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E-Book 16-21 E-Book

Viola Maybach

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Beschreibung

Viola Maybach hat sich mit der reizvollen Serie "Der kleine Fürst" in die Herzen der Leserinnen und Leser geschrieben. Alles beginnt mit einem Schicksalsschlag: Das Fürstenpaar Leopold und Elisabeth von Sternberg kommt bei einem Hubschrauberunglück ums Leben. Ihr einziger Sohn, der 15jährige Christian von Sternberg, den jeder seit frühesten Kinderzeiten "Der kleine Fürst" nennt, wird mit Erreichen der Volljährigkeit die fürstlichen Geschicke übernehmen müssen. "Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Keine Leseprobe vorhanden. E-Book 1: Liebe auf den dritten Blick E-Book 2: Das Geheimnis der schönen Fremden E-Book 3: Wenn du lügst… E-Book 4: Ein Mann aus besten Kreisen E-Book 5: Er liebt eine Prinzessin E-Book 6: Hochzeit ohne Braut!

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Inhalt

Liebe auf den dritten Blick

Das Geheimnis der schönen Fremden

Wenn du lügst…

Ein Mann aus besten Kreisen

Er liebt eine Prinzessin

Hochzeit ohne Braut!

Der kleine Fürst – Jubiläumsbox 4 –

E-Book 16-21

Viola Maybach

Liebe auf den dritten Blick

Roman von Viola Maybach

»Natürlich sind die beiden füreinander bestimmt«, stellte Gräfin Rosa zu Heestum fest.

Die drei Personen, an die sich diese Aussage richtete, waren offenbar ihrer Meinung, denn sie nickten einträchtig.

»Da sie das aber anders sehen, müssen wir ihrem Glück allmählich ein wenig auf die Sprünge helfen«, fuhr die Gräfin fort. »Jedenfalls sehe ich das so – oder hat jemand einen besseren Vorschlag?«

»Was stellst du dir denn vor?« erkundigte sich Rosas Mann, Graf Albrecht zu Heestum, zögernd. »Wie hilft man einer Liebe auf die Sprünge?«

Der zweite Mann in der Runde, Jakob von Bebenburg, lächelte, weil der Graf die Frage gestellt hatte, die ihn ebenfalls bewegte. »Das hätte ich auch gern gewußt, Rosa. Unsere Kinder sind beide sehr eigenwillige Geschöpfe – Clarissa vielleicht sogar noch mehr als Bernhard. Und sie hat sich ja nun unglücklicherweise auch noch in diesen französischen Filmregisseur verliebt, wie ihr wißt. Wir haben schon mehrfach vorsichtig versucht, ihr diese Verbindung auszureden, aber das scheint sie eher zu ermutigen, erst recht daran festzuhalten.«

»Aber natürlich tut es das«, rief Gräfin Rosa. »Mir scheint, ich kenne eure Tochter besser als ihr! Man darf doch Clarissa nichts ausreden wollen – im Gegenteil.«

»Was willst du denn damit sagen, Rosa?« fragte Anina von Bebenburg, die bis jetzt geschwiegen hatte.

»Daß Clarissa sich durch Widerspruch erst recht angespornt fühlt, an ihrer Meinung festzuhalten. Kennt ihr diesen französischen Regisseur?«

»Ja, leider, kann ich nur sagen, sonst hätten wir ja nicht versucht einzugreifen. Wäre er ein netter und kultivierter Mensch, hätten wir uns vielleicht zurückgehalten, aber er ist aufgeblasen und eitel. Das einzige, was ihn an Clarissa wirklich fasziniert, ist ihre gesellschaftliche Stellung. Der junge Mann möchte Karriere machen und verspricht sich von der Beziehung zu einer attraktiven Adeligen, die mit vielen Künstlern in aller Welt befreundet ist, einige Vorteile. Zumindest sehe ich das so.« Anina wandte sich mit fragendem Blick an ihren Mann. »Oder übertreibe ich, Jakob? Tue ich diesem Jean-Pierre Unrecht?«

»Leider nicht«, antwortete Jakob mit düsterem Gesicht. »Selbst wenn ich mir nicht so sehr wünschen würde, daß Clarissa und Bernhard ein Paar werden, fände ich die Beziehung unserer Tochter zu diesem Mann schrecklich. Vor allem verstehe ich Clarissa nicht. Wie kann sie sich so blenden lassen – wo wir doch praktisch auf den ersten Blick gesehen haben, was für ein Mensch er ist?!«

Es war Graf Albrecht, der das Gespräch zurück zum Ausgangspunkt lenkte, indem er seine Frau fragte: »Wie stellst du dir denn unser Eingreifen in dieser Angelegenheit vor, Rosa? Wie ich dich kenne, hast du doch bestimmt schon einen Plan.«

Gräfin Rosa schüttelte den Kopf, während eine flüchtige Röte ihre Wangen überzog. Sie hatte noch immer das hellblonde feine Haar ihrer Jugend, und ihre porzellanfarbene Haut, die sie sorgfältig vor der Sonne schützte, zeigte kaum Spuren des Alters. Im vergangenen Jahr war sie fünfzig Jahre alt geworden, aber das sah ihr niemand an. Hinter ihrem zarten Äußeren verbargen sich ein starker Wille und enorme Zähigkeit, wenn es darum ging, bestimmte Ziele zu erreichen. »Nein«, erwiderte sie jetzt, »einen Plan kann man das nicht nennen, was ich vorzuschlagen habe.«

»Immerhin hast du einen Vorschlag, das dachte ich mir doch. Also, heraus mit der Sprache!« forderte der Graf seine Frau auf.

»Ich denke«, sagte Rosa nach einigen Sekunden, »daß wir Clarissa und Bernd wieder einmal zusammenbringen müßten – und zwar so, daß es wie Zufall aussieht. Die beiden haben sich seit Jahren nicht gesehen, denn bei ihrem letzten Treffen gab es diesen fürchterlichen Streit. Clarissa war ein bißchen pummelig geworden, sie hatte sich die Haare außerdem raspelkurz schneiden lassen und sah nicht sehr vorteilhaft aus. Bernd hat ihr das auf sehr uncharmante Art ständig unter die Nase gerieben. Außerdem fand er sich damals unwiderstehlich und hat mit seinen Erfolgen – tatsächlichen und eingebildeten – angegeben. Es war eine sehr unerfreuliche Begegnung.«

Sie sah einmal in die Runde und rief erstaunt: »Ja, wißt ihr das denn nicht mehr?«

»Damals war ihr letztes Treffen?« fragte Jakob ungläubig. »Das kann doch nicht sein, Rosa – das ist ja mindestens fünf Jahre her!«

»So ist es. Was ich damit sagen will: Die letzte Erinnerung, die die beiden aneinander haben, ist eine denkbar ungünstige. Und wenn wir, die liebenden Eltern, immer wieder auf die Vorzüge der einen oder des anderen hinweisen, dann lächeln sie natürlich nur mitleidig und nehmen uns nicht ernst. Sie konnten sich damals nicht ausstehen, und wir haben darüber gelacht, weil wir wußten, daß es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich das ändern würde. Was wir nicht ahnen konnten war, daß sie sich nach dieser unerfreulichen Begegnung so beharrlich aus dem Weg gehen würden.«

»Wenn das wirklich so ist«, murmelte Graf Albrecht, »dann bin ich dafür, deinem Vorschlag zu folgen und ein Treffen zu arrangieren.«

»Ich auch«, stimmte Jakob zu und wandte sich an seine Frau. »Was ist mit dir, Anina?«

»Ich habe nachgedacht, ob es stimmt, was Rosa behauptet – daß sich die beiden seit fünf Jahren nicht gesehen haben. Und mir fällt tatsächlich kein weiteres Treffen ein. Also bin ich natürlich ebenfalls dafür, Rosas Vorschlag anzunehmen. Aber eins sage ich euch: Es muß wirklich wie Zufall aussehen, sonst stellen die beiden sofort wieder die Stacheln auf.«

Rosa lächelte. »Oh, darüber braucht ihr euch keine Sorgen zu machen! Sofia von Kant veranstaltet zufällig in zwei Wochen einen ihrer berühmten Wohltätigkeitsbasare auf Schloß Sternberg – und sie hat Bernd dazu gebracht, als Auktionator aufzutreten für ein paar wertvolle Stücke, die versteigert werden sollen. Ihr wißt ja, daß er das schon immer gern gemacht hat. In diesem besonderen Fall wird er das zusammen mit dem kleinen Fürsten tun – es soll DIE Attraktion des Basars werden. Wenn ich Sofia einen kleinen Hinweis gebe, daß sie auch für Clarissa eine Aufgabe finden soll, dann tut sie mir diesen Gefallen sicherlich gerne.«

»Du bist genial, Rosa!« stellte Anina mit strahlendem Lächeln fest. Ihre dunklen Augen funkelten vor Vergnügen. Sie wurde jedoch gleich wieder ernst. »Sag mal, der kleine Fürst, kann er denn schon wieder öffentlich auftreten?«

»Ja, Sofia glaubt sogar, daß seine aktive Teilnahme am Basar ihm gut tun wird.«

Sie sprachen von Prinz Christian von Sternberg, der vor einigen Monaten bei einem furchtbaren Unglück beide Eltern verloren hatte – das Fürstenpaar Elisabeth und Leopold von Sternberg. Seitdem war er in die Familie seiner Tante Sofia von Kant aufgenommen worden, die eine Schwester seiner Mutter gewesen war. Sofia, ihr Mann und ihre beiden Kinder hatten schon vorher auf Sternberg gelebt, so daß der kleine Fürst zumindest nicht auch noch sein Zuhause verloren hatte.

