E-Book 35-40 - William Mark - E-Book

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William Mark

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Beschreibung

"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! E-Book 35: Der Marshal von Dodge E-Book 36: Luke Short E-Book 37: Die Brandeisen-Bar E-Book 38: Texanerblut E-Book 39: Gluthauch aus El Bravo E-Book 40: Der Sheriff von Farley E-Book 1: Der Marshal von Dodge E-Book 2: Luke Short E-Book 3: Die Brandeisen-Bar E-Book 4: Texanerblut E-Book 5: Gluthauch aus El Bravo E-Book 6: Der Sheriff von Farley

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Inhalt

E-Book 35-40

Der Marshal von Dodge

Luke Short

Die Brandeisen-Bar

Texanerblut

Gluthauch aus El Bravo

Der Sheriff von Farley

Wyatt Earp – Jubiläumsbox 7 –

E-Book 35-40

William Mark

Der Marshal von Dodge

Roman von William Mark

Freunde, ich möchte Euch ein paar Worte sagen, ehe ich Euch die Geschichte des »Marshal von Dodge« niederschreibe.

Vor einigen Monaten nahm ich bereits zu den häufenden Angriffen gegen Wyatt Earp Stellung. Ich erwähnte damals auch, daß Hollywood, welches eine ganze Reihe von Wildwestfilmen mit Wyatt Earp als Helden gedreht hat, sich nun nicht scheute, zur Auffüllung der Kassen den populären Western-Marshal – in einem gewaltigen Staraufgebot – einmal als recht dunkle Figur über die geduldige Leinwand geistern zu lassen. Das mag vom Standpunkt der mageren derzeitigen Filmgeschäfte betrachtet, begreiflich sein – ist aber in Anbetracht der bisher in der Filmindustrie Amerikas vertetenen Richtung wenig gentlemanlike. Der brauchbare Wyatt Earp sollte das Eisen – diesmal die Dollars der Filmbosse – wieder aus dem Feuer reißen, daß er dafür zur Abwechslung einmal als Desperado auftreten muß, kümmerte die Hersteller des Streifens wenig. Und niemand kann etwas dagegen ausrichten. In »God own Country«, wie sich die Staaten ja nennen, ist eben alles möglich, und der tote Marshal Earp, der zahllose Male sein Leben für den Kampf um das Gesetz in der rauhesten und wildesten Zeit der USA eingesetzt hatte, kann sich nicht mehr wehren.

Ich wollte dies nur gesagt haben, um Euch zu bitten, Euch wegen dieser Dinge keine grauen Haare wachsen zu lassen. Eine andere Mammut-Filmgesellschaft ebenfalls derer vom »Stechpalmenwäldchen« bereitet zum Ausgleich dafür mit Televisions-Star Hugh O’Brian und Kirk Douglas sowie vielen anderen Stars einen neuen großen Wyatt Earp Film vor, der den Marshal wieder strahlen lassen soll. Ich finde dieses Hin und Her um gefüllter Kassen willen wenig nobel – aber das Big-Business in Amerika fragt wenig danach.

Bleibt unbeirrt im Sattel sitzen, Freunde, und folgt der klaren, sauberen Spur des Dodger Marshals weiterhin; sie führt Euch diesmal hinauf ins Fremont Country, oben in Wyoming, wo sich ein Mann namens Rory Josuah Keaton gegen Ende der Siebziger Jahre eine geradezu unwahrscheinlich erscheinende Sache geleistet hatte…

So long!

Euer William Mark.

Über Atlantic City breitete sich ein sternenbesäter Nachthimmel. Die kleine Stadt im Fremont-Country in der Südwestecke Wyomings schlief.

Auf der Kuppe eines Hügels hielten drei Reiter und blickten auf die Ansiedlung hinunter. Scharf zeichneten sich ihre Konturen gegen den Nachthimmel ab. Der mittlere der Männer deutete mit der ausgestreckten Linken auf die Häuser, die wie Schemen auf dem Schwarzgrau der Talsohle zu schweben schienen.

»Wir sind am Ziel, Boys«, sagte er. »Das ist Atlantic-City. Ihr wißt, was ihr zu tun habt.«

Rob Piggers, der Mann an seiner linken Seite, stützte sich schwer auf das Sattelhorn und meinte:

»Vielleicht ist es besser, du sagst es uns noch einmal Boß.«

Rory Keaton nickte. »Well, hört also zu. Ich werde euch die ganze Sache noch einmal eintrichtern. Du, Rob, nimmst die westliche Seite der Main-street, und du, Kid, nimmst die östliche. Ist das klar?«

Die beiden anderen nickten stumm. Keaton nahm eine schwarze Zigarre aus der Tasche, zündete sie an und sagte:

»Ich muß mich langsam an meinen neuen Job gewöhnen.«

»Raucht er denn Zigarren?«

Piggers schob die Unterlippe vor.

»Darauf kannst du dich verlassen. Er raucht Zigarren, schwarze Zigarren; lange Dinger wie sie sie unten in Mexiko rauchen. Nicht sehr viele, aber doch so viele, daß es typisch für ihn ist.«

Piggers rümpfte die Nase. »Well, das kann schon stimmen, nur kann ich mir nicht vorstellen, daß er sie aus der Jackentasche zieht.«

Keaton feixte. »Doch, genau das tut er. Bill Peacemaker hat es mir so berichtet. Er war schließlich nicht umsonst Deputy bei ihm.«

»Und du bist sicher«, fragte Piggers, »daß es ein richtiger Buntline-Revolver ist, den Bill dir gekauft hat?«

»Yeah, ich bin ganz sicher. Lloyd Hellbrook hat den Revolver selbst geprüft und findet ihn großartig.«

Der dritte Reiter, ein schmalschultriger Bursche, der den Namen Kid McNally trug und bis jetzt noch gar nichts gesagt hatte, meinte schnarrend:

»Schwer, sich vorzustellen, daß ein Kerl wie Peacemaker an einen echten Buntline-Revolver kommen sollte.«

Keaton brummte: »Das laßt mal meine Sorge sein, Hauptsache, ihr tut das richtige, was ich euch sage. Ich habe keine Lust, noch einmal eine solche Panne wie in Brighton zu erleben.«

Keaton knurrte: »Mußt du denn immer die alten Geschichten ausgraben?«

»Alte Geschichten? Hör zu, es sind kaum neun Tage her. Und wenn mir nicht der Gedanke gekommen wäre, die brennende Fackel in das Strohlager des Korrals zu werfen, hätten wir jetzt alle längst eine Yards Luft unter den Füßen.«

Die beiden Männer neben Keaton schwiegen.

Der Boß fuhr in seinem befehlshaberischen Ton fort:

»Ihr wißt also, was ihr zu tun habt. Du, Rob, nimmst die Westseite der

Mainstreet. Kid nimmt die Ostseite. Richtet euer Hauptaugenmerk auf das Sägewerk am Ausgang der Stadt. Und paßt mir an den Ecken auf. Es ist möglich, daß der Sheriff seine Hunde auf Streugang geschickt hat. Die Halunken laufen einem meistens bei solchen Gelegenheiten in die Quere. Ihr schlagt mir auf keinen Fall Lärm.«

McNally, blickte gedankenvoll vor sich hin und meinte plötzlich: »Und du glaubst, daß die Idee wirklich so großartig ist, Boß?«

»Yeah, das glaube ich«, gab Keaton schroff zurück.

»Du mußt es wissen. Du bist schließlich der Klügste von uns.«

Keaton sah den schmalen Burschen mit dem immer etwas grämlichen Gesicht mißtrauisch an.

»Wie meinst du das?«

»Ich meine wie ich es sage«, gab McNally scheinheilig zurück. »Vielleicht ist es tatsächlich mal ein prächtiger Gedanke. Nötig genug hätten wir ihn.«

»Und was gefällt dir nicht daran?« wollte Keaton wissen.

»Wenn ich ehrlich sein soll, gar nichts, Keaton.«

Der Boß warf den Kopf zurück. »Ach und das fällt dir jetzt schon ein?«

»Du hast mich ja bisher nicht gefragt.«

»Los, mach dein Maul auf. Was hast du gegen die Idee?«

Der Kentucky-Mann griff mit der Linken in die Jackentasche, nahm eine Prise Tabak heraus, klemmte sie zwischen den letzten Fingern und der Handfläche zusammen, nahm mit Zeige- und Mittelfinger ein Blättchen aus der Reservetasche und rollte sich, ohne die rechte Hand dazu zu benutzen, mit großem Geschick eine Zigarette.

»Yeah«, meinte er, »vor allem gefällt es mir nicht, daß du ausgerechnet den Namen des Dodger Marshals für deine verrückte Idee verwenden willst. Ich kenne Bill Peacemaker kaum und weiß nicht, ob er Wyatt Earp wirklich so gut kennt, wie er dir erzählt hat. Ich weiß auch nicht, ob er tatsächlich unter ihm Hilfsmarshal in Wichita gewesen ist. Ich weiß nur, daß Peacemaker das Maul oft ziemlich voll genommen hat. Vor ein paar Jahren, als die Jungens mit dem Trail aus Santa Fé hochkamen, hatte er einen Gunfight auf der Straße. Es war das einzige Mal, daß ich ihn mit einem Revolver habe herumhantieren sehen und das hat mir derartig genügt, daß ich auf die anderen Male, mit denen er ständig prahlt, gern verzichten kann.«

Keatons Gesicht hatte sich verfinstert.

