Dusty - Freunde fürs Leben - Jan Andersen - E-Book
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Dusty - Freunde fürs Leben E-Book

Jan Andersen

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Beschreibung

Ein Held auf vier Pfoten

Als Paul eines Tages allein unterwegs ist, lauert ihm eine Bande auf. Sie wollen sein Geld, und Paul weiß: Gegen die hat er keine Chance. Doch da taucht plötzlich dieser völlig verwilderte Hund auf - und schlägt die fünf Typen in die Flucht. Von dieser Minute an weicht der Hund dem Jungen nicht mehr von der Seite.

Paul spürt genau, dass Dusty auf der Suche ist. Aber wonach? Und warum nennen ihn die Leute den "Killerhund"?

Schritt für Schritt kommt Paul einem schrecklichen Geheimnis auf die Spur. Er ist sicher, dass Dusty unschuldig ist. Aber kann er es beweisen?

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Seitenzahl: 207

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Jan Andersen

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© 2015 der deutschsprachigen Ausgabe cbj Kinder- und Jugendbuchverlagin der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München.Umschlagillustration: Bente Schlick, www.benteschlick.comUmschlaggestaltung: init | Kommunikationsdesign, Bad OeynhausenCK · Herstellung: AJSatz: KompetenzCenter, MönchengladbachISBN 978-3-641-16854-4V004
www.cbj-verlag.de

Für Larry, Lotta, Abby, Spot und Carlos,

ohne die es diese Geschichte vielleicht gar nicht

gegeben hätte

Er hat den Jungen jetzt schon öfter beobachtet. Gleich nachdem er aus dem großen Käfig abgehauen ist und dann die fremden Leute in dem Haus waren, wo früher seine Familie gewohnt hat. Der Junge gehört zu den fremden Leuten. Und er scheint irgendwie ganz nett zu sein. Irgendwie so, als könnte man Vertrauen zu ihm haben.

Aber er muss trotzdem vorsichtig sein. Er weiß genau, wie man sich bei Menschen täuschen kann. Er muss erst noch mehr über den Jungen herausfinden! Deshalb folgt er ihm auch, als der Junge jetzt sein Fahrrad nimmt und losfährt …

Drei Dinge sind es, auf die er achten muss: der Geruch, die Stimme – und die Augen! An den Augen kann man sofort erkennen, ob ein Mensch gut oder böse ist. Er hofft, dass der Junge gute Augen hat. Es wäre schön, endlich wieder einen Freund zu haben. So wie das kleine Mädchen früher, das immer mit ihm gespielt und ihn gestreichelt hat.

Er weiß nicht, wohin seine Familie verschwunden ist. Und er weiß auch nicht, wo er sie noch suchen soll. Sie sind weg und er kann ihre Spur nicht mehr finden. Aber vielleicht kommen sie ja wieder, wenn er nur lange genug wartet. Und bis dahin muss er sich weiter verstecken. Und nachts durch die Dunkelheit schleichen und versuchen, in den Mülltonnen irgendetwas Fressbares zu finden. Er hat inzwischen sogar gelernt, Mäuse zu fangen. Aber auch das ist gefährlich. Überall gibt es Katzen, mit denen nicht zu spaßen ist. Die sofort einen Buckel machen und böse fauchen, sowie er in ihr Revier kommt. Aber noch schlimmer sind die Ratten! Wenn es dunkel wird, kommen sie aus ihren Löchern und schnappen ihm die besten Brocken vor der Schnauze weg. Und sie sind so viele, dass er sich nicht traut, sich mit ihnen anzulegen. Es gibt auch noch andere Hunde, die nachts unterwegs sind, so wie er. Er hat sie noch nie gesehen, aber er weiß, dass sie da sind. Er hat schon überall ihre Markierungen gefunden, und jedes Mal hat er überlegt, ob er ihnen eine Nachricht hinterlassen soll. Aber dann ist er doch lieber schnell wieder weiter und hat nur gehofft, dass sie nicht irgendwann seiner Spur folgen und sein Versteck finden …

Vielleicht ist der Junge wirklich jemand, mit dem er sich anfreunden kann. Vielleicht gibt er ihm ja auch etwas zu fressen. Oder streichelt ihn und redet mit ihm.

