Duo war einmal - Felicitas Pommerening - E-Book

Duo war einmal E-Book

Felicitas Pommerening

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Beschreibung

Dominik wohnt außerhalb von Hamburg in einer großen, heruntergekommenen Altbauvilla, die voller Kindheitserinnerungen steckt. Dass das Haus ständig irgendwo auseinanderfällt, gehört dazu. Leider hat die nervtötende Untermieterin Marina dafür keinen Sinn. Immer wieder rattert sie mit Dominik aneinander, erst recht, wenn er ihre Partnersuche stört! Als plötzlich Dominiks Schwester Bianca vor der Tür steht und samt Mann und Kindern einziehen will, ist Dominik richtig froh - und Marina entsetzt. Als kurz danach auch noch Frederik auftaucht, der selbstdeklarierte Aussteiger, ist das Chaos vorprogrammiert. Aber im Garten ist doch wohl noch Platz für seinen Bulli, oder?

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Seitenzahl: 554

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Kurzbeschreibung:

Dominik wohnt außerhalb von Hamburg in einer großen, heruntergekommenen Altbauvilla, die voller Kindheitserinnerungen steckt. Dass das Haus ständig irgendwo auseinanderfällt, gehört dazu. Leider hat die nervtötende Untermieterin Marina dafür keinen Sinn. Immer wieder rattert sie mit Dominik aneinander, erst recht, wenn er ihre Partnersuche stört! Als plötzlich Dominiks Schwester Bianca vor der Tür steht und samt Mann und Kindern einziehen will, ist Dominik richtig froh - und Marina entsetzt. Als kurz danach auch noch Frederik auftaucht, der selbstdeklarierte Aussteiger, ist das Chaos vorprogrammiert. Aber im Garten ist doch wohl noch Platz für seinen Bulli, oder?

Felicitas Pommerening

Duo war einmal

Roman

Edel Elements

Edel Elements

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

© 2019 Edel Germany GmbHNeumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edel.com

Copyright © 2019 by Felicitas Pommerening

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Agentur Die Buchagenten, Petra Hermanns 

Covergestaltung: Anke Koopmann, Designomicon, München

Lektorat: Rainer Schöttle

Korrektorat: Vera Baschlakow

Konvertierung: Datagrafix

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.

ISBN: 978-3-96215-313-7

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www.edelelements.de

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Danksagung

Prolog

Dominik verteilte Gel in seinem Haar – sehr viel mehr als üblich. Er tropfte vom Duschen noch am ganzen Körper und hatte nur halbherzig ein Handtuch um die Hüften gewickelt, weil er wusste, dass er spät dran war. Bei dem Gedanken daran schaute er sich im Spiegel in die Augen und schlüpfte kurz in die Rolle seiner Mutter. Er schaffte es auf Anhieb, ihre Mimik perfekt nachzuahmen und auch genau ihren Ton zu treffen. „Die Leute werden nicht ihr Leben lang auf dich warten!“, sagte er in exakt ihrer Manier. Lächelnd fiel er wieder aus der Rolle raus und prüfte noch einmal seine verrückte Frisur. Hier und da zupfte er noch eine Strähne zurecht, dann war er fertig. Perfekt. Zufrieden wandte er sich vom Spiegel ab und drehte den Wasserhahn auf, um sich das Gel von den Händen zu waschen. Der Hahn quietschte zwar wie gewohnt, aber es erschien kein einziger Tropfen Wasser. Dominik hielt verdutzt inne und drehte an dem anderen Hahn, dem für heißes Wasser. Auch nichts.

„Papa!“, röhrte er. Nachdem er es gerade eben geschafft hatte, wie seine Mutter zu klingen, war seine Stimme jetzt sonor und voller Bass, als wäre er vierzig und vollbärtig statt gerade mal sechzehn. Als sein Vater trotzdem nicht antwortete, tappte Dominik mit nassen Füßen aus dem Bad. Sein Vater stand am anderen Ende des Flurs und guckte sich vorgebeugt, mit den Händen auf den Knien, den Boden vor sich an. Er hatte offensichtlich ein paar der alten Holzdielen vom Flur entfernt und blickte jetzt durch ein Loch im Boden direkt in den darunter liegenden Wintergarten.

„Was machst du?“, fragte Dominik und kam näher, vorsichtig, um nicht über das auf dem Boden verteilte Werkzeug zu stolpern.

„Ich kümmere mich um ein Problem, nur um dabei direkt ein größeres zu entdecken, wie immer“, antwortete sein Vater und richtete sich auf. Er strich sich über seinen grauen Bart, der dabei ein kratziges Geräusch machte.

„Das Wasser geht nicht mehr“, sagte Dominik und machte intuitiv ein entschuldigendes Gesicht dazu, obwohl es ja nicht seine Schuld war.

„Das habe ich abgedreht“, meinte sein Vater abgelenkt, den Blick schon wieder auf das Loch zum Wintergarten gerichtet. „Brauchst du’s?“

„Äh …“ Dominik sah seinen gestressten Vater an. „Nee, schon okay“, sagte er dann und wischte möglichst unauffällig das Gel von seinen Händen in das Handtuch, das er immer noch um seine Hüften trug.

Sein Vater nickte nur und sah doch noch einmal hoch, um dann schmunzelnd die schräge Frisur seines Sohnes zu betrachten. „Schick“, sagte er.

„Es ist Halloween“, erklärte Dominik. Er stockte und blickte auf den offenen Boden zwischen ihnen. „Ich wollte eigentlich auf eine Party gehen …“, fing er an. Doch noch bevor er anbieten konnte, stattdessen zu Hause zu bleiben, um seinem Vater zu helfen, winkte dieser ab. „Geh nur, geh nur. Ich komme schon zurecht. Die Villa und ich, wir kennen uns doch.“ Er strich liebevoll über die getäfelte Wand direkt neben sich, die er erst letztes Jahr in einem etwas merkwürdigen Jade-Ton gestrichen hatte.

Dominik zögerte noch kurz, entschloss sich dann aber, seinen Vater beim Wort zu nehmen. „Alles klar, dann zieh ich mich mal an.“ Er lief zurück über die knarzenden Dielen, am Bad vorbei in sein Zimmer.

„Mach keine Dummheiten auf dieser Party!“, rief sein Vater ihm noch nach.

Wie unnötig, dachte Dominik, warf das Handtuch auf sein ungemachtes Bett und sah an sich herunter. Seine ganze linke Seite war noch grün und blau. Das hat man davon, wenn man einen Einkaufswagen zweckentfremdet …

Er zog sein Halloween-Kostüm aus dem Schrank und machte sich an die Arbeit.

Ein Stockwerk tiefer kniete Dominiks Schwester Bianca auf dem Wohnzimmerteppich vor dem Fernseher, schob eine Videokassette in den Rekorder und drückte auf Play. Von der Hühnersuppe ihrer Mutter war ihr ein bisschen übel, und sie rülpste unwillkürlich, als sie sich zurück zur Couch, ihrem Krankenlager, schleppte.

„Brauchst du noch etwas?“, hörte sie ihre Mutter aus der Küche rufen. „Noch mehr Suppe?“

Bianca schloss die Augen, unterdrückte einen weiteren Rülpser und brummte dann nur ablehnend.

„Ich bring dir noch was!“, rief ihre Mutter, die nichts gehört hatte. Zum Glück klingelte es aber im selben Moment an der Tür. „Warte … ich schaue erst mal, wer das ist!“

Bianca seufzte erleichtert und zog ihr selbst gemachtes Mini-Dampfbad zu sich: Eine Schüssel mit heißem Wasser und Menthol. Sie schnappte sich das alte Handtuch, das auf dem Wohnzimmertisch lag, und verschwand mit dem Kopf darunter, die dampfende Schüssel direkt unter sich. So konnte sie zwar nichts sehen, aber das Video begann sowieso nur mit Warn- und Schutzhinweisen, um Raubkopierer abzuschrecken. Das kannte Bianca nach tausend Wiederholungen auswendig, sie musste gar nicht erst hingucken.

Endlich wirkte der Dampf ein wenig, und Bianca spürte, wie der Druck in ihren Nebenhöhlen etwas nachließ; gleichzeitig musste sie plötzlich schniefen. Sie tastete schnell nach der Tempopackung neben sich auf der Couch, schob sich das Handtuch hoch auf den Scheitel und putzte sich geräuschvoll die Nase. Im selben Moment verschwand der letzte Warnhinweis vom Bildschirm, und übergangslos begann eine Folge Friends. Das Videoband knisterte ein wenig, weil es schon so mitgenommen war, und das Bild war entsprechend kurz gestört. Bianca wartete, bis es wieder klar wurde, und sah dann Chandler, einen der sechs Freunde, um die es in der Serie ging, der gerade in das Apartment seiner Nachbarinnen spazierte – wie immer ohne anzuklopfen oder zu klingeln. Bianca grinste schon, weil sie wusste, was jetzt passieren würde. Und dann sah sie es auch: Die Nachbarin kam ahnungslos und oben ohne aus ihrem Bad und schrie dann, als sie Chandler in die Arme lief. Die beiden stritten sich kurz, und dann wurde das Ganze von der Titelsequenz der Serie unterbrochen. I’ll be there for you, sangen The Rembrandts. Bianca summte mit und klang dabei wie ein Elefant. Das an sich war ihr vollkommen egal, aber außer Atem und schlapp hörte sie trotzdem frühzeitig auf, während der Vorspann samt Musik noch weiterlief. Ihre Nase war schon wieder zugegangen. Sie ließ das Handtuch zurück über ihr Gesicht fallen und beugte sich ein zweites Mal über die heiße Schüssel, von der nach wir vor der mit Menthol getränkte Wasserdampf aufstieg.