»Aha«, quetschte er durch den rechten Mundwinkel, »so ist das also!«

»Yeah.« McNally hatte sich ein Zündholz am Sattelhorn angerissen. »Yeah, Boß, genauso ist es. Ich kann nicht behaupten, daß ich Peacemaker besonders gut kenne, aber was ich von ihm weiß ist nicht gerade dazu angetan, einen guten Eindruck von ihm zu gewinnen.«

»So?« schnaufte Keaton. »Nun will ich dir was sagen, Kid. Es interessiert mich nicht im mindesten, ob du von irgend jemandem einen guten Eindruck hast oder nicht, für mich ist der gute Eindruck, den ein Mann möglicherweise macht, völlig unwichtig. Von Bedeutung ist nur, ob der Mann selbst von Nutzen für mich ist oder nicht.«

McNally nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette und paffte den Tabaksqualm mit vorgeschobener Unterlippe gegen die Hutkrempe.

»Well, da stimme ich dir völlig zu. Ob aber Peacemaker von Nutzen für dich ist, bezweifle ich eben. Der Bursche hat mir ein zu großes Maul. Wyatt Earp! So ein Wahnsinn! Wieviel Leute gibt es, die den Dodger Marshal kennen! Wer sagt uns, daß er nicht ausgerechnet hier in Atlantic-City schon gewesen ist…«

»Ich sage es dir«, knurrte der Boß dazwischen.

»Peacemaker behauptet es«, verbesserte ihn McNally rauh.

»Richtig. Und er muß es schließlich wissen!«

Piggers war der Auseinandersetzung der beiden mit Mißbehagen gefolgt.

»Ich finde Kid, daß wir uns auf den Boß verlassen sollten. Schließlich sind wir bisher noch immer gut davongekommen.«

»Davongekommen«, fauchte der Kentucky-Mann. »Das ist ja eben, davongekommen sind wir, das ist aber auch alles. Aber es ist zuwenig, Rob. Trotzdem ist mir das Wenige lieber als der Strick. Aber das, was er jetzt ausgebrütet hat, ist irgendwie zu heiß.«

Piggers rieb sich das Kinn. »Zu dieser Überlegung ist es zu spät, Kid. Wir sind seit Brighton über neunzig Meilen geritten. Vom Mohave-County sind es sogar eine hundert Meilen gewesen. Und da unten liegt Atlantic-City. Wir haben keinen lausigen Cent mehr in der Tasche. Unsere Gäule sind auch am Ende.«

»Yeah«, sagte McNally nur und ließ den dünnen Zigarettenrest zwischen seinen Lippen glimmen, »Keaton hätte uns eben früher von seinem glorreichen Plan Mitteilung machen sollen. Ich habe nur gesehen, wie er ständig mit Bill Peacemaker gesprochen hat. Ich habe gesehen, daß er sich einen Kreuzgurt beschafft hat, in dem links eine sechskantige Kanone steckt, von der der Teufel wissen mag, ob sie tatsächlich ein echter Buntline ist. Ich sehe, daß er schwarze Zigarren raucht, und sehe auch den dunklen Fleck, den er sich mit Fett links auf die Lederweste geschmiert hat.«

»Hast du überhaupt begriffen, weshalb ich mir den Fleck auf die Weste gemacht habe?« preßte Keaton durch die Zähne.

Der Kentucky-Mann lachte, und seine großen lückenhaften Zähne schimmerten im bleichen Sternenlicht.

»Yeah, Brother, ich kann es mir denken, es soll so aussehen, als hätte dort lange Zeit der Stern gesessen. Aber vielleicht hast du auch einmal darüber nachgedacht, daß ein Mann wie Wyatt Earp mehrere Jacken besitzen könnte? Ganz sicher wird er auch einen Rock haben, auf dem er noch keinen Stern getragen hat. Und ob das mit dem Kreuzgurt stimmt, bezweifle ich auch.«

»Er trägt zwei Revolver«, unterbrach ihn der Boß.

»Ich weiß, ob er sie aber am Kreuzgurt trägt, weiß ich nicht. Ein wirklich großer Zweihandmann bevorzugt selten den Kreuzgurt.«

»Wenn es Peacemaker nicht weiß, weiß es niemand!«

McNally spie den Glutkörper seiner Zigarette auf die Erde. »All right, du bist der Boß.«

»Yeah«, stieß Keaton rostig hervor, »es ist gut, daß du das nicht vergessen hast. Du bist noch nicht lange im Mohave County und kennst Bill Peacemaker viel zuwenig. Er ist ein Prachtbursche, und wenn du länger im County wärst, wüßtest du das auch. Er hat damals Jake Hillborn aus dem Jail geholt und…«

»Sagt er«, unterbrach McNally.

»Unsinn!« knurrte der Boß, »das weiß jeder im Mohave County. Und nicht nur das. Als der Sheriff von Chloride Irvin Legger in den Hills gegriffen hatte, war es Peacemaker, der Legger rauskeilte. But Killing wäre nicht erst im vergangenen Herbst an der Kugel Luke Chorts eingegangen, sondern ein Jahr vorher, als der lange Deputy Cane Clark ihn in Walapai schon am Galgen hatte – wenn Bill nicht den Strick zerschnitten hätte. So könnte ich euch noch eine Menge Dinge von Bill erzählen.«

»Wenn sie wahr wären, gäbe es in ganz Arizona keinen prächtigeren Burschen als Bill Peacemaker.« Es war wieder der Kentucky-Mann, der das von sich gegeben hatte.

»Halt endlich dein Schandmaul, Kid!« Piggers spie eine Kautabakprise, die er bisher in einer Zahnlücke gepflegt hatte, im hohen Bogen über den Kopf seines Pferdes. »Es geht hier schließlich um gute harte Bucks…«

»Es geht um mehr!« unterbrach ihn der Boß. »Um viel mehr. Wenn es mir gelingt, diesen Coup da unten in dem verschlafenen Nest zu landen, sind wir für eine ganze Zeit aus dem Dreck!«

»Wenn es dir gelingt«, McNally schob sich den Hut aus der Stirn.

Keaton stemmte seine kantigen Fäuste in die Hüften.

»Wenn du einen Job weißt, bei dem wir kein Risiko eingehen, Boy – ich bin gleich dabei.«

Piggers glaubte, dieser Bemerkung Keatons mit einem beifälligen Lächeln Gewicht verleihen zu müssen.

Der Boß schob die Zigarre von einem Mundwinkel in den anderen.

»Und wenn dir die Sache zu heiß ist, McNally, kannst du ja aussteigen.«

Piggers zischte: »Yeah, das kann er versuchen.«

Sie sahen beide nicht die Augen des Kentucky-Manns, in denen es wie fernes Wetterleuchten blitzte.

Keaton richtete sich auf, blickte auf die dunkle Stadt hinunter und erklärte:

»Ich habe sechzehn Jahre die Weststaaten durchstreift und einen guten Job gesucht. Einen Job, wie ihm Männer wie wir brauchen. Ich habe ihn nicht gefunden. Immer waren es einzelne Reiter, die nicht viel bei sich hatten, leere Postkutschen, Pferdwechselstationen, auf denen nichts zu holen war, oder winzige Stores in kleinen Städten, deren Kassen magerer waren als ein hundertjähriger Indianer. Ich bin dieses Leben leid. In Brighton haben wir versucht, die kleine Station der Wells-Fargo zu nehmen. Wir sind aufgefallen…«

»Wir?« unterbrach ihn McNally kalt. »Piggers ist in dem dunklen Post-raum gestolpert und hat gleich geschossen.«

Es klang höhnisch und kalt, und die beiden anderen hätten den schmalschultrigen Außenseiter ihrer Zunft liebend gern mit glühendheißen Bleibohnen bedacht. Aber sie brauchten ihn. Der gerissene McNally hatte sie schon mehrmals aus heiklen Situationen herausgebracht. Zudem war er ein gefürchteter Revolverschütze. Er hatte zwar keine brillianten Einfälle, wo und wie man einen Coup landen konnte, aber er war da, wo er eingesetzt wurde, so zuverlässig und sicher, daß die beiden anderen auf ihn nicht verzichten konnten. Vor allem schätzte Keaton insgeheim die nüchterne Art und das scharfe Beurteilungsvermögen des Kentucky-Mannes hoch ein. Bisher allerdings war es ihm gelungen, diese Wertschätzung geflissentlich vor dem Gefährten zu verbergen.

Man durfte seine Leute nicht zu groß werden lassen. Das war immer schlecht. Und die Art, in der der schmalschultrige Bursche jetzt redete, mißfiel seinem Boß entschieden.

Vor allem hätte es jetzt nichts auf der Welt gegeben, daß Keaton von seinem Vorhaben, von seinem »einzigartigen Plan«, wie er es nannte, hätte abbringen können. Er hatte schon mancherlei in seinem Banditenleben versucht. Das meiste war fehlgeschlagen, und die »Erfolge« waren so winzig gewesen, daß man sie eigentlich nicht zählen konnte.