»Armer Junge«, murmelte Anina. »Im Alter von fünfzehn Jahren Vollwaise zu werden...«

»Wieso heißt er eigentlich der kleine Fürst?« erkundigte sich Jakob von Bebenburg.

»Ihr müßt meine Wissenslücke entschuldigen, aber ihr kennt euch auf Sternberg alle besser aus als ich.«

»Ach, es gibt verschiedene Erklärungen dafür«, antwortete Graf Albrecht. »Christian und sein Vater waren ein Herz und eine Seele, man sah sie oft zusammen – und irgendwann hatten sie diese Namen weg: der große und der kleine Fürst. Manche behaupten aber auch, Christian werde so genannt, weil sein Vater so groß war. Jedenfalls wird es mit diesem Namen vorbei sein, wenn der Junge erst einmal volljährig ist. Dann ist er der große Fürst – unabhängig von seiner Körpergröße.«

Eine Weile schwiegen alle, dann wandte sich das Gespräch wieder dem bevorstehenden Basar zu. »Ich freue mich schon auf die Gesichter unserer Kinder«, meinte Anina.

Doch Rosa hob warnend die Hand. »Wir sollten dieser Veranstaltung lieber fernbleiben«, entgegnete sie. »Sonst ahnen die beiden doch gleich wieder, daß wir dahinterstecken.«

»Also, das finde ich jetzt aber nicht«, widersprach Jakob, und auch Graf Albrecht schüttelte den Kopf und sagte: »Wir können doch sagen, daß wir Bernds Auftritt als Auktionator nicht verpassen wollen – und was immer Clarissa auf diesem Basar tun wird, ihr könnt sagen, daß ihr sie unterstützen möchtet.«

»Vielleicht«, gab Rosa zu. »Aber am unverdächtigsten wäre es, wenn unsere Kinder uns bitten würden, dabei zu sein.« Die anderen sahen ihr an, daß sie bereits darüber nachdachte, wie das zu bewerkstelligen wäre. Es machte ihr großen Spaß, im Hintergrund ein paar Fäden zu ziehen. Geschadet hatte sie durch ihre Aktivitäten freilich noch niemandem, das lag ihrer Natur ganz fern.

»Dann rede ich also noch einmal mit Sofia«, erklärte sie. »Und dann hoffen wir, daß unsere Kinder endlich erkennen, was wir schon längst wissen.«

»Sie sind füreinander bestimmt!« sagte Anina feierlich.

Auch die beiden Männer nickten. Sie waren sonst mit solchen Aussagen eher zurückhaltend, aber in diesem besonderen Fall gab es für sie keinen Zweifel.

*

Das Telefon riß Clarissa von Bebenburg aus angenehmen Träumen, und so war sie zunächst geneigt, es einfach klingeln zu lassen. Man mußte ja nicht immer und überall verfügbar sein! Sie wollte lieber noch ein bißchen über das nachdenken, was Jean-Pierre am vergangenen Abend zu ihr gesagt hatte: »Nie zuvor habe isch für eine Frau empfunden, was isch für disch empfinde, Chérie!« Allein dieses ›Chérie‹ fand sie unwiderstehlich, und dazu noch sein Akzent...

Das Telefon gab keine Ruhe, und endlich siegte Clarissas Neugier. Allerdings war ihrer Stimme der Unwille wohl noch anzuhören, denn noch bevor sich die Anruferin mit Namen meldete, fragte sie: »Oh, habe ich dich gestört, Clarissa? Dann entschuldige bitte. Hier ist Sofia von Kant, ich kann dich ein anderes Mal anrufen.«

Clarissa beeilte sich, die Bedenken der Baronin zu zerstreuen. »Aber nein, du störst nicht, Sofia. Entschuldige, ich war nur in Gedanken.«

»Bist du sicher? Sonst telefonieren wir lieber zu einem anderen Zeitpunkt, ich wollte dich nämlich um etwas bitten – und bevor ich es riskiere, mir einen Korb zu holen, lege ich jetzt lieber wieder auf.«

Nun war Clarissas Neugier erst recht geweckt. »Aber nein!« rief sie. »Worum wolltest du mich denn bitten?«

»Du hast vielleicht schon gehört, daß wir in zwei Wochen einen Wohltätigkeitsbasar auf Schloß Sternberg veranstalten?«

»Nein«, mußte Clarissa zugeben, »das wußte ich nicht.« Jean-Pierre hatte sie so in Atem gehalten mit seinen Bitten, sie diesem und jenem einflußreichen Menschen vorzustellen, daß sie kaum dazu gekommen war, ihre eigenen Kontakte zu pflegen. Sogar ihre Freundinnen hatte sie vernachlässigt, sich aber damit getröstet, daß das nur eine vorübergehende Phase war. Sie würde alles nachholen, sobald sich Jean-Pierre in deutschen Filmkreisen richtig etabliert hatte. Es war ihr eine Freude, ihm dabei behilflich sein zu können.

»Dann weißt du es also jetzt«, erklärte die Baronin. »Ich möchte dich dazu einladen, Clarissa – dich aber auch bitten, eine Aufgabe zu übernehmen.«

»Ich?« fragte Clarissa verwundert. »Was könnte ich denn schon tun?«

Die Baronin lachte. »Oh, keine Angst, es ist nichts Schlimmes, ich denke, es würde dir sogar Freude bereiten. Du bist eine der bestangezogenen jungen Frauen, die ich kenne. Wir bekommen viele abgelegte Kleidungsstücke gespendet, die aber natürlich nicht besonders attraktiv wirken, wenn sie nur auf einem Bügel hängen. Meine Idee war es, vielleicht eine kleine Modenschau zu veranstalten. Wenn du ein paar Freundinnen mitbringst, die Spaß daran hätten, über einen Laufsteg zu laufen, dann würde ich dir gern die Organisation dieser Modenschau übertragen – und dich natürlich auch bitten, selbst einige Modelle vorzuführen.«

»Sofia!« rief Clarissa überwältigt. »Es wäre mir eine Ehre, das zu tun.« Sie wußte, daß die ›abgelegten Kleidungsstücke‹, von denen die Baronin gesprochen hatte, in der Regel von erstklassiger Qualität waren – nicht selten wurden bei solchen Gelegenheiten auch Ballroben gespendet, die nur ein einziges Mal getragen worden waren. Sie sah sich schon in einer davon über den Laufsteg schweben.

»Dann machst du es also?« fragte Sofia.

»Aber natürlich mache ich es. Sag mir bitte nur noch den genauen Termin, Sofia, den muß ich mir notieren. Ich bin im Augenblick ziemlich viel unterwegs.«

»Beruflich oder privat?« erkundigte sich die Baronin, nachdem sie Clarissa den Termin genannt hatte.

»Beruflich«, erklärte Clarissa nach kurzem Zögern.

Sie hätte Sofia gern von Jean-Pierre erzählt, allerdings nicht am Telefon. Ihre Eltern hatten sich von den Qualitäten des jungen Regisseurs bisher leider nicht überzeugen lassen, dabei war er ohne Zweifel genial. Aber eben auch, wie viele Künstler, manchmal unnahbar und egoistisch. Wären ihre Eltern nicht so voller Ablehnung gewesen, hätte sie gern mit ihnen über die schwierigen Seiten von Jean-Pierres Charakter gesprochen, doch sie wollte ihnen nicht noch mehr Gründe liefern, ihn abzulehnen. Aber vielleicht konnte sie sich auf Sternberg Sofia anvertrauen?

»Dann plane ich dich also fest ein«, sagte die Baronin und riß Clarissa damit aus ihren Gedanken.

»Ich freue mich sehr auf die Aufgabe, die du mir zugedacht hast, Sofia!«

Erst nach dem Gespräch kam Clarissa die Idee, Jean-Pierre zu fragen, ob er sie nicht begleiten wollte. Auf einem Wohltätigkeitsbasar traf man immer viele vermögende und einflußreiche Leute, die ihm vielleicht helfen konnten. Sie beschloß, ihm abends diesen Vorschlag zu machen – Sofia und ihr Mann waren als sehr gastfreundlich bekannt, sie hatten sicherlich nichts dagegen.

Die Vorstellung, einige Tage mit Jean-Pierre auf Sternberg zu verbringen, zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen. In einer solchen Umgebung würden sich alle Schwierigkeiten in Windeseile in Luft auflösen!

*

»Du darfst die Auktion mitleiten«, maulte Anna von Kant. »Und ich? Ich lande garantiert an so einem Stand, wo Häkeldeckchen verkauft werden.«

»Dann denk dir doch selbst etwas aus«, schlug ihr Cousin Christian von Sternberg vor, der kleine Fürst.

Sie saßen wieder einmal ganz hinten im letzten Pferdestall, an ihrem Lieblingsplatz, wo sie in der Regel ungestört blieben. Hier wurden sie nicht belauscht und konnten daher über alles reden, was nicht für fremde Ohren bestimmt war. Fast jeden Tag trafen sie sich an diesem etwas schmuddeligen Ort, an den sich höchstens mal ein Pferdepfleger verirrte – aber auch das kam nur sehr selten vor.

»Mir fällt aber nichts ein!« Anna wollte sich nicht aufheitern lassen. Alle Schloßbewohner freuten sich auf den bevorstehenden Basar, der zwei Mal pro Jahr veranstaltet wurde und immer auch ein gesellschaftliches Ereignis war – dafür sorgten schon die illustren Gäste, die dazu eingeladen wurden. Bei schlechtem Wetter wurde das Geschehen ins Schloß verlagert, dem Erfolg des Basars hatte das bisher noch nie geschadet.