Eigentlich reichte ja auch die Tonspur der Videokassette. Sie fand die Gags auch ohne hinzusehen sehr lustig.

„Warum stinkt das hier so nach Sauna?“, hörte sie plötzlich jemanden fragen. Das war nicht aus dem Fernseher gekommen.

„Frederik?“, fragte sie das dampfende Wasser, ohne das Handtuch zu heben.

„Ist das deine Verkleidung?“, fragte Frederiks Stimme zurück. Sie hörte Schritte und dann das Geräusch, das sich ergibt, wenn ein leichter Sechzehnjähriger in einen Ledersessel plumpst.

„Dominik ist oben“, sagte Bianca, immer noch unter dem Handtuch. Frederik und sie waren zwar auch befreundet, aber sie wusste, dass er heute nicht ihretwegen hier war, sondern um ihren Bruder zu irgendeiner Party abzuholen.

„Haben mir deine Eltern schon gesagt“, meinte Frederik. „Aber ich soll ihn in seinem kreativen Prozess nicht stören und unten warten.“

„Was?“ Bianca schlug das Handtuch von ihrem Kopf. „Was für ein kreativer …?“ Aber Frederik unterbrach sie mit einem theatralischen Schrei.

„Aah! Wie siehst du denn aus?“

Bianca hielt sich schnell das Handtuch vor die Nase. „Ich bin …“

Aber wieder ließ Frederik sie nicht ausreden: „Das ist die gruseligste Halloween-Verkleidung, die ich je gesehen habe!“

Bianca musste lachen und ließ das Handtuch sinken. Halloween hatte Bianca ganz vergessen. Deswegen steckte Dominik in irgendeinem kreativen Prozess! Er gab sich bestimmt wieder Mühe mit seinem Kostüm, wie jedes Jahr. Bianca runzelte die Stirn und betrachtete Frederik, der aussah wie immer. „Hast du dich nicht verkleidet?“

Frederik zog die Augenbrauen so weit in die Höhe, dass sie über seine runden Brillengläser hinausgingen. „Was denkst du denn? Dass ich bei diesem Auswuchs des amerikanischen Kulturimperialismus mitmache?“

Bianca wusste, dass sie sich auf diese Diskussion besser nicht einließ. Sie wandte sich wieder ihrer Serie zu, die – wie fast alle ihre Lieblingsserien – natürlich amerikanisch war. Die witzige Situation vom Beginn der Folge hatte jetzt eine Kettenreaktion ausgelöst: Immer wieder versuchte eine Figur, sich zu rächen, weil sie von einem der Freunde nackt gesehen worden war. Aber jeder erwischte immer wieder den falschen beim Nacktsein und löste so nur neue Racheaktionen aus … Bianca verfolgte, obwohl sie das alles auswendig kannte, amüsiert die Handlung. Bis Frederik erneut störte. „Wieso können die eigentlich dauernd beieinander in die Wohnungen rein? Als ob man das in echt so machen würde! Ich habe auch geklingelt und bin nicht einfach hier reingestiefelt.“

„Nur weil du Angst vor meinem Vater hast“, sagte Bianca und grinste.

„Du warst nicht dabei, als er mich erwischt hat, wie ich ins Planschbecken gepinkelt hab!“

„Das ist über zehn Jahre her!“

„Trotzdem!“ Frederik verschränkte trotzig seine Arme vor der Brust und sah wieder auf den Fernseher. „Ah, und immer diese eingespielten Lacher!“, stöhnte er. Bianca sah genervt zu ihm herüber, was ihn aber nicht davon abhielt, seine Kritik weiter zu erläutern. „Wenn etwas wirklich witzig ist, muss man Leute nicht extra darauf aufmerksam machen! Mal ganz abgesehen davon, dass das echte Leben nicht immer witzig ist. Als ob jedem dauernd etwas Witziges einfallen würde und er das einfach sagen könnte, ohne dass sich das negativ auf die jeweilige Beziehung auswirkt …“

„Ja, du hast recht, man sollte bloß nicht dauernd Witze machen – aber hochnäsig über Unterhaltungsformate philosophieren, das kommt total gut bei Freunden an!“, sagte Bianca und legte den Kopf schief. Merkste was?, sagte ihr Blick.

Ein Lächeln stahl sich auf Frederiks Gesicht. „Was für ein Konter! Wenn du nicht so eklig aussehen würdest, könnte ich dich jetzt knutschen.“

„Boah, das ist eklig“, rief Bianca und wandte den Blick von Frederik ab. „In meinem ganzen Leben will ich dich niemals knutschen!“

„Das sagen alle Mädchen zu Frederik.“ Frederik und Bianca sahen hoch: Dominik war hereingekommen. Er hatte einen Anzug an, der aussah, als würde er von einer unsichtbaren Macht von ihm gerissen. Seine Krawatte stand im rechten Winkel zur Seite ab, ebenso eine Hälfte seines Jacketts. Auch seine komplette Frisur war zur Seite gestylt.

„Was bist du?“, fragte Bianca.

„Ein Mann im Wind!“, riet Frederik.

„Echt?“, fragte Bianca. „Wie geil. Ich dachte jetzt so … Typ-der-vom-Tod-mit-sich-gezogen-wird.“

„Auch nicht schlecht“, fand Dominik. Er wollte gerade noch etwas sagen, als sein Nokia-Handy piepte. Er sah sich kurz die SMS an, die gekommen war, und steckte das kleine Handy dann wieder weg.

„Ich dachte, Papa hätte dir das Handy zur Strafe weggenommen“, wunderte sich Bianca.

„Ich sag doch, euer Vater ist beängstigend …“, murmelte Frederik ihr da zu, als hätte sie ihn gerade bestätigt.

Bianca zog jetzt ihrerseits die Augenbrauen hoch, so wie Frederik es immer machte, wenn er fand, man hätte etwas Dummes gesagt. „Dominik ist mit einem Einkaufswagen die Treppen an der Mönckebergstraße runtergefahren!“, sagte sie ihm. Sie fand, dass die Strafe, die Dominik dafür bekommen hatte, milde ausgefallen war, aber Frederik reagierte nicht so erschrocken, wie sie erwartet hatte. Stattdessen lachte er, und Dominik schmunzelte ebenfalls, als fühle er sich geschmeichelt. Aber Bianca konnte ihm ansehen, dass er sich dabei nicht ganz wohlfühlte. Er schaute sich auch schon um, ob die Eltern etwas von all dem mitbekamen. Danach ging er von der Tür zum Wohnzimmer weg und setzte sich neben Bianca auf die Couch.

„Er hat es mir wieder zurückgegeben …“, klärte er Bianca über das Handy auf.

„… weil er so nett ist“, sagte Bianca zu Frederik.

„… weil es dauernd gepiept hat“, entgegnete Dominik gleichzeitig.

Im selben Moment piepte das Handy schon wieder.

„Wer schreibt dir denn dauernd Nachrichten?“, fragte Bianca.

„Nicht wichtig“, sagte Dominik und guckte diesmal gar nicht erst, wer geschrieben hatte. „Geht es dir besser?“, fragte er stattdessen Bianca. „Willst du vielleicht doch mitkommen? Ist eh ’ne Party von jemandem aus deiner Stufe.“

Bianca lachte auf. „Ein Grund mehr, mich nicht zu zeigen!“ Augenrollend hielt sie die flache Hand vor ihre rote Nase.

„Du siehst gut aus!“, sagte Dominik dazu nur unbeeindruckt.

„Habe ich auch schon gesagt“, pflichtete Frederik ihm bei, „genau richtig für Halloween.“

Bianca streckte ihm die Zunge raus, und Frederik schenkte ihr ein warmes Lächeln.

„Warum geht ihr Milchbubis denn auf eine Party für Volljährige?“, fragte sie dann und griff nach der Tempopackung, weil ihre Nase schon wieder lief.

Dominik wollte antworten, wurde aber von seinem piependen Handy abgehalten, sodass Frederik an seiner Stelle sagte: „Weil nicht nur die Mädchen aus unserer Stufe auf deinen Bruder stehen.“

Bianca machte ein würgendes Geräusch, das ob all dem Schleim in ihren Bronchien und Atemwegen schlimmer klang, als sie gewollt hatte.

„Boah, du solltest wirklich mitkommen, du wärst der Party-Hit“, sagte Frederik begeistert. „Und mit dir wäre es auch nicht ganz so langweilig, wenn Dominik sich dann wieder mit dem schönsten Mädchen abseilt …“

Schon wieder piepte es, und Bianca schmunzelte. „Die können es echt nicht abwarten, dass du endlich kommst!“

„Oder Frederik“, meinte Dominik. „Der hat nur kein Handy, auf das sie schreiben könnten.“

„Klar“, sagte Frederik trocken und rückte seine Brille zurecht. „Ich habe den allen den Kopf verdreht!“ Er streckte das Kinn vor und fuhr sich langsam mit einer Hand über den Kieferknochen, als würde er sich einem schmachtenden Publikum präsentieren. Bianca musste lachen.

