Im Jacarilla-Sattel - William Mark - E-Book

Im Jacarilla-Sattel E-Book

William Mark

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Beschreibung

"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! Auf dem Lande lastete die Höllenglut des Mittags. Hinter der stampfenden und fauchenden Lokomotive schlingerten die Wagen über den glühenden Eisenweg von Maricopa nach Westen. Im vordersten Wagen saßen drei Fahrgäste. Direkt neben der Tür zur Plattform saß ein alter Indianer. Sein verwittertes bronzefarbenes Ledergesicht war starr wie eine Maske. Die schimmernden Kohlenaugen schienen sich nicht zu bewegen. In langen grauen Strähnen hing das Haar unter dem hohen, sehr gerade aufgesetzten Hut an den Gesichtsseiten entlang bis auf die Schultern. Die Hände des Roten hielten eine dicke Ledertasche. Er hatte sie auf seinen Oberschenkeln stehen. Die helle Leinenjacke, die er trug, war verwaschen und mit zahllosem Flicken besät; seine Hose war aus blauem Tuch, unförmig weit und zu kurz. Erdbraun blickten unten die unbekleideten Füße daraus hervor. Der nächste Fahrgast war ein alter Mann mit weißem Vollbart, halbhohem grauem Zylinder und etwas bläßlichem Aussehen. Er trug einen Kneifer auf der gelblichen Nase; hinter den dicken Gläsern blickten zwei wache graue Augen hervor. Er war sehr sauber und gut gekleidet, helles Tuchzeug, nach dem neuesten St. -Louis-Schnitt. Er hatte kein großes Gepäck. Neben ihm stand nur eine kleine Tasche. Er hatte den Kopf etwas gesenkt und blinzelte in die flimmernde Landschaft hinaus. Der dritte Fahrgast war ein Mann von fünfunddreißig Jahren, hochgewachsen, mit breiten Schultern und schmalen Hüften. Er trug einen schwarzen flachkronigen Stetsonhut, den ihm auch die brutige Hitze nicht vom Kopf gezwungen hatte.

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Wyatt Earp – 284 –

Im Jacarilla-Sattel

William Mark

Auf dem Lande lastete die Höllenglut des Mittags.

Hinter der stampfenden und fauchenden Lokomotive schlingerten die Wagen über den glühenden Eisenweg von Maricopa nach Westen.

Im vordersten Wagen saßen drei Fahrgäste. Direkt neben der Tür zur Plattform saß ein alter Indianer. Sein verwittertes bronzefarbenes Ledergesicht war starr wie eine Maske. Die schimmernden Kohlenaugen schienen sich nicht zu bewegen. In langen grauen Strähnen hing das Haar unter dem hohen, sehr gerade aufgesetzten Hut an den Gesichtsseiten entlang bis auf die Schultern. Die Hände des Roten hielten eine dicke Ledertasche. Er hatte sie auf seinen Oberschenkeln stehen. Die helle Leinenjacke, die er trug, war verwaschen und mit zahllosem Flicken besät; seine Hose war aus blauem Tuch, unförmig weit und zu kurz. Erdbraun blickten unten die unbekleideten Füße daraus hervor.

Der nächste Fahrgast war ein alter Mann mit weißem Vollbart, halbhohem grauem Zylinder und etwas bläßlichem Aussehen. Er trug einen Kneifer auf der gelblichen Nase; hinter den dicken Gläsern blickten zwei wache graue Augen hervor. Er war sehr sauber und gut gekleidet, helles Tuchzeug, nach dem neuesten St.-Louis-Schnitt. Er hatte kein großes Gepäck. Neben ihm stand nur eine kleine Tasche. Er hatte den Kopf etwas gesenkt und blinzelte in die flimmernde Landschaft hinaus.

Der dritte Fahrgast war ein Mann von fünfunddreißig Jahren, hochgewachsen, mit breiten Schultern und schmalen Hüften. Er trug einen schwarzen flachkronigen Stetsonhut, den ihm auch die brutige Hitze nicht vom Kopf gezwungen hatte. Blau-schwarz blickte das Haar an den Seiten des Hutrandes hervor. Das Gesicht dieses Mannes war tiefbraun, fast so wie das des Indianers, hart, eckig und sehr ernst. Es wurde von zwei leuchtendblauen Augen beherrscht. Der schwarze Anzug war etwas zu warm und etwas zu dunkel für dieses Land. Aber er verlieh seinem Träger mit dem weißen Hemd und der dünnen schwarzen Samtschleife eine gewisse stumme Eleganz.