»Du könntest dich verkleiden und mit einer Sammelbüchse herumgehen«, schlug Christian vor, selbst nicht ganz überzeugt von dieser Idee. »Wenn du ein gutes Kostüm hast, spenden die Leute ganz bestimmt.«

»Ich will aber lieber was mit anderen zusammen machen«, erklärte Anna. »So wie du mit Bernd zu Heestum – das stelle ich mir lustig vor.«

»Vielleicht kannst du dich auch noch an der Auktion beteiligen«, meinte Christian.

Anna schüttelte den Kopf. »Ihr braucht mich nicht«, stellte sie trübsinnig fest.

»Na, wenn man es so nimmt, braucht Bernd mich eigentlich auch nicht«, hielt Christian ihr entgegen. »Ein Auktionator reicht normalerweise. Aber er will mich als seinen Assistenten einführen, ich soll mich ab und zu ein bißchen tolpatschig anstellen, dann greift er ein – und die Leute haben etwas zu lachen. So ist es jedenfalls geplant.«

»Siehst du? Zwei, die sich tolpatschig anstellen, kann er bestimmt nicht gebrauchen«, sagte Anna.

Im Stillen gab Christian ihr recht, aber das sagte er nicht laut, Anna war so schon deprimiert genug. In dem Bestreben, sie abzulenken, fragte er: »Kannst du nicht etwas mit Sabrina zusammen machen? Die kommt doch auch – und zu zweit ist es immer leichter, etwas zu planen.«

Sabrina war Annas Freundin – und zugleich Christians erste Liebe. Er glaubte, daß niemand etwas von den Gefühlen wußte, die er dem schönen blonden Mädchen entgegenbrachte, doch darin irrte er sich gewaltig. Anna, die eine gute Beobachterin war, hatte sein Geheimnis längst entdeckt, aber da sie nicht nur Christians Cousine war, sondern auch seine gute und treue Freundin, ließ sie sich nichts davon anmerken.

Sein Vorschlag jedenfalls verscheuchte endlich den mißmutigen Ausdruck von ihrem Gesicht. »Das ist eine gute Idee!« rief sie lebhaft. »Ich rufe sie gleich an und frage sie, ob sie Lust hat, sich mit mir zusammen etwas auszudenken.«

Christian war froh, daß seine kleine List erfolgreich gewesen war. Anna war ein großartiges Mädchen, sie hatte selten schlechte Laune – aber seit einiger Zeit grämte sie sich sehr über ihre Zahnspange, die sie ihrer Ansicht nach häßlich machte. Dann konnte schon ein Blick in den Spiegel ihr für den Rest des Tages die Stimmung verderben. Er vermutete, daß heute so ein Tag war. »Dann laß uns zurückgehen«, schlug er vor.

»Du telefonierst mit Sabrina, und ich schreibe endlich diesen Aufsatz, den ich schon seit drei Tagen vor mir herschiebe.«

Anna war einverstanden, und auch Togo, Christians Boxer, freute sich offensichtlich, daß sie den düsteren Stall endlich wieder verließen. Fröhlich bellend stürmte er ins Freie und jagte gleich darauf in langen Sprüngen auf das beeindruckende Schloßgebäude zu.

*

Graf Bernhard zu Heestum betrachtete Cornelia von Laatz nachdenklich. Sie hatten sich in einem Café getroffen, um zusammen zu Mittag zu essen, wie sie es gelegentlich taten, wenn seine Arbeit eine längere Pause zuließ. Cornelia sah hübsch aus mit ihren wilden roten Locken und den leicht schräg stehenden grünen Augen, sie entstammte einer erstklassigen Familie und als er sie kennengelernt hatte, war er fasziniert von ihrer unbekümmerten Art gewesen. Jetzt jedoch beschlich ihn immer öfter ein Gefühl der Langeweile in ihrer Gegenwart, weil es nichts gab, worüber er sich mit ihr ernsthaft hätte unterhalten können. Schnitt er zum Beispiel ein politisches Thema an, verzog sie sofort das Gesicht. »Verschon mich, Bernd!« sagte sie dann. »Davon verstehe ich nichts, und es interessiert mich auch nicht.« Das Gleiche sagte sie aber auch bei allen anderen Themen, nur wenn es um Mode oder Filmstars ging, wurde sie wach und hatte eine eigene Meinung. Sie hielt sich etwas darauf zugute, daß sie immer die neuesten Modelle trug und ›ihrer Zeit voraus war‹, wie ein Journalist einmal über sie geschrieben hatte.

Trotz dieser Gedanken fragte er, weil er es für ungefährlich hielt: »Hast du Lust, mich nach Sternberg zu begleiten? Du hast sicher schon von dem Wohltätigkeitsbasar gehört, der dort alle sechs Monate veranstaltet wird...«

Er kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden, denn Cornelia reagierte überraschend lebhaft. »Jeder hat davon gehört – sag bloß, du hast eine Einladung bekommen!«

»Nicht nur das, ich soll dort sogar ein paar kostbare Stücke versteigern, die gespendet wurden, zusammen mit Prinz Christian«, erwiderte Bernhard. »Ehrlich gesagt, ich hatte angenommen, daß dich eine solche Veranstaltung nicht sonderlich interessiert...« Denn sonst, setzte er in Gedanken hinzu, hätte ich dich nicht gefragt, ob du mich begleiten willst.

»Du kennst mich eben nicht«, entgegnete sie. »Natürlich interessiere ich mich dafür, sehr sogar. Da kommen viele einflußreiche Leute hin, man kann Kontakte knüpfen, und gleichzeitig tut man noch ein gutes Werk, wenn man für einen guten Zweck spendet.«

Bernhard unterdrückte einen Seufzer. Er hätte es wissen müssen! Cornelia ließ sich keine Gelegenheit entgehen, in erlesener Gesellschaft ihre ausgefallene Garderobe vorzuführen. Nun konnte er keinen Rückzieher mehr machen. Er lächelte mühsam und sagte: »Dann ist das ja geklärt. Vielleicht könntest du sogar eine Aufgabe übernehmen. Baronin Sofia sucht noch nach Helferinnen und Helfern.«

Doch Cornelia verzog das Gesicht und schüttelte entschieden den Kopf. »Daran habe ich kein Interesse, Bernd, und ich habe auch kein Talent dafür. An einem Stand stehen und etwas für einen guten Zweck verkaufen: Das ist nichts für mich, tut mir leid. Ich will gerne großzügig spenden, aber dafür will ich dann auch meinen Spaß haben.«

Natürlich, dachte Bernhard ein wenig boshaft, die Spende kostet dich ja auch nichts! Cornelia lebte vom Geld ihrer Eltern, sie hielt es für überflüssig, selbst welches zu verdienen. Er hatte zu Beginn ihrer Bekanntschaft gedacht, daß sie in einer Werbeagentur arbeitete, doch das hatte sich bald als Mißverständnis herausgestellt.

Nein, es gab keine Gemeinsamkeiten zwischen ihnen, auch sie sah das wohl mittlerweile so. Er war sicher, daß er ihr das Herz nicht brechen würde, wenn er ihr nach dem Basar auf Sternberg die Trennung vorschlug.

Sie gab ihm einen flüchtigen Kuß auf die Wange und stand auf. »Ich muß los«, sagte sie, »wenn ich noch etwas Passendes zum Anziehen finden will, muß ich schleunigst mit dem Suchen anfangen.«

Bernhard konnte es nicht glauben. Es war noch über eine Woche hin bis zum Basar – wollte sie etwa sieben Tage lang durch die Geschäfte ziehen, um ›etwas Passendes‹ zum Anziehen zu finden? Sie, die ein ganzes Zimmer voller Kleiderschränke hatte, die überquollen? Er fragte sich, wieso er ihre Oberflächlichkeit nicht schon früher erkannt hatte.

Na ja, besser spät als nie, dachte er dann und bat den Kellner, ihm einen Espresso zu servieren.

*

»Komm her«, sagte Baron Friedrich von Kant zu seiner Frau. »Du siehst aus, als brauchtest du ein wenig Aufmunterung.«

Sofia ging zu ihm, ließ sich in seine Arme fallen und erwiderte: »Warum tue ich mir das zwei Mal im Jahr an, Fritz, kannst du mir das mal verraten?«

»Weil du ein Herz für diejenigen hast, die Hilfe brauchen«, erwiderte er. »Und wenn alles wieder einmal fabelhaft geklappt hat, du eine Menge Geld gesammelt hast und alle Gäste begeistert nach Hause gefahren sind, vergißt du, wie viel Arbeit und Streß so ein Basar im Vorfeld bedeutet. Das war bisher jedesmal so – und es wird auch diesesmal wieder so sein.«

»Glaubst du?« Ihre Stimme klang ungewohnt zaghaft.

Er legte eine Hand unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzuschauen. »Was ist denn los?« fragte er verwundert. »Gibt es Schwierigkeiten, von denen ich noch nichts weiß?«

»Nein, eigentlich nicht. Das Programm steht, bisher hat noch niemand abgesagt, und der Wetterbericht läßt mich hoffen, daß wir den Basar draußen abhalten können. Es ist nur so, daß Anna...« Sie brach ab.

»Was ist mit Anna?« forschte der Baron.

»Sie wollte etwas mit Sabrina zusammen machen, aber die beiden konnten sich offenbar nicht einigen. Nun haben sie sich gestritten, Sabrina will nicht kommen, Anna hat ständig rote Augen und mir vorhin mitgeteilt, sie wolle mit dem Basar überhaupt nichts mehr zu tun haben.«

»Soll ich mal mit ihr reden?« fragte Friedrich.