„Wenn du dich mal bemühen würdest, wäre das durchaus möglich“, sagte sie dann, fast ein bisschen streng. Frederik war zwar ein ganz anderer Typ als Dominik, aber es waren ja auch nicht alle Mädchen gleich. Noch bevor sie ihre Gedanken dazu weiter ausführen konnte, winkte Frederik aber schon ab, als würde ihn das alles nicht interessieren. Bianca hatte schon einmal mit ihm darüber gesprochen: Es war doch normal, sich als Teenager zu verlieben und erste Beziehungen auszuprobieren. Wieso zog er sich aus all dem immer so heraus? Sie hatte ihm vorgeworfen, diese Haltung nur einzunehmen, weil er sich damit schützte. Ohne sich auf eine Person einzulassen, konnte er natürlich auch nicht verletzt werden. Sie hatten intensiv und lange darüber gesprochen. Aber am Ende hatte Frederik sehr ernst gemeint, dass Bianca die Sache falsch sehe. Er sei eben kein normaler Teenager. Das stimmte auf jeden Fall. Frederik war noch nie so gewesen wie alle anderen, und er hatte auch nie probiert, so zu sein, nur um irgendwo dazuzugehören oder akzeptiert zu werden. Gerade das mochte Bianca an ihm.

Anders als sie schien er jetzt allerdings nicht an das Gespräch zu denken, dass sie zum Thema schon gehabt hatten. Er schüttelte nur abschätzig den Kopf und meinte dann: „Ich halte mich lieber raus. Die Mädchen hier sind alle viel zu oberflächlich. Wer von denen wird denn mit mir auswandern? Wer von denen wäre bereit, auf den Komfort der Marktwirtschaft zu verzichten, um stattdessen Ressourcen zu sparen und nachhaltig zu leben? Solche Mädchen gibt es hier nicht!“

„Ich glaube, die wohnen alle in Göttingen“, meinte Bianca. Sie war gerade erst in Göttingen gewesen, weil sie mit dem Gedanken spielte, dort zu studieren. Während ihres ganzen Aufenthalts war ihr immer wieder aufgefallen, wie gut Frederik in diese Stadt passen würde.

„Wirst du hingehen?“, fragte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen.

Wieder piepte Dominiks Handy und er holte es heraus, um auf das grün erleuchtete Display zu schauen.

„Ich glaube, ich gehe lieber weiter weg“, sagte Bianca zu Frederik. „Ich fühle mich so nach … Abenteuer. Göttingen ist noch zu nah.“

„Echt? Du machst mir ja Konkurrenz!“, lachte Frederik, aber sein Lachen hörte sich irgendwie nicht ganz richtig an, und Bianca legte den Kopf schief.

„Alles okay?“, fragte sie.

Frederik sah peinlich berührt zur Seite. „Es ist nur …“ sagte er langsam, „wenn du Abitur machst … und weggehst … wird sich alles verändern. Und zwei Jahre später sind wir dann dran …“ Er sah zu seinem besten Freund herüber. Dominik blieb still, sah jedoch verständnisvoll zurück. „Ich will eigentlich, dass alles bleibt, wie es ist“, gab Frederik schließlich zu.

Bianca prustete plötzlich los, was ihre Bronchien so reizte, dass sie statt zu lachen wie ein alter Mann husten musste. Es klang sehr schlimm.

Frederik sah Dominik kühl an: „Und sie sagt, sie würde mich nicht knutschen.“ Dann machte er ein angeekeltes Gesicht.

„Ich musste nur lachen“, sagte Bianca mit rauer Stimme, „weil du doch derjenige bist, der immer auswandern will!“

„Ach so“, sagte Frederik und kratzte sich ertappt am Hinterkopf. Er nahm seine fragile Brille von der Nase und fing an, die Brillengläser zu putzen. „Na ja … das auch. Aber gleichzeitig wünsche ich mir, wir würden für immer zusammenbleiben.“

Die erste Folge vom Friends-Video war just in diesem Moment zu Ende, und zum kurzen Abspann ertönte optimistische Musik, wie um den emotionalen Moment, den Frederik gerade heraufbeschworen hatte, zu verstärken. Bianca wurde schon ganz warm ums Herz, da spürte sie, wie Dominik seine Hand auf ihre Schulter legte und leicht zudrückte. Mit den beiden Jungs zusammen zu sein, für immer, das wäre was. Sie lächelte. Aber so spielt das Leben nicht. Sie würden bald auseinandergehen und ihren jeweiligen Wegen folgen. Jeder für sich. Normalerweise, wenn sie an ihren bevorstehenden Auszug dachte, an das Studium und ihren neuen Lebensabschnitt, durchfuhr sie immer die pure Aufregung. Aber jetzt blieb diese Aufregung aus. Stattdessen fühlte sie sich plötzlich wehmütig. Es war gut, dass die Jungs sich in diesem Moment aufrappelten, sich von ihr verabschiedeten und dann auf den Weg zur Party machten. Allein blieb sie zurück.

Das Videoband dudelte ungehindert weiter, und die nächste Friends-Folge lief, ohne dass sie sich so recht auf die Handlung einlassen konnte.

Sie hatte sich bisher nur auf die spannenden und schönen Aspekte der nächsten Jahre konzentriert. Ganz absichtlich hatte sie dabei nicht darüber nachgedacht, dass sie dann allein sein würde. Ohne Dominik, den besten Menschen der Welt. Ohne Frederik, den Dominik und sie durch eine sehr schwere Kindheit begleitet hatten. So etwas schweißt auf eine Weise zusammen, wie man es mit einem neuen Menschen im Erwachsenenalter nicht einfach nachahmen kann. Eigentlich war er wie ein zweiter Bruder für sie.

Ihre Mutter kam mit einem frischen Teller Suppe herein. „So, tut mir leid, dass ich jetzt so lange gebraucht habe“, sagte sie und stellte die Suppe behutsam vor Bianca auf den Wohnzimmertisch.

„Gar kein Problem“, murmelte Bianca.

„Und hier sind noch mehr Taschentücher“, meinte ihre Mutter und legte eine Packung Tempos neben den Teller.

Oben, im zweiten Stock, krachte etwas laut, und Bianca hörte ihren Vater fluchen. Ihre Mutter und sie grinsten sich wissend an. „Magst du auch gucken?“, fragte Bianca dann.

„Klar!“ Als hätte sie es gar nicht anders geplant, kam Biancas Mutter mit einer großen kuscheligen Decke neben sie, und sie verbrachten den Rest des Abends zusammen auf der Couch.

Bianca fühlte sich sehr vom Glück beschenkt. Immerhin hatte sie Dominik und Frederik in ihrem Leben! Und die coolsten, liebsten Eltern, die man sich wünschen konnte. Auch wenn sie bald ausfliegen würde, sie konnte ja jederzeit zurückkehren.

Kapitel 1

Dominik stand im Bad über dem alten Waschbecken und seufzte. Er drehte an dem quietschenden Wasserhahn und sah zu, wie der Wasserspiegel stieg und stieg und nichts durch den Abfluss wegzufließen schien. Als das Wasser schon die Stelle des Beckens erreichte, an der ein bisschen vom Porzellan abgeplatzt war, drehte Dominik den Hahn wieder zu. Und jetzt?

Ratlos legte er den Plöppel weg, den er gerade – offensichtlich erfolglos – benutzt hatte. Beiläufig wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Durch die kleinen Fenster hinter ihm drang die Sommersonne ins Bad und ließ in einem hellen Strahl tanzende Staubpartikel sichtbar werden. Dominik ging seine Optionen durch und fand nichts von dem, was ihm einfiel, auch nur annähernd gut.

Was hätte sein Vater getan?, fragte er sich. Er sah in den Spiegel über dem Waschbecken und sah sich selbst: breitschultrig, bärtig, fünfunddreißig Jahre alt. Er sah allerdings kaum so aus wie sein Vater im selben Alter.

„Na? Was hättest du getan?“, fragte er trotzdem sein Spiegelbild. Leider flog ihm darauf keine Antwort zu. In Gedanken versunken strich er sich über die Wange und hörte das Kratzen seiner Barthaare, vertraut wie das Geräusch, das sein Vater mit derselben Geste immer verursacht hatte. Er vermisste ihn.

Traurig blickte er wieder nach unten zu dem Wasser im Becken, das partout nicht ablaufen wollte. Gut, an die Arbeit …

In der neuen Einliegerwohnung, die im Erdgeschoss nach vorn zur Straße hinausging, saß Dominiks Mieterin Marina und aktualisierte ihre wichtigste Excel-Tabelle: eine Liste, mit der sie ihre Bekanntschaften kategorisierte und benotete. Erste Spalte: „Name“. Marina tippte: Marcel. Zweite Spalte: „Erster Kontakt“. Marina musste kurz überlegen: War es Tinder gewesen oder Elite-Partner? Ach nein! Solarium. Sie lächelte beim Schreiben, als ihr dieser erste Moment wieder einfiel. Marcel hatte im Solarium gewartet, und sie hatte natürlich angenommen, dass er für den naheliegenden Zweck da war wie sie selbst, aber tatsächlich hatte er nur ein Paket abgeholt, das jemand im Laden für ihn entgegengenommen hatte. Er wohnte direkt nebenan. Das war praktisch, weil er sie dadurch elegant auf einen Wein bei sich zu Hause hatte einladen können.

