Gewitter am Cimarron - William Mark - E-Book

Gewitter am Cimarron E-Book

William Mark

0,0

Beschreibung

"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! Die Kugel traf Mat Corby rechts in die Brust. Er bekam einen Stoß, der ihn im Sattel zurückwarf, krampfte sich instinktiv mit der Linken in der Mähne seines Wallachs fest und riß mit der Rechten den Colt hoch. Damned! Woher war der Schuß gekommen? Ganz still und friedlich lag die Weide da. Nirgends in der Halde über den dichten grünen Tecarilla-Büschen zog sich ein Rauchfaden hoch. Azurfarben und von keiner Wolke getrübt, breitete sich der Himmel Oklahomas über das Land. Es war ein schönes, weites gesundes Land. In der Ferne, wo der Himmel am Horizont violettfarben mit der Erde zu verschwinden schien, floß der Buffalo Creek in den Cimarron-River. Und im Norden schloß die flimmernde Bergkulisse der Red Mountains die Ebene ab. Es war ein prachtvolles Land. Und doch steckte hier irgendwo hinter den unschuldigen Büschen ein Mordschütze. Mat fühlte zu seinem Entsetzen, daß ihn ein Schwindelanfall ansprang. Seit dem Schuß waren drei Sekunden vergangen. Mat riß den Wallach herum, hieb ihm die großen texanischen Sternradsporen in die Weichen und sprengte weit über den Pferdehals gebeugt davon. Rotgolden brachen sich die Strahlenbündel der Abendsonne an den Pfählen des großen Bunkhausvorbaues, als der Reiter den Ranchhof erreichte. An der Pferdetränke rutschte er aus dem Sattel, schleppte sich noch drei Schritte vorwärts und brach dann plötzlich lautlos in sich zusammen. Drüben flog knarrend die schwere Stalltür auf, und ein riesiger, grobknochiger Mann mit offenem Hemd, pergamentfarbenem Gesicht und schiefergrauen Augen stürmte in den Hof. »Mat!« Der Hüne beugte sich über den Besinnungslosen, hob ihn auf und sah das blutgetränkte Hemd.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 155

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Wyatt Earp – 281 –

Gewitter am Cimarron

William Mark

Die Kugel traf Mat Corby rechts in die Brust. Er bekam einen Stoß, der ihn im Sattel zurückwarf, krampfte sich instinktiv mit der Linken in der Mähne seines Wallachs fest und riß mit der Rechten den Colt hoch.

Damned! Woher war der Schuß gekommen?

Die Landschaft war so dicht mit Büschen besetzt, daß es unmöglich war, den Standort des Schützen so ohne weiteres auszumachen,

Ganz still und friedlich lag die Weide da. Nirgends in der Halde über den dichten grünen Tecarilla-Büschen zog sich ein Rauchfaden hoch. Azurfarben und von keiner Wolke getrübt, breitete sich der Himmel Oklahomas über das Land. Es war ein schönes, weites gesundes Land. In der Ferne, wo der Himmel am Horizont violettfarben mit der Erde zu verschwinden schien, floß der Buffalo Creek in den Cimarron-River. Und im Norden schloß die flimmernde Bergkulisse der Red Mountains die Ebene ab.

Es war ein prachtvolles Land.

Und doch steckte hier irgendwo hinter den unschuldigen Büschen ein Mordschütze.

Mat fühlte zu seinem Entsetzen, daß ihn ein Schwindelanfall ansprang.

Seit dem Schuß waren drei Sekunden vergangen.

Mat riß den Wallach herum, hieb ihm die großen texanischen Sternradsporen in die Weichen und sprengte weit über den Pferdehals gebeugt davon.

Rotgolden brachen sich die Strahlenbündel der Abendsonne an den Pfählen des großen Bunkhausvorbaues, als der Reiter den Ranchhof erreichte. An der Pferdetränke rutschte er aus dem Sattel, schleppte sich noch drei Schritte vorwärts und brach dann plötzlich lautlos in sich zusammen.

Drüben flog knarrend die schwere Stalltür auf, und ein riesiger, grobknochiger Mann mit offenem Hemd, pergamentfarbenem Gesicht und schiefergrauen Augen stürmte in den Hof.

»Mat!«

Der Hüne beugte sich über den Besinnungslosen, hob ihn auf und sah das blutgetränkte Hemd.