Dieser Mann hatte überhaupt kein Gepäck.

Er blickte wie der Alte, der ihm schräg gegenübersaß, hinaus in die Landschaft.

Draußen flog die Gila-Wüste vorüber, eine der trostlosesten Landschaften der Erde; trostlos und zugleich erhaben in ihrer bizarren seltsamen Schönheit. Grausam durch die Hitze, die sengend auf ihr lastete.

Die drei Fahrgäste sprachen nicht miteinander. Das Rattern und Rollen des Zuges hinderte sie nicht allein daran. Es waren schweigsame Männer, alle drei.

Nach stundenlanger Fahrt donnerte der Zug auf die Station von Gila Bend.

Im Schatten des Stationsgebäudes lehnte ein Indianer und blickte ausdruckslos vor sich hin.

Unter dem Bodenbrett eines verwitterten Planwagens lag ein zottiger struppiger Hund und schlief.

Das war Gila Bend – zumindest das, was die Reisenden auf der rechten Seite zu sehen bekamen.

Links, etwas abgelegen von der Station, lag die Stadt. Eine seltsame Mischung jener Kistenholzhäuser, wie sie im ganzen Westen zu finden waren, und weißgetünchter kleiner Steinbauten im mexikanischen Stil.

Es dauerte eine Ewigkeit, bis der Zug sich zockelnd wieder in Bewegung setzte.

Als die Stadt vorübergerollt war, öffneten sich fast im gleichen Augenblick die beide Türen des Waggons.

Zwei Männer mit verblichenen Armeejacken, enganliegenden Arizonahosen, breiten hellen Hüten und verschwitzten Hemden betraten das Wageninnere.

Die Fahrgäste reagierten sehr verschieden auf diesen Besuch.

Der ältere Mann blickte verblüfft auf.

Der jüngere sah nur kurz auf.

Der Indianer änderte die Richtung seiner Blicke überhaupt nicht.

Dabei forderten die beiden Gentlemen, die sich so spät eingefunden hatten, eine ganze Menge Aufmerksamkeit.

Jeder von ihnen hatte nämlich einen großen Revolver in der Hand.

Der eine blieb neben dem Indianer stehen.

Der andere kam auf die Wagenmitte zu und blieb bei den beiden anderen stehen.

»So, Leute, wir wollen keine unnötigen Geschichten machen. Raus mit dem Geld, mit den Uhren und her mit dem Zeugs!«

Der alte Herr schluckte. Der Mund stand ihm offen. »Aber Gents, das...das ist doch...«

»Schwafele nicht, Alter, spuck deine Bucks aus, dann kannst du ruhig weiterreisen!«

An der Tür stieß der andere Bandit dem Indianer die Mündung seiner Colts derb

in die Seite. »He, Rothaut, du bist wohl taub!«

Ganz langsam wandte der Indianer den Kopf und maß den Tramp mit einem Blick, in dem tiefste Verachtung lag.

Der graubärtige Fahrgast zog seine Börse aus der Tasche und reichte sie dem Banditen.

Der warf einen Blick hinein und grinste. »No, Opa, das rollt so nicht. Die ist ja leer. Dein Geld wollen wir!«

»Ich habe nichts weiter. Da sind sechzig Dollar drin. Sie werden mich doch nicht für einen Millionär halten.«

Der Tramp feixte. »Bestimmt nicht. Sonst hätten wir nach diesem Hold ja ausgesorgt.« Die Stimme des Gauners wurde hart: »Trotzdem, Graubart, rück dein Geld raus, sonst knallt’s!«

»Ich habe aber auf Ehre kein...«

Da schlug der Bandit zu.

Der Alte sackte in sich zusammen.

Und im nächsten Augenblick hechtete der Mann im schwarzen Anzug heran, riß den Banditen um.

Der Tramp an der Tür schoß sofort. Dann hatte er den hochgerissenen Handkantenschlag des Indianers an der Kehle und rutschte zu Boden.

Der andere Bandit war auch zu Fall gekommen, riß sich aber herum und wollte den Revolver auf den Kopf des Angreifers richten.

Er kam nicht zum Schuß.

Die Linke seines Gegners krachte einen Sekundenbruchteil, ehe er den Stecher durchziehen konnte, gegen sein Kinn.