Marina zögerte bei der vierten Spalte. „Anziehungskraft“. Er sah in Ordnung aus, fand sie, wenn auch etwas plump, wie ein Boxer oder Rugbyspieler. Marina mochte eher aristokratische Gesichtszüge. Feine Linien und harte Kanten, dazu makellose Haut mit einer frischen Bräune, die gern von einem Tag auf dem Segelboot stammen durfte – einem Ausflug mit der eigenen Jacht natürlich. Sie verzog den Mund. Von so etwas war Marcel weit entfernt. Wenig, schrieb sie also in die Spalte. So besonders anziehend fand sie ihn nicht. Auch wenn in den anderen Spalten noch so Dinge standen wie nett, lustig und intelligent, gab sie Marcels Zeile daher eine blassgrüne Hinterlegung. „Ungeeignet“, murmelte sie dabei. „Schade.“

Sie sah aus den doppelverglasten Fenstern nach draußen in den Vorgarten. Die Sonnenblumen waren zu groß geworden, und natürlich hatte Dominik sie nicht angebunden. Jetzt ragten sie kreuz und quer in alle Richtungen. Unmöglich! Sie richtete den Blick wieder auf ihren Bildschirm.

Nächster!

Colin, schrieb sie.

Tinder. Nicht so nett. Starke Anziehungskraft. Selbstverliebt. Gut im Bett.

Colin bekam eine rosafarbene Hinterlegung. Am Ende seiner Zeile schrieb Marina in die Spalte „Bemerkungen“: Rausfinden, ob er Kinder möchte.

Die dritte Bekanntschaft, die sie noch nicht festgehalten hatte, ließ sie erröten. Aber nicht aus Verliebtheit. Ihr Herz klopfte ein bisschen schneller. Vor Aufregung und … Angst.

Name: Nael.

Sie hatte ihn online gefunden und war vorschnell davon ausgegangen, dass es sich um einen Spanier handeln müsse – warum, das konnte sie jetzt gar nicht mehr nachvollziehen. Jetzt, wo sie ihn kennengelernt hatte, fand sie es auch auf dem Bild unübersehbar: Er hatte arabische Wurzeln.

Marina füllte die anderen Felder gar nicht erst aus, auch wenn sie dort durchaus Positives hätte schreiben können. Stattdessen hinterlegte sie die ganze Zeile mit einem knalligen Rot. Auf so etwas würde sie sich gar nicht erst einlassen, egal wie nett und intelligent und kinderlieb er dahergekommen war!

Im selben Moment hörte sie ein seltsames Gurgeln aus ihrem Bad. Sie drehte sich beunruhigt um und lauschte. Das Parkett ihres Arbeitszimmers glänzte ölig im Sonnenlicht, ohne auch nur eine einzige Macke vorzuweisen. Sie sog den Anblick gerade genüsslich ein, als das Gurgeln wieder laut und deutlich aus dem Bad zu ihr drang. Vorsichtig stand sie auf und schob ihren Schreibtischstuhl zur Seite. Er bewegte sich leicht und geräuschlos auf der durchsichtigen Bürostuhlunterlage, die das Parkett vor den Stuhlrollen schützte. Umso klarer hörte sie, was im Bad passierte: Es gurgelte jetzt nicht mehr, sondern spritzte. Offensichtlich floss da Wasser! In alle Richtungen! Marina rannte los.

Als sie die Badezimmertür öffnete, schrie sie unwillkürlich auf. Aus dem Bidet stieg eine meterhohe Fontäne auf, die weit über den Rand des Bidets hinaus alles nass machte. Marina stand wie angewurzelt da und konnte nur zusehen, wie das Wasser in kürzester Zeit eine Pfütze auf ihren Fliesen bildete.

„Dominik!“, schrie sie aus Leibeskräften. Es war ihr egal, wie kratzig und hässlich ihre Stimme dabei klang. Dominik sollte ruhig gleich hören, dass sie wütend war. Diesem Taugenichts gehörte sowieso der Kopf gewaschen! Sie zahlte richtig viel Geld für ihre Wohnung in dieser ansonsten vollkommen heruntergekommenen Villa, da konnte sie von ihrem Vermieter wenigstens erwarten, dass er sich auch darum kümmerte, dass alles funktionierte. Aber ständig war irgendwas! Die Heizung fiel aus, der Strom, das Wasser … Und wenn sie sich darüber beschwerte, kam er immer wieder damit um die Ecke, dass sie sich dafür alles hatte auswählen dürfen, womit ihre Wohnung renoviert worden war. Aber wie viel musste sie dafür einstecken? Irgendwann war das Maß voll. Und dieser Moment war jetzt! Sie war auf hundertachtzig, als sie über die Wendeltreppe hoch in den ersten und dann, als sie Dominik dort nicht fand, weiter in den zweiten Stock hinauf stakste.

Sie fand ihren Vermieter in einem komplett nassen T-Shirt in seinem eigenen Bad auf den Fliesen liegend, neben ihm, ebenfalls am Boden, sein abmontiertes Waschbecken. Mit irgendeinem dreckigen Werkzeug in der Hand schraubte er gerade noch an einem Röhrchen herum, das dort in der Wand verschwand, wo normalerweise das Waschbecken hing. Marina musste bei dem Anblick das Gesicht verziehen. Dominik bemerkte sie gar nicht, was sie nur noch mehr ärgerte.

„Hey! Mister Vermieter!“, schrie sie so laut, dass er erschrak und sich dadurch den Kopf am Siphon stieß.

„Au!“, sagte er und setzte sich auf. „Was soll denn das? Kannst du nicht normal mit Menschen reden?“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn mit geschürzten Lippen an. „Nicht, wenn mir diese Menschen meine BARIO-Fliesen versauen.“

„Deine was?“

„Unten in meinem Bad spritzt in einer Tour Wasser aus meinem Bidet! Und meine Designer-Fliesen vertragen kein Wasser! Das gibt sofort Flecken.“

Dominik schaute verwirrt weg, zuckte ruckartig mit dem Kopf, als müsse er eine lästige Fliege abschütteln und sah dann mit gerunzelter Stirn wieder zu ihr hoch: „Die Fliesen, die du dir für dein Bad ausgesucht hast, vertragen kein Wasser? Die Fliesen … in deinem Bad?“

„Sprich nicht mit mir, als wäre ich bescheuert! So ein Mansplaining brauche ich nicht, ich habe einen IQ im dreistelligen Bereich und führe nicht umsonst eine Abteilung mit vierhundert Mitarbeitern!“

„Deswegen kannst du ruhig Fliesen in dein Bad legen, die nicht nass werden dürfen?“ Marina ärgerte sich, als sie merkte, dass Dominik von ihren Worten kein bisschen beeindruckt war. Er stand auf und wischte sich die feuchten Hände an seiner Jeans ab. „Das kann ich echt nicht fassen … Badfliesen, die nicht nass werden dürfen …“

Marina stach mit ihrem Zeigefinger in die Luft vor sein Gesicht, woraufhin er instinktiv zurückwich. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass du und dieses verdammte Haus so scheiße sind, dass Plörre aus meinem Bidet spritzt und meine Fliesen unter Wasser setzt.“

Irrte sie sich, oder amüsierte der Kerl sich etwa? „Wie kommst du denn aus der Dusche?“, fragte er, und Marina war sich sicher, dass er dabei ein Lächeln unterdrückte. „Ehrlich mal. Trocknest du dich komplett ab, bevor du da rauskommst? Und deine Haare? Was, wenn die tropfen?“

„Das geht dich überhaupt nichts an!“, schrie Marina. Dominiks Reaktion machte sie noch wütender als zuvor. „Wie ich mit meinen Fliesen umgehe, steht nicht zur Debatte, sondern wie du sie gerade ruinierst! Du wirst dafür aufkommen, Flinck!“

„Warum nennst du mich immer beim Nachnamen, wenn du dich aufregst?“, fragte Dominik und schüttelte den Kopf.

„Du gehst jetzt sofort da runter und kümmerst dich darum, dass das Wasser nicht mehr aus meinem Bidet kommt!“, sagte Marina durch zusammengebissene Zähne. Zornesröte war ihr in die Wangen gestiegen, und sie spürte ihr Herz heftig pochen.

Dominik ging ohne ein weiteres Wort an ihr vorbei und machte sich offensichtlich auf den Weg runter zu ihrem Bad. „Man muss sich ja nicht so aufregen“, murmelte er dabei noch verständnislos.

Marina lief ihm wütend nach. „Das ist typisch! Du machst hier irgendeinen Schiet mit deinem Wasser, und ich bekomme unten die braune Brühe ab, und wer wird kritisiert? Ich! Weil ich genauso reagiere, wie es vollkommen angemessen ist! Glaubst du, ich freue mich darüber, das jetzt mit dir klären zu müssen? Ich will einfach nur meine Ruhe haben!“

Dominik ging durch die Verbindungstür, die Marina offen gelassen hatte, in die Einliegerwohnung. Sofort tauchten sie in ein ganz anderes Ambiente ein. Hier war alles modern, neu, geschmackvoll – fand zumindest Marina.