»Nein, besser nicht. Dann merkt sie, daß wir über sie gesprochen haben, und das wäre bestimmt nicht hilfreich, Fritz. Du weißt doch, wie empfindlich sie derzeit ist.«

Er nickte nachdenklich. »Liegt das wirklich nur an dieser Zahnspange?« fragte er. »Ich finde, Anna ist ein sehr, sehr hübsches Mädchen, und mir fällt die Zahnspange überhaupt nicht auf – aber sie scheint ja zu glauben, daß ihr jeder nur auf den Mund sieht und sich dann über sie lustig macht.«

»Sie ist dreizehn«, erwiderte Sofia.

»In dem Alter ist man unsicher und sieht Probleme, wo gar keine sind. Anna bildet da keine Ausnahme, Fritz. Und wenn wir ihr sagen, wie hübsch sie ist, zählt das nicht. Wir sind ihre Eltern und damit nicht objektiv. So sieht sie das.«

»Kann sie nicht bei dieser Modenschau mitmachen?« fragte der Baron.

Sofia sah ihn vollkommen entgeistert an, und er glaubte schon, einen sehr dummen Vorschlag gemacht zu haben – doch gleich darauf küßte sie ihn strahlend und rief: »Wie konnte ich nur so dumm sein, auf diesen naheliegenden Gedanken nicht selbst zu kommen? Ach, Fritz, wie gut, daß wir über Anna gesprochen haben!« Sie wand sich aus seinen Armen, und gleich darauf hörte er sie mit lebhafter Stimme telefonieren.

Lächelnd setzte er sich in einen Sessel und griff nach der Zeitung, wo er sofort auf einen Artikel stieß, der auf den bevorstehenden Basar hinwies.

Das Ereignis warf offenbar überall seine Schatten voraus!

*

»Was ist eigentlich vorgefallen zwischen Anna und dir?« fragte Christian, als es ihm auf dem Schulhof während der großen Pause gelungen war, Sabrina von Erbach allein zu sprechen. Das war nicht einfach, denn meistens sah man sie inmitten eines ganzen Pulks von Mädchen aus ihrer Klasse. Sabrina war sehr beliebt, mit ihr wollten viele befreundet sein.

»Wir haben uns gestritten«, erwiderte sie, wobei sie seinem Blick auswich.

»Das weiß ich. Aber es kann doch nicht so schwer sein, sich wieder zu versöhnen, Sabrina«, sagte er. »Anna sagte, du willst nicht einmal zu unserem Basar kommen...«

»Will ich auch nicht«, erklärte Sabrina. »Bitte, Chris, laß uns nicht mehr darüber reden.«

Er griff nach ihrer Hand, halb gefaßt darauf, daß sie sie ihm entziehen würde, doch das tat sie nicht. »Wir sehen uns doch sowieso so selten«, sagte er bittend. »Ich meine, wir beide allein. Ich hatte mich so auf den Basar gefreut – deinetwegen, Sabrina.«

Endlich sah sie ihn an, und sofort schlug sein Herz schneller. Sie hatte so wunderschöne Augen! »Anna wollte, daß wir etwas zusammen machen auf dem Basar. Ich war einverstanden, aber dann hat sie lauter Sachen vorgeschlagen, wo sie gut ist, die ich aber nicht kann. Das habe ich ihr gesagt, da war sie beleidigt. Und dann...« Sabrina verstummte erschrocken, als hätte sie bereits zu viel gesagt.

»Und dann – was?« fragte Christian.

Es dauerte mehrere Sekunden, bis er eine Antwort bekam. »Dann hat sie gesagt, daß mir ja sowieso in Wirklichkeit nichts an ihr läge, sondern nur an dir. Und daß ich, wenn du nicht wärst, niemals mit ihr befreundet wäre.«

Christian fühlte sich wie betäubt. »Das kann nicht sein«, sagte er. »Anna hat keine Ahnung, daß du und ich... Ich meine, daß wir...«

Sabrina entzog ihm vorsichtig ihre Hand und sah sich hastig um, ob jemand sie beobachtet hatte. Ihre Eltern waren sehr streng, wenn sie geahnt hätten, daß ihre Tochter in den kleinen Fürsten verliebt war, hätten sie sie sicherlich niemals mehr auf Schloß Sternberg bei Anna übernachten lassen. »Sie weiß es schon lange, Chris«, sagte sie. »Sie redet nicht darüber, aber sie weiß es. War dir das nicht klar?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, wir haben nie darüber gesprochen, und sie hat noch nie eine Andeutung gemacht. Bist du sicher?«

»Ja, das bin ich. Anna hat schon immer mehr gesehen als andere.«

»Das stimmt, aber in unserem Fall dachte ich wirklich, daß niemand eine Ahnung hat.« Christian stockte. »Es stimmt doch nicht, was sie gesagt hat, oder?«

»Nein, es stimmt nicht. Ich habe Anna sehr gern, und eigentlich müßte sie das wissen. Keine Ahnung, was im Augenblick mit ihr los ist. Sie ist auf einmal ziemlich launisch, finde ich, und manchmal kann man gar nicht mehr offen mit ihr reden, weil sie alles falsch versteht.«

»Sie bewundert dich. Und sie ist unsicher«, erklärte Christian, der nicht genau wußte, was er sagen durfte und was nicht. Vielleicht vertraute Anna ihm ja mehr an als Sabrina? Auf keinen Fall wollte er ihre Geheimnisse verraten. »Und im Augenblick ist sie außerdem sehr, sehr unglücklich – deinetwegen. Ständig läuft sie mit einem verheulten Gesicht herum.«

»Wirklich?« Sabrina wirkte aufrichtig betroffen. »Wir sind ja nicht in einer Klasse, ich habe sie heute und gestern gar nicht gesehen. Na ja, wir sind uns auch aus dem Weg gegangen.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Ich werde versuchen, mit ihr zu reden, Chris.«

Bevor er antworten konnte, schellte es zum Ende der Pause. Gemeinsam gingen sie auf das Eingangsportal zu. Bevor sich ihre Wege trennten, sagte Christian: »Danke, Sabrina.«

Ein Lächeln dankte ihm, dann lief sie leichtfüßig davon.

*

Clarissa war enttäuscht, daß Jean-Pierre sie nicht nach Sternberg begleitete, sondern erst am Tag des Basars nachkommen wollte. Sie war früher losgefahren, um noch einiges für die Modenschau zu organisieren und hätte es schön gefunden, wenn er sie begleitet hätte, aber das war auf seine strikte Ablehnung gestoßen. »Isch habe eine Menge zu tun, Chérie, wo denkst du hin? So viel Freizeit kann isch mir nischt leisten. Aber isch werde pünktlisch dort sein, das verspresche isch dir.«

So kam sie also zwei Tage vor dem großen Ereignis allein auf Sternberg an und wurde von Sofia herzlich willkommen geheißen. »Clarissa, Kind, wie schön, daß du schon da bist! Du ahnst nicht, wie ich mich freue, ein wenig weiblichen Beistand in den nächsten Tagen zu haben. Fritz lacht mich schon aus, weil ich mich jedesmal so aufrege – dabei müßte ich doch eigentlich längst Routine haben. Aber ich kann nicht anders. Jeder Basar bedeutet ein neues Abenteuer.«

Clarissa umarmte die Baronin liebevoll. »Und ich freue mich, daß ich an diesem Abenteuer teilhaben darf, Sofia.«

»Komm, laß uns zuerst einen Tee trinken. Oder hättest du lieber Kaffee?«

»Ich trinke gern Tee.«

Ohne daß er gerufen worden wäre, tauchte Eberhard Hagedorn auf, der langjährige Butler auf Schloß Sternberg. Er begrüßte den jungen Gast höflich und sagte dann: »Ich kümmere mich sofort um Ihr Gepäck, Frau von Bebenburg. Wo soll ich den Tee servieren, Frau Baronin?«

Sofia entschied sich für den blauen Salon, und gleich darauf saßen sich die beiden Frauen in einem hübschen Erker gegenüber, von dem aus man einen großartigen Blick auf den Schloßpark hatte. »Anna ist noch in der Schule«, erklärte die Baronin. »Du darfst ihr auf keinen Fall verraten, daß du nicht selbst auf die Idee gekommen bist, sie bei der Modenschau einzuspannen, Clarissa.«

»Natürlich nicht, wo denkst du hin? Keine Sorge, dein Geheimnis ist bei mir sicher, Sofia.«

»Fein.« Sofia betrachtete ihr Gegenüber aufmerksam. Unglaublich, daß aus der damals so burschikosen und nicht sonderlich attraktiven Clarissa in den vergangenen Jahren eine so schöne und charmante junge Frau geworden war! Auch Bernhard zu Heestum würde das feststellen – und wenn er es nicht tat, war er blind! Sie freute sich jedenfalls schon auf den Moment, da die beiden einander begegneten. Ob sich die Hoffnung der beiden Elternpaare dann erfüllte? Nun, darauf hatte sie keinen Einfluß mehr, aber was sie hatte tun können, hatte sie getan. »Was gibt es Neues bei dir?« fragte sie in beiläufig-interessiertem Ton. »Hast du vielleicht den Mann fürs Leben getroffen?«

Clarissa errötete unübersehbar, was Sofia nicht verwunderte. Gräfin Rosa hatte einen französischen Regisseur erwähnt, der neuerdings eine große Rolle in Clarissas Leben spielte – zum Leidwesen nicht nur ihrer, sondern auch von Bernhards Eltern. »Vielleicht, Sofia. Aber so weit ist es noch nicht, und ich bin abergläubisch. Lieber rede ich nicht darüber, bis… na ja, bis es eine ganz klare Sache ist.«

»Aber du wirst mir doch wenigstens verraten, wer der Glückliche ist?« fragte Sofia.