Augenblicklich brachte er den Bewußtlosen an die Tränke und benetzte sein Gesicht mit Wasser.

Mat schlug die Augen auf und blickte in das harte Ledergesicht des älteren Mannes.

»Vater –« Die blutleeren Lippen des sonst so frischen jungen Mannes zitterten bei diesem Wort.

»Junge.«

»Das Herz, nicht wahr?« stammelte der Bursche, und in seinen blauen Augen stand eine bange Frage.

John Corby schüttelte lächelnd den Kopf. »No, Mat – das Herz ist glücklicherweise auf der anderen Seite. Wenn die Kugel es auch nur angerissen hätte, wärst du jetzt sicher nicht hier.«

Der Junge lächelte müde. Dann übermannte ihn wieder die Ohnmacht.

Als John Corby seinen Sohn aufhob, kamen drüben aus der neuen Scheune zwei Cowboys. Auch aus der Schmiede und dem Geräteschuppen kamen jetzt Männer heran.

Ein untersetzter rothaariger Bursche mit breiten Schultern und dem Brustkasten eines Preisboxers blickte in das wächserne Gesicht Mats.

»Was ist mit ihm, Boß?« fragte er heiser.

Corby blickte seinen Vormann nicht an.

»Er ist verwundet«, sagte er dumpf. »Die Kugel sitzt in seiner Brust.«

Jim Cahoun, der Vormann, warf seinen fast halslosen, kantigen Schädel herum und krächzte: »Wo ist Speedy?«

»Im Corral!« rief ein knochiger langer Bursche, dessen Gesicht so eingefallen war wie ein Totenkopf.

»Hol ihn sofort her, Toby!«

Der Knochenmann schlenderte davon.

»Tempo!« brüllte der Vormann hinter ihm her.

Da warf der Cowboy seine ellenlangen Glieder durch die Gegend, wirbelte die Arme wie Windmühlenflügel und war bald hinter der Ecke des Stalles verschwunden.

Hoch aufgerichtet schritt der Rancher auf das Wohnhaus zu. Das Gewicht des Verwundeten schien ihn in keiner Weise zu belasten.

Keiner der Cowboys wagte, dem Boß seine Hilfe anzubieten.

Alma Corby hatte am Herd gestanden, als die Männer in die große Stube traten. Ihr hageres, faltiges Gesicht schien unter der Bräune zu erblassen, als sie sah, wen ihr Mann da hereinbrachte.

Corby legte den Verwundeten auf das Sofa.

Dann standen sie stumm und tatenlos da und blickten auf den reglosen Körper Mats.

»Tut doch etwas!« schrie die Frau plötzlich.

Ihr Schrei drang den Männern bis ins Mark. Langsam wichen sie bis zur Tür zurück.

»John!« rief die Frau, »er verblutet!«

Das Ledergesicht des Ranchers blieb unbewegt. Ein Geräusch im Flur ließ die Männer aufblicken.

Die Tür flog auf. In ihrem Rahmen stand ein flachsblonder Bursche, der eine große Ähnlichkeit mit Mat hatte. Nur schien er einige Jahre jünger zu sein. Er zwängte sich durch die Cowboys und blickte mit entsetzten Augen auf den Bewußtlosen. Dann nahm er den Kopf herum und blickte den Rancher an.

»Ist er tot?« kam es dumpf von seinen Lippen.

John Corby hatte die behaarten Fäuste in die Hüften gestemmt und blickte in die hellen Augen seines jüngsten Sohnes.

»Nein, Joe. Er hat eine Kugel in der Brust.«

Über das frische Gesicht des Jungen flog eine dunkle Röte.

»Wer war es?«

Der Rancher zog die Schultern hoch und ließ sie langsam wieder fallen.

Die Luft im Raum war zum Schneiden. Cahoun trat von einem Fuß auf den anderen. Dann warf er den Kopf zu einem feisten sommersprossigen Burschen herum.

»Jonny, sieh nach, wo Speedy bleibt!«

In diesem Augenblick waren draußen in der Halle Schritte zu hören. Das Totenkopfgesicht Tobys schob sich durch den Türspalt.

»Speedy«, zischte der Vormann. »Wo ist er?«

»Hier, er kommt gleich.« Toby zerrte einen kleinen, tiefäugigen Kerl mit aufgedunsenem stoppelbärtigem Gesicht hinter sich her. Vor dem Vormann ließ er ihn stehen.