„Weiß du, wer schreit?“, fragte Dominik und lief direkt weiter, Richtung Bad. „Menschen, die glauben, ihre Argumente allein trügen nicht.“

„So ein Blödsinn!“, sagte Marina augenrollend, aber nicht mehr ganz so laut. „Wenn ich schreie, dann weil ich leidenschaftlich und menschlich bin und das ist auch vollkommen in Ordnung so. Ich werde mir von dir, von einem Mann, von einem nicht erwachsen gewordenen Jungen, der Schauspieler ist – Schauspieler! – nicht sagen lassen, was das angemessene Verhalten in irgendeiner Situation ist!“

Dominik drehte sich zu ihr um. „Und wenn du auf der Bühne stündest?“, fragte er. Über seine Schulter hinweg konnte Marina durch die offene Badezimmertür die Fontäne sehen, die immer noch aus dem Bidet kam. Ihre Stimme schraubte sich noch höher. „Willst du mich verarschen?“, schrillte es aus ihrem Mund. „Du findest es wichtiger, mir einen dummen Spruch an den Kopf zu werfen, als dich darum zu kümmern?“ Entgeistert zeigte sie mit der flachen Hand auf das zum Springbrunnen gewordene Bidet.

Zu ihrer Verblüffung ging Dominik auch daraufhin nicht ins Bad, sondern in ihr Arbeitszimmer. „Hey!“, rief sie wieder. Aber Dominik ließ sich nicht abhalten, er machte gleich hinter der Zimmertür Halt, kniete sich hin und öffnete kurz über dem Boden eine Luke in der Wand. Ein altmodischer Hahn kam zum Vorschein und Rohre, die links und rechts in der Wand verschwanden. Dominik drehte an dem Hahn, und Marina hörte, wie zeitgleich das Plätschern im Bad stoppte.

Ohne etwas zu sagen, machte Dominik die Klappe wieder zu und kam zurück auf die Beine. Marina atmete einmal tief ein und schloss kurz die Augen. Das war ein Fehler: Als sie sie öffnete, sah sie, wie Dominik an ihr vorbei auf ihren Laptop schaute.

„Das ist nichts!“, sagte Marina schnell. Mit wenigen Schritten war sie bei ihrem Schreibtisch und klappte den Laptop zu.

„Arbeitest du beim BND oder so was?“, grinste Dominik. „Undercover?“

„Nein!“, sagte Marina, wieder wütend und jetzt auch noch persönlich angegriffen.

„Das meine ich doch nicht böse!“, erwiderte Dominik erstaunlich sanft. „Es wäre doch … interessant.“ Er lächelte sie an, und Marina wusste nicht, was sie machen sollte. Sie hatte eigentlich keine Lust, jetzt plötzlich auf nett zu machen.

„Tut mir leid wegen dem Bad“, sagte Dominik dafür umso netter. „Ich wische jetzt erst mal das Wasser auf, und dann repariere ich, was auch immer es da zu reparieren gibt.“ Als Marina nichts antwortete, sah Dominik zerknirscht zur Seite. Als er wieder zu ihr zurückblickte, hatte sein Lächeln etwas noch Herzlicheres bekommen, und Marina merkte, dass sie direkt nicht mehr ganz so wütend war. „Wegen der Fliesen schauen wir dann, in Ordnung?“, fragte er.

Marina biss sich auf die Lippe. „Ja, okay“, sagte sie und merkte, wie ihr selbst ein höfliches Lächeln über die Lippen huschte.

„Und sorry wegen dem BND-Spruch. Stimmt schon … das würde ich auch nicht gern unterstellt bekommen.“ Er räusperte sich, und Marina sah ein wenig peinlich berührt auf ihren Laptop. Sie mochte es nicht, wenn ihr nachgesagt wurde, sie sei humorlos. Und natürlich hatte er das mit dem BND als Witz gemeint, das war ihr auch klar. Sie knetete unwillkürlich die Hände.

„Okay … dann …“, sagte Dominik und hatte sich schon halb zum Bad gewandt, da platzte aus Marina heraus: „Das war nur eine Liste mit meinen Dates.“ Dominik blieb stehen und sah sie etwas komisch an. So ganz konnte sie den Blick nicht einordnen. War er … erschrocken?

„Du … das geht mich ja auch gar nichts an“, sagte er aber nur sanft. Marina schluckte. „Ich gehe jetzt ins Bad und regle das.“ Auf leisen Sohlen trat er heraus. Marina vergrub das Gesicht in den Händen. Das war jetzt peinlich gewesen.

Dominik wischte das Wasser in Marinas Bad mit einem Mopp auf. Diese Frau machte ihn immer wieder zum Hausmeister! Schrecklich. Aber wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass es nicht Marina war, sondern die Villa, sein Elternhaus, das ihn immer wieder zu Reparaturen, Aufräumarbeiten und anderen Tätigkeiten zwang. Unwillkürlich legte er eine Hand auf die Badezimmerwand, wie um sich für die bösen Gedanken zu entschuldigen. Dem Haus nahm er nichts übel. Wehmut zog an seinem Herz, und er machte sich wieder ans Aufwischen.

Danach schaffte er tatsächlich, die Ursache des Wasserproblems zu finden und es auch noch zu beheben. Als er mit allem fertig war, fühlte er sich, als hätte er drei Stunden lang Sport getrieben.

Aber bei dem Gedanken an sein Bad – speziell an das Waschbecken, das immer noch abmontiert am Boden lag und an die Kettenreaktion, die sein Abflussproblem ausgelöst hatte – spürte er wenig Lust, in seine Dusche zu steigen. Kurzentschlossen ging er also aus der Hintertür neben der Küche raus in den großen, wild zugewachsenen Garten. Die Sonne stand jetzt schon tief, und die Hälfte des Gartens verschwand im Schatten. Aber genau dort, wo der Wasserschlauch angeschlossen war, gab es noch ein Fleckchen Sonne. Im Gehen zog Dominik seine Klamotten aus. Er ließ sie an Ort und Stelle in das hohe Gras fallen und kam nackt beim Wasserschlauch an. Ohne Umschweife drehte er ihn an und hob die Brause über seinen Kopf. Er schloss die Augen und ließ ein tiefes „Uaaaaah“ aus seiner Kehle entfliehen, als das kalte Wasser über seinen Rücken lief. Aber als er erst einmal ganz nass war, machte ihm die Kälte nichts mehr und er genoss einfach das frische Wasser und das Gefühl, von den letzten mühseligen Stunden reingewaschen zu werden.

Nach seiner etwas ungewöhnlichen Dusche und nachdem sich Dominik frische Sachen angezogen hatte, lief er ohne nachzudenken in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Ein Steak wäre jetzt genau das Richtige. Aber stattdessen lagen da nur zwei, drei angebrochene Packungen Aufschnitt, die ihn nicht wirklich anmachten. Kein Steak. Das Gemüsefach war komplett leer, wie immer. Und in den oberen Fächern standen nur die üblichen Verdächtigen: Ketchup, Senf, Mayonnaise, Marmelade und angebrochenes Pesto. Dominiks Blick wanderte noch über die schmalen Fächer in der Innenseite der Kühlschranktür. Aber auch dort versteckte sich kein Steak – dafür allerdings eine Steaksoße, die das Ganze nur noch schlimmer machte. Irgendwo musste das Schicksal sitzen und sich ins Fäustchen lachen. Dominik ließ die Kühlschranktür wieder zufallen, wandte sich ab und schlurfte aus der Küche, als hätte man ihn gedemütigt.

Komisch aber auch, wie man immer wieder, obwohl man allein lebt, zum Kühlschrank geht und denkt, es könnte ja vielleicht etwas drin sein – ohne dass man einkaufen gewesen wäre. Was dachte er denn? Dass jemand vielleicht etwas hineingestellt haben könnte? Die Verrückte aus dem Erdgeschoss vielleicht? Dominik schüttelte sich bei dem Gedanken: Was von der kam, würde er sowieso niemals anrühren! Selbst wenn sie in diesem Moment mit einem Rib-Eye um die Ecke käme: Er würde sofort Reißaus nehmen. Und wenn es ein T-Bone wäre! Eigentlich müsste sie im Dach wohnen, fand Dominik. „Die Verrückte vom Dach“ – das klang irgendwie besser als „die Verrückte aus dem Erdgeschoss“. Aber das Dach war nicht dicht, und ab und zu hörte man Marder über den Boden huschen. Selbstverständlich wohnte die piekfeine Marina also nicht da oben, sondern unten, in der neuen Einliegerwohnung, in der man über nichts meckern konnte. Und wo sich bestimmt kein einziger Marder herumtrieb. Wobei das sicher nicht nur am mangelnden Zugang lag, dachte Dominik böse: In Marinas Nähe würde sich einfach niemals ein Lebewesen freiwillig aufhalten. Er lächelte in sich hinein. Dann ging er noch einmal zum Kühlschrank, um hineinzusehen.

Zehn Minuten später stand er am Herd und sah einem einsamen kleinen Ei zu, das im Topf auf und ab hüpfte, als würde es zum Beat des kochenden Wassers tanzen. Dominik überlegte, ein zweites Ei hinzuzugeben. Dann könnten sie pogen. Aus diesem sinnvollen Gedankengang riss ihn die heisere Türklingel. Die hatte auch schon bessere Tage gesehen.