Und dann war alles wieder still.

Der Zug schlingerte durch die im Sonnenglast schlafende Gila-Desert. Die Wagen dröhnten, ächzten und rumpelten hinter der fauchenden Lokomotive über die Eisenbänder nach Westen.

Der alte Mann saß wie erstarrt da. Der Schlag hatte ihn nicht allzusehr geschmerzt, der Schreck war schlimmer gewesen. Er preßte die Linke aufs Herz und starrte den Banditen an, der von ihm am Boden lag.

»Mister«, wandte er sich dann an den schwarzgekleideten jüngeren Mann, der eben den Bodenstaub aus seinem Anzug klopfte, »das... sind Zugräuber!«

»Was Sie nicht sagen.« Der hochgewachsene Mann nahm dem Tramp den Revolver ab und schleuderte ihn, nachdem er die Patronen aus der Trommel geklickt hatte, durchs offene Fenster hinaus.

Dann ging er zu dem anderen, den der Indianer mattgesetzt hatte, nahm auch ihm den Colt weg, leerte die Trommel und wollte die Waffe hinausschleudern.

Da hob der Indianer die Hand. »Ich wollte mir seit zwanzig Jahren so etwas kaufen. Mister...«

Der Weiße nickte, reichte ihm den Colt und die Patronen. Dann nahm er den Tramps die Hosenriemen ab und fesselte damit ihre Hände auf den Rücken.

Der Alte stand mitten im schaukelnden Wagen zwischen den Sitzreihen, hielt die Linke immer noch krampfhaft aufs Herz und spannte die Rechte um die Lehne eines Sitzes, um sich festzuhalten.

»Das...das war ja scheußlich, Mister«, stammelte er.

Der Fremde hatte die beiden Tramps, die mittlerweile wieder zu sich gekommen waren, nebeneinander vor sich hingesetzt und blickte an ihnen vorbei aus dem Fenster.

Mit blutunterlaufenen Augen musterte der eine der Tramps den Fremden. Schließlich öffnete er den Mund und krächzte: »He, Mann, was haben Sie mit uns vor?«

»Ich übergebe euch in Sentinel dem Sheriff!« versetzte der Mann, nahm eine schwarze Zigarre aus der Tasche, riß am Fensterbrett ein Zündholz an und rauchte gelassen vor sich hin.

Der kleinere der beiden, Robert Schaaf, ein Bursche von etwa fünfundzwanzig, nagte an seiner dünnen Unterlippe. Er hatte ein hageres, narbenbedecktes Gesicht und gelbliche Augen.

Jetzt legte er den Kopf auf die Seite, stieß die Luft prustend durch die Nase aus und meinte: »In Sentinel ist McGinty Sheriff.«

Der graubärtige Mann, der sein Eigentum wieder an sich genommen hatte, lachte schadenfroh. »Der ist richtig.«

Der Tramp blickte seinen Genossen an, und als er feststellen mußte, daß der unter seiner sonnenverbrannten Haut plötzlich blaß geworden war, knurrte er den zigarrenrauchenden Fremden heiser an: »Sie wollen uns also krepieren lassen?«

Langsam nahm der Fremde den Kopf herum. »Krepieren lassen? Wer spricht davon? Ich gebe euch bei dem Sheriff ab. Nichts weiter.«

»Nichts weiter?« brüllte Schaaf plötzlich los. »Mann, Sie kennen anscheinend McGinty nicht! Das ist der schärfste Blechritter weit und breit! Der Kerl knüpft uns fraglos auf, nachdem er uns vorher sämtliche Zähne eingeschlagen hat.«

»Ein freundlicher Mensch«, versetzte der Fremde nachdenklich.

Schaaf sprang auf. »He, wenn Sie es nicht glauben, fragen Sie doch Cass! Oder den Alten hier, der wird ihn auch kennen.«

Cass Finn schwieg.

Aber der Graubart, der vorhin von Schaaf geschlagen worden war, meinte feixend: »Yeah, McGinty wird kurzen Prozeß mit den beiden Schuften machen. Er ist ein scharfer Junge. Marke Earp, verstehen Sie.«

Fast überrascht hob der Fremde den Kopf, verschränkte die Arme und fragte: »Marke Earp?«

»Yeah!« fauchte Schaaf. »Es ist ein scharfer Hund wie Wyatt Earp. Da gibt’s nichts, der macht gleich – knacks!« Er deutete mit einer Kopfbewegung unmißverständlich an, was McGinty machen würde.