Die Idee aber, die ihm der geschäftstüchtige Fellhändler Bill Anthony Peacemaker unten in Gold-Basin eingeimpft hatte, schien ihm unübertrefflich zu sein. Er, der kleine Verbrecher Rory Josuah Keaton, wähnte sich endlich auf dem richtigen Trail. Er hatte drei Monate für die Vorbereitungen gebraucht. Allein sieben Wochen hatte es gedauert, bis Peacemaker den Buntline-Revolver für ihn beschafft hatte; die Waffe, von der McNally nun behauptete, sie wäre vielleicht gar kein echter Buntline-Colt. Trotzdem, Keaton würde den einmal beschrittenen Weg seines »einzigartigen« Planes weitergehen. Er hatte bereits zuviel darin investiert; um es genauer auszudrücken, der geschäftstüchtige Vater der Idee, Bill Peacemaker, hatte sich bereits zuviel Geld dafür geben lassen. Keaton hatte zunächst den Tip überhaupt bezahlen müssen, dann den großen Revolver, dann das Falbpferd, das dem Tier des Missouriers »aufs Haar«, gleichen sollte – alles hatte sich Peacemaker in blanker Münze honorieren lassen. Er hatte den Kreuzgurt geliefert, die mexikanischen Sternsporen, den Panhandle-Sattel und sogar die mit seltsamen Steppereien besetzten hochhackigen Stiefel. Alles hatte sich der Fellhändler bezahlen lassen. Und da es im Mohave-County offensichtlich keinen Menschen gab, der die Angaben und Behauptungen des Fellhändlers hatte widerlegen können, war Keaton auf alles eingegangen. Er hatte so lange gezahlt, bis er nichts mehr bezahlen konnte. Als Peacemaker in den letzten Tagen noch mit den Gedanken kam, daß er einen echten Dodger Marshalstern besorgen könne – allerdings gegen eine ziemlich hohe Bezahlung – da hatte Keaton abgewinkt. Er hatte abwinken müssen. Sein Kapital war erschöpft. Er war so blank, daß er sich mit seinen beiden Spießgesellen sofort auf den Trail machen mußte, um neue Bucks anzuschaffen.

Auf den alten Trail, wohlverstanden. Denn die Sache mit Wyatt Earp durfte nach Peacemakers Anweisungen nur an ganz bestimmten Orten vor sich gehen. Atlantic-City sollte die erste Stadt sein. Peacemaker wußte mit Sicherheit, daß der Dodger Marshal niemals auf seinen weiten Ritten auch nur die Gegend des Fremont-Countys gestreift hatte.

Fünf Städte hatte der Fellhändler dem Banditen bezeichnet. Und auch diese »unbezahlbaren Tips« hatte sich der raffinierte Mister Peacemaker entlohnen lassen.

Reichlich abgebrannt hatten sich die drei Tramps vom Mohave-County unten in Arizona auf den Weg nach Norden gemacht.

Die beiden anderen wußten noch nicht, worum es Keaton wirklich ging. Daß er eine neue Sache geplant war, hatte der Boß ihnen angedeutet, mehr aber auch nicht. Sie hatten in Lincolntown, einer kleinen Ansiedlung im mittleren Colorado, einen Store überfallen und ganze siebzehn Dollar erbeutet. In Freshman waren es elf und in Baltimore-West einunddreißig. Und dabei wären sie in Freshman fast noch von einem Hilfsheriff niedergeschossen worden. In Brighton, neunzig Meilen südlich von Atlantic-City, hatten sie das Pech, daß Piggers während des Überfalls stolpterte. Es war weniger die brennende Fackel im Korralstroh gewesen, die sie aus der Patsche gerissen hatte, als die Kaltblütigkeit des dürren Kentucky-Manns, der die Männer, die sich ihnen entgegenwarfen, geistesgegenwärtig in die andere Richtung lenkte. Nur das hatte ihnen in Brighton noch einmal Luft gemacht.

Keaton wußte es genau, aber er schwieg es wohlweislich tot.

Tatsache war, daß sie ohne den Kentucky-Mann längst geliefert gewesen wären. Gerade McNally war es, auf den Keaton seinen Plan aufgebaut hatte. Er war der Mann, der alles konnte und der mit seiner Kaltblütigkeit und Überlegung jedes Eisen aus dem Feuer reißen mußte. Niemals hatte Keaton sonst einen so bissigen Burschen neben sich geduldet…

Nach Peacemakers Idee war eine Sprengung immer gut.

McNally hatte jetzt also in die Stadt zu reiten und die Gebäude in der

Mainstreet zu besichtigen. Das große Sägewerk mußte in der Nacht in die Luft fliegen. Das würde den Menschen in der City die nötige Schock-Vorbereitung geben. Am darauffolgenden Tag sollte Piggers dann den Hold up in der kleinen Wyoming-Bank unternehmen. Am hellichten Tag, mittags um 12 Uhr.

Keaton hatte nach den Plänen Peacemakers alles genau auskalkuliert. Und nur weil er McNallys scharfe Zunge fürchtete, hatte er den beiden erst kurz vor Erreichen der Stadt von dem neuen Plan berichtet. Schon an der Stille, die der dürre McNally verbreitete, spürte Keaton sofort den Widerstand des anderen. Piggers war verhältnismäßig dumm und gehörte zur Sorte jener kleinen Tramps, die immer mitliefen, wohin der Boß sie dirigierte.

So stand die Sache zu dieser mitternächtlichen Stunde, als die drei Männer auf dem Hügel vor der Stadt hielten.

Was Keaton wirklich beabsichtigte, hatte er immer noch nicht genau erklärt. Piggers hatte noch keinen Gedanken daran verschwendet, da er mit diesem bei ihm nur spärlich wuchernden Gut haushälterisch umgehen mußte, und außerdem hätte er auch nicht den Mut gehabt, den Boß danach zu fragen.

McNallys Frage lag jedoch stumm in der Luft.

Keaton sagte mit belegter Stimme:

»Ich habe den Coup meines Lebens vor. Ihr jagt heute nacht das Sägewerk hoch. Morgen mittag, genau um zwölf, dringt Piggers über den Hof in die Bank ein. Es ist ein kleines Gebäude, ich habe euch die Zeichung davon gezeigt. Um zwölf Uhr ist niemand im Schalterraum. Piggers schwingt sich hoch auf die Barriere und turnt an den Stangen hinauf. Zwischen dem Ende der Trallen und der Ecke klafft eine Lücke von anderhalb Fuß Breite. Er schwingt sich hinüber in den Raum des Kassierers. Genau um zwölf Uhr fünf sprengt McNally das Depot der Wells-Fargo. Es liegt am Ostende der Main-street, und die Menschen werden sich sofort dorthin wenden. Piggers hat inzwischen Zeit, das Geld in die beiden Säcke zu füllen und an sich zu raffen. In einen Sack möglichst nur Hartgeld. Dann verläßt er die Bank, stürmt über den Hof hinaus. Auf jeden Fall kommt er dann in Horbys Bar. Sie liegt gleich nebenan. Er stutzt bei meinem Anblick und brüllt so laut, daß es jeder verstehen muß: ›Damned! Wyatt Earp!‹ Ich folge ihm sofort, gebe ihm Zeit, aufs Pferd zu kommen, versperre den Eingang der Bar und schieße dann. Piggers, der schon in der Mündung der Seitengasse ist, wird nach dem Schuß den Beutel mit dem Hartgeld fallen

lassen und davonjagen. Wir treffen

uns um Mitternacht da oben in den Bergen genau unter der Krüppelfichte, bei der wir am Nachtmittag gerastet haben.«

Stille.

Piggers nickte.

McNally rührte sich nicht.

Da warf Keaton den Kopf herum und zischte den Kentucky-Mann an: »Was paßt dir nicht daran?«

»Weshalb fragst du mich?« wich der schmalschultrige und schmalbrüstige Bursche aus. »Frag doch auch Rob einmal.«

»Ich habe d i c h gefragt!«

»Well, dann muß ich dir sagen, daß es ein feiner Plan ist.«

Keaton sah ihn mit schräggelegtem Kopf mißtauisch an. »Was soll das? Es paßt dir doch wieder irgend etwas nicht.«

»Irgend etwas?« McNally feixte, »Nichts paßt mir, Keaton, überhaupt nichts!«

Keaton haßte es, wenn »seine Leute« ihn beim Namen nannten. Er wollte der Boß sein. Und nur weil er immer etwas Besonderes hatte sein wollen, war er in Wirklichkeit nie etwas geworden. Aber das wußte er nicht. Er hatte den beiden bereits zum viertenmal gesagt, wie sich alles unten in der Stadt abspielen würde. Sie hatten dazu geschwiegen. Und Keaton hatte das für eine Zustimmung gehalten. Nun hatte er ihnen noch einmal den ganzen Ablauf des geplanten Unternehmens geschildert. Schließlich handelte es sich um den ersten großen »Job« der drei Verbrecher. Einen Banküberfall hatten sie bisher noch nicht riskiert. Und er würde ihnen unter gewöhnlichen Umständen auch nie gelingen, hatte ihnen der »Fachmann« Peacemaker erklärt. Nur so…

So…, das hieß, wenn Rory Keaton in Atlantic-City als der berühmte Marshal Wyatt Earp auftrat.

Was das alles zu bedeuten hatte, begriff weder McNally noch Piggers.

Keaton hatte die Ansicht heimlich genährt, daß er das seinen Begleitern gar nicht so genau zu erklären brauchte. Aber nun mußte er einsehen, daß er zumindest an McNally so nicht vorbeikam. Er brauchte den Mann unbedingt für die Sprengung. Der Kentucky-Mann war früher lange Jahre bei einer Sprengabteilung gewesen, die in den Felsenbergen den glatten Verlauf der Verlegung des Schienenstrangs zu besorgen hatte. Er brauchte diesen McNally also notwendiger als alles andere. Und er sah in dessen mondbleichem Gesicht jetzt die stumme Frage.

Keaton rückte sich im Sattel zurecht und sog an der Zigarre, die ihm übrigens absolut nicht schmeckte.