Als der Junge am Fußballplatz anhält, hat er gleich ein dummes Gefühl. Er wittert Gefahr, er muss den Jungen warnen. Aber er traut sich nicht näher heran, weil da auch noch die anderen sind, die laut rumbrüllen und ihm Angst machen. Bis ihm plötzlich klar wird, dass er die anderen kennt. Und dass sie die Gefahr sind!

1. Kapitel

Paul hat die Typen schon gesehen, als er am Fußballplatz war. Und er hat sofort gewusst, dass es besser wäre, ihnen nicht in die Quere zu kommen. Sie haben auch nicht Fußball gespielt, sondern auf der Bank gehockt und mit leeren Flaschen nach dem Abfalleimer auf der anderen Seite vom Weg geworfen. Und jedes Mal, wenn eine Flasche gegen die Kante des Metallkorbes knallte und zersplitterte, haben sie laut gebrüllt und sich gegenseitig abgeklatscht. Fast so als würde es nur darum gehen, die Flaschen kaputtzukriegen. Paul hat nur ganz kurz angehalten, bevor er dann schnell hinter ihnen vorbei über die Wiese gefahren ist. Dabei hat er die ganze Zeit gehofft, dass sie zu beschäftigt sind, um ihn zu bemerken.

Aber ganz offensichtlich hat er sich geirrt. Als er jetzt in die schmale Gasse zwischen den Häusern einbiegt, stehen sie plötzlich vor ihm und versperren ihm den Weg. Sie müssen gerannt sein und irgendeine Abkürzung genommen haben, denkt er noch, klar, sie kennen sich hier natürlich auch besser aus als er.

Paul macht eine Vollbremsung und will umdrehen, aber es ist schon zu spät. Sie sind zu fünft, und sie warten nur darauf, dass er den Versuch macht, abzuhauen. Auch wenn sie gerade so tun, als wären sie nur zufällig da, und ihn fast freundlich angrinsen. Aber Paul weiß genau, dass sie ihn sofort vom Fahrrad holen werden, sowie er jetzt einen Fehler macht.

Als er noch in Berlin gewohnt hat, gab es öfter mal Ärger mit irgendwelchen Typen, die sich für besonders stark hielten und anderen aufgelauert haben, um ihren Spaß zu haben. Aber das war eben auch in Berlin, wo er sich auskannte und meistens nur den Namen von einem der Großen aus seiner Schule sagen musste, um ganz schnell wieder in Ruhe gelassen zu werden. Mal ganz davon abgesehen, dass er da auch nie alleine in eine Straße eingebogen wäre, von der er noch nicht mal genau wusste, wo sie hinführte …

Die fünf Typen sind ungefähr im gleichen Alter wie er, und sie tragen alle Kapuzenshirts, nur einer von ihnen hat ein Piratenkopftuch umgebunden, schwarz mit weißen Totenköpfen darauf. Sie grinsen ihn immer noch an, während sie langsam näher kommen.

Eigentlich hat er nur eine einzige Chance, überlegt Paul, er muss so tun, als ob er es ganz normal findet, dass sie da plötzlich aufgetaucht sind. Wenn sie merken, dass er keine Angst vor ihnen hat, kommt er vielleicht davon, ohne dass sie ihm etwas tun.

Er grinst zurück und nickt.

»Alles klar?«

»Und selber?«, fragt der Typ mit dem Piratenkopftuch, der wahrscheinlich der Anführer der Bande ist.

»Geht so«, sagt Paul und beschließt, alles auf eine Karte zu setzen. »Aber es ist gut, dass ich euch getroffen habe«, sagt er und hofft, dass seine Stimme nicht zittert.

»Hä?«, macht der Anführer. »Kennen wir uns oder was?«

»Nee«, sagt Paul. »Aber ihr wisst doch bestimmt, wo es hier so was wie einen Tierfuttermarkt gibt. Ich brauche nämlich Fleisch für meinen Hund«, lügt er drauflos. »Ist ein ziemlich großer Hund, und Trockenfutter reicht nicht für ihn. Ich brauche so richtig was mit Knochen und Eingeweiden und so. Am besten wäre vielleicht sowieso ein Fleischerladen, je blutiger das Zeug ist, um so lieber frisst er es.«

Jetzt starren sie ihn alle an, als müssten sie die Information erst mal verdauen.