Cahoun sah auf den schlotternden und schwankenden Mann. Sein Gesicht verhärtete sich zur Maske des Zorns. Dann sagte er ganz leise mit einer krächzenden, heiseren Stimme: »Speedy!«

Der Cowboy hob den Kopf. Er hatte Mühe, die Lider über seinen wäßrigen Augen hochzuhalten.

»Speedy!« brüllte der Vormann plötzlich unbeherrscht.

Der Betrunkene zuckte wie unter einem Schlag zusammen.

Da packte Cahoun ihn und schleifte ihn hinaus zur Pferdetränke.

Drinnen in der Stube hörte man das unverkennbar klatschende Geräusch eines Körpers, der auf eine Wasserfläche aufschlug.

Drei Minuten später kam Cahoun mit dem triefnassen Cowboy zurück.

Speedys Gesicht war gerötet, und seine Augen konnte er jetzt aufhalten.

»Hier, du verdammter Whiskyschlauch!« herrschte ihn der Vormann an. »Da liegt der Sohn deines Bosses und hat eine Kugel im Leib. Und du elende Eule bist betrunken!«

Da hieb ihm der Vormann seine klobige Faust mitten ins Gesicht.

Speedy taumelte, schüttelte sich wie ein Hund und kam langsam wieder heran.

Cahoun packte ihn am Kragen und schleppte ihn zu dem Verwundeten.

»Da, sieh ihn dir an. Es ist Mat. Er hat eine Kugel im Leib.«

Speedy nickte mit wackelndem Kopf.

Da schüttelte ihn Cahoun wild hin und her.

»Hilf ihm, verdammter Aasgeier!«

Als der Vormann ihn losließ, schwankte Speedy hin und her.

Cahoun stieß einen Fluch aus.

Die Frau sagte hart: »Laß ihn, Jim!«

Aber Joe, Mats Bruder, drängte sich an den Betrunkenen heran.

»Er muß ihm helfen, zum Teufel! Er ist der einzige, der die Kugel rausholen kann.«

Alle starrten den schwankenden Cowboy an.

Der hob den Blick und suchte die Augen des Ranchers.

John Corby wandte sich um und ging zum Schrank. Als er zurückkam, hatte er ein halbgefülltes Glas mit Whisky in der Hand.

Speedy nahm es mit zitternden Händen und trank einen kleinen Schluck. Dann wischte er sich durchs Gesicht und beugte sich über den Verwundeten.

Mats Gesicht war leichenblaß geworden.

Speedy öffnete ihm das Hemd, riß es auseinander.

Das Geräusch, das der Stoff von sich gab, zerrte an den Nerven der Menschen in der Stube.

»Ich muß heißes Wasser haben«, kam Speedys dünne Stimme plötzlich vom Sofa her.

Und dann operierte der angetrunkene Cowboy unter den starren Mienen der Umstehenden. Schon nach dem ersten Versuch wußte Speedy, daß die Kugel höllisch tief saß. Sie hatte zwei Rippen durchschlagen und steckte in der Lunge.

Speedy hob den Kopf und sah mit ängstlichen Augen zu dem Rancher hin.

Niemand sagte etwas.

Zweimal rutschte die Kugel wieder ab.

Es war eine verteufelte Situation.

Speedy schluckte vor Verzweiflung. Der Schweiß rann ihm in breiten Bächen von der Stirn.

Mit zusammengebissenen Zähnen standen die Cowboys da.

Plötzlich drehte sich der kleine dicke Jonny Plynn um.

Das war für die anderen das Signal. Sie wandten sich ebenfalls und gingen zum Fenster hinüber.

Nur der Rancher, Cahoun und die Frau blieben hinter Speedy stehen.

Plötzlich zerriß ein gräßlicher Schrei die Luft.

Cahoun wollte vorspringen, um Speedy zurückzureißen. Aber er kann nicht vorwärts; die schwere Faust des Ranchers hielt ihn zurück.

Und gleich darauf drang das harte kleine Geräusch eines auf die Dielen springenden Metallstückes durch den Raum.

Joe, Mats Bruder, schluckte und wandte sich um. Als er in Mats kalkiges Gesicht sah, hielt er den Atem an.