»Well, ich wollte euch nicht unnötig mit diesem Dingen behängen, weil sie euch eigentlich gar nicht betreffen. Also, ich bin in der Stadt. Um zwölf Uhr werde ich zufällig in der Schenke sitzen und einen Whisky zu mir nehmen…«

McNally seufzte und meinte sanft:

»Ich will dich nicht schon wieder unterbrechen, Keaton, aber ich habe gehört, daß Wyatt Earp überhaupt keinen Alkohol trinkt.«

»Wer weiß das schon? Kein Mensch. Peacemaker hat mir geschworen, daß der Marshal nie hier in der Gegend gewesen ist.«

»Aber so etwas spricht sich doch herum«, fand McNally. »Schließlich ist der Mann bekannt wie ein bunter Hund.«

»Yeah«, grinste Keaton, und über sein breitflächiges Gesicht konnte man trotz der Dunkelheit ein Grinsen kriechen sehen. »Er ist bekannt, und genau das ist es, was ich brauche. Jeder kennt seinen Namen. Das ist es – nichts weiter.«

»Solange es nur bei dem Namen bleibt, ist es ja gut. Aber laß doch einen Sheriff, ausgerechnet den Sheriff von Atlantic-City, den Marshal kennen, per Zufall nur…«

»Er kennt ihn nicht«, gab der Bandit nicht ohne einen heimlichen Triumph in der Stimme von sich. »Der Sheriff von Atlantic-City heißt Jonny Soren, ist sechsundvierzig Jahre alt und war bis vor einem Jahr in Gilburry oben im nördlichen Montana. Er ist nie weiter südlich gekommen…«

»Sagt Peacemaker«, unterbrach ihn McNally.

»Yeah, sagt Peacemaker«, gab Keaton bissig zurück, »und Peacemaker weiß es. Er muß es sogar wissen.«

»Well«, schnarrte McNally und drehte sich in der bereits beschriebenen Weise eine neue Zigarette, setzte sie in Brand und fragte, während er der Kopf auf die Seite legte: »Und weshalb hast du es dir in den Kopf gesetzt, hier als Wyatt Earp aufzutreten?«

Das war Rory Josuah Keatons großer Augenblick. Er hatte ihn sich eigentlich für einen späteren Zeitpunkt aufheben wollen.

»Well, dann muß ich es euch also jetzt schon sagen. Peacemaker hat in Santa Fé, in Wichita, in Dodge und in zahlreichen anderen Städten erlebt, daß der Name des Missouriers Wunder wirkt.«

»Und dieses Wunder willst du nach Atlantic-City bringen«, unterbrach ihn McNally unbeeindruckt.

»Yeah, das will ich. Ich werde nicht sagen, daß ich Wyatt Earp bin. Das wird Piggers besorgen, wenn er in den Saloon stürzt. Mein Meisterschuß wird bewirken, daß einer der gestohlenen Geldsäcke zurückbleibt.«

Piggers hustete. »He, wenn du mich nun triffst?«

McNally gab die Antwort für den Boß.

»Das ist nicht zu befürchten, Rob. Keaton trifft schon auf sieben Yards keinen Ziegenbock mehr; da wird er dich Hammel auf eine Distanz von wenigstens fünfzehn Yards kaum noch treffen können.«

»Wenn aber doch…?« fragte Piggers mit verzerrtem Gesicht.

Keaton hatte den Spott des Kentucky-Manns geflissentlich überhört. »Ich werde die Kugel in eine völlig andere Richtung jagen, du Dummkopf!« rief er seinem tatsächlich mehr als dürftig mit geistigen Gütern gesegneten Kumpan zu. Es war schwer für Keaton mit den beiden. Piggers war nahezu strohdumm – und McNally war ausgesprochen gerissen.

Aber er brauchte sie beide. Nur mit ihnen zusammen konnte er seinen großen Plan umsetzen.

»Weiter!« mahnte ihn Kid, »du hast uns doch nicht erklärt, was der ganze Zauber mit Wyatt Earp soll.«

»Für die Leute ist Wyatt Earp in der Stadt, versteht ihr. Das wird eine Sensation für das Nest sein. Der Marshal von Dodge ist da, und schon hat er eine großartige Tat vollbracht. Er hat einem Banditen einen Geldsack aus der Hand geschossen.«

»Für diesen Fall empfehle ich dir, Rob vorsichtshalber einen Schmerzensschrei von dir zu geben!« spottete Kid.

Rob spürte den Hohn nicht. »Yeah, ich werde es mir merken. Es wirkt dann echter.«

»Und wenn der Boß dich ganz zufällig doch treffen sollte, dann brauchst du nicht an den Schrei zu denken, er kommt dann ganz von selbst.«

Das reichte Keaton. Er wandte das Gesicht wieder dem Kentucky-Mann zu.

»Hör zu, Kid. Du kannst aussteigen, ich habe es dir schon gesagt.«

Piggers drängte sein Pferd heran. Und in seiner Linken blinkte ein langes Messer.

»Yeah, das kann er, Boß!« röhrte er heiser.

»Halt’s Maul!« fauchte Keaton ihn an. »Wir haben jetzt keine Zeit mehr zu verlieren, Kid, du weiß Bescheid: Das Sägerwerk liegt am Ende der

Mainstreet. Es muß eine sichere Sache werden. Wie immer.«

»Wie immer«, wiederholte Mc-Nally.

»Yeah, und dann treffen wir uns wieder hier auf dem Hügel.«

»Feiner Platz«, fand der Kentucky-Mann, »da können uns die Leute, die vielleicht auf den Gedanken kommen, aus der Stadt zu rennen, wenigstens gleich sehen.«

»Well, wir brauchen uns ja nicht gerade hier oben auf dem Kamm zu treffen, sondern ein paar hundert Yards weiter südlich am Hang.«

Piggers kratzte sich die Nase. »All right, Boß.«

Keaton sah McNally an. »Und du?«

»Ich wüßte gern noch, was aus dem Wunder von Atlantic-City werden soll?«

»Was – ich verstehe nicht, was du willst«, sagte Keaton, obgleich er genau wußte, was der Kentucky-Mann meinte.

McNally lehnte sich mit dem Ellbogen auf den Sattelknauf und fragte:

»Weshalb willst du da unten als Marshal von Dodge auftreten?«

Keaton paffte ein paar gewaltige Tabakwolken vor sich hin.

»Ich will es dir genau sagen, McNally. Weil ich als Wyatt Earp Geld machen werde. Geld auf legale Weise, gefahrloses Geld. Verstehst du das? Ich könnte mir denken, daß du das nicht verstehst, daß es zu kompliziert selbst für deinen Schädel ist. Ich werde Geld machen, Brother, einen großen Haufen Geld. Und das kann ich nicht als der kleine dreckige Tramp Rory Keaton. Siehst du das ein? Da werde ich nichts. Bestenfalls kann ich auf einer heruntergekommenen Ranch als Cowpuncher für knappe fünfunddreißig Bucks im Monat unterkommen. Oder als Schwellenleger bei der Bahn, für fünf Dollar weniger. In den Städten nimmt mich keiner auf. Und für den ganz großen Coup in einer fetten Bank reicht es auch nicht. Das wissen wir genau. Eine richtige große Crew bringe ich eben nicht zusammen, ich habe es seit sieben Jahren versucht. Den Jungen stecken andere Rosinen im Kopf, als zwanzig grüne Böcke bei einem Überfall kassieren zu können. Yeah, Kid McNally, so sieht die Sache wirklich aus. Wir sind ein paar ganz erbärmliche, wertlose Wichte.«

»Laß dir das nicht ausreden«, spöttelte der Kentucky-Mann, »jedenfalls, soweit es dich betrifft.«

Aber Keaton war in Rage, er hatte den Hohn nicht herausgehört.

»Kleine, erbärmliche Wichte, yeah, das sind wir, nichts weiter!«

McNally richtete sich auf und sah auf die dunkle Stadt hinunter.

»Ich weiß gar nicht, ob wir so klein sind. Immerhin stehen wir hier oben und haben einen Boß, der der Stadt da unten ein Wunder bringen will, das den Namen Wyatt Earp trägt.«

»Spotte nur!« knurrte Keaton. »Du wirst anders denken, wenn du die Bucks rollen siehst. Es ist der erste große Coup, den wir landen werden. Und gleichzeitig räumen wir auch eine Bank aus…«

»Eine Bank aus?« fragte McNally näselnd. »He, ich denke, Piggers soll nur die paar umherliegenden Dollar einpacken. Unter ›eine Bank ausräumen‹ verstehe ich, die Tresors aufbrechen und leeren.«

»Dazu kommen wir jetzt nicht. Und wir haben es auch nicht nötig, denn diesmal geht es um größere Dinge. Wir werden mehr Geld verdienen als selbst in den Tresors von der Bank in Atlantic-City ist.«

»Spuck aus«, forderte der Kentucky-Mann seinen Boß auf.

Keaton kaute bedächtig auf seiner Zigarre herum.

»Ich bin Wyatt Earp…«

»Das wirst du den Leuten erzählen«, unterbrach ihn McNally.

»No, Brother, ich b i n Wyatt Earp, und je eher du dich an diesen Gedanken gewöhnst, desto besser ist es auch für dich.«

Rory Josuah Keaton rutschte aus dem Sattel, trat einige Schritte vor die drei Pferde, blieb auf dem kleinen Plateau der Hügelkuppe kurz vor dem Abhang nach Norden stehen. Hoch aufgerichtet, mit geblähter Brust und gespreizten Beinen stand er da. Seine großen Hände schwebten über den Revolverknäufen.

»Ich bin Wyatt Earp, der Marshal von Dodge-City.«

Für den Bruchteil einer Sekunde erhellte die Glut der Zigarre sein grobes Gesicht.

Dann senkte der Bandit seinen Kopf. »Zieh!« brüllte er.

Seine Linke stieß auf den Griff des Revolvers, zerrte die schwere Waffe hoch und ließ sie wirbelnd um den Mittelfinger routieren.

Einen Augenblick stand der Tramp wie versteinert da, den großen Revolver in der vorgestreckten Faust.

Dann warf er sich plötzlich zur Seite, zog den rechten Revolver, und der Schuß fauchte von seiner Hüfte los. Keaton sprang vorwärts und hatte beide Revolver in den vorgestreckten Fäusten.