»Wir haben nur einen Supermarkt«, sagt dann ein anderer aus der Bande. Nur an der Stimme erkennt Paul, dass es ein Mädchen sein muss, ihr Gesicht kann er unter der Kapuze kaum erkennen. »Wenn du da vorne nach links fährst«, erklärt sie ihm den Weg, »und dann weiter bis zur Hauptstraße, dann siehst du den Laden schon.«

»Cool«, meint Paul. »Danke!«

Als er sich in die Pedale stemmt, um loszufahren, weichen sie tatsächlich zurück und machen ihm Platz. Aber gerade als er denkt, dass er noch mal Glück gehabt hat, hält der Anführer ihn an seiner Jacke fest.

»Moment mal! Erst müssen wir noch ein paar Sachen klären. Wer bist du überhaupt?«

»Paul. Wieso?«

»Und bist du neu hier oder was?«

»Klar«, nickt Paul, während er merkt, wie ihm der Schweiß ausbricht. »Sonst müsste ich ja nicht fragen, wo ich das Fleisch kriege.«

»Für deinen Hund, ja?«

»Genau, hab ich doch gesagt.«

»Ich glaube, du lügst. Du hast gar keinen Hund! Ich hab dich nämlich gestern schon gesehen, und da hattest du auch keinen Hund dabei, genauso wenig wie heute. Also, wo soll er denn sein, dein Köter?«

»Mann!«, ruft Paul. »Glaubst du, ich kann einfach so mit dem rumrennen? Der ist im Zwinger, gleich hinterm Haus, alles andere wäre viel zu gefährlich!«

Der Anführer grinst nur und greift mit beiden Händen nach der Lenkstange von Pauls Fahrrad. Dann verpasst er dem Rad einen Ruck, dass Paul gerade noch rechtzeitig abspringen kann.

»He, was soll das denn jetzt? Ich will keinen Streit, Leute, echt, gebt mir mein Rad wieder und lasst mich weiterfahren, ich bin sowieso schon viel zu spät dran. Wenn ich nicht rechtzeitig zurückkomme, dann …«

»Genug gequatscht«, unterbricht ihn der Anführer. »Jetzt kommen wir mal zur Sache.«

»Genau«, sagt einer von seinen Kumpels. Er tritt einen Schritt vor und streckt die Hand aus. »Rück die Kohle raus!«

»Was?«

»Dein Geld, Mann! Bist du schwerhörig? Wenn du Fleisch kaufen willst, musst du ja auch Geld dabeihaben!«

»Und das gibst du uns jetzt«, macht der Anführer weiter. »Dann gehen wir das Fleisch für dich holen. Vielleicht! Vielleicht auch nicht. Wirst du schon früh genug merken. Also, was ist jetzt?«

»Äh … ich … ich weiß nicht«, stammelt Paul. »Also ich meine, mir fällt gerade ein, dass ich total vergessen habe, genug Geld einzustecken, ich hab nur … Hier, guck selber!« Er zieht zwei Euro aus seiner Jeans und hält sie dem Anführer hin. »Mehr hab ich nicht. Echt nicht!«

Die Typen aus der Bande grinsen wieder, als hätten sie schon die ganze Zeit gewusst, dass kein Wort von dem stimmte, was Paul erzählt hat. Es war alles umsonst, sein Trick hat nicht funktioniert!

Paul blickt sich um, ob nicht vielleicht doch gerade noch jemand kommt, der ihm helfen könnte. Aber da ist niemand, die Gasse ist wie ausgestorben, noch nicht mal hinter den Fenstern ist irgendeine Bewegung zu sehen.

»Echt blöd von mir, ich weiß«, versucht Paul es ein letztes Mal. »Aber ich hab euch nichts getan, und ich weiß auch gar nicht, was ihr überhaupt von mir wollt …«

»Dumm gelaufen, würde ich sagen«, erklärt der Anführer. »Du hast einen Fehler gemacht. Du hättest uns nicht anlügen sollen! Jetzt müssen wir dich bestrafen.«

Er sagt es so, als ob es ihm leidtäte, aber Paul weiß, dass das Quatsch ist. Und er ist sich völlig im Klaren darüber, dass sie ihn jetzt wahrscheinlich verprügeln werden. Oder ihm sein Fahrrad wegnehmen! Oder die neuen Turnschuhe …

Aber gleich darauf sieht er, wie das Mädchen mit der Kapuze den Anführer anstößt und mit dem Kopf auf einen Punkt hinter Paul zeigt. Auch die anderen starren jetzt nervös in die gleiche Richtung, als würden sie dort ein Gespenst sehen.