Speedy reinigte wie im Tran die Wunde, nahm mit tausendfach geübtem Griff die Verbandstücke entgegen, die die Frau ihm hinhielt, richtete sich dann ächzend auf und schüttelte den Kopf, als der Rancher ihm das Whiskyglas hinhielt. Langsam und immer noch taumelnd verließ er die Stube.

*

Drei Tage bangte die ganze Ranch um Mats Leben.

Keiner sprach mit dem anderen.

Speedy hockte den ganzen Tag am Corralgatter, starrte auf seine staubigen Stiefelspitzen und kaute auf einem zernagten Pfeifenstiel herum.

Der Vormann hatte eine Menge Arbeit auf der Weide, aber er blieb auf dem Hof. Toby und der kleine Gregg hatten den Sägebock in den äußersten Winkel der Scheune gestellt. Sie behandelten das schwere Holz, als sei

es aus Glas. Nur ganz langsam und leise sägten sie. Überhaupt wurde jedes laute und harte Geräusch vermieden.

Noch niemals waren auf der rauhen Corby-Ranch die Türen so leise geschlossen worden wie in diesen Tagen. Cahoun hatte die ewig knarrende Stalltür frisch geölt, und der dicke Jonny mußte ständig mit dem Ölkännchen umherlaufen, um etwa quietschende Angeln zu schmieren.

Am Mittag des dritten Tages kam der Rancher oben aus der Tür. Er blieb auf der Veranda stehen und blickte in den Hof.

Cahoun machte vom Brunnen her ein paar Schritte auf die Veranda zu, blieb dann stehen und starrte in John Corbys verschlossenes Gesicht.

Cahoun war stehengeblieben.

Da rannte plötzlich der flachsblonde Joe heran. Unten vor der Verandatreppe blieb er stehen.

»Was ist, Vater?« stieß er mit belegter Stimme hervor.

Die Lippen des Ranchers sprangen auseinander.

»Er ist tot.«

Cahoun senkte den Blick. Joe stand wie erstarrt.

Toby und Gregg hielten mit dem Sägen inne. Sie hatten bis in die Scheune gehört, was der Rancher gesagt hatte.

Auch Bill und Butch im Stall hatten es gehört.

Sogar Speedy schien es vernommen zu haben. Obgleich es doch eigentlich unmöglich war, weil er viel zu weit weg war. Langsam zog er sich am Corralgatter hoch und kam mit seltsam steifen, hölzernen Bewegungen in den Hof.

Jetzt wußten alle, daß er es befürchtet hatte. Niemals war er bisher so still gewesen, wenn er einem der Männer eine Kugel aus dem Leib geholt hatte.

Er blieb bei dem Vormann stehen.

Der warf sich plötzlich herum und stürzte auf ihn los.

»Du verdammter Kerl bist schuld! Wenn du nicht besoffen gewesen wärest, dann…«

»Jim!« Die scharfe Stimme des Ranchers fegte über den Hof.

Der Vormann ließ von dem Cowboy ab. Keuchend stampfte er zum Mannschaftshaus hinüber.

»Jim!« rief der Boß noch einmal.

Cahoun blieb stehen, ohne sich umzuwenden.

»Jim, ich will es hier ganz klar sagen: Speedy kann nichts dafür. Er hat getan, was er tun konnte.«

Cahoun nickte langsam.

»Ich weiß«, murmelte er und ging weiter.

Der dicke Jonny kam hinter ihm her ins Bunkhaus.

Cahoun wirbelte herum und brüllte ihn an: »Was willst du hier?«

Der ganze Hof horchte auf, als der stets sanfte, dicke, gutmütige Jonny plötzlich ebenfalls schrie:

»Ich will hier sitzen, wie du auch. Und Whisky will ich. Damit du es weißt.«

Der Vormann sah ihn erst verdutzt an und stieß dann eine harte, bittere Lache aus. Er nahm aus seinem Schrank eine Flasche, schnipste den Korken davon, trank einen tiefen Schluck und reichte sie Jonny.

Toby, Greg, Bill und Butch kamen auch herein.

Die Flasche war bald halbleer.

Mitten auf dem Hof, im gleißenden Sonnenschein, stand nur noch Speedy.

Cahoun sah ihn durch das Fenster. Er nahm die Flasche und stampfte hinaus. Wortlos reichte er dem Cowboy den Whisky.