Dann peitschte das wilde Stakkato sinnlos abgefeuerter Schüsse aus beiden Revolvern des Desperados über die schlafende Stadt.

Rory Keaton richtete sich ebenso ruckhaft wieder auf, ließ die Colts zurück in die Halfter fliegen und schlug eine dröhnende Lache an.

Mit hochgerecktem Kopf belferte er:

»Hier steht Wyatt Earp, der Marshal von Dodge!«

Und wieder röhrte die hohle Lache des Tramps über den Hügel auf die schlafende Stadt hinunter.

Die beiden anderen hatten ihrem Boß mit weitoffenen Augen zugesehen.

Kid beugte sich jetzt nach vorn und sagte, ohne den zwischen seinen Lippen verglimmenden Zigarettenrest herauszunehmen:

»He, Keaton, das war nicht schlecht.«

»Yeah, hätte ich dem Boß gar nicht zugetraut!« brach es auch von Piggers Lippen.

»Halt’s Maul!« fuhr Keaton Piggers an. Dann trat er nahe an McNallys Pferd und sagte mit eindringlich heiserer Stimme: »Ich habe es Tag und Nacht geübt, Kid. Während ihr im Rostigen Hufeisen und in Millers Bar herumgelungert habt, stand ich oben in meinem Zimmer und habe geübt.«

»Wirklich nicht schlecht. Wenn du nun auch noch etwas triffst bei der Knallerei, wäre es sogar gut«, dämpfte McNally die Begeisterung, in die sich der Boß hineingeredet hatte.

»Ich treffe, Kid. Ich treffe, wenn ich Wyatt Earp bin.«

»In Brighton…«

»Äh«, Keaton machte eine wegwischende Handbewegung, »in Brighton war ich nicht Wyatt Earp.« Dann wies er mit der ausgestreckten Linken zur Talsohle hinunter. »Aber da unten werde ich es sein. Und es wird keinen Mann geben, der das zu bezweifeln wagt.«

McNally zog die Brauen hoch und stieß endlich mit der Zunge den Zigarettenrest aus.

»Wette tausend zu eins, daß diese Knallerei unten in der Stadt gehört worden ist.«

Keaton feixte. »Ganz sicher. Und das war auch meine Absicht. Es geht alles nach Plan. Erst die Schüsse in der Nacht. Dann die Sprengung der Sägemühle und morgen der Überfall auf die Bank und der Knall im Wells-Fargo-Depot. Das macht die Leute mürbe.«

»Hoffst du.«

»Nein, Kid, ich bin dessen sicher.«

Daß der ganze »großartige Plan« mit Gefahrenpunkten nur so gespickt war, übersah Keaton völlig. Er rieb sich das stoppelige Kinn und erklärte mit einer theatralischen Geste:

»So, Männer, wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.«

McNally hob mit einer trägen, hölzernen Bewegung den linken Arm.

»Noch eine Frage, Boß. Es könnte sein, daß sich einiges in der Stadt geändert hat. Du weißt doch, daß diese Holznester oft innerhalb eines Jahres an verschiedenen Stellen umgebaut werden können«.

»Dazu schicke ich euch ja jetzt in die Stadt. Piggers hat hauptsächlich die Bank zu beäugen.«

»Vielleicht wäre es doch besser«, suchte der vorsichtige McNally einzuwenden, »wenn wir uns morgen vormittag noch mal die Stadt ansehen würden. Vor allem sollte Piggers unter einem Vorwand versuchen, einen Blick in die Bank zu werfen…«

Rory Keaton sollte bald erfahren, daß diese Vorsicht des Missourier-Mannes dem ganzen Plan ein vorzeitiges bitteres Ende ersparte.

»Well«, knurrte er jetzt, »vielleicht hast du recht…«

*

Eine Stunde später erschütterte eine gewaltige Detonation die kleine Stadt.

Mit entsetzten Augen sahen die schlaftrunkenen Bürger den großen scheunenartigen Lagerraum des Sägewerks unter einer gewaltigen Rauchwolke stehen.

Kid McNally hatte ganze Arbeit geleistet.

Der große Plan des kleinen Bandenchefs Rory Josuah Keaton hatte seinen Anfang genommen.

Und niemand – nicht einmal der argwöhnische Mann aus Kentucky – ahnte, welche Ausmaße dieser Irrsinnplan noch annehmen sollte

*

Es war am nächsten Vormittag gegen acht Uhr.

Ein klobiger, vierschrötiger Mann mit faltigem Gesicht, kurzer, breiter Nase, aufgeworfenem Mund und weit vorgeschobenem Kinn, kleinen Schweinsäuglein und fliehender Stirn lehnte an einem Pfeiler von der Wyoming-Bank und stopfte sich eine Maiskolbenpfeife.

Robert Piggers hatte keine Eile. Als der Tabak in Brand gesetzt war, schnippte er das Zündholz auf die Straße, wandte sich um und ging auf den Eingang der Bank zu.

Kurz vor ihm wurde die Tür von drinnen geöffnet – und ein breitschultriger Mann mit tiefbraunem, zerfurchtem Gesicht und hellgrauen Augen kam heraus. Es war nicht der fadendünne schwarze Schnurrbart auf der Oberlippe des Mannes, der den Banditen schockierte, auch nicht der blankgeputzte Waffengurt mit dem ziemlich tiefhängenden Revolverhalfter auf der rechten Seite – es war der im Sonnenlicht blitzende fünfzackige Stern aus Silberblech auf der linken Brustseite des Mannes, der den Tramp steif dastehen ließ.

Der Sheriff beachtete ihn indessen überhaupt nicht, schob ein paar Geldscheine in die linke Brusttasche und stampfte über den Vorbau davon.

Piggers schluckte. »Heavens! Das war ein Schreck in der Morgenstunde«, murmelte er tonlos vor sich hin.

Dann gab er sich einen unmerklichen Ruck, öffnete die ins Schloß gefallene Tür und betrat die Bank.

Das erste, was er sah, war die Tatsache, daß die Trallen neu waren und bis ganz hinauf zur Decke reichten.

Das war der zweite Schreck, den der kundschaftene Bandit zu schlucken hatte.

Dafür sah er, daß die Tür zum Nebenraum hinten offenstand und außer dem Drehgriff keine weitere Sicherung hatte. Aus diesem Nebenraum kam jetzt ein kleiner hutzeliger Mann mit quellenden Froschaugen hervor. Er hatte,wie es in den Banken und Postbüros der Weststaaten üblich war, einen grünen Marienglasschirm auf, der aber seinen Zweck völlig verfehlte, weil er hoch oben weit über der Stirn auf dem kahlen Schädel des Kassierers saß.

Als er die Schaltertrallen zu einer viel zu kleinen Öffnung hochgeschoben hatte, verrenkte er den Kopf und fragte mit dünner Fistelstimme: »Ja…?«

Piggers nahm ein paar Geldscheine aus der Tasche.

»Ich möchte ein paar Bucks einzahlen, Mister.«

»Auf welchen?Namen?«

»Sam Billinger.«

Die Feder des Kassierers kratzte über das Papier.

»Ja, und wo wohnen Sie?«

»Ich bin Pelztierjäger und komme alle paar Monate aus den Mountains herunter hier durch die Stadt. Da habe ich mir gedacht, daß es ganz gut wäre, wenn ich hier was auf der Bank liegen habe, für den Fall, daß ich mal kein Glück auf der Jagd haben sollte.«

»Sehr vernünftig«, lobte der Kassierer und musterte den »Pelztierjäger«. Diese Prüfung schien günstig für Piggers ausgefallen zu sein, denn der alte Jeff Suggeby hatte eine Schwäche für diese halbverwilderten, scheuen Burschen, die sich oben in den Bergen herumschlugen und nur wenige Dollars für ihre oft monatelangen Arbeiten bekamen.

Piggers starrte entgeistert auf die blasse verknöcherte Hand, die vom Gelenk an bis zum Ellbogen hinauf von einem verblichenen schwarzen Ärmelschoner bedeckt war und die der alte Kassierer ihm über das abgewetzte Schalterbrett entgegenschob.

»Good, Mister Billinger. Mein Name ist Suggeby. Das tun Sie mal, bringen Sie Ihre Bucks mal lieber hierher zu uns, da sind sie besser und sicherer aufgehoben als nebenan in der Bar…«

Piggers drückte die knöcherne Hand des Alten und versuchte, sich sein Teil zu denken.

Als er draußen war, atmete er auf.

Heavens, über die Trallen kam er also nicht. Und außerdem schien die Tür zum Hof, die seitlich in den Schalterraum führte, ebenfalls erneuert worden zu sein. Sie trug außerdem einen stabilen Riegel.

Piggers trottete zu seinem Gaul und ritt langsam aus der Stadt.

Drei Meilen westlich von Atlantic-City traf er auf die beiden anderen.

Piggers berichtete.

Keatons breitflächiges Gesicht wurde um einen Schein blasser. Seine

wässrigen Augen flogen unstet hin und her. Er hatte sich den schwarzen Stetson aus der Stirn geschoben und strich sich immer wieder durch seine strähnigen schwarzen Haare.

McNally hockte auf einem Feldstein, kaute auf einem Zündholz herum und schien überhaupt nicht zugehört zu haben.

Keaton sah seinen großartigen Plan bereits davonschwimmen. Nervös nahm er seinen Tabaksbeutel heraus und drehte sich eine Zigarette.

Der Kentucky-Mann wandte den Kopf. Fast ohne die Lippen zu bewegen, meinte er leise:

»Ich dachte, Wyatt Earp raucht nur schwarze Ziarren?«

»Sei still!« fauchte ihn der Boß an.