»Du wirst ihn kennenlernen«, erklärte Clarissa.

Die Baronin verbarg ihre Bestürzung hinter einem erstaunten:

»Tatsächlich?«

»Er kommt zum Basar«, setzte Clarissa eilig hinzu. »Ich ... oh, es tut mir leid, ich hätte euch wohl vorher fragen sollen, ob das in Ordnung ist, aber ich bin einfach davon ausgegangen...«

»Natürlich ist das in Ordnung«, behauptete Sofia, obwohl das Gegenteil der Fall war. Clarissa und Bernhard sollten hier auf Sternberg, völlig ungestört von eventuellen Partnern, ein paar unbeschwerte Tage verbringen und bei der Gelegenheit endlich ihre Liebe zueinander entdecken – so war der Plan der beiden Elternpaare. Weder die Bebenburgs noch die Heestums waren offenbar auf die Idee gekommen, Clarissa könnte ihren Regisseur mitbringen.

Aber Sofia war nicht die Frau, die sich von kleinen Hindernissen aus der Bahn werfen ließ. Sie würden mit dem Mann schon fertig werden!

Später begutachteten die beiden Frauen gemeinsam die gespendeten Kleidungsstücke. Clarissa konnte ihre Begeisterung kaum zügeln. »Das sind tolle Sachen, Sofia! Dafür können wir viel Geld bekommen, wenn wir es richtig anstellen. Hör mal, ich habe eine Idee. Wie wäre es denn, wenn wir die Sachen versteigern würden?«

Der Baronin wurde es heiß und kalt. Sie hatte bisher jede Andeutung vermieden, daß auch Bernhard zu Heestum zum Basar erwartet wurde, und sie war fest entschlossen, das durchzuhalten. Rosa hatte ihr eingeschärft, darüber Stillschweigen zu wahren.

»Sonst kann es nämlich passieren, daß Clarissa gleich wieder abreist, weil sie unseren Plan durchschaut. Sie dürfen vorher nichts davon wissen, Sofia, daß sie sich auf Sternberg begegnen werden!«

»Es gibt schon eine Versteigerung«, murmelte sie jetzt. »Für einige Bilder und andere Wertgegenstände, weißt du?«

»Na, und? Das macht doch nichts! Wir machen unsere eigene Auktion – ich garantiere dir, daß dabei viel mehr Geld hereinkommt, als wenn wir feste Preise machen. Ach, bitte, Sofia, sag ja!«

Die Baronin war erleichtert, daß Clarissa keine weiteren Fragen nach demjenigen stellte, der die andere Auktion leiten würde, und so beeilte sie sich, ihre Zustimmung zu erteilen. Als sich Clarissa kurz darauf in ihre Gästesuite zurückzog, um sich ein wenig frisch zu machen, seufzte sie. Weitere heikle Gesprächssituationen konnte sie fürs erste nicht gebrauchen.

Doch der nächste Schreck wartete bereits auf sie. Als ihr Mann den Salon betrat, wußte sie schon nach dem ersten Blick, daß es weitere unangenehme Neuigkeiten geben würde.

»Hier steckst du!« sagte er. »Ich habe dich überall gesucht.«

»Noch ein Problem?« fragte sie müde.

»Wieso denn noch eins?« erkundigte er sich verwundert.

»Clarissas Regisseur kommt«, teilte sie ihm mit. »Und der war natürlich nicht vorgesehen.«

Baron Friedrich war so verdutzt, daß ihm im ersten Augenblick die Worte fehlten. Dann fing er an zu lachen. »Das ist ja wunderbar!« sagte er schließlich. »Ich wollte dir nämlich gerade mitteilen, daß Bernd auch nicht allein anreist. Er bringt seine Freundin Cornelia von Laatz mit.«

»Aber das ist eine Katastrophe!« rief Sofia. »Wie sollen denn dann Clarissa und Bernd...«

Friedrich unterbrach sie. »Das ist nicht unser Problem, Sofia«, stellte er mit ruhiger Stimme fest. »Wir veranstalten einen Wohltätigkeitsbasar – und du hast dich freundlicherweise bereit erklärt, deiner Freundin Rosa zu Heestum bei der Gelegenheit einen kleinen Gefallen zu erweisen. Das ist nett von dir, aber es bedeutet nicht, daß du für das Gelingen des Plans verantwortlich bist, den Rosa, ihr Mann und die Bebenburgs ausgeheckt haben.«

Sofia hatte sich schon wieder beruhigt. »Du hast ja recht«, gab sie zu. »Aber ich gestehe, daß es auch mir gefiele, wenn sich Clarissa und Bernd fänden. Sie wären ein schönes Paar, Fritz.«

»Sie werden sich hier nach Jahren zum ersten Mal wiedersehen, haben also die Möglichkeit, sich ineinander zu verlieben – gleichgültig, ob ihre derzeitigen Partner in der Nähe sind oder nicht. Was dann tatsächlich geschieht, haben wir nicht in der Hand.«

»Ich werde Rosa jedenfalls vor dem Basar nichts von diesen kleinen Problemen mitteilen«, beschloß Sofia und gab ihrem Mann einen Kuß. »Und ich verspreche dir, mich ab sofort über nichts mehr aufzuregen.«

»Ob dir das gelingt, Sofia?« neckte er sie, als er den Raum verließ.

Das allerdings fragte sie sich auch.

*

Sie saßen fest auf dieser Allee! Bernhard verfluchte sich im Stillen, daß er Cornelia ans Steuer gelassen hatte, aber nun war es zu spät für Selbstvorwürfe: Sie hatte bei einem riskanten Überholmanöver auf den Seitenstreifen ausweichen müssen, weil sie die Geschwindigkeit des Gegenverkehrs falsch eingeschätzt hatte. Dabei war sie einigen Bäumen zu nahe gekommen, der Wagen hatte sich schließlich um sich selbst gedreht, und dann waren sie auch noch eine Böschung hinuntergerutscht. Das war das Ende ihrer Fahrt gewesen. Sie konnten von Glück sagen, daß ihnen nichts weiter passiert war. Der Wagen freilich sah ziemlich zerknautscht aus – und, was noch schlimmer war, er sprang nicht mehr an.

Cornelia schimpfte wie ein Rohrspatz, sie dachte keine Sekunde daran, die Schuld bei sich zu suchen. »Konnte der nicht ein bißchen langsamer fahren? Er hat doch gesehen, daß ich gerade am Überholen war!«

»Im Überholverbot«, stellte Bernhard fest. »Außerdem warst du mindestens dreißig zu schnell. Und du fuhrst auf seiner Fahrbahn. Es war an dir, den Überholvorgang abzubrechen, als du gesehen hast, daß die Straße nicht frei war. Besser gesagt: Du hättest ihn gar nicht erst beginnen sollen.«

»Sei doch nicht so spießig!«

Diesen Satz brachte sie immer an, wenn es ihr an Argumenten fehlte, das kannte er schon. Sie waren erst am frühen Nachmittag losgefahren, weil in der Firma die Hölle los gewesen war. Er hatte sich also schon einigermaßen müde ans Steuer gesetzt, sonst hätte er ihr Angebot, nach mehreren Stunden Fahrt das Steuer zu übernehmen, niemals angenommen. Sie fuhr rücksichtslos und in der Regel zu schnell – seit er das wußte, bestand er darauf, selbst zu fahren, wenn sie gemeinsam etwas unternahmen. Auf jeden Fall mußten sie so schnell wie möglich nach Sternberg weiterfahren, denn der Basar würde schon am nächsten Tag stattfinden, und ein wenig Zeit brauchte er ja auch noch, um sich die Stücke anzusehen, die er versteigern sollte. Ohne Kenntnisse konnte er nur ein schlechter Auktionator sein.

»Ich bin nicht spießig, ich sage dir, wie es ist«, erwiderte er. »Du kannst von Glück sagen, daß dem anderen Fahrer nichts passiert ist. Das hätte dich mit Sicherheit den Führerschein gekostet.«

Ärgerlich fauchte sie ihn an: »Du solltest lieber etwas unternehmen, statt hier zu stehen und mir Vorwürfe zu machen.«

»Ach, und wieso sollte ich etwas unternehmen?« fragte er bissig. »Wäre das nicht eher deine Aufgabe? Du hast den Wagen demoliert, nicht ich. Meinen Wagen, übrigens.«

Diese letzte Bemerkung überhörte sie. »Aber du hast es eilig, nach Sternberg zu kommen, nicht ich«, entgegnete sie. »Also mußt du auch etwas unternehmen.«

Er gab es auf, mit ihr zu streiten, es war ohnehin sinnlos. Hätte er sie doch bloß nicht gefragt, ob sie ihn begleiten wollte! Wenn ihn nicht alles täuschte, war Baron Friedrich nicht begeistert gewesen darüber, daß er in Begleitung kommen würde. Aber das ließ sich nun alles nicht mehr ändern. Zuerst mußten sie mal zusehen, daß sie von der Straße kamen.

Er rief zuerst einen Abschleppwagen an, dann telefonierte er mit Sternberg. Es war Christian, dem er in kurzen Worten seine derzeitige Lage schilderte. »Wenn sich das hier länger hinzieht, Chris, schaffen wir es heute vielleicht nicht mehr bis nach Sternberg, aber dann machen wir uns morgen in aller Frühe auf den Weg. Es tut mir schrecklich leid, aber...«

»Vielleicht klappt es ja doch noch«, meinte der kleine Fürst.