Dominik ließ sein Ei allein und lief müßig runter zur Haustür. Wie immer beschlich ihn dabei ein mulmiges Gefühl. Unerwartete Besuche von Freunden waren ja ein Ding der Vergangenheit – wer geht heute noch das Risiko ein, vor verschlossener Tür zu stehen, wenn man doch eh permanent in Kontakt steht und kurz im Chat nachfragen kann, ob denn der andere zu Hause ist und besucht werden möchte? – Da aber niemand geschrieben hatte, konnten eigentlich nur unangenehme Zeitgenossen vor der Tür stehen. Vertreter der GEZ etwa. Zeugen Jehovas. Oder diese Jugendlichen, die clean werden wollen und das nur können, wenn man ihnen ein Zeitschriftenabo abkauft.

Er öffnete die Tür erst mal nur einen Spaltbreit, um gleich seine Abwehrhaltung zu vermitteln. Er würde nicht schon wieder ein Abo abschließen! Diesmal würde er hart bleiben! Es sei denn, dem Typen ging’s wirklich richtig mies. Vielleicht würde er dann ein letztes Mal …

Aber draußen stand kein Junkie. Dominik riss die Tür weit auf: „Bianca!“

Seine Schwester lächelte ihn an, nicht ganz so offen, wie es üblicherweise ihre Art war, sondern eher verkniffen, aber bevor Dominik das richtig registrierte, nahm er sie schon in den Arm.

„Moin“, sagte sie noch in der Umarmung, und als sie sich voneinander lösten, zog sie eine Tüte aus ihrer Umhängetasche. „Ich habe Steaks dabei.“

„Im Ernst?“

„T-Bone.“

„Nein!“

„Und Bier.“

„Wow. Ich habe die beste Schwester von der Welt!“ Dominik umarmte sie gleich noch mal. „Du rettest mein Abendessen! Ich war gerade dabei, mir ein weich gekochtes Ei zu machen.“

„Ein Frühstücksei? Zum Abend?“

„Ja. Hier herrscht totale Anarchie.“

Bianca lachte. „Frederik wäre stolz“, murmelte sie. Denn eigentlich war Frederik ja der große Aussteiger. Allerdings hatte die Liebe ihn nach München geführt, wo er es mit dem Aussteigen eher schwer hatte. Dominik war seinerseits nie aus dem Norden weggekommen, und selbst Bianca war nach ihrem Studium in Italien zurück nach Hamburg gekommen. Eigentlich hätten sie wohl alle nach Berlin gepasst – aber es kann ja nicht jeder in Berlin leben. Dominik jedenfalls würde niemals sein geliebtes, wenn auch etwas mitgenommenes Elternhaus verlassen. Und ebenso wenig das Meer, das wenigstens gefühlt immer irgendwie in der Nähe war.

Er ging mit Bianca dicht hinter sich nach oben, direkt in die Küche, wo er sofort das Ei vom Herd nahm, um stattdessen feierlich eine Pfanne aufs Gas zu stellen.

Bianca gab ihm die Steaks und machte dann zwei ihrer mitgebrachten Bierflaschen auf.

„Seit wann stehst du denn einfach so mit Bier und Fleisch vor der Tür?“, fragte Dominik.

„Ich habe mich von Dexter inspirieren lassen. Da macht das die Schwester immer, wenn sie ein bisschen Quality-Time mit ihrem Bruder braucht. Also … wenn sie über etwas sprechen müssen.“ Bianca sah kurz zur Seite, als wäre es ihr unangenehm, fing sich aber sofort wieder und lächelte Dominik an. „Hier.“ Sie reichte ihm eine Flasche und stieß mit ihm an.

„Du und deine Serien immer“, murmelte Dominik. „Prost!“ Er nahm einen ersten Schluck und erinnerte sich dann an den Titel, den sie gerade genannt hatte. „Dexter“, wiederholte er, „das ist doch … diese Serie, die so blutig ist.“

Bianca nickte. „Der Bruder ist ein Psychopath und Serienmörder.“ Sie stellte ihre Flasche auf den Küchentisch und setzte sich. „Aber er ist ein Guter … wie du.“

„Klar! Genau wie ich.“ Dominik gab die Steaks ins heiße Öl und öffnete das Fenster, weil der Dunstabzug nicht mehr funktionierte. Dann wandte er sich Bianca wieder zu. „Wäre ich Dexter, gäbe es die Tussi von unten nicht mehr“, flüsterte er. Mit gespielter Aggression schnitt er mit dem Pfannenwender durch die Luft. Bianca schüttelte unbeeindruckt den Kopf. „Ich glaube nicht, dass Marina in Dexters Raster fällt. Der hat doch so einen strengen Codex, wen er umbringen darf und wen nicht.“

„Dann ist das nicht meine Serie“, schloss Dominik enttäuscht.

Bianca lachte herzlich. „Aber da kommt die Steak-Idee her! Stell dir vor, ich hätte mich von … hmm … Sex and the City inspirieren lassen.“

„Das verstehe ich nicht. Was essen die?“

„Nichts, vermute ich. Die reden nur dauernd über Sex. Magste? Also gestern haben Richard und ich …“

Dominik hielt sich sofort die Ohren zu. „Wuah, wuah, wuah, wuah, ich höre nichts, ich höre nichts!“, schrie er.

Bianca lachte wieder und hörte auf zu reden. Dominik nahm die Hände von den Ohren und sah sie strafend an. „Das ist eklig. Du bist meine Schwester und hast keinen Sex.“

„Genau. Und meine beiden Kinder habe ich unbefleckt empfangen.“

„Sag ich doch.“

„Du bist so prüde. Ich würde total gern mit dir über intime Dinge sprechen – also: unter anderem. Ehrlich jetzt mal. Gerade dir, wo ich dir doch mehr vertraue als sonst irgendwem! Und das würde uns bestimmt noch näher zusammenbringen!“

„Wenn du gekommen bist, um mit mir über intime Dinge zu sprechen, hättest du was Härteres mitbringen sollen als Bier.“ Er drehte die Steaks in der Pfanne um und wich den heißen Fettspritzern aus. Bianca nahm währenddessen noch einen großen Schluck aus ihrer Flasche und atmete danach tief ein.

„Ich bin gekommen, weil ich mit dir über das Haus reden muss“, sagte sie dann in ernstem Ton. „Oder eher … also … ich sag’s jetzt einfach, ohne viel drum herumzureden: Ich muss einziehen, Dominik. Die haben uns die Wohnung gekündigt. Und ich finde in der Stadt nichts, was wir uns leisten können. Die Kinder brauchen mittlerweile ihr eigenes Zimmer, jeweils, und Richard braucht Platz, um auch mal zu Hause in Ruhe arbeiten zu können. Aber finde du mal eine Stadtwohnung mit mindestens fünf Zimmern für das Geld, das uns zur Verfügung steht! Selbst wenn wir weiter rausziehen: Es ist nichts auf dem Markt, zumindest nichts, was uns nicht todunglücklich machen würde. Und wenn wir eh schon aus der Stadt rausgehen … na ja … warum dann nicht hierhin, wo wir keine Miete zahlen müssen? Die Kinder sind schon in einem Alter, in dem sie auch mal allein irgendwohin könnten, erst recht hier draußen, wo alles ruhiger ist …“ Bianca redete schnell und gestikulierte dabei hektisch. Dominik beobachtete sie mehr, als dass er ihr wirklich zuhörte. Früher hatte er sich immer vorgestellt, der Genpool der Eltern sei genau das: ein Pool, also ein Topf, aus dem verschwindet, was man aus ihm herausnimmt. In seiner Vorstellung hatte Bianca sämtliche Energielieferanten aus dem Topf genommen, sodass für ihn, zwei Jahre später, keine übrig geblieben waren. Alles, was sie machte, hatte etwas Zackiges, Flinkes – und alles, was er machte, war entspannt und langsam. Auch jetzt dachte er manchmal, die Biologen seien auf dem falschen Dampfer: Vieles, was Bianca hatte, hatte er eben nicht, als könnten zwei Kinder nicht gleichermaßen damit ausgestattet werden: Ehrgeiz zum Beispiel. Ausdauer. Ein gutes Gedächtnis. Räumliches Vorstellungsvermögen.

Während Bianca weiter über die Bedürfnisse ihrer Kinder und die ihres Mannes sprach, nahm Dominik die Steaks aus der Pfanne. Dann holte er mit großer Genugtuung die Steaksoße aus dem Kühlschrank. Wer zuletzt lacht …, dachte er und stellte sie feierlich auf den Tisch. Bianca redete immer noch.

„Und was ist mit dir?“, unterbrach Dominik sie endlich.

„Was?“

„Du sprichst dauernd nur von Richard und den Kindern. Was brauchst du denn?“

Bianca sah ihn so verwundert an, als wäre seine Frage absurd. Sie musste erst mal kurz nachdenken. Dominik hob dazu nur die Augenbrauen, aber das schien sie nicht zu bemerken.

„Ich brauche eine Familie, die glücklich ist“, sagte sie schließlich. „Und das heißt im Moment: Ich brauche eine Wohnung.“

Dominik zuckte mit den Schultern. „Kannste haben. Zweieinhalb Etagen sind leer. Wenn man das Dach mitzählt.“ Bianca sprang sofort auf und fiel ihm um den Hals. Dominik legte ihr überrascht die Hand auf den Rücken. „Was hast du denn gedacht? Dass ich Nein sage?“

„Nein. Ich weiß nicht. Ich bin einfach nur so froh, dass du Ja sagst.“

„Klar.“ Dominik wunderte sich. Das Haus gehörte seiner Schwester doch genauso wie ihm.