Piggers nagte bekümmert an seiner Unterlippe. »Was passiert jetzt, Boß?«

Keaton senkte den Kopf und scharrte mit der Spiefelspitze im rotbraunen Sand.

»Ich muß überlegen.«

»Da wird es Zeit«, schnarrte McNally.

Keaton stieß plötzlich einen Stein weit über den Weg. »Wenn du ständig dazwischen redest, kann ich nicht denken.«

McNally quetschte an dem Streichholz vorbei: »Halt also die Klappe, Rob!«

Es war still.

Eines der drei Pferde schüttelte den Kopf und erwehrte sich einer dicken Fliege.

Stahlblau und wolkenlos spannte sich der Himmel über das Tal. Die Zinnen der Berge ringsum trugen weißglitzernde Schneeräder. Von den Wind-River-Mountains her kam ein sanfter Wind.

Die beiden Tramps blickten auf den breiten Rücken ihres Anführers.

Kid McNally sah über den neuen schwarzen Anzug, der sicher seine

fünfzig Dollars gekostet hatte, bis hinunter auf die neuen Stiefel, deren hochhackige Absätze jetzt staubgepudert waren.

Dann sagte der schmalgesichtige, langaufgeschossene McNally plötzlich in die Stille hinein:

»Die Tür zum Hof ist neu und trägt innen todsicher einen starken Riegel. Dafür gibt es eine andere Tür, die auch vom Hof aus ins Haus führt, und zwar in den Nebenraum. Nebenraumtüren, die in die Räume des Kassierers führen, sind selten stark abgesichert.«

Er hatte es ganz ruhig ohne jede Betonung gesagt und blickte dabei auf seine mißfarbenen und ziemlich abgetragenen Beinkleider.

Piggers sah unverwandt auf den breiten Rücken Keatons.

Der bewegte sich nicht. Ganz steif stand er da.

Endlich öffnete Piggers die Lippen.

»Stimmt, Boß, ich habe die Tür auch gesehen, von der Kid gesprochen hat. Sie ist tatsächlich stark von innen verriegelt.«

Keaton fuhr auf dem Absatz herum.

Und die andere Tür, hast du die auch gesehen?«

»Yeah – zufällig.«

»So etwas sieht man nicht zufällig«, näselte McNally.

»Sei still!« fauchte ihn Keaton an. »Los, Rob, wie sieht sie aus, diese Tür?«

»Sie hat nur einen Drehknopf.«

Keaton stieß einen spitzen Freudenschrei aus.

»Well, dann ist alles gerettet!«

McNally hob träge den Kopf, warf einen undeutbaren Blick auf Keaton und ließ ein sorgenschweres Haupt dann wieder sinken.

Niemand kam auf den Gedanken, zu fragen, wie Kid, dessen Aufgabe das doch gar nicht war, dazu kam, die Beschaffenheit des Bankgebäudes in Augenschein zu nehmen.

Es war allerdings nie anders gewesen, und Keaton wie auch Piggers nahmen diese Dinge als Selbstverständlichkeit hin.

McNally seinerseits hatte es aufgegeben, sich darüber zu ärgern, und zum anderen war es ja auch so, daß er längst wußte, daß er zur eigenen Sicherheit zumindest hinter Piggers immer herlaufen mußte.

Eine großartige Crew! dachte der Kentucky-Mann. Aber er hatte so vieles in seinem Leben aufgegeben, so auch den Gedanken, sich einer anderen Bande anzuschließen. Er war immer nur ausgenutzt worden. Und das erste, was er in seiner wenig glanzvollen Laufbahn als Bandit aufgegeben hatte, war sein Ehrgeiz. Daß ihm sein Verstand geblieben war, lag nur daran, daß er ihn schließlich kostenlos zur Verfügung hatte.

»Well«, meinte Keaton jetzt, »wir müssen uns beeilen. Ich werde vorsichthalber die Bank noch kurz von der Nebengasse her betrachten, ob auch alles in Ordnung ist. Ich gebe dir dann ein Zeichen, und du weißt Bescheid. Wenn etwas schiefläuft, setze ich meinen Hut ins Genick.«

McNally grinste breit.

Keaton bemerkte es nicht.

»Vorwärts, es ist spät geworden. Und die Mittagspause in der Bank ist von Viertel vor zwölf bis Viertel nach zwölf. Da es noch der alte Kassierer ist, wird er todsicher auch die gleiche Mittagszeit einhalten. Auf die Gäule, Boys!«

McNally lauschte dem Ruf Keatons noch einen Augenblick gedankenvoll nach, dann erhob auch er sich und zog sich in den Sattel.

Die drei Tramps ritten in drei verschiedene Himmelsrichtungen davon.

Nur der Boß ritt über die gerade Fahrstraße auf die Stadt zu. Mit hartem, etwas verkniffenem Gesicht saß er auf dem Rücken seines Falben. Bei jedem Schritt des Tieres knarrte und knirschte leise das neue Lederzeug. Auf und ab senkte sich der Kopf des Pferdes.

Der Reiter saß kerzengerade im Sattel, sank aber mit der Zeit mehr und mehr nach vorn. Immer und immer wieder versuchte er, sich das, was vor ihm lag, vorzustellen.

Und dann hörte er wieder die beschwördene Stimme Peacemakers in seinen Ohren:

»Du b i s t Wyatt Earp. Denke fest daran. Du bist der Marshal von Dodge…«

Als er die ersten Häuser der Stadt auftauchten sah, zuckte der Bandit unwillkürlich zusammen.

Atlantic-City – da lag es.

Es sah nicht anders aus, als all die vielen Städte, die der Tramp Rory Keaton auf seinem schmutzigen Trail gesehen hatte.

Aber es sollte eine wichtige Station seines Lebens sein. Das hatte er sich jedenfalls vorgenommen.

Als er an dem grobgezimmerten Schild mit den schwarzen, rot- und gelbgeränderten Buchstaben vorbeiritt, gab er sich einen Ruck und saß wieder aufrecht im Sattel, so, wie Peacemaker ihm die Haltung des Missouriers beschrieben hatte.

Der Mann, der da auf dem Falbpferd in die breite, staubige Mainstreet von Atlantic-City einritt, hatte rein äußerlich tatsächlich einige Dinge, die von weitem an die Erscheinung des berühmten Marshals erinnerten. Ja, wenn er weniger finster dreingeschaut hätte, dann wäre das dunkelgebrannte, harte, kantige Gesicht Keatons unter dem breitrandigen schwarzen Stetson dem Missourier selbst auf vierzig Yards hin nicht einmal unähnlich gewesen. Und was noch wichtiger war, Keaton hatte eine ähnliche Figur wie Wyatt Earp. Nur jemand, der den Missourier genau kannte, wußte, daß er noch einige Inches größer, sehniger, breitschultriger und schmalhüftiger war.

Aber wer wußte das in Atlantic-City schon?

Diese Rechnung Bill Peacemakers schien also aufzugehen.

Mit starrem Blick ritt der Bandit vorwärts. Er sah weder rechts noch links, hatte die Zigarre im rechten Mundwinkel und hielt mit der Rechten die Zügelleine umkrampft.

»Du bist der Marshal von Dodge…«

Peacemakers Stimme war in seinem Ohr, als er an der City-Hall vorbeiritt.

Drüben war der Tonsorial-Palace. Rechts stand das große Tor eines Mietstalles offen.

Daneben – Keaton wagte nicht hineinzublicken und sah es doch – lag das Sheriff-Office. Ein kleiner Backsteinbau, der grellweiß gestrichen war und über der Tür in Riesenlettern den Zweck seiner Bestimmung verkündete.

Und gleich daneben an einer Ecke lag das Gebäude der Wyoming-Bank. Es war ein ziemlich großer, doppelstöckiger Holzbau mit einem breiten überdachten Gehsteig davor.

Keaton mußte sich krampfhaft bemühen, keinen Blick auf das Haus zu werfen.

Wo mochte Piggers stecken?

McNally war todsicher auf seinem Platz beim Depot der Frachtgesellschaft.

Sonderbar, daß man sich auf den einen so hundertprozentig und auf den anderen so wenig verlassen konnte.

Als Keaton vor dem Saloon aus dem Sattel stieg, war es genau eine Viertelstunde vor zwölf.

Lässig warf er die Zügelleine um den Querholm, dann überquerte er mit harten sporenklirrenden Schritten den Vorbau, stieß die Pendeltür der Schenke auseinander.

Fast wäre er zurückgeprallt.

Denn das erste was ihm aus dem Halbdunkel des Schankraumes entgegenschimmerte, war ein metallener fünfzackiger Stern. Er saß auf der breiten Brust eines mittelgroßen vierschrötigen Mannes.

Keaton schluckte seinen Schrecken hinunter. Er dachte an Piggers, der erzählt hatte, daß auch ihm der Sheriff gleich als erster Mensch über den Weg gelaufen war.

Der Bandit ließ die Schwingarme der Tür los und trat in den Raum.

Forschend glitt sein Blick über die Tische.

Nur einer, vorn an der Theke, war von vier pokernden Männern besetzt.

Links am Fenster sah ein einzelner blaßgesichtiger junger Mann und stierte trübsinnig in sein schaumloses Bier.

Vorn an der Theke lehnte der Sheriff.

Keaton ging auf ihn zu und tippte kurz an den Rand seines Hutes.

Dann zog er die Brauen finster zusammen und suchte den Keeper.

Der Hüter des Gesetztes wandte sich nach dem Fremden um.

»Brigger holt neuen Whisky aus dem Vorratsraum, Mister. Sie müssen sich einen Augenblick gedulden.«

Keaton nickte, schob sich den Hut aus der Stirn und brummte: »So eilig habe ich es nicht.«

Der Sheriff drehte sich mit ungelenken Fingern eine Zigarette.