Ganz langsam dreht Paul sich um. Ein paar Meter hinter ihm steht ein Hund! Ein großer Hund, der das Nackenhaar aufgestellt hat und die Zähne fletscht. Knurrend kommt der Hund auf sie zu, als wollte er jeden Moment zum Angriff übergehen und einem von ihnen an die Kehle springen.

Die Bande weicht ein Stück zurück. Paul steht plötzlich ganz alleine mitten auf der Straße. Und der Hund kommt immer näher! Bis er direkt neben Paul steht – und die Bande anbellt.

Paul hat keine Ahnung, wo der Hund hergekommen ist, er hat ihn auch noch nie vorher gesehen. Aber wenn er sich nicht sehr täuscht, dann ist der Hund gerade dabei, ihn zu verteidigen! Als würde er ganz genau wissen, dass Paul Hilfe braucht …

»Ruf deinen Köter zurück!«, befiehlt ihm der Anführer, aber seine Stimme ist nicht viel mehr als ein heiseres Krächzen. Er hat richtig Angst! Und die anderen genauso!

Paul lässt den Hund noch einen Moment weiterbellen, bevor er leise sagt: »Ist gut jetzt. Mach Platz!«

Der Hund hört auf zu bellen und legt sich neben ihn. Aber sobald sich einer aus der Bande bewegt, fängt er sofort wieder an zu knurren.

»He«, ruft das Mädchen, »es war nicht so gemeint, okay? Sollte nur ein Spaß sein. Und jetzt halt den Hund fest und lass uns gehen!«

»Warte mal«, mischt sich plötzlich der Anführer ein. »Seht ihr das nicht, Leute? Das ist gar kein fremder Köter, wir kennen den Hund!« Er dreht sich zu Paul. »Kann es sein, dass du in die alte Villa oben am Wald gehörst?«

»Ja«, sagt Paul und nickt, wobei ihm nicht klar ist, warum sie sich jetzt alle anblicken und noch bleicher werden, als sie vorher schon waren.

»Dann … dann ist das …«, fängt das Mädchen an zu stottern.

»Der verdammte Killerhund!«, bringt der Anführer ihren Satz zu Ende. Er starrt Paul an und blafft: »Wo kommst du mit dem Köter her? Was soll das, Mann? Wieso …«

»Lass uns endlich abhauen!«, unterbricht ihn das Mädchen. »Ich hab keinen Bock auf Zoff. Und schon gar nicht, wenn der Killerhund dabei ist!«

Er kennt den Jungen mit dem Kopftuch, das weiß er jetzt ganz genau. Es ist derselbe Junge, der ein paarmal bei ihnen war, als es seine alte Familie noch gab. Der Junge hat sich immer mit dem großen Mädchen im Garten getroffen, um dann mit ihr über den Zaun zu klettern und abzuhauen. Genau wie an dem Tag, als das kleine Mädchen weinend hinter den beiden her in den Wald gelaufen ist. Und er seinen Strick durchgebissen hat und der Spur des Mädchens gefolgt ist …

Der Junge mit dem Kopftuch war es auch, der ihn dann angebrüllt und nach ihm getreten hat. Und dann waren plötzlich die anderen da, sie hatten Stöcke dabei und wollten ihn schlagen. Er ist sich sicher, dass es genau die waren, die da jetzt vor ihm stehen. Auch das Mädchen mit der Kapuze war dabei, er erkennt ihre Stimme wieder! Aber diesmal scheinen sie mehr Angst vor ihm zu haben als damals im Wald, das kann er riechen.

Er stellt noch einmal seine Nackenhaare auf, um größer zu wirken. Und er fängt wieder an zu knurren, obwohl der Junge neben ihm beruhigend auf ihn einredet. Jetzt drehen sich die anderen um und rennen weg! Er spannt gerade die Muskeln an, um aufzuspringen und sie zu verfolgen, als der Junge sagt: »Bleib!«

Er blickt zu dem Jungen und wedelt kurz mit dem Schwanz, um ihm zu zeigen, dass er ihn verstanden hat.

»Bei Fuß!«, sagt der Junge.