„Wenn ich richtig gehört habe, wirst du mir aber keine Miete zahlen“, murmelte er.

Bianca trat einen Schritt zurück und blinzelte verwundert.

Dominik winkte schnell ab. „Ist nur schade“, erklärte er. „Dann bin ich nach wie vor auf Marina angewiesen. Die würde ich doch zu gern rauswerfen. Wenn ich sie schon nicht abschlachten darf.“ Während Bianca noch strafend guckte, hob er die Teller mit den Steaks hoch. „Wenigstens sind die schön blutig … hmm!“

Bianca nahm einen Teller entgegen und setzte sich. „Richard ist jetzt Veganer. Mit so Sprüchen hältst du dich dann in Zukunft lieber zurück.“

Dominiks Teller rutschte ihm samt Besteck aus der Hand – zum Glück nur wenige Zentimeter von der Tischoberfläche entfernt. Bianca ließ sich von dem lauten Scheppern nicht stören und fing ungerührt an zu essen. Als Dominik immer noch wie festgefroren neben dem Tisch stand, zeigte sie mit der Spitze ihres Messers auf ihn. „Du hast schon Ja gesagt!“

„Ich war nicht umfassend informiert! Also auch nicht entscheidungssicher.“

„Entscheidungsfähig“, korrigierte Bianca ihn so schnell, dass es wie ein Reflex wirkte. Wahrscheinlich war es genau das auch. Seit ihrem Studium machte sie das so, also gefühlt schon eine halbe Ewigkeit. Er setzte sich ihr gegenüber. „Du immer mit deiner Goldwaage“, murmelte er und widmete sich seinem Steak.

Bianca zuckte ungerührt mit den Achseln. „Übersetzung meets Jura“, sagte sie und zeigte dabei auf sich. „Ich habe doppelt und dreifach eingetrichtert bekommen, immer genau das richtige Wort zu benutzen! Einen juristischen Text übersetzt man nicht nur so … ungefähr.“ Ihre Lippen wurden schmal. „Zumindest nicht, wenn man danach noch weitere Aufträge haben will“, fügte sie hinzu.

„Apropos … deine Waage muss doch total eingerostet sein“, sagte er. „Die wurde doch schon seit Jahren nicht mehr austariert.“ Er liebte es, in Bildern zu sprechen, und musste ob seiner eigenen Worte lächeln. Bianca sah allerdings plötzlich ein wenig zerknirscht aus. Vielleicht hatte er einen wunden Punkt berührt? Klar, er würde nicht jeden so auf eine abgebrochene Karriere ansprechen. Aber Bianca gegenüber erlaubte er sich immer eine gewisse schonungslose Ehrlichkeit. Er wusste, dass sie das von ihm auch erwartete. Das war einfach die Ebene, auf der sie sich schon immer begegnet waren. Er war froh zu sehen, dass Biancas Blick jetzt auch schnell wieder selbstbewusst wurde, als sie konterte: „Ein schwerer juristischer Text würde mich heute vielleicht mehr herausfordern als früher, aber das schlechte Deutsch meines kleinen Bruders werde ich bis ans Ende meines Lebens ohne Probleme korrigieren können. Im Schlaf.“

„Haha“, machte Dominik.

„Also … du warst entscheidungsfähig und dass Richard Veganer ist, ändert nichts!“, kam sie zum Thema zurück.

Dominik spielte den Ausgetricksten, der seine Niederlage nur widerwillig und trotzig zugab. „Na gut“, sagte er in entsprechendem Ton, „Richard kann sich dann direkt zu Marina gesellen.“

„Hey!“ Bianca gab ihm einen Stoß auf den Oberarm.

„Was denn? Passen bestimmt gut zusammen, die zwei. Was ist das Gegenteil von Laisser-faire?“

„Bevormunden.“

„Genau. Die können da unten dann Bevormundungs-Orgien feiern.“

„Hört sich nach Sex an.“

„Was ist eigentlich los mit dir?“

„Ich weiß auch nicht. Ich glaube, ich bin an einem Punkt, wo ich …“

„Nein! Ich will’s gar nicht hören! Lass uns einfach in Ruhe essen.“

„Okay.“ Bianca verfiel in Schweigen. Für zehn Sekunden vielleicht. „Schon krass, nur so’n Steak, ganz ohne Beilagen“, sagte sie dann.

„Ich hätte noch ein weich gekochtes Ei.“

„Schon gut, Danke.“

Kapitel 2

Dominik fuhr mit seinem Cafe Racer über die Landstraße. Er hatte den besten Arbeitsweg der Welt, davon war er überzeugt. Sein Freund Axel hatte ihm das alte Motorrad umgebaut. Es war perfekt auf seinen Geschmack zugeschnitten, und wenn er damit über die Landstraße brauste, weit vorgelehnt, die Hände auf dem Stummellenker, war da nur noch er, das Rauschen des Fahrtwindes und das Brummen der Maschine – sonst nichts.

Die Sonne stand noch tief über den Feldern, und nur ab und zu schob sich ein Bauernhof zwischen sie und Dominik. Er düste noch ein bisschen schneller. Absolute Freiheit war das. Er fuhr an Hoisbüttel und an Bergstedt vorbei, ließ die Felder hinter sich und kam in eine ruhige Wohngegend.

Jetzt machte es schon nicht mehr ganz so viel Spaß. Und bis in die City war es noch ein weiter Weg.

Am Anfang, als er den Cafe Racer gerade bekommen hatte, war Dominik jeden Tag mit dem Motorrad bis tief in die Innenstadt direkt vor das Theater gefahren. Aber seit er eine andere Lösung gefunden hatte, machte er das nicht mehr. Sein Freund Frederik hatte sich deswegen schon über ihn lustig gemacht: Er würde das mit seiner Maschine genauso handhaben wie mit seinen Frauen – einfach den Teil aussparen, der anstrengend ist, und nur den haben wollen, der Spaß macht. Dominik verstand überhaupt nicht, warum das etwas Besonderes war, und erst recht nicht, warum er dafür aufgezogen wurde. Wieso machte das nicht jeder so? War das nicht viel besser, als die Lust an dem zu verlieren, was man liebt und großartig findet, weil man sich zu viel davon gibt? Ob Frau oder Motorrad: Er ließ diese Dinge nie alltäglich werden, als wären sie nur praktische Gebrauchsgegenstände. Wie ein Toaster. Lieber ging er Situationen ein, die wohl auf andere etwas ungewöhnlich wirken mochten. Wie jetzt, auf seinem Arbeitsweg: Nach einer Weile fuhr er von der Hauptstraße ab. Zielsicher kurvte er durch ein paar Seitenstraßen und parkte dann auf einem großen, freien Parkplatz vor einem einstöckigen Geschäftshaus.

Der Parkplatz und das Haus gehörten Schorsch, dem Hessen. Dominik kannte ihn aus Kindheitstagen und hatte schon vier verschiedene Geschäftsmodelle erlebt, die Schorsch erfolgreich hier umgesetzt hatte. Alle paar Jahre erfand er sich, oder zumindest sein Geschäft, einfach neu. Aktuell verkaufte er Fische und Zubehör für Meerwasseraquarien. Das lief zwar bombig, aber fast nur online. Also blieb sein Kundenparkplatz größtenteils unbenutzt, was für Dominik eine gute Fügung war. Er zog seinen Oldtimer-Helm aus, hängte ihn an den Lenker und wollte gerade sein Skateboard aus seinem Rucksack holen, als er hinter sich schon die schlurfenden Schritte vom alten Schorsch hörte. „Mosche!“

Dominik drehte sich um. „Moin, Moin“, antwortete er.

„Käffsche?“, fragte Schorsch.

Dominik war ein bisschen spät dran, und er brauchte eigentlich auch gerade keinen Kaffee. Aber er wusste natürlich, dass Schorsch ihn nicht einlud, weil er sich um seinen Koffeinhaushalt sorgte. Er wünschte sich Gesellschaft. Das war der Nachteil des Online-Geschäfts: Alles lief über das Shop-System, fast wie von selbst, und auf jeden Fall „ohne Gebabbel“, wie Schorsch es nannte. Das war vielleicht praktisch, aber er bezahlte dafür: mit Langeweile und Einsamkeit. Dominik zog den Reißverschluss seines Rucksacks wieder zu.

„Klar, Kaffee geht immer“, sagte er mit einem Lächeln.

Schorsch freute sich. „Ich kann jetzt Cappuccino“, sagte er stolz und baute dabei viel „sch“ in das Wort ein, dass Dominik husten musste, um ein kleines Lachen zu vertuschen.

Eine halbe Stunde später verabschiedete er sich von Schorsch, ließ sein Skateboard auf den Asphalt fallen und rollte Richtung Bahn-Haltestelle.

Natürlich kam er jetzt viel zu spät beim Theater an. Und offensichtlich hatte er dadurch einiges verpasst. Als er in die Cafeteria kam, spürte er große Aufregung in der Luft, und seine Kollegin Claire, die tatsächlich mehr als nur eine Kollegin war, kam ihm freudestrahlend entgegen.