Der Fremde rieb sich versonnen das Kinn. »So. Und Wyatt Earp ist also von der gleichen Sorte?«

Roger Schaaf stieß seinen apathisch dahockenden Genossen an. »He, Cass! Hör dir das an! Der kennt nicht einmal Wyatt Earp! Und so was will uns an McGinty verkaufen! Mann, nehmen Sie doch Vernunft an. Wir sitzen doch alle alle im gleichen Sattel...«

»Ach – ?«

»Klar! Sie sind ein Gambler! Was sonst. Dafür habe ich ein Auge. All right. Sie führen eine dufte Linke, und vielleicht können Sie auch noch mit der Rechten umgehen. Aber machen Sie doch keinen Sums! Wir sind doch alle Freunde.«

»Was du nicht sagst, Junge. Dann habt ihr hier aber zumindest eine merkwürdige Art, Freunde zu begrüßen.«

»Quatsch, Mann, wir brauchen Geld.«

»Die Sorge seid ihr ja jetzt los. Im Jail kriegt ihr alles, was ihr nötig habt!«

Das öde Wüstennest Sentinel rückte näher und näher.

Jeder in Arizona kannte Jab McGinty. Er war in diesem Lande fast so gefürchtet wie der Name des Apachenhäuptlings Cochise.

Und Cochise wußten die Wüstenfüchse noch nachzusagen, daß er ein stark ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl neben seiner eiserne Härte besitze.

Von McGinty konnte das niemand behaupten.

Der Zug rollte und schlingerte weiter.

Sie waren beide schweißnaß, die Tramps.

Schaaf war so naß, daß sein durchschwitztes Hemd ihm am Leibe klebte.

Plötzlich öffneten sich seine Lippen, »Mister«, würgte er heiser hervor: »McGinty läßt uns hängen.«

Der Fremde nahm den Kopf herum. »Der Richter wird die Strafe für euch entscheiden.«

»Der Richter? Pah! Holcomb ist ein Säufer. Wenn er einen halben Tag ohne Whisky sein müßte, würde er wahrscheinlich sterben.«

Der Fremde schwieg. Er blickte hinaus auf den fahlgelben Sand.

Schaaf erhob sich und trat schwankend vor den Mann hin. »Haben...haben Sie Erbarmen!« bettelte er. Seine Knie schlotterten.

Der Fremde blickte ihn verächtlich an. »Erbarmen? Was erwartest du denn von mir?«

»Laß mich los. Ich...«

»Yeah, ich werde dich jetzt losbinden und deinen Freund dazu, und wenn ihr dann in Sentinel ausgestiegen seid, werdet ihr hinter mir herlachen. Und der nächste Zug, der zurückfährt, wird das Glück haben, euch tragen zu dürfen. Ihr werdet wieder einen schwachbesetzten Waggon suchen und dann vielleicht einen Menschen erschießen. No, Boys, ich mag das nun einmal nicht!«

Schaaf beugte sich vor und ächzte: »Aber das ist doch Wahnsinn! Niemand wäre hier erschossen worden. Es war doch nur...«

»Schweig!« herrschte ihn der Fremde an. Seine Stimme klang plötzlich hart und metallen. »Dein Kumpan hat eine Kugel auf mich losgelassen. Daß sie nicht traf, war nicht sein Verdienst! Ihr hättet mich und höchstwahrscheinlich auch die beiden anderen hier ermordet, kaltblütig niedergeschossen, nur, um in den Besitz einiger Dollar zu kommen.«

»Nein, Mister... Sie müssen mir glauben! Bitte, Sie können uns doch nicht

bei McGinty abgeben. Er hat unsere Abziehbilder im Office. Er macht kurzen Prozeß.«

»All das habt ihr vorher gewußt«, versetzte der Fremde schroff.

Minuten verrannen.

Plötzlich ging ein Stoßen durch die Waggons, der Zug verlangsamte seine Fahrt.

Schaaf schoß ans Fenster und beugte sich hinaus. »Die Station!« brach es von seinen Lippen. »Die Station! Cass! Es ist aus..., wir sind da! Dieser kaltschnäuzige Halunke...«

Ein vielstimmiger, markerschütternder Schrei ließ die Luft erzittern.