Er streckt sich und stellt sich neben den Jungen.

Der Junge hat gute Augen. Aber er kann deutlich spüren, wie er zittert, als er sich gegen sein Bein drückt. Er muss irgendetwas machen, damit der Junge ihm vertraut.

2. Kapitel

»Sitz!«, sagt Paul.

Der Hund setzt sich.

»Platz!«

Der Hund legt sich wieder hin. Er hält den Kopf schräg und blickt Paul von unten her an, als würde er auf den nächsten Befehl warten.

Seine Augen sind bernsteinfarben und sehen … intelligent aus, findet Paul. Aber auch ein bisschen unheimlich, fast wie bei einem Wolf. Und vor allem guckt er nicht weg. Als wollte er mit seinem Blick herausfinden, was Paul gerade denkt.

Paul ist der Erste, der seinen Blick abwendet. Erst jetzt bemerkt er, dass der Hund gar nicht so groß ist. Aber Paul erinnert sich noch gut an die scharfen Zähne, die er gerade erst mit zurückgezogenen Lefzen gezeigt hat. Auch da sah er fast aus wie ein Wolf! Gleich darauf fällt ihm wieder ein, wie die Bande etwas von einem »Killerhund« gerufen hat, bevor sie alle davongerannt sind.

Auf jeden Fall ist der Hund wie aus dem Nichts aufgetaucht und hat mich beschützt, denkt Paul. Und er hört auf Befehle, überlegt er weiter, als sei er richtig gut ausgebildet, aber er trägt kein Halsband! Überhaupt sieht sein Fell aus, als sei es schon seit Ewigkeiten nicht mehr gebürstet worden. Die Haare hinter den Ohren und an den Beinen sind verfilzt, und überall hat er Klettenreste hängen. An der rechten Vorderpfote klafft eine blutige Wunde, und auf dem Rücken hat er eine Stelle, da fehlt ihm ein ganzes Fellbüschel.

Als der Hund jetzt leise winselt und die Schwanzspitze bewegt, hockt sich Paul hin und streckt vorsichtig die flache Hand aus. Der Hund legt die Ohren an und schnuppert. Dann leckt er Paul über die Finger! Seine Zunge ist rau, aber trotzdem fühlt sich die Berührung gut an. Paul beugt sich noch weiter vor und flüstert: »Danke, dass du mir geholfen hast. Das war echt in letzter Sekunde, ich dachte schon, die Typen würden mich verprügeln und mir mein Fahrrad wegnehmen. Aber dann bist du gekommen!«

Mit der anderen Hand streicht Paul ihm jetzt ganz vorsichtig über das Fell und redet auf ihn ein, als müsste er dem Hund unbedingt erklären, wer er ist …

»Ich bin noch neu hier, weißt du? Und ich kenne eigentlich keinen, ich weiß auch nicht, wer die Typen waren. Aber du kennst sie, oder? Du weißt, dass sie fies sind, deshalb hast du mir geholfen! Aber warum nennen sie dich Killerhund? Das ist doch Quatsch. Was soll das? Ich würde dich … Dusty nennen! Ich finde, das ist ein guter Name für einen Hund. Dusty ist englisch und bedeutet so was wie schmutzig, glaube ich jedenfalls. Und dein Fell ist ja auch ziemlich schmutzig, das passt!«

Der Hund hört auf zu lecken und bellt ganz kurz. Als hätte er jedes Wort verstanden!

»Guter Hund«, flüstert Paul, um gleich darauf zu rufen: »Ich kann ja deine Rippen spüren! Du bist total abgemagert. Bestimmt hast du schon lange nichts mehr zu fressen gehabt. – So ein Mist«, schimpft er jetzt, »wenn ich dich bloß mit nach Hause nehmen könnte! Aber das geht nicht. Mein Vater mag keine Hunde, und meine Mutter flippt schon aus, wenn sie nur einen Dackel sieht. Aber Karlotta fände dich bestimmt toll, und du sie auch, da bin ich mir sicher. Karlotta ist meine kleine Schwester, und sie hat schon zwei Kaninchen, aber ein Hund wäre natürlich noch viel besser …«