»Es ist schon nach sieben«, gab Bernhard zu bedenken. »Ich melde mich noch einmal bei euch, wenn sich die Lage geklärt hat, ja?«

»In Ordnung. Und euch ist wirklich nichts passiert?«

»Nein, nur das Auto hat etwas abbekommen.«

»Du kommst aber auf jeden Fall, Bernd, oder? Ich meine, ohne dich muß die Auktion ausfallen, allein kann ich das nicht.«

»Natürlich komme ich. Bis dann, Chris.« Bernhard kehrte zu Cornelia zurück, von der er sich während des Telefonats einige Schritte entfernt hatte.

»Ich habe Hunger«, maulte sie.

»Hör bitte auf, dich zu beschweren«, fuhr er sie unwillig an. »Du bist schließlich diejenige, die uns in diese Situation gebracht hat. Wir müssen warten, bis der Abschleppwagen da ist. Die nehmen uns mit zur nächsten Autovermietung.«

»Und dann?« fragte sie entgeistert. »Das dauert doch alles viel zu lange! Wir wollen doch nicht erst nach Mitternacht auf Sternberg eintreffen, oder?«

»Dann organisierst du uns am besten ein Privatflugzeug, das uns rasch ans Ziel bringt«, entgegnete er, und das brachte sie endlich zum Verstummen.

Der Abschleppwagen erschien erst nach zwei Stunden – es hatte unterwegs einen Stau gegeben, kein Durchkommen, versicherte der Fahrer. Weitere anderthalb Stunden vergingen in der Werkstatt und bis sie einen Mietwagen hatten. »Ihr Auto müssen Sie wahrscheinlich verschrotten«, sagte der Mann in der Werkstatt. »Aber das muß sich ein Gutachter ansehen.«

Es war fast elf, als sie ihren Weg endlich fortsetzen konnten, aber schon lange vorher hatte Bernhard auf Sternberg Bescheid gesagt, daß sie erst am Tag des Basars eintreffen würden. Die Stimmung zwischen Cornelia und ihm war auf dem Nullpunkt angelangt. Am liebsten hätte er sie gebeten, allein zurück nach Hause zu fahren, und eigentlich fand er, sie hätte selbst auf diese Idee kommen können. Doch sie schien fest entschlossen zu sein, sich auf Sternberg einen glanzvollen Auftritt zu verschaffen.

Bernhard biß die Zähne zusammen, als sie zwei Hotels ablehnte, weil sie ihr nicht gut genug erschienen. Auf diese Weise verloren sie eine weitere Stunde. Als er endlich im Bett lag, war er so wütend und aufgeregt, daß er nicht einschlafen konnte, obwohl er todmüde war.

Schlechte Voraussetzungen für den Basar und die Auktion!

*

Auch Anna und ihre Freundin Sabrina schliefen in dieser Nacht erst sehr spät ein. Sie hatten sich miteinander versöhnt, nachdem Sabrina auf Anna zugegangen war. Es war Anna dann leicht gefallen, sich für ihre Worte zu entschuldigen. Auch Sabrina würde bei Clarissas ›Mode-Auktion‹ mitmachen und einige Modelle vorführen. Den Nachmittag hatten sie, gemeinsam mit anderen Frauen und Mädchen, alles anprobiert, was an Mode versteigert werden sollte. Das war ein großer Spaß gewesen, sie malten sich voller Vorfreude aus, wie die Zuschauerinnen und Zuschauer reagieren würden, wenn sie über den improvisierten Laufsteg liefen.

»Ich kann bestimmt nicht schlafen vor lauter Aufregung«, sagte Anna, als sie längst im Bett lagen, aber noch immer nicht aufhören konnten, über das zu reden, was der nächste Tag bringen würde. »Chris ist sicher auch noch wach – er hat Angst davor, daß Bernd nicht rechtzeitig kommt. Die Auktion soll doch schon um elf Uhr beginnen, und Bernd hat gesagt, er und seine Freundin haben noch mindestens drei Stunden Fahrt vor sich. Das war aber auch ein Pech mit diesem Unfall!«

»Wie kam es denn überhaupt dazu?« erkundigte sich Sabrina, doch diese Frage konnte Anna nicht beantworten.

»Kennst du seine Freundin?«

»Nee, sie soll aber sehr hübsch sein. Das hat jemand gesagt, der schon mal ein Foto von ihr gesehen hat.«

»Wir sind auch hübsch«, stellte Sabrina fest. »Du wirst sehen, wir bekommen morgen jede Menge Beifall.«

Anna warf einen Blick auf ihren Wecker und fing an zu kichern. »Heute, meinst du wohl. Es ist schon nach Mitternacht, Sabrina.«

»Dann sollten wir jetzt besser schlafen, sonst haben wir morgen schwarze Ränder unter den Augen.« Sabrina gähnte. »Ich glaube, allmählich werde ich müde. Du nicht?«

»Doch«, gestand Anna schläfrig. »Dann gute Nacht, Sabrina. Ich bin froh, daß wir keinen Streit mehr haben.«

»Ich auch.«

Kurz darauf kündeten tiefe und gleichmäßige Atemzüge beider Mädchen davon, daß der Schlaf endlich doch den Sieg davongetragen hatte.

*

Am Tag des Basars wurde der kleine Fürst von einem Sonnenstrahl geweckt, der ihn in der Nase kitzelte. Mit einem Ruck setzte er sich auf, und sofort war auch sein Boxer Togo auf den Beinen. Er winselte und lief zur Tür.

Ohne zu zögern schwang Christian die Beine aus dem Bett und lief zum Fenster. »Guck mal, Togo, die Sonne scheint schon!«

Der Boxer winselte erneut, und Christian hatte ein Einsehen. Rasch schlüpfte er in seinen Sportanzug und öffnete leise die Tür. Im Schloß war es noch still – zumindest im oberen Stockwerk. »Leise, Togo, wir wollen die anderen nicht wecken!« flüsterte er, während sie zur Treppe liefen. Unten angekommen, öffnete er die Tür, und wie der Blitz schoß sein Hund ins Freie.

Christian folgte ihm langsamer. Er durchquerte den Schloßpark, wobei er direkt den kleinen Hügel an seinem Ende ansteuerte. Dort war der Familienfriedhof untergebracht, auch die sterblichen Überreste seiner Eltern ruhten dort. Er besuchte sie täglich, denn nach wie vor hatte er das Bedürfnis, in Gedanken mit ihnen zu sprechen. Auf diese Weise ließ er sie weiterhin an seinem Leben teilhaben, denn er war sicher, daß sie ihn hören konnten.

Er erklomm den Hügel, gefolgt von Togo, der wieder zu ihm gestoßen war, nachdem er sich erleichtert und einige aufregende Spuren verfolgt hatte. Vor der Familiengruft blieb Christian stehen und betrachtete eine Weile die Namen seiner Eltern, die als letzte dort eingraviert worden waren. Dann berichtete er ihnen, was ihn an diesem Tag bewegte. »Heute ist der Wohltätigkeitsbasar, das wißt ihr ja bestimmt. Ich helfe Bernd zu Heestum bei einer Versteigerung, darauf freue ich mich schon. Allerdings ist Bernd noch nicht da, aber er kommt bestimmt bald. Das Geld, das wir einnehmen, wird für einen ganz besonderen Zweck verwendet – auf meinen Wunsch hin. Das wollte ich euch heute gerne sagen.«

Er machte eine Pause, bevor er den letzten Satz ausnahmsweise nicht nur in Gedanken formulierte, sondern leise aussprach: »Es wird ein neuer Rettungshubschrauber dafür angeschafft. Ich hoffe, ihr seid damit einverstanden.«

Seine Eltern waren mit einem Hubschrauber abgestürzt, als sie Überschwemmungsopfern einen Besuch abgestattet hatten. Die Bilder dieses Absturzes hatte er später im Fernsehen gesehen, er würde sie sein Leben lang nicht mehr vergessen. Er schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter. »Seid ihr einverstanden?«

Regungslos wartete er darauf, daß seine Eltern ihm ein Zeichen sandten, wie sie es immer taten – zumindest war das seine Interpretation, die er sich von niemandem ausreden lassen würde. Dieses Mal mußte er ein wenig länger warten als sonst – dann jedoch landete eine Amsel auf den Schultern des steinernen Engels, der die Gruft bewachte. Sie legte den Kopf schief, betrachtete Christian aufmerksam mit ihren dunklen Knopfaugen, und begann zu singen.

Nun liefen ihm doch ein paar Tränen die Wangen hinunter, zugleich verzog sich sein Mund zu einem Lächeln. »Ich dachte mir schon, daß ihr einverstanden seid«, sagte er mit halblauter Stimme. »Bis morgen dann! Komm, Togo.«

Togo, der sich wie immer brav neben ihm auf die Erde gelegt hatte, als wüßte er, daß Christian an diesem Ort nicht gedrängt werden durfte, sprang mit einem Satz auf, bellte fröhlich und rannte auch schon den Hügel wieder hinunter.

Als Christian ins Schloß zurückkehrte, hörte er, daß zumindest seine Tante Sofia und sein Onkel Friedrich in der Zwischenzeit ebenfalls aufgestanden waren. Von Anna und Sabrina war dagegen noch kein Laut zu hören.

Rasch ging er ins Bad, um zu duschen. Er freute sich auf diesen Tag – wenn nur Bernd rechtzeitig eintraf!