»Indianer!« hauchte der Alte mit entsetzten Augen und zitternden Lippen.

Die beiden Tramps prallten zurück.

Der Fremde war aufgesprungen.

Er hatte plötzlich einen großen dunklen Revolver in seiner Rechten.

Der Zug verlangsamte seine Fahrt noch mehr.

Da nahm der Fremde den Kopf herum und warf dem alten Indianer, der vorn neben der Tür zur Plattform saß, einen forschenden Blick zu.

Der Mann saß in stoischer Ruhe da.

»Er hat meinen Revolver!« schrie Cass auf. »Los, er soll wenigstens auf die Bande schießen!«

Der Fremde sah Cass verächtlich an. »Das wäre wohl ein bißchen viel von ihm verlangt.«

»Wieso? Es sind Apachen. Wenn wir sie nicht abschlagen können, machen sie uns fertig. Er soll endlich den Colt ziehen und am Fenster Posten nehmen! Er soll schießen, der rote Hund!«

»Auf seine Brüder?«

Cass brüllte auf wie ein Tier.

Draußen preschte die Horde heran. Wie der Sturmwind fegte sie an den nur noch langsam dahinschlingernden Wagen entlang.

Der Alte starrte mit geweiteten Augen hinaus. Die Angst saß wie eine Eisenklammer in seinem Genick.

»Deckung nehmen!« rief der Fremde.

Cass und Roger Schaaf rutschten zwischen die Bänke.

Der Fremde blieb neben dem Fenster stehen und blickte vorsichtig hinaus.

Draußen stob die wilde Schar vorüber.

Ein phantastisches Bild, wäre es nicht bitterster Ernst gewesen. Vierundzwanzig Reiter auf windschnellen, meist gescheckten Pferden. Voran ein Roter, der den bunten Federschmuck des Kriegshäuptlings trug. In der Rechten schwang er ein Sharpsgewehr, die Linke hielt den Zügel. Er hatte ein verwittertes bronzebraunes Ledergesicht. Hinter ihm flogen seine Leute dahin, mit wehenden blauschwarzen Mähnen, nackten Oberkörpern und ebenfalls mit Gewehren bewaffnet.

Schüsse krachten. Aus den Waggons und von den Indianern herüber.

Die tauchten in unnachahmlicher Manier hinter den Körpern ihrer Pferde weg, schienen völlig verschwunden zu sein, kamen über den Pferdehals zurück und feuerten wieder.

Der Fremde warf noch einen kurzen Blick zu dem alten Indianer hinüber, hob den Colt und schoß.

Fünf Schüsse blitzten auf.

Die beiden Tramps hatten sich aufgerichtet.

»Nichts!« fauchte Finn. »Er hat nicht einen getroffen!«

»Das hatte ich auch nicht vor«, gab der Fremde zurück, während er in aller Ruhe seine Colttrommel wieder auflud.

»Waas?«

»Weshalb soll ich die Indianer abschießen? Sie schaffen es doch nicht mehr. Wenn sie die Lokomotive passiert haben und der Zug immer noch fährt, müßten sie eine neue Attacke starten. Das ist zu gefährlich, da jetzt das Überraschungsmoment wegfällt. Der Letzte ist nun gewarnt und hat eine Waffe bereit...«

»So wie Sie!« höhnte Caas bissig.

»Aber die kommen doch zurück!« knurrte Schaaf.

»Kann sein.«

»Und dann? Schießen Sie dann wieder daneben?«

»Kommt darauf an«

Schaaf ließ sich auf die Bank nieder. »Der Teufel soll Sie holen!« Sein Kopf sackte auf seine Brust nieder.

Der Fremde sollte Recht behalten. Die Roten kamen nicht zurück. Nachdem es ihnen nicht gelungen war, die Lok zu stoppen und die Männer vorn auszuschalten, war der Angriff schon gescheitert. Die Schüsse aus den Wagenfenstern hatten sie vertrieben.

Die beiden Tramps atmeten offensichtlich auf.

»Der Satan soll die Brut verschlingen«, ächzte Finn.

Schaaf dachte sofort wieder an das andere Elend, an den starrsinnigen Fremden, der jetzt wieder gelassen auf seinem Platz am Fenster saß und der sie in einer Viertelstunde bei McGinty abgeben wollte.

Damned, war dem Kerl denn nicht beizukommen? Es mußte doch eine Möglichkeit geben, ihn zu bewegen...