Keaton sah ihm von der Seite her dabei zu und dachte, wie geschickt der schmalbrüstige Kid McNally das machte.

Ohne den Fremden anzusehen, meinte der Sternträger: »Auf dem Durchritt?«

Keaton nickte und brachte mit belegter Stimme hervor: »Yeah.«

Der Sheriff hatte die Tabakblättchen in das braune Papier geschüttet und rollte die Zigarette zu einem unförmigen Stengel zusammen.

Keaton riß ein Zündholz an und hielt es ihm wortlos hin.

Der Sheriff nickte und sog die Flamme in die Zigarette.

»Armseliges Nest«, brummte er dann, »sehen Sie zu, daß Sie bald weiterkommen. Atlantic-City kann man nur in angenehmer Erinnerung behalten, wenn man schnell hindurchreitet und es ebenso schnell wieder vergißt.«

Rory Keaton zog die Brauen unmerklich zusammen. Aber er sagte nichts.

Und Jonny Soren, der Sheriff, dachte keineswegs das, was er da eben von sich gegeben hatte. Aber obgleich er nicht gerade ein großer Menschenkenner war, gab es etwas an dem Fremden, daß ihm erheblich mißfiel: der Kreuzgurt.

Well, es gab eine Menge Männer, die einen doppelten Waffengurt trugen. Aber wer ihn trug, trug auch zwei Halfter mit zwei Revolvern. Und wozu mußte ein Mensch zwei Revolver haben?

Zum schießen – selbstverständlich.

Die Tatsache, daß bereits ein Revolver seine Existenzberechtigung an und für sich nur durch das Schießen erhärten konnte, interessierte den Sheriff nicht. Denn schließlich mußte ein Mann einen Revolver tragen, ohne eine Schußwaffe war ein Mann im Westen ja halbnackt.

Aber zwei Colts! Heavens! Nur Leute, die zwei Revolver brauchten, trugen sie auch.

Der Fremde war also ein Zweihandmann. Der häßliche patronengespickte Kreuzgurt wirkte direkt aufdringlich.

Immerhin war Soren erfahren genug, solche Menschen nicht etwa zu reizen. Er war bisher gut dabei gefahren, wenn er ihnen die Stadt durch abfällige Reden verleidete.

Aber dieser Fremde schien ein besonders starrsinniger Bursche zu sein. Nichts in seinem hölzernen Gesicht verriet, was in ihm vorging.

»Kommen Sie aus dem Süden?«

Keaton runzelte die Stirn. Und wieder gab er nur ein Wort zur Antwort: »Yeah.«

»Aus Colorado?« bohrte der Sheriff.

»No.«

Diese Einsilbigkeit fiel dem Hüter des Gesetzes auf. Er beschloß sich mehr auf seine direkte Absicht, nämlich den Kreuzgurtträger aus der Stadt zu ekeln, zu beschränken.

»Es ist wirklich ein erbärmliches Kaff, dieses Atlantic-City.«

Keaton nickte. Und diesmal verstieg er sich zu zwei Worten: »Kann sein.«

Soren sah ihn an. »Wollen wir eine Partie Poker spielen?«

Keaton lehnte ab. »No, thanks.«

Über zwei Worte schien dieser verstockte Zweihandmann also nicht hinauszukommen.

Der Bandit sah auf, und sein Blick blieb auf dem vergilbten Ziffernblatt einer alten Uhr hängen.

Drei Minuten vor zwölf.

Es war Keaton, als ob er einen Guß Eiswasser über den Rücken bekommen hätte.

Heavens.

Nun mußte es jeden Augenblick losgehen.

Und nur die paar Leute hier in der Schenke! Der Sheriff – yeah, den hätte er am liebsten zum Teufel gewünscht.

Zwei Minuten vor zwölf.

Rory Keaton wandte sich langsam um.

Da hörte er hinter sich ein Geräusch und fuhr herum.

Es war ein dickbauchiger Mensch mit flachsblondem Haar, dunklen Augen und fleischigen roten Händen.

Der Keeper.

Soren blickte den Fremden verstört an. Teufel auch, wie der Kerl sich umgedreht hatte bei dem Geräusch!

Keaton preßte heiser hervor: »Einen Whisky.«

Dann sah er wieder zur Uhr.

Der große Zeiger deutete immer noch auf die zweite Minute vor zwölf.

Vorn über den Schwingarmen der Tür erschien ein Kopf. Der Kopf eines Mannes.

Ganz deutlich und scharf hob er sich gegen das helle Licht der Straße ab.

Es war der struppige Schädel Robert Piggers’.

Keaton war wie zur Salzsäule erstarrt.

Die Sekunden verrannen.

Keaton spürte, wie ihm der Schweiß in kleinen Bächen über den Rücken rann.

Nichts geschah.

Der Mann draußen vor der Tür rührte sich auch nicht.

Da vernahm Keaton hinter sich das Geräusch eines Glases, das über die Theke geschoben wurde. Aber der Bandit wagte nicht, sich umzudrehen.

Eine beklemmende Stille herrschte in der Schenke.

Da schlug die Uhr über dem Flaschenbord zwölf.

Keaton zuckte zusammen.

Zwölf! hämmerte es in seinem Hirn.

»Heute nacht hat’s hier im Sägewerk eine Explosion gegeben«, sagte der Salooner.

Der Sheriff versetzte knurrend: »Dan Winter glaubt, daß eine Öllampe in die offene Sprengstoffkiste gefallen sein müsse. Wer weiß, ob das stimmt…«

Was tut der Kerl hier? Weshalb steht er hier vor der Tür? Ist er wahnsinnig geworden? dröhnte es in Keatons Schädel.

Was war passiert?

In wenigen Minuten ließ McNally das Depot der Wells-Fargo in die Luft gehen.

Damned!

Es waren höllische Sekunden, die der Bandenboß durchzustehen hatte. Die Ungewißheit machte ihn völlig fertig.

Was sollte er tun?

Hatte Piggers seinen Teil bereits hinter sich?

Weshalb stand er dann da so idiotisch an der Tür herum?

»Ihr Whisky, Mister«, kam von hinten die Stimme des Keepers.

Keaton fuhr herum, so hatte er sich erschrocken.

Als er seine Rechte hob, um sie dem Glas entgegenzuschieben, bemerkte er, daß sie zitterte.

Zounds! Wenn der Sheriff ihn beobachtete, war alles aus. Nie und nimmer würde er glauben, daß der berühmte Dodger Marshal zitterte…

Keaton hob den Blick.

Vier Minuten nach zwölf.

Der Bandit schluckte. Hastig griff er nach dem Glas und kippte den Inhalt hinunter.

In diesem Augenblick fiel in der Saloonküche der alten Negerin Polly Nott eine Schüssel aus der Hand und auf die Steinfließen.

Keatons Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Er hatte den Schlag im ersten Augenblick für die Explosion gehalten.

Als er sich wieder umwandte, war Piggers’ Kopf immer noch über den Schwingarmen der Tür zu sehen.

Der »Boß« war der Verzweiflung nahe.

Was sollte das alles nur bedeuten? War Piggers übergeschnappt?

Rascher Hufschlag kam von der Straße; er verstummte vor dem Saloon.

Dann waren harte Schritte auf dem Vorbau.

Gleich darauf tauchte der Kopf eines Mannes auf.

McNally!

Keaton hatte Augen wie Billardkugeln.

Da war der Kentucky-Mann bereits in der Schenke, durchquerte sie, lehnte sich an die Theke und bestellte sich einen Whisky double.

Der Salooner nickte, holte ein Glas und eine Flasche und schob dem neuen Gast beides hin.

McNally kurbelte sich mit der Linken eine Zigarette. Während er ein Zündholz anriß, sah er in Keatons bleiches Gesicht.

Erst das Lächeln, das um die Lippen des Kentucky-Mannes spielte, brachte den Bandenführer aus seiner scheußlichen Erregung. Es lag alles in dieser grinsenden Lache. Vor allem aber las Keaton daraus, daß kein Grund zur Beunruhigung bestand.

Und plötzlich war auch der kantige Schädel Piggers’ vor der Tür verschwunden.

Keaton warf ein Geldstück auf die Theke und verschwand.

Der Sheriff sah ihm nach, dann meinte er, ohne den Kentucky-Mann anzusehen: »Komischer Bursche.«

McNally grinste. »Yeah – sympathisch sieht er nicht gerade aus.«

Der Sheriff knurrte: »Ich habe etwas gegen Leute, die einen Kreuzgurt tragen.«

»Kann ich verstehen«, stimmte McNally zu und trank sein Glas aus. Dann zahlte auch er und verließ die Schenke.

*

Die drei Tramps ritten nach erprobter Manier in verschiedenen Richtungen aus der Stadt – um nach drei Stunden oben in den Bergen bei der Krüppelkiefer zusammenzutreffen.

Piggers war bereits da, als Keaton ankam.

Der Boß fauchte den hundegesichtigen Schlacks an: »Was war los, Mensch?«

Piggers hustete, wie immer, wenn er sich nicht sehr sicher fühlte. »Die Hoftür war geschlossen.«

Keaton stieß einen lästerlichen Fluch aus. »Mensch, du hättest…«

Piggers stieß ihn an. »Still, da kommt einer!«

Sie liefen beide zu der Felsnase, die ihnen den Blick in die Talsenke versperrte.

»Es ist Kid!« sagte Piggers erleichtert.

McNally kam im leichten Trab heran und rutschte aus dem Sattel.

Zu Keatons Ärger drehte er sich in aller Ruhe eine Zigarette. Er dachte gar nicht daran, das Gespräch zu eröffnen. Im Gegenteil, er sattelte seinen Tupfschimmel ab und hockte sich auf den Sattel.