*

Rosa zu Heestum sah sich suchend nach ihrem Sohn um, konnte ihn jedoch nirgends entdecken. Es hatten sich, obwohl es noch recht früh war, schon etliche Gäste auf dem Schloßgelände eingefunden. Sofia und Friedrich hatten sie nur kurz begrüßt und sich dann gleich wieder entschuldigt: »Es gibt noch so viel zu erledigen, aber ihr kennt euch ja aus hier. Wir sehen uns später.«

»Da vorn ist Clarissa, Albrecht!« sagte sie zu ihrem Mann.

»Geh ruhig zu ihr, ich bleibe hier und sehe mich ein wenig um«, erwiderte er. »Anina und Jakob müßten auch bald eintreffen.«

Sie nickte und eilte auch schon davon. »Hallo, Clarissa!« sagte sie gleich darauf.

»Tante Rosa!« rief Clarissa erstaunt. »Ich hatte keine Ahnung, daß ihr hier sein würdet. Das ist ja eine schöne Überraschung.« Sie begrüßte Rosa mit einer herzlichen Umarmung. »Ich habe nur leider keine Zeit, mit dir zu plaudern, weil ich eine Modenschau organisieren muß – und eine Mode-Auktion. Entschuldige mich bitte, ja?«

Sie wandte sich wieder dem jungen Mädchen zu, das in einem zu großen Kleid eine recht unglückliche Figur machte und sagte: »Zieh es aus, Sabrina, es steht dir nicht. Jemand anders muß es vorführen.«

Rosa blieb stehen und wartete darauf, daß Clarissa ihren Sohn erwähnte, doch die junge Frau schien ihre Anwesenheit bereits völlig vergessen zu haben. Nachdenklich trat Rosa endlich den Rückzug an. Da stimmte doch etwas nicht! Clarissa und Bernd mußten einander bereits begegnet sein – hatte diese Begegnung denn keinerlei Eindruck bei Clarissa hinterlassen? Ihr schwante Böses.

Suchend blickte sie umher, doch sie konnte Sofia, die sie zu diesem Thema gerne befragt hätte, nirgends entdecken, statt dessen blieben ihre Augen am kleinen Fürsten hängen, der unglücklich aussah und ebenfalls nach jemandem Ausschau zu halten schien. Sie steuerte auf ihn zu. »Hallo, Christian«, sagte sie.

»Oh, Tante Rosa«, erwiderte er mit angestrengtem Lächeln und setzte sofort entschuldigend hinzu: »Ich bin ziemlich nervös, weil Bernd immer noch nicht da ist. Habt ihr neue Nachrichten von ihm?«

Die Gräfin traute ihren Ohren nicht. »Wie bitte?« rief sie. »Er ist noch nicht da? Er wollte doch schon gestern anreisen! Und wieso sollten wir neue Nachrichten von ihm haben?«

»Er hatte doch einen Unfall«, erklärte Christian. »Hat er euch nicht mehr angerufen danach?«

»Einen Unfall? Bernd?« Allmählich geriet Rosa in helle Aufregung.

»Keine Sorge«, versicherte Christian hastig, »ihm und seiner Freundin ist nichts passiert. Nur das Auto muß ziemlich kaputt sein.«

Rosa schnappte nach Luft, zugleich wurden ihr die Knie weich. »Welcher Freundin?« fragte sie mit schwacher Stimme.

»Wir kennen sie nicht, er bringt sie jedenfalls mit. Er hat gestern abend zwei Mal angerufen – zuerst dachte er, sie würden es vielleicht doch noch schaffen, aber dann hat es länger gedauert mit dem Abschleppwagen und so. Jedenfalls war es dann zu spät, um noch weiterzufahren. Aber um elf fängt doch die Versteigerung an – und ich kann das nicht allein...«

Rosa hatte sonst immer ein Ohr für die Nöte anderer, doch in diesem Augenblick war sie wie vor den Kopf geschlagen, und so kam sie nicht einmal auf die Idee, den kleinen Fürsten zu trösten. Statt dessen murmelte sie einige unverständliche Worte und ging unsicheren Schrittes davon.

Sie mußte unbedingt mit Sofia sprechen – sofort!

*

Bernhards Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Wäre er doch nur allein gefahren, dann wäre er mit Sicherheit pünktlich auf Sternberg eingetroffen, doch Cornelia war erstens zu spät aufgestanden und hatte zweitens danach eine Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit erschienen war, damit zugebracht, sich zurechtzumachen. Als sie endlich neben ihm im Wagen saß, sah sie zwar umwerfend aus, doch dafür hatte er keinen Blick mehr. Er erstickte fast an seinem Zorn. Sie würden zu spät kommen! Er würde also sein Wort nicht halten können und Christian, der sich auf ihn verließ, enttäuschen. Das vor allem nahm er Cornelia übel.

Sie schien von seiner schlechten Laune nichts zu merken, denn sie war strahlender Laune, obwohl sie, wie er, zu wenig Schlaf bekommen hatte. Doch die Aussicht auf einen warmen, sonnigen Tag in eleganter Gesellschaft belebte sie offenbar, sodaß sie unbefangen plauderte. Er antwortete gar nicht oder unfreundlich, doch auch das drang nicht bis zu ihr durch. Sie kümmerte sich einfach nicht darum. Und schließlich sagte sie fröhlich: »Halt bitte am nächsten Rasthaus noch einmal an.«

»Wieso das?« fragte er entgeistert.

»Das wirst du dir doch denken können, oder?« gab sie leichthin zurück.

Mit zusammengebissenen Zähnen kam er ihrer Aufforderung nach. Er versuchte, den unaufhaltsam fortschreitenden Zeiger seiner Armbanduhr zu übersehen, doch das gelang ihm nicht. Nach etwa fünfundzwanzig Minuten tauchte Cornelia wieder auf. Er wollte sie gerade fragen, was sie so lange gemacht hatte, als sie ihm die Antwort auch schon gab: »Ich konnte doch nicht mit halb fertigem Make-up auf Sternberg erscheinen. Du hast ja so gedrängelt heute morgen, daß ich gar nicht genug Zeit hatte, mich herzurichten.« Sie strahlte ihn an. »Aber jetzt ist alles in Ordnung, du kannst fahren.«

»Da bin ich aber froh«, versetzte Bernhard giftig und gab Gas. Das waren die letzten Worte, die er während der Fahrt an sie richtete.

*

»Und wenn ich stolpere?« fragte Anna verzagt. Bis eben noch hatte sie sich auf diesen Tag gefreut, jetzt aber hatte das Lampenfieber sie voll im Griff. Sie sollte die Nächste sein, die über den Laufsteg ging – in einem sehr hübschen blauen Seidenkleid, das ihr vorzüglich stand und in dem sie sich auch wohl fühlte. Aber plötzlich schreckte sie die Vorstellung, sich unzähligen kritischen Augenpaaren auszusetzen und die Angst, einen Fehler zu machen, lähmte sie so, daß sie meinte, keinen Schritt tun zu können.

»Auch berühmte Models sind schon einmal gestolpert«, erwiderte Clarissa ruhig. »Sie lächeln dann und setzen ihren Weg fort, als wäre nichts gewesen. Oft bekommen sie dann doppelt soviel Beifall als wenn ihnen kein Mißgeschick passiert wäre. Du kannst das, Anna, und du siehst wunderhübsch aus.«

Sabrina kam zurück, mit leuchtenden Augen. »Das ist so toll!« rief sie. »Und die Leute sind alle sehr nett, die haben mir Mut gemacht...«

Anna hörte nicht mehr, was sie sonst noch sagte, denn Clarissa hatte ihr einen Stoß gegeben, und plötzlich stand sie im Rampenlicht. Sie blinzelte, sah aber nichts, da das Licht sie blendete. Sie hörte ein Raunen, dann rief jemand: »Bravo, Anna, nur nicht so schüchtern!« Daraufhin klatschten einige Leute.

Das war Konrad gewesen, ihr älterer Bruder. Garantiert war das wieder einer seiner Versuche, sie einzuschüchtern, doch Anna beschloß, daß ihm das diesesmal nicht gelingen sollte. Sie machte also den ersten Schritt, danach den zweiten, und dann hörte sie auch endlich die Musik, die ihr bis dahin gar nicht aufgefallen war, und nun mußte sie nichts anderes mehr tun, als sich ihrem Rhythmus zu überlassen. Schwungvoll, wie Clarissa es ihr gezeigt hatte, lief sie über den Laufsteg, drehte sich nach links und nach rechts, lächelte strahlend und sorgte dafür, daß der weite Rock ihres Kleides hübsch herumschwang. Als sie das Ende des Laufstegs erreicht hatte, wunderte sie sich darüber, daß es so schnell gegangen war – und schon bedauerte sie, daß ihr erster Auftritt gleich bereits vorüber sein würde. Ja, Sabrina hatte recht gehabt, es war wundervoll. Für jede Drehung erntete sie Applaus, jedes Lächeln wurde mit Bravo-Rufen belohnt. Sie fühlte sich wie berauscht, als sie wieder in das relative Dämmerlicht hinter der Bühne eintauchte.

»Gut gemacht!« sagte Clarissa zufrieden. »Die Nächste bitte, schnell, schnell, das Publikum will unterhalten werden, Pausen können wir uns nicht leisten. Zieh dich um, Anna, mach schon. Hier, jetzt ist das grüne Kleid an der Reihe...«

Wie in Trance schlüpfte Anna von einem Kleid ins nächste, wie in Trance schwebte sie über den Laufsteg. Und als Clarissa damit begann, die vorgeführten Modelle zu versteigern, da wurde ihr geradezu schwindelig, als sie hörte, welche Summen die Kleider einbrachten.

Sie, Anna, hatte dazu beigetragen, daß so viel Geld hereinkam! Sie hätte platzen mögen vor Stolz.