Als Roger Schaaf jetzt in das Gesicht des Mannes sah, wußte er, daß es diese Möglichkeit nicht gab.

Aber vielleicht gab es eine andere, eine Möglichkeit, ihn zu zwingen, von seinem Vorhaben Abstand zu nehmen.

Und darauf glaubte der Tramp nicht mehr länger warten zu dürfen. Er warf sich mit einem seltsam heiseren Schrei vorwärts auf den Fremden und suchte ihm den vorgeschobenen Schädel in die Magengrube zu rammen.

Aber der Tramp hatte kein Glück.

Der Fremde wich zur Seite und ließ ihn passieren.

Roger Schaaf prallte mit dem Schädel gegen die Sitzrückwand. Der Anprall gegen das Holz war so hart, daß der Desperado betäubt zu Boden sackte.

Ein Zittern, Stoßen und Donnern lief durch den Zug.

Langsam rollte er in die Station von Sentinel ein.

Der Fremde erhob sich, packte Schaaf, zerrte ihn hoch, gab Finn mit den Augen einen herrischen Wink und forderte ihn auf, sich in Bewegung zu setzen.

Auch der Indianer stand auf und ging hinaus auf die Plattform.

Der Alte blieb allein sitzen.

»Fahren Sie weiter?« erkundigte sich der Fremde.

»Ja.«

»Hm, es wäre ganz gut gewesen, wenn Sie beim Sheriff die Anzeige unterschrieben hätten.«

»No no!« wehrte der Alte ab. »Der nächste Zug fährt erst morgen früh. Und das ist mir die Sache doch nicht wert. Ich bin froh, wenn ich diese Höllenfahrt in diesem Brutkasten hinter mir habe.«

Der hochgewachsene Fremde hatte plötzlich das Gefühl, daß der Alte vor allem kein Interesse an einem Besuch bei dem wenig beliebten Sheriff McGinty hatte.

*

Er war ein Riesenkerl, einsneunzig groß, schnauzbärtig, mit gelblichem Gesicht und weit vorspringendem Kinn. Unter buschigen Brauen lagen schiefergraue harte Augen. Die Backenknochen traten weit vor, und die darüber gespannte Haut fiel unterhalb dieser Knochen über tiefe bläuliche Löcher, die dem harten Gesicht dieses Mannes etwas Brutales gaben.

Er trug ein blaues Kattunhemd, auf dessen linker Brustseite der große sechszackige Stern mit den zu kleinen Kugeln auslaufenden Spitzen blinkte. Von seiner rechten Hüfte, quer über seine schwarze abgetragene Arizonahose hing ein patronengespickter Waffengurt, der tief über dem linken Oberschenkel einen großen Revolver hielt.

Er war also Linkshänder, dieser Jab McGinty.

Seine grobknochigen erdbraunen Fäuste hingen fast wie bei einem Orang-Utan überlang in der Nähe der etwas eingeknickten Knie.

Er machte wirklich alles andere als einen angenehmen Eindruck, dieser Mann.

Als der Fremde das Office betrat, sah er das sofort.

Er schob die beiden Tramps vor sich her, die den Sheriff anstarrten wie Kälber, die man zur Schlachtbank führt.

McGinty knurrte: »Was ist los?«

Der Fremde grüßte, übersah geflissentlich, daß der Sheriff seinen Gruß nicht erwiderte. »Sie haben einen Hold up im Zug zwischen Gila Bend und hier versucht.«

McGinty starrte die beiden an. Dann packte er sie und stieß sie in die beiden offenstehenden Zellen. Die Stahlgittertüren schlugen so hart zu, daß das ganze Gebäude erzitterte.

»Schreiben Sie den Vorfall da auf«, knurrte der Sheriff und deutete auf seinen Schreibtisch.

Der Fremde blickte ihn kurz an, machte sich dann aber an die Arbeit.

Als er hinausging, war der Sheriff damit beschäftigt, sich zu rasieren. Er rief ihm nach: »He, haben Sie unterschrieben?«

»Sicher.«

Der Fremde ging hinaus.

Er blieb auf dem Vorbau stehen und blickte auf die Straße hinunter.

Gelber Sand bedeckte die breite Erdfläche zwischen den Häusern. Hauchfeiner Sand, den der leiseste Windhauch gegen die Giebel gewirbelt hätte.