Während Paul redet, überlegt er fieberhaft, ob es nicht vielleicht doch irgendeine Möglichkeit gibt, Dusty heimlich ins Haus zu schmuggeln. Aber ein Hund ist kein Kaninchen, ein Hund braucht jemanden, der mit ihm spielt, und muss rumrennen können. Und selbst wenn er ihn irgendwo versteckt, würden seine Eltern bestimmt etwas merken. Außerdem müsste er Futter für Dusty besorgen! Er könnte vielleicht ein- oder zweimal ein bisschen Wurst und Käse aus dem Kühlschrank klauen, ohne dass es auffällt, aber das würde nicht reichen. Genauso wenig wie sein Taschengeld reicht, um Futter zu kaufen! Und außerdem wüsste er sowieso nicht, wo er einen Hund im Haus verstecken sollte.

»Es geht nicht«, wiederholt er. »Tut mir echt leid. Du musst dir jemand anderen suchen, ich kann dich nicht mitnehmen.«

Dusty legt wieder den Kopf schief und blickt ihn mit seinen klugen Augen an.

Paul richtet sich auf. »Hau ab!«, ruft er. »Zieh Leine! Na los, jetzt mach schon, verschwinde endlich!«

Dusty spitzt die Ohren, aber er rührt sich nicht. Erst als Paul sein Fahrrad nimmt und losfährt, springt er auf und rennt schwanzwedelnd hinter ihm her.

»Nein, Dusty!«, ruft Paul und hält wieder an. »Hau ab!«

Dusty setzt sich auf die Hinterpfoten und blickt ihn fragend an. Paul hat eine Idee. Er hebt einen kleinen Stock auf, der am Bordstein liegt, und schleudert ihn so weit er kann über die Straße.

Dusty jagt kläffend los, um sich den Stock zu holen. Und Paul stemmt sich in die Pedale und rast in die andere Richtung davon. Aber er ist gerade erst an der nächsten Straßenecke, da hat Dusty ihn schon wieder eingeholt. Stolz legt er das Stöckchen genau vor Pauls Fahrrad.

»Gut gemacht, Dusty«, stöhnt Paul. »Aber das ist kein Spiel, du sollst abhauen, kapierst du das nicht?«

Dusty schiebt das Stöckchen mit der Schnauze ein Stück näher zu Paul und wedelt mit dem Schwanz.

Obwohl Paul sich am liebsten bücken und ihn streicheln würde, tut er so, als wollte er er nach ihm treten, und brüllt wieder: »Hau endlich ab, du verdammter Köter! Ich hab keine Zeit für dich!«

Dusty weicht zurück und winselt.

Eine alte Frau bleibt neben ihm stehen. »So spricht man nicht mit seinem Hund! Ein Hund ist ein guter Freund, also behandle ihn gefälligst auch so!«, schimpft sie.

»Aber … aber … das ist nicht mein Hund«, stammelt Paul. »Ich kenne ihn überhaupt nicht!«

»Das kann jeder sagen«, erwidert die Frau. »Aber ich hab genau gesehen, dass er mit dir spielen will. Und du hast wahrscheinlich keine Lust, mit ihm in den Park zu gehen, weil du lieber irgendwelchen Blödsinn anstellst. Dabei ist es ein schöner Hund, auf den du stolz sein solltest!« Ohne eine Antwort abzuwarten, bückt sie sich zu Dusty. »Na, mein Kleiner, ist dein Herrchen böse zu dir, ja? Komm mal her …«

Sie streckt die Hand aus, um Dusty zu streicheln.

Dusty legt die Ohren an und knurrt leise.

»Was hast du denn?«, wundert sich die Frau. »Und wie siehst du überhaupt aus? Dein Fell ist ja völlig verfilzt, und du bist auch viel zu mager! Das ist ja wohl …«

Sie blickt wieder zu Paul und fängt richtig an zu schimpfen.