„Ich muss nicht mehr die dumme Anne spielen!“, sagte sie mit einer Stimme, die sie offensichtlich nur mit großer Mühe in Schach hielt – eigentlich hätte sie wohl gern laut geschrien, so aufgeregt, wie sie war. Sie glühte förmlich.

Am liebsten hätte Dominik sie sofort geküsst, aber sie waren sich erst vor Kurzem nähergekommen und vor dem restlichen Ensemble hatten sie sich noch nichts anmerken lassen. Also hielt Dominik sich auch jetzt lieber zurück – nicht weil es ihn kümmerte, was andere dachten, sondern weil er sich nicht sicher war, ob Claire wollte, dass sie sich vor den anderen wie ein Paar verhielten.

„Der Bonko ist gekommen, hat sich die Rollenverteilung angeguckt, und dann gab’s ein Donnerwetter!“, erzählte Claire ihm weiter.

Dominik war froh, dass Claire jetzt nicht die Rolle spielen musste, über die sie sich gestern noch so geärgert hatte, hörte das mit dem Donnerwetter aber trotzdem nicht gern. Er mochte es entspannt und unkompliziert. Donnerwetter hörte sich derweil nach Stress an, und er hatte keine Lust, dass dieser sich fortsetzen und irgendwann auch ihn treffen würde. Besorgt sah er sich also nach dem Regisseur um, der das Donnerwetter vom Chef abbekommen haben musste, aber er war nicht zu sehen.

Claire sprudelte währenddessen weiter: Bonko hatte ihr die Rolle gegeben, die sie von Anfang an hatte spielen wollen, er hatte auf sie gezeigt und gesagt: „Guck sie dir an! Claire spielt keine Dummchen, das geht doch nicht!“

Dominik legte währenddessen sein Skateboard weg, zog seinen Rucksack und seine Jacke aus und legte die Sachen auf den Tisch neben sich. „Du wirst großartig sein“, sagte er Claire. Ihre Wangen glühten jetzt noch mehr, das Erzählen hatte sie noch einmal mehr aufgeheizt als die Nachricht an sich, wie es aussah. Dominik lächelte sie an. Wieder wollte er sie eigentlich küssen. Und als er bemerkte, wie Claire ihn ansah, wie ihr Blick ein wenig kleben blieb, irgendwo bei seinen Haaren und dann bei seinem Hals, zuckte seine Hand. „Komm“, sagte er mit rauer Stimme. Er nickt noch einmal mit dem Kopf Richtung Ausgang, wandte sich dann ab und lief ohne zurückzublicken aus der Cafeteria raus. Hoffentlich kam sie mit. Er hörte nichts hinter sich, ging aber unbeirrt weiter, durch einen leeren Flur und dann nach einer Linksabbiegung durch einen weiteren. Er wusste, dass Claire laufen konnte, ohne das leiseste Geräusch zu machen. Sie schrieb das ihrer klassischen Ballettausbildung zu. Dominik sah ihre Beine vor seinem inneren Auge, ihre Gangart, und drehte sich dann doch nach ihr um. Da war sie. Direkt hinter ihm. Dominik grinste. Neben sich war auch schon die Tür, zu der er gewollt hatte. Er stieß sie auf, griff nach Claires Hand und zog sie mit sich, um direkt hinter ihr die Tür wieder ins Schloss fallen zu lassen.

Sie waren in einem schmalen langen Raum der Bühnentechnik, in dem lauter Seile hingen. Durch ein kleines Fenster, das zur Bühne ging, fiel Licht zu ihnen herein, aber kaum genug, um hinter den Seilen noch viel zu erkennen. Nicht, dass das für sie jetzt wichtig gewesen wäre.

Dominik umfasste Claire um die schmalen Hüften und küsste sie endlich. Es war wundervoll. Sie war wundervoll. Weiter als hierher hatte er nicht nachgedacht. Er hatte sie küssen wollen, das war alles. Aber Claire sah ihn jetzt noch einmal mehr so an wie gerade eben, und Dominik vergaß darüber, dass sie eigentlich bei der Arbeit waren, dass es Leute gab, die im Proberaum auf sie warteten und sich fragen würden, wo sie waren. Er dachte auch nicht darüber nach, dass sie auffälligerweise zu zweit fehlten und am Ende wahrscheinlich zusammen vor den anderen stehen und eine Erklärung – oder zumindest eine Ausrede – liefern müssten. Es war noch nie seine Stärke gewesen, daran zu denken, was später sein würde. Erst recht, wenn eine Frau, und dann auch noch eine Frau wie Claire, ihn so anguckte! Und es blieb ja nicht beim Blick. Sie schien genauso wie er zu vergessen, was sie eigentlich tun sollten und womit sie später würden rechnen müssen. Stattdessen zog sie in einer einzigen, geschmeidigen Bewegung ihr Kleid über den Kopf und stand nur noch in Unterwäsche da. Er hätte gern noch ein bisschen mehr an ihr heruntergeschaut, aber sie zog ihn an sich, und dagegen hatte er natürlich auch nichts. Er fühlte, wie sich ihre Beine um seinen Körper wickelten, sie konnte sich aus eigener Kraft einfach so an ihm halten, als wäre nichts dabei – als wäre sie nichts weiter als die zarte, aber unnachgiebige Ranke einer Kletterpflanze. Während sie sich so an ihm hielt, hob er die Arme hoch und zog sich seinen ausgeleierten Pullover mitsamt T-Shirt aus. Danach griff er sie um ihre Beine und hob sie weiter hoch, immer höher, bis über seinen Kopf, sodass sie kichern musste.

„Was machst du?“, fragte sie unsicher. Aber dann schien sie zu verstehen: Über ihnen hingen die Seile. Schon griff sie über sich und stieg flink in eine Schlaufe. Dominik zog sich neben ihr hoch und sicherte sich, indem er das Seil professionell um sein Fußgelenk wickelte. Claire war – im Gegensatz zum ihm – keine gelernte Akrobatin. Dominik fand es dadurch umso spannender: Sie gab sich vollkommen in seine Hände. Im wahrsten Sinne des Wortes ließ sie sich von ihm einwickeln und dann auf sein Geheiß hin fallen. Sie jauchzte und erschrak, aber entweder hielt das Seil – oder er. Die Turnerei lenkte von der eigentlichen Sache natürlich ein bisschen ab, zu der sie aber trotzdem auch noch kamen. Sie nahmen sich Zeit. Das hatte gleich doppelt etwas Gutes: Zum einen das Offensichtliche, zum anderen umgingen sie so die potenziell ungemütliche Situation, in der sie zusammen verspätet in die Probe platzten. Denn sie kamen nicht zu spät zur Probe. Sie kamen überhaupt nicht zur Probe.

Als sie sich anzogen, funkelten Claires Augen. „Du bist ein schlechter Einfluss“, sagte sie leise.

„Findest du?“, fragte Dominik. Tatsächlich hörte er das nicht zum ersten Mal. Aber verstanden hatte er es noch nie. Er fand sich eigentlich ganz anständig. Zumindest nach seinen eigenen moralischen Vorstellungen. „Wir müssen ja nicht gleich heiraten“, sagte er scherzhaft.

„Auf gar keinen Fall!“, bekräftigte Claire, legte ihm die Arme um den Hals und küsste ihn noch einmal leidenschaftlich.

Bianca saß im Volvo auf dem Beifahrersitz und sah aus dem Fenster, aus dem man schon keine hohen Gebäude mehr sehen konnte. Nur noch niedrige Mietshäuser und vereinzelte Villen. Die Innenstadt hatten sie schon lange hinter sich gelassen. Jetzt wurde es grüner, ruhiger, kleiner, bis schließlich nichts mehr ihren Blick verstellte: Zu beiden Seiten des Autos dehnten sich flache Felder aus, Bianca konnte den Horizont sehen, den Himmel, die untergehende Sonne. Sie atmete unwillkürlich tief ein, als wäre eine Last von ihr genommen worden, und staunte darüber, als sie sich dessen bewusst wurde.

„Zum Kotzen“, sagte John hinter ihr. „Jetzt werden wir so Landeier.“

„Quatsch“, sagte Bianca. Für mehr hatte sie gerade keine Kraft. Sie hatten einen Nachmittag bei IKEA hinter sich, wo sie vor allem für die neuen Zimmer der Kinder Schränke und Betten gekauft hatten. Hinter Biancas Stirn pochte es. Sie kramte in ihrer Lederhandtasche nach einem Aspirin.

„Hast du was zu essen dabei?“, fragte Richard neben ihr. Er ließ kurz die Straße aus den Augen, um zu sehen, was sie aus ihrer Tasche holte.

„Äh … ja …“, sagte Bianca. Sie hatte ein paar Brotdosen gepackt, wie immer.

„Ich habe auch Hunger!“, rief auch prompt ihre Tochter Leila von der Rückbank. „Wir durften ja keine Hotdogs haben“, schmollte sie.

„An mir lag’s nicht …“, murmelte Bianca, aber so leise, dass es vom Motorgeräusch und dem dudelnden Radio übertönt wurde. Sie holte ein belegtes Salami-Baguette für Leila aus der Brotbox und reichte es nach hinten. Richard verzog das Gesicht.

„Ohne Wurst gibt’s nichts?“, fragte er enttäuscht.