Aber Speedy schüttelte den Kopf. Sein Gesicht war grau und eingefallen. Mit staksigen Schritten schleppte er sich zum Corral hinüber, lehnte sich an das Gatter und starrte mit leeren Augen auf die jungen Fohlen, die nichts von seinem Schmerz ahnten und in wilder Lebensfreude umhertollten.

Cahoun blickte ihm nach. Dann schleuderte er die Flasche gegen den Brunnen und ging zum offenen Ranchtor. Da blieb er lange stehen und sah auf die Weide hinaus.

*

Das Leben auf der großen Corby-Ranch mußte weitergehen.

Als Mat drüben hinter dem Wagenhaus auf dem kleinen Ranch-Friedhof unter der Erde lag, sprach niemand mehr von ihm. Über diese traurige Sache mußte erst eine Menge Gras wachsen. Irgend jemand hatte ihn angeschossen, und Mat hatte nicht mehr sagen können, wo und wer es gewesen war.

Aber es gab einen Namen, der unausgesprochen in der Luft lag: Slugger!

An das Weidegebiet der Corby-Ranch grenzte das Burn-Country, das Land der Slugger-Ranch.

Damals, vor dreißig Jahren, als John Corby hierhergekommen war, war Jeff Slugger auch gekommen. Ihr Weideland hatten die beiden abgegrenzt. Nicht durch einen Zaun oder durch sonstige Markierungen – aber jeder der beiden kannte die Grenze genau. Auch die Familienangehörigen wußten genau, wo das eigene Land aufhörte.

Im Herbst 1847 vor drei Jahrzehnten, begannen die ersten Feindseligkeiten zwischen den beiden Familien. Damals ging es um Wasserrechte. Dann waren es abgetriebene Rinderrudel und geflüchtete Pferde. Der Anlaß war immer ein anderer, der Streit blieb der alte.

Blut floß erstmals nach dem Krieg. Als Jeff Slugger unten im Kingshole auf John Corby traf, hatte es eine scharfe Auseinandersetzung gegeben, in deren Verlauf Slugger den Revolver gezogen hatte. Corby war trotzdem schneller gewesen. Er hatte Slugger am rechten Oberarm getroffen. Die Schießerei sollte böse Folgen haben, denn als nach einiger Zeit in der gleichen Gegend die beiden Ranch-Mannschaften aufeinandertrafen, gab es ein böses Gefecht, bei dem vier Cowboys von Slugger und sieben von Corby verwundet wurden. Seitdem hatte es öfter Schießereien gegeben.

Trotzdem, die letzte Feindseligkeit lag schon zwei Jahre zurück, und auf der Corby-Ranch hatte man sich mit dem Gedanken vertraut gemacht, daß der alte Haß eingeschlafen war.

Aber jetzt, da der junge Mat Corby draußen auf der Weide tödlich verwundet worden war, kroch das Gespenst des Verdachts wieder über die Ranch. Die Sluggers, die elenden Sluggers, sie haben ihn umgebracht. Aber das würden sie bitter bezahlen müssen.

Nein, es sprach niemand aus, aber es stand deutlich auf jeder Stirn geschrieben. Der flachsblonde Joe, der nicht ganz so hart unter dem eisernen Regiment des Vormannes stand, wie die anderen Cowboys, weil er der letzte Sohn des Ranchers war, bestieg sein Pferd und ritt davon. Man hatte tagelang zu reiten, wenn man die Weidegrenze der Corby-Ranch abreiten wollte.

Als Joe nach drei Tagen nicht zurückkam, ging der Vormann ins

Ranchhaus. Er war den ganzen Tag draußen auf der Weide gewesen. Insgesamt hatte er vier Weidereiter nach Joe ausgeschickt, aber sie waren unverrichteter Dinge zurückgekehrt.

Jim Cahoun stand vor seinem Boß. Er hatte seinen durchschwitzten grauen Filz in der Hand, weil die Frau im Raum war.

»Er ist vor drei Tagen weggeritten, der Junge«, sagte er halblaut.

Corby saß am Tisch. Er blickte nicht auf. Eine tiefe, steile Falte hatte sich in seine Stirn gegraben. »Ich weiß.«

Der Vormann knurrte: »Drei Tage ist eine verdammt lange Zeit.«

»Vielleicht reitet er die Weidegrenze ab.«

Cahoun nickte. »Well, dann müßte er spätestens morgen abend wieder zurück sein.«

Aber Joe war auch am übernächsten Abend nicht zurück.