»Sag mal, kümmerst du dich überhaupt nicht um deinen Hund? Das ist ja ein Fall für den Tierschutzverein! Der Hund ist halb verhungert und hat Angst, das sieht doch jeder! Und jetzt nimmst du ihn gefälligst und bürstest ihn erst mal und gibst ihm was zu fressen, sonst bekommst du es nämlich mit mir zu tun! Wie heißt du überhaupt? Ich hab dich hier noch nie gesehen. Wo wohnst du? Na los, ich warte auf eine Antwort, wird’s bald?«

»Ist schon okay«, sagt Paul, weil er sowieso weiß, dass die Frau ihm nicht glauben wird. »Komm, Dusty, wir fahren!«

»Dusty heißt er also!«, ruft die Frau hinter ihm her. »Ich wusste doch, dass er zu dir gehört. Aber ich hab mir dein Gesicht gemerkt! Und wenn ich dich noch mal treffe und der Hund immer noch so aussieht, dann kannst du dich auf was gefasst machen!«

Paul beeilt sich wegzukommen, bevor noch mehr Leute auf ihn aufmerksam werden. Und Dusty rennt brav neben ihm her, als wäre alles in bester Ordnung.

An der nächsten Ecke ist ein Friedhof. Mit einer hohen Mauer und einem Eisengittertor. Paul hält an und sagt: »Sitz, Dusty. Bleib!«

Dusty setzt sich und beobachtet aufmerksam, wie Paul das Tor aufzieht und sein Fahrrad hindurchschiebt.

»Bleib!«, sagt Paul noch mal und lässt das Tor hinter sich zufallen. »Tut mir leid, Alter, es geht nicht anders.«

Er schwingt sich wieder auf sein Rad und strampelt los. Nach ein paar Metern blickt er über die Schulter zurück. Und sieht gerade noch, wie Dusty mit einem einzigen Satz über das Tor springt!

Paul ist kurz davor zu heulen. Genauso hat er es sich immer vorgestellt, wenn er von einem eigenen Hund geträumt hat. Dass der Hund ihm auf Schritt und Tritt folgt! Aber es hilft alles nichts, er muss Dusty irgendwie loswerden.

Zum ersten Mal überlegt er jetzt, wo Dusty eigentlich hingehört. Vielleicht hat er sich einfach verlaufen, und irgendwo wartet jetzt jemand auf ihn und sucht nach ihm und macht sich Sorgen. Paul weiß, dass viele Hunde einen Chip haben, mit irgendeiner Nummer, über die man den Besitzer rauskriegen kann. Am besten wäre es also, wenn er mit Dusty zum nächsten Tierarzt fährt!

»Hör mal zu, Dusty«, sagt Paul ganz ruhig. »Wir müssen rauskriegen, wo du hingehörst. Und bestimmt wird alles gut, glaub mir!«

Er streichelt Dusty über den Kopf. Dusty zieht die Lefzen hoch und zeigt die Zähne. Aber diesmal sieht es nicht gefährlich aus, sondern eher so, als würde er grinsen.

Wieder merkt Paul, dass er kurz davor ist zu heulen. Dusty wäre genau der richtige Hund für ihn, zusammen könnten sie jede Menge Abenteuer erleben – und es würde nie langweilig werden und Paul brauchte auch nie wieder Angst zu haben …

»Komm«, sagt er leise und schiebt sein Fahrrad zurück zum Ausgang. Dusty folgt ihm, ohne zu zögern. Auch als ein Eichhörnchen direkt vor ihnen an einem Baum hochklettert, spitzt er nur die Ohren, bleibt aber ganz dicht bei Paul.

Gleich gegenüber von dem Friedhof ist eine Tankstelle. Paul lehnt sein Fahrrad an eine Zapfsäule und befiehlt Dusty, sich hinzusetzen.

»Mach Platz und pass auf mein Rad auf. Ich bin gleich wieder da.«

Dann fragt er die Frau hinter dem Tresen, ob sie weiß, wo es in der Nähe einen Tierarzt gibt.

»Klar, gar nicht weit von hier. Du musst nur bis zur Kreuzung, dann siehst du auf der rechten Seite schon die Praxis. Was fehlt deinem Hund denn? Ist er krank?«

»Ich weiß nicht genau«, lügt Paul schnell, »deshalb will ich ja zum Tierarzt mit ihm.«

Die Frau nickt, aber gleich darauf beugt sie sich weit über die Kasse, um Dusty vor dem Fenster besser sehen zu können.

»Sag mal, ist das ein Aussie?«

»Was?«

»Ein Australian Shepherd!?«

»Ja, kann sein«, sagt Paul und merkt im gleichen Moment, dass seine Antwort nicht gerade genial war. »Also, ich meine, klar, Aussie, stimmt schon.«

»Oder vielleicht doch ein Border Collie? Den Unterschied kann man manchmal nur schwer erkennen …«