*

»Er ist nicht da!« flüsterte Gräfin Rosa den Bebenburgs zu, als diese eintrafen. Clarissa hatte soeben begonnen, die vorgeführten Kleider zu versteigern. Sie machte das so charmant, daß sich vor allem die anwesenden Herren viel Geld aus der Tasche ziehen ließen, und offenbar bereitete es ihnen sogar noch Vergnügen. »Er hatte einen Unfall – und was noch viel schlimmer ist: Er will mit seiner Freundin kommen!« Sie war noch blasser als sonst, ihre Stimme zitterte. »Das ist das Ende unserer Pläne, glaubt mir.«

»Mit seiner Freundin«, wiederholte Anina von Bebenburg. »Das ist allerdings ein Schlag.« Ihre Augen hingen an ihrer Tochter, mit unverkennbarem Stolz. »Dabei sieht Clarissa heute hinreißend aus.«

»Ich weiß«, stöhnte Rosa. »Eine Katastrophe ist das.«

Endlich mischte sich Albrecht in das Gespräch ein. »Unsinn!« sagte er mit großer Entschiedenheit. »Unser Sohn war bisher noch mit keiner Frau lange zusammen – es wird auch diesesmal nichts Ernstes sein. Warum laßt ihr euch von dieser Lappalie denn so entmutigen?«

»Ganz meine Meinung«, stimmte Jakob ihm zu. Im nächsten Moment jedoch wurden seine Augen groß, er starrte entgeistert auf einen großen dunkelhaarigen Mann, der mit ausgebreiteten Armen auf die kleine Gruppe zustrebte. »Ich werde verrückt«, krächzte er.

»Was ist denn?« fragte Rosa.

»Jean-Pierre Aumont«, flüsterte Jakob. »Clarissas Freund ist auch hier!«

Rosas Wangen verloren auch noch den letzten Rest an Farbe.

Jean-Pierre Aumont begrüßte Clarissas Eltern überschwenglich und tat ganz so, als gehörte er bereits zur Familie, was nicht nur Anina und Jakob unangenehm auffiel, sondern auch Rosa und Albrecht. Ihre Begrüßung dieses unerwünschten Gastes fiel reichlich kühl aus, was an dem jungen Franzosen jedoch abzuperlen schien wie Wasser auf einer öligen Oberfläche. »Isch bin entzückt, Ihre Bekanntschaft zu machen!« beteuerte er. »Ist Clarissa nischt wundervoll? Isch bete sie an!«

Anina und Jakob wechselten betretene Blicke, Rosa und Albrecht suchten unter einem hastig vorgebrachten Vorwand das Weite. War es denn möglich, daß ihr so raffiniert eingefädelter Plan bereits gescheitert war, bevor Clarissa und Bernhard einander überhaupt begegnet waren?

»Bitte, stellen Sie misch Ihren Gastgebern vor«, sagte Jean-Pierre. »Isch möchte misch für die freundlische Einladung bedanken.«

Anina schluckte, aber Jakob und ihr blieb nichts anderes übrig, als diesem Wunsch des jungen Mannes nachzukommen – obwohl es mit Sicherheit keine ›freundliche Einladung‹ gegeben hatte. Clarissa hatte ihren Freund offenbar einfach mitgebracht...

»Kommen Sie bitte«, sagte Jakob beherrscht. »Baronin Sofia und Baron Friedrich sind dort drüben. Du bleibst sicher noch hier, Anina, bis Clarissa fertig ist?«

Diese Frage enthielt eine kleine Spitze gegen Jean-Pierre, der offenbar mehr an gesellschaftlichen Kontakten interessiert war als daran, seine Freundin bei der übernommenen Aufgabe zu unterstützen. Doch der junge Mann war so begierig darauf, weiteren illustren Gästen vorgestellt zu werden, daß er den unterschwelligen Vorwurf nicht einmal hörte. Er folgte Jakob, ohne sich noch einmal nach Clarissa umzusehen. Anina traten Tränen in die Augen. Ihr Unternehmen war gescheitert, daran konnte kein Zweifel mehr bestehen.

*

»Chris, du mußt anfangen«, sagte Baron Friedrich. »Es ist schon fast halb zwölf, die Leute werden unruhig.«

»Kannst du mir nicht helfen?« bat Christian. »Ich... ich kann das nicht allein, Onkel Fritz.«

»Ich würde dir gern helfen, aber du weißt, ich habe andere Aufgaben übernommen. Es geht nicht, Chris. Erklär den Leuten die Situation, und dann leg einfach los. Du hast dir die Sachen doch vorher angesehen und weißt ungefähr, wie hoch das Mindestgebot sein muß. Manchmal muß man ins kalte Wasser springen...«

»Aber ich sollte der Assistent sein, der ab und zu Fehler macht«, wandte Christian ein. »Ich kann doch jetzt nicht einfach...«

»Doch, du kannst«, erklärte der Baron mit fester Stimme. »Oder besser gesagt: Du mußt!« Mit diesen Worten und einem entschuldigenden Blick eilte er davon, denn er wurde auf der Hindernisbahn gebraucht, wo in wenigen Minuten ein Pferderennen starten sollte.

Christian schluckte. »Meine sehr verehrten Damen und Herren«, sagte er mit stockender Stimme in das Mikrofon, das über dem Pult angebracht worden war, von dem aus Bernhard die Auktion hätte leiten sollen. »Sie haben es sicherlich schon gemerkt, daß sich unser Auktionator, Graf Bernhard zu Heestum verspätet hat. Ich sollte sein Assistent sein, aber mein Onkel meinte, noch länger könnten wir den Beginn der Auktion nicht aufschieben...«

»Sehr richtig!« rief jemand, und ein anderer meldete sich mit der Aufforderung: »Christian, Junge, das schaffst du auch allein!«

Christian erkannte die Stimmen nicht, aber er begriff, daß ihm von diesem Publikum nichts Schlimmes drohte, und das machte ihm Mut. »Ich will es gern versuchen«, sagte er. »Wir fangen mit einem Gemälde aus dem neunzehnten Jahrhundert an. Sie sehen es hier neben mir auf dem Ständer. Es handelt sich um eine sehr fein gemalte südliche Landschaft, bitte, überzeugen Sie sich selbst davon...« Je länger er sprach, desto sicherer wurde er, und er wunderte sich selbst darüber, wie viel von dem, was er zuvor über die gespendeten Kunstwerke gelesen hatte, ihm in Erinnerung geblieben war.

Die Reaktionen waren mehr als freundlich. Er bekam mehrmals Beifall für seine Ausführungen, und anschließend wurde lebhaft geboten. Das Bild ging für ein Vielfaches des Mindestgebots weg, und Christian merkte, wie ihn dieser Erfolg beflügelte. Er pries gerade eine kleine silberne Statue an, als Bernhard völlig außer Atem neben ihm auftauchte und ihm zuraunte: »Tut mir leid, Chris. Ein Glück, daß du schon angefangen hast!«

Christian unterbrach seine Ausführungen und sagte: »Nun ist auch unser Auktionator da, meine Damen und Herren. Ich danke Ihnen, daß Sie so freundlich zu mir waren und...«

»Jetzt wird nicht gekniffen, Prinz Christian!« rief jemand. »Sie machen weiter, und Graf zu Heestum wird Ihr Assistent sein – zur Strafe für sein Zuspätkommen!«

Lebhafter Beifall brandete auf, und Bernhard erklärte sich mit diesem Rollentausch gerne einverstanden. Er war heilfroh, daß die Versteigerung nicht seinetwegen abgeblasen worden war, und er bewunderte den kleinen Fürsten dafür, daß er seine Sache so gut gemacht hatte. Im weiteren Verlauf freilich konnte er ihm, während er ›assistierte‹, noch einige gute Tipps geben, so daß sie zusammen noch bessere Ergebnisse erzielten.

Nach einer guten Stunde wurde eine Pause anberaumt, damit die Damen und Herren etwas essen konnten, und Christian stellte fest: »Wir sind ein gutes Team, Bernd. Was für ein Glück, daß du doch noch gekommen bist. Was war denn eigentlich los?«

»Laß uns nicht mehr darüber reden«, bat Bernhard. »Es wäre mir lieber, ich könnte die ganze Geschichte so schnell wie möglich vergessen.« Er lauschte. »Was ist denn da drüben eigentlich los?« fragte er. »Sieh nur, immer mehr Leute strömen dahin.«

»Die Modenschau ist das – mit Mode-Auktion«, sagte Christian. »Kommst du mit? Ich wollte unbedingt den Schluß sehen. Anna macht nämlich mit und… und ihre Freundin Sabrina. Die beiden waren ziemlich aufgeregt. Ich hatte schon Angst, daß ich vielleicht nichts mehr davon sehen würde.«

»Na, dann nichts wie hin«, meinte Bernhard. »Hauptsache, hinterher kommen die Leute alle wieder zu uns.«

»Klar machen sie das.«

Lachend und sichtlich beschwingt von ihrem bisherigen Erfolg schlenderten sie hinüber zu dem langen Laufsteg, um den sich erstaunlich viele Leute drängelten. Eine Frauenstimme, durch ein Mikrofon verstärkt, sagte: »Und jetzt, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir etwas ganz Besonderes für Sie...«

Bernhard blieb abrupt stehen. »Wer ist das?« fragte er, während er der Stimme lauschte. »Die habe ich doch schon mal gehört.«

Christian, der von den geheimen Plänen der Erwachsenen nichts wußte, antwortete ganz unschuldig: »Klar hast du sie schon gehört, du kennst doch Clarissa von Bebenburg – oder nicht?«