Keaton stand breitbeinig da und starrte auf ihn herab.

»Was war los? Weshalb ist das Depot nicht gesprengt worden?«

McNally hob unendlich langsam das Gesicht. Mit eingesunkenen Schultern hockte er da und sog an seiner dünnen Zigarette.

Es verging fast eine Minute, ehe er fragte: »Sollte denn gesprengt werden?«

»Natürlich nicht!« platzte Keaton heraus. »Aber woher wußtest du, daß Piggers nicht vorangekommen ist?«

»Weil die Bank heute geschlossen ist. Vorn im Fenster steht ein dickes Schild: Closed today.«

Er hatte es gesagt, als sei es die größte Selbstverständlichkeit der Welt gewesen. Und dabei war doch er es gewesen, der das Schlimmste verhütet hatte. Hätte er das Depot in die Luft gejagt, wäre der große Gegenschlag, der doch Keatons ganze Rechnung zusammenhielt, dahingewesen. Da war er also noch einmal an der Bank vorbeigeritten, der vorsichtige Kid McNally, und hatte dabei das Schild entdeckt, das weder Piggers noch der Boß selbst gesehen hatten. Wieder war er es gewesen, der eine Panne verhindert hatte.

Piggers war völlig verstört zu der Schenke gekommen, anstatt das einzig Richtige zu tun, nämlich sofort McNally aufzusuchen, um ihn an der Sprengung zu hindern.

McNally hatte Piggers gesucht, gleich als er das Schild wenige Minuten vor viertel vor zwölf entdeckt hatte. Zu diesem Zeitpunkt aber hatte Piggers sich bereits irgendwo im Hof der Bank versteckt gehalten.

Erst kurz vor zwölf hatte sich McNally dann in die Nähe des Wells-Fargo-Depots begeben, weil er Piggers dort vermutete. Auf den Gedanken, daß der Mann mit dem Hundegesicht sich an der Schenkentür aufhalten würde, kam McNally allerdings nicht. Er hätte ihn auch da gar nicht sehen können, da er für seine Wege nur die Nebengasse benutzte, was auf jeden Fall unauffälliger war.

Schweigend hockten die drei Banditen auf ihren Sätteln und starrten vor sich hin.

Endlich meinte Keaton: »Dann eben morgen mittag. Schade, daß dann der Knall im Sägewerk so lange zurückliegt.«

McNally fand: »Wie wärs, wenn ich das Jail ein bißchen vom Boden abhebe? Es ist ohnehin leer. Wir tun also nicht einmal einem Tramp weh dabei.«

»Wieviel Kapseln haben wir denn noch?«

»Genug für die beiden Späße«, antwortete McNally.

»All right, aber du mußt das natürlich genau auskundschaften«, sagte Keaton überflüssigerweise.

Der Schmalgesichte warf ihm einen verächtlichen Blick zu, erhob sich und meinte:

»Ich habe einen ganz höllischen Hunger.«

Piggers nickte, stand ebenfalls auf und machte sich daran, Holz für ein Feuer zusammenzusuchen.

»Ich muß zurück in die Stadt«, erklärte Keaton. »Schließlich haben mich die Leute schon gesehen. Ich werde mir im Grand-Hotel ein Zimmer mieten.«

»Wenn du es nun im voraus bezahlen mußt?« wollte Piggers wissen.

Keaton fauchte: »Das laß nur meine Sorge sein, Boy. Für ein Zimmer habe ich noch Geld!«

Er ritt davon.

*

Kurz nach Mitternacht barst die Rückfront des frei hinter dem Sheriffs-office stehenden Gefängnisses mit donnerndem Getöse auseinander. Die Bürger von Atlantic-City fuhren wie in der vergangenen Nacht aus dem Schlaf hoch.

Und was McNally insgeheim befürchtet hatte, geschah:

Gewehrschüsse krachten kurz darauf auf der Mainstreet. Sheriff Soren hatte mit seinem Deputy Nachtwache gehalten. Im Augenblick der Explosion befanden sich die beiden Gesetzesmänner gerade am östlichen Ende der Hauptstraße.

Entgeistert blickten sie zu dem dunklen Rauchpilz hinüber, der sich in der Nähe des Sheriff-Büros über die Häuser hob.

»Das Office!« stieß Soren hervor.

Dann riß er auch schon die Winchester hoch, lud sie durch und gab

drei Schüsse in den Nachthimmel

ab.

Atlantic-City war wach – aber der Kentucky-Mann hatte längst das Weite gesucht.

*

Keaton hatte eine unruhige Nacht in seinem Quartier verbracht. Den ersten Teil der Nachtstunden hatte er am Fenster sitzend auf die Explosion gewartet, und den Rest hatte er ängstlich hinauslauschend halb angekleidet auf dem Bett dahingedämmert.

Als der Morgen im Osten graute, war er immer noch wach. Ächzend richtete er sich auf und starrte in den halbdunklen Raum.

Er schrak jäh zusammen.

Von der gegenüberliegenden Wand sah ihm aus einem engen Fenster ein Mann entgegen. Ein Mann mit wirrem schwarzem Haar und über der Brust offenem Hemd.

Sekundenlang saß der Bandit steif und hölzern da.

Dann tastete seine Rechte nach dem Revolver, den er gewohnheitsmäßig neben sich liegen hatte. Noch in der Bewegung erstarrte er – denn der Mann drüben schien die gleiche Bewegung zu machen.

Da erst begriff der Bandit: Es war sein eigenes Spiegelbild, das ihn da genarrt hatte.

Ein halbblinder Spiegel, der drüben an der Wand über der alten Waschschüssel hing.

Keaton wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn.

Damned! Er war mit den Nerven fertig. Er war eben der Aufgabe, die sein Größenwahn ihm eingegeben hatte, nicht gewachsen.

Aber er würde nicht nachgeben. Unter gar keinen Umständen. Er war jetzt einundvierzig Jahre alt. Fast ein volles Jahrzehnt befand er sich nun schon auf dem grauen Trail. Es waren die schmutzigsten und hungrigsten Jahre seines Lebens gewesen. Und heute mußte er zu der Feststellung kommen, daß er ein erbärmlicher Tramp geblieben war, genau noch der Bursche, den sie damals drüben bei Mitchell in Dakota von der Bahnbaustelle gejagt hatten, weil er einem anderen Arbeiter Geld gestohlen hatte.

Damals war er plan- und ziellos durch das Land gezogen. In Okaton lahmte sein Gaul, und er mußte einem Roßarzt seine letzten Bucks geben, damit er das Tier wieder auf die Beine brachte. In einer heißen Julinacht wurde er in der Nähe des großen Indianer-Reservats von zwei Pineridges angegriffen und dabei von einem Pfeil schwer verwundet. Es gelang ihm, sich der Rothäute mit Hilfe seines Revolvers zu erwehren. Tagelang schleppte er sich weiter, bis ihn das Wundfieber aus dem Sattel warf.

Ein uralter fahrender Händler fand ihn und pflegte ihn wieder gesund.

Keaton war weiter nach Südwesten gezogen, hinunter nach Colorado. Und auch dort hielt es ihn nicht, als er in einer Bar in Denver mit einem Gunslinger Streit bekam und seinen ersten Revolverkampf auf der Mainstreet durchzustehen hatte. Der Revolverschwinger hatte vor ihm im Straßenstaub gelegen; er war nicht tot, konnte aber den Kampf nicht fortsetzen.

Rory Keaton hatte zu früh gezogen.

Es war ein unfairer Fight gewesen. Zu Keatons Glück hatte es niemanden gegeben, der den Kampf beobachtet hatte. Dergleichen Auseinandersetzungen waren damals in Denver an der Tagesordnung gewesen und lockten kaum noch jemanden an.

Der geflüchtete Bahnarbeiter aus Dakota floh weiter nach Südwesten, nach Arizona. In Tucson arbeitete er in einem Mietstall, wurde dort verjagt, weil er sich unrechtmäßige Gelder dadurch verschafft hatte, daß er nachts Pferde auslieh, ohne dem Mietstallbesitzer die Beträge abzuliefern. Das war der letzte Job, den Rory Keaton angenommen hatte. Seitdem streifte er durch das bizarre glühendheiße und von leuchtenden Farben erfüllte Land der Turmkakteen und riesigen Sandsteinsäulenfelsen. Bei Los-Pozos überfiel er aus dem Hinterhalt einen Händler, verletzte ihn mit einem gefährlichen Streifschuß, stürmte auf den Wagen und hieb den Mann mit dem Revolverkolben nieder. Die Beute war jämmerlich gewesen: zwanzig Dollar.

Der Mann mit der Maske entkam.

Rory Keaton floh, er floh von Ort zu Ort, von County zu County.

Und seine Taten glichen einander wie die Wellen eines schmutzigen Savannenrinnsals.

Vor einigen Jahren kam er dann ins Mohave County. Da schloß er sich einer Bande von Postkutschen-Räubern an, trennte sich aber bald wieder von ihnen, da ihm der Ton nicht behagte, der unter den Banditen herrschte. Der Boß war ein zwergenhafter Mensch mit krummen Beinen und tiefer Baßstimme. Er schnauzte seine Leute unentwegt an und behandelte sie wie Treibvieh.

Keaton beschloß damals, sich »selbständig« zu machen. In dieser Zeit traf er in Red-Lake auf Rob Piggers; er erkannte in dem Burschen sofort den Gleichgesinnten, vor allem aber den Mann, den er herumkommandieren konnte.

Piggers suchte damals gerade einen neuen Job. Seine Kameraden waren bei einem Hold-Up am Union-Paß von einer Staatenreiter-Streife gestellt worden. Piggers hatte – wie meistens – irgendwo gesteckt, wo es nicht »heiß« war.