noch unbekannte fremde Person beim zweiten Schuss nachgeholfen hatte. Und diese Erkenntnis deckte sich auch mit der Aussage des Zeugen Arno Schindler, der am Tatort außer Kohnen und Kramer noch eine weitere Person gesehen haben wollte. Und eine weitere Erkenntnis kam hierbei zutage. Diese Person war darüber im Bilde, dass Aaron Kramer Rechtshänder war! Er hatte die richtige Hand für seine Vertuschungsaktion gewählt. Kramers Anwalt Lennard Brunnhäuser beantragte nun umgehend Haftentlassung für seinen Mandanten. Ein Haftrichter gab diesem Antrag nach Prüfung der Fakten seine Zustimmung, und so betrat Kramer bereits am frühen Nachmittag als freier Mann unter dem allgemeinen Applaus der anwesenden Kollegen die Dienststelle. Nach einigen Worten des Dankes ging er in sein Büro und begrüßte seine beiden Mitstreiter Tilla Wendler und Daniel Bremer, die ihn bereits mit einer Tasse frisch aufgebrühtem Kaffee erwarteten.
Wenige Minuten danach erschien dann auch der Leiter ihrer Dienststelle, Hauptkommissar Gereon Emmerich, im Büro. Geo, wie sie ihn alle liebevoll nannten, hatte seine Verhaftung mit allen denkbaren Mitteln zu verhindern versucht. Er kannte seinen besten Ermittler aus vielen Jahren gemeinsamer Polizeiarbeit und erteilte der in seinen Augen absurden Vorstellung eine deutliche Absage, sein Hauptkommissar habe dem flüchtigen Elmar Kohnen einfach mal so in den Rücken geschossen. Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte die Beamten, die zu seiner Verhaftung gekommen waren, hochkant aus dem Büro geworfen! Geo hatte sich in jeder Hinsicht vor ihn gestellt, und das wusste er zu schätzen. Umso mehr freute sich Geo nun über seine heutige Entlassung und begrüßte ihn mit einem kumpelhaften, robusten Schulterklopfen.
„Aaron, du alter Schwede! Verdammt gut, dich wieder zurück in unseren Reihen zu wissen!“, dröhnte er mit seiner tiefen Bassstimme. Geo Emmerich war eher ein grober und bodenständiger Mensch. Er polterte auch gerne mal drauflos, wenn er verärgert war, wie etwa vor zwei Tagen, als sie ihn, Aaron Kramer, hier in seinem Büro verhaftet hatten. Aber vor allem war Geo ein erstklassiger Kriminalist mit einer feinen Spürnase, der immer ehrlich und geradeaus war und sich kompromisslos mit seiner massigen Figur vor seine Leute stellte, wenn es darauf ankam. Und das wusste man hier sehr zu schätzen. „Wie geht es dir? Hast hoffentlich keine Depressionen vom schlechten Kaffee dort bekommen.“ Ein dröhnendes Lachen begleitete den kleinen Scherz, den sich Gereon Emmerich nicht hatte verkneifen können.
„Alles in Ordnung, Geo. Geht schon. Und vor allem danke für dein Vertrauen“, antwortete Aaron Kramer.
„Die Bastarde von der internen Abteilung haben einfach nicht locker gelassen. Du kennst die ja. Denen bereitet es offenbar besondere Freude, einen von uns hinzuhängen.“ Und Emmerichs rundes Mondgesicht zeigte sogleich wieder einen Anflug von Zornesröte, die sich bis hinauf zur Kopfhaut unter seinem lichten, grauen Haar vorarbeitete. Denn vorschnelle Schlüsse, ganz gleich von welcher Seite sie auch kamen, stießen bei ihm auf wenig Gegenliebe. Vor allem die der internen Abteilung!
„Und es hat sich tatsächlich ein Zeuge gemeldet? Was hat der denn ausgesagt?“, erkundigte sich Aaron interessiert.
„Habe mir schon gedacht, dass du danach fragst. Hier ist das Protokoll. Lese es einfach mal. Wir haben neben Elmar Kohnen und deiner Wenigkeit definitiv noch eine weitere Person mit im Spiel. Leider haben wir keine genauere Personenbeschreibung, die uns weiterhelfen könnte.“
Aaron Kramer überflog die wenigen Seiten des Protokolls. Dann sah er fragend in das Gesicht von Gereon Emmerich, dessen Zornesröte inzwischen wieder verflogen war.
„Gibt es am Tatort irgendwelche Spuren, die auf den unbekannten Dritten hindeuten.“