Der Mann griff in die Innentasche seiner Jacke und nahm einen mehrfach gefalteten Brief daraus hervor.

Sein Blick flog über die Zeilen, die er schon unzählige Male gelesen hatte.

Ich kann Dir nicht schreiben, was es ist. Ich muß es Dir sagen. Und nur Du könntest mir helfen. Ich habe nicht viel Hoffnung, daß Du kommen kannst – aber wenn es doch möglich ist, dann fahre auf der neuen Bahnstrecke bis Sentinel. Von da aus sind es noch drei Tagesritte nach Südosten zwischen den Growler Mountains und dem Mohawk-Tal...

Der Brief trug in steiler ungelenker Handschrift den Namen Nic Parker.

Der Fremde faltete ihn zusammen und schob ihn in die Tasche zurück.

Wieder flog sein Blick über die Straße. Dann ging er auf ein Haus zu, das an der Fassade ein großes Schild trug: Barber Shop.

Der Barbier, ein wendiger kleiner Mann mit kahlem Schädel und traurig herabhängenden Schnauzbart, warf ihm einen Lappen über die Schultern, der ursprünglich einmal weiß gewesen sein mußte, jetzt aber in allen Schmutzgrautönen schwamm, und rasierte ihn mit einem schartigen Messer.

Der Fremde verzog das Gesicht. »He, Mister, die Klinge ist aber nicht sehr scharf.«

Der Barbier nickte. »Ich weiß. Ich kann es meiner Frau nicht abgewöhnen, morgens zur Ofenanfeuerung mit meinem Rasiermesser Holzspäne zu schneiden.«

Plötzlich drang aus einem der Häuser ein gellender Schrei über die Straße.

Der Barbier scherte sich nicht daran, er schabte den Stoppelbart seines Kunden.

Der Schrei wiederholte sich, diesmal so tierisch, daß der Fremde grinste. »Der Zahnarzt hat Arbeit.«

»Zahnarzt«, brummte der Friseur, »yeah, so kann man es auch nennen. Wen der behandelt, der hat nichts mehr zu kauen.«

»Wieso?«

Ein neuer Schrei brach dumpf über die Straße.

»Na, McGinty schlägt ihnen die Zähne ein...«

Der Fremde schob die Hand mit dem Rasiermesser von seinem Hals und richtete sich auf. »McGinty? Der Sheriff?«

»Yeah!«

Da knüllte der Mann das Rasiertuch zusammen, wischte sich den Schaum aus dem Gesicht und stürzte zur Tür. »Ich komme gleich wieder!«

»He...«

Der Fremde war schon zur Tür hinaus und lief über die Straße.

Als er die Tür des Sheriffs-Offices aufgerissen hatte, blieb er wie festgenagelt stehen.

In einer der Zellen lag Roger Schaaf ohnmächtig und mit blutverschmierten Gesicht am Boden. In der anderen Zelle stand McGinty, mit dem Rücken zur Tür und schlug auf den an den Händen gefesselten Cass Finn ein.

Der Tramp torkelte zurück und prallte gegen die Zellwand. Er schrie wie ein Tier.

Blut lief aus seinem Mund.

McGinty schlug wieder zu und wieder.

Der Mann stand noch – und wieder flog die Faust des Sheriffs in dessen Gesicht.

Da wurde McGinty zurückgerissen. Vor ihm stand der Fremde, der die beiden Tramps bei ihm abgeliefert hatte.

Der Sheriff starrte ihn entgeistert an. »Sie? Was wollen Sie hier?«

Der Fremde senkte seinen Blick in die Augen des Sheriffs. Es war ein stahlharter, eiskalter Blick. »Weshalb schlagen Sie den Mann?«

McGinty riß sich von der Faust des anderen los und wich einen Schritt zurück. Seine Augen weiteten sich in namenloser Verwunderung. »Sind Sie wahnsinnig, Mann? Verschwinden Sie, aber schnell, sonst stampfe ich Sie auch hier in den Boden.« Der Zorn flammte in seinen Augen.

»Kommen Sie aus der Zelle raus, McGinty«, sagte der Fremde gelassen.

In diesem Moment schlug der Sheriff zu. Aber seine Faust streifte den abgeduckten Kopf des Fremden nur.

Der hieb sofort zurück und schmetterte McGinty einen linken Haken in den Leib, der den Sheriff zurücktaumeln ließ.