Cahoun traf bei Einbruch der Dunkelheit mit Toby, Jonny, Plynn, Gregg, Bill, Butch und den beiden Calligans auf dem Hof ein.

Speedy hämmerte noch wie wild an den von ihm erneuerten unteren Corralstangen herum.

Der Vormann brachte seinen dampfenden Fuchs neben dem Cowboy zum Stehen.

»Ist er gekommen?«

Speedy hielt mit dem Hämmern inne und schüttelte stumm den Kopf.

Der Vormann blickte über den Corral auf die Weide hinaus.

Der Abend senkte sich sanft nieder, hüllte das Land in einen dunklen Schleier und ließ die harten Geräusche des Tages verstummen.

Cahoun nahm die Zügel auf und führte den Fuchs vor die Veranda.

»Jonny, bring ihn in den Stall!« rief er dem Dicken zu, mit dem ihn seit jenem Mittag, an dem sie im Bunkhaus aneinandergeraten waren, eine Art stummer Freundschaft zu verbinden schien.

Jonny Plynn nickte und führte den Fuchs des Vormannes in den Stall.

Cahoun überquerte sporenklirrend den Vorbau und verschwand im Ranchhaus.

Die Frau stand am Tisch und bereitete das Abendbrot vor.

»Ich muß mit dem Rancher sprechen, Mrs. Corby«, sagte der Cowboy rauh.

»Er hat Speedy ein paar Stunden geholfen und ist dann weggeritten.«

Cahoun nickte und ging hinaus.

Nach dem Essen stand er im Ranchtor und lauschte in die Nacht hinaus.

Jonny Plynn hockte drüben hinter ihm auf einem Felsstein, den der Rancher in jungen Jahren einmal aus irgendeinem Grund auf den Hof geschafft hatte.

Plötzlich nahm Jim den Kopf hoch. »Hast du was gehört?«

Jonny schloß die Augen und lauschte. »Yeah, das ist er«, sagte er bestimmt.

Ja, der Reiter, der sich nach einigen Minuten auf laut schnaubendem Pferd dem Tor näherte, war John Corby.

Er sah die beiden Männer am Tor.

Cahoun stand reglos da.

Der Rancher rutschte müde aus dem Sattel, reichte Jonny die Zügel und sagte: »Wir müssen ihn morgen suchen.«

*

Noch vor Tagesanbruch saßen die Männer im Sattel.

Der Boß ritt mit dem Vormann voran.

Neun Mann von der Corby-Ranch machten sich auf die Suche nach Joe, dem letzten Sohn des Ranchers.

John Corby hatte drei Jungen gehabt. Ric, der älteste, war mit neun Jahren so schwer vom Pferd gestürzt, daß der alte Gregg, der ihn beobachtet hatte, nur noch einen Toten in seinen Sattel heben und auf die Ranch zurückbringen konnte. Es war ein furchtbarer Schlag für den Rancher gewesen. Er hatte ihn über alles geliebt.

Aber da waren ja noch Mat und Joe gewesen.

Mat hatten sie jetzt umgebracht.

Wo war Joe?

Cahoun hatte fast die ganze Mannschaft zusammengetrommelt. Nur vier Cowboys waren noch draußen im Weidecamp.

Und Speedy, der sonst immer auf der Ranch blieb, war mitgekommen. Dafür hatte Jonny auf dem Hof bleiben müssen.

John Corby ritt mit seinen Männern die Grenzen des Landes ab. Am Mittag des zweiten Tages hielt Speedy plötzlich seinen Schimmel an. Er blickte nach links und sprang aus dem Sattel. In großen, skurrilen Sprüngen lief er auf einen Busch zu.

Dann sahen die Männer, die auch ihre Tiere angehalten hatten, daß er niederkniete und etwas unter dem Busch hervorzog.

Das Gesicht des Ranchers wurde grau. Obgleich er es geahnt hatte, die Wirklichkeit erschütterte ihn doch: Speedy Mathews hatte den Körper seines Sohnes Joe unter den tiefhängenden Zweigen des Tecarillabusches hervorgezogen.

Die Männer stiegen ab und umstanden den letzten Sohn des Ranchers. Joe war tot. Links auf seiner weißen Hemdbrust war ein großer roter Fleck.

Minutenlang sprach niemand ein Wort.

Dann blickte Cahoun Speedy an.

»Wie hast du ihn bloß entdeckt?« fragte er bissig.