Egotrip - Sina Graßhof - E-Book

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Sina Graßhof

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Beschreibung

Jule Pasch ist zu gut für diese Welt, doch sie wird vom Pech verfolgt. Sie vermasselt ihren Uniabschluss, hat nur Ärger in der Liebe und die falschen Freunde. Als sie an einem Tiefpunkt angelangt ist, bekommt sie überraschend einen Brief, der ihr Leben komplett verändert. "Herzerwärmend, clever, humorvoll - ein erstklassiger Roman!" Mark Hesse

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Prolog

Die Wissenschaft ist sich relativ einig: In wenigen Jahrzehnten werden außerirdische Lebensformen auf unserem Planeten vorstellig werden, um die Welt und ihre Bewohner kennen zu lernen. Hm, kann man glauben, oder auch nicht. Mal angenommen, dem wäre so. Lassen Sie sich mal fallen, lassen Sie sich darauf ein…

Sind Sie soweit? Bestens. Ok, eine Frage. Wenn der große Tag bevor steht – und ja, ich denke, Außerirdische sind höflich und wollen uns weder überrumpeln noch verschrecken, sie kündigen ihren Besuch also an. Wen, also, welchen Vertreter unserer zweifellos beispiellosen Spezies würden Sie vorschicken, um den ersten Kontakt zu knüpfen? Wer, nur wer sollte uns bestmöglich vertreten? Unsere geballte Großartigkeit personifizieren?

Nun, ich bin sicher, die Vorschläge häufen sich bereits binnen kürzester Zeit in unermessliche Höhen. Völlig verständlich, die Auswahl ist aber auch wirklich reichlich. Schon allein all die Volksvertreter, die jedes Land unserer wundervollen Erde aufzubieten hat. Sie repräsentieren uns ja immerhin voreinander. Also würde es ja naheliegen…Nicht, meinen Sie? Sind Sie sicher? Kommen Sie, seien Sie nicht so negativ. Nun gut, sie mögen manchmal nicht wissen was sie tun. Und das sind noch die Guten unter ihnen. Aber wir haben sie schließlich irgendwann mal gewählt. Oder etwa nicht? Und ein bisschen Egomanie und Größenwahn hat doch noch niemandem geschadet. Oder sind Sie etwa perfekt?

A propos perfekt. Es gäbe da ja, neben unseren, durchaus vorzeigbaren, Volksvertretern, noch die personifizierten Ebenbilder unserer Wünsche und Ideale. Sie stehen gerade auf dem Schlauch? Kein Problem, ich kann gerne konkreter werden. Sie spiegeln uns auf Leinwänden, in Magazinen, in flimmernden, viereckigen Kisten und natürlich im Netz. Klingelt es? Na, ich seh schon, Sie brauchen keine weiteren Erklärungen. All die gefotoshopten Übermenschen, die sich uns – nein, nein, nun wirklich nicht aufdrängen… Das ganz bestimmt nicht. Teilhaben lassen. Ja, das klingt doch gut. Sollte von ihnen jemand das erste Hallo übernehmen?

Sie gucken so komisch. Jetzt mach ich mir ein bisschen Sorgen… Nana, kommen Sie, das gibt Falten. Das wird schon. Das Universum lässt uns doch nicht einfach so hängen. Ich hätte da ja noch ein Ass im Ärmel.

WAS? Jetzt gehen Sie aber zu weit. Gut, es ist meine Schuld, ich habe Sie angestiftet. Wir können, bedauerlicherweise, niemanden aus dem Jenseits zurückholen um im Diesseits mal auf den Tisch zu hauen oder uns von unserer besten Seite zu zeigen. Das müssen Sie abhaken. Und nein, es wird auch keine Castingshow für diese Position abgehalten. Es muss anders gehen. Aber alles halb so wild, ich habe ja schon eine Idee.

Die Person von der ich rede, zeichnet sich weder durch besondere Leistungen noch Errungenschaften aus. Auf der Straße würden Sie sie nicht erkennen und auch sonst hat sie nicht viel vorzuweisen. Aber sie hat das Herz am rechten Fleck – versprochen! Und sie hat Humor.

Na bitte, Sie sehen schon ein wenig entspannter aus…

Hereinspaziert und Willkommen im Leben von Jule Pasch.

1

„WAS war DAS denn bitte gerade?“ Recht heftige Reaktion, die noch Wochen später in meinen Ohren klingeln wird. Nein, es ist soeben kein brennender Meteorit neben dem Babybettchen einer stolzen, frischgebackenen Mama eingeschlagen und hat nur knapp verfehlt. Obwohl sie da durchaus verständlich wäre. Der Satz kommt von meiner Dozentin, die sich nun setzen muss, bevor sie sich weiter reinsteigert. In die finale Bewertung meiner Leistung. Der gerade beendeten Prüfung. Mündlichen Prüfung. Abschlussprüfung. Final. Ich bin am Arsch!

„Haben Sie denn nie eine Vorlesung zum Thema Amerikanische Geschichte besucht? Und diese romantisierte Deutung DeLillos. Damit lagen Sie völlig daneben. Haben Sie in meinen Kursen denn gar nichts gelernt?“

Ok, der Reihe nach. Ja, diese Vorlesungen habe ich besucht, aber da ich mein gesamtes Studium selbst finanziere, also fast nur arbeite, habe ich meist in diesen Vorlesungen geschlafen. Weil es sich so anbot. Und weil es niemandem aufgefallen ist. Schon gar nicht den selbstgefälligen Dozenten. Zum zweiten Punkt: vielleicht. Aber wie es in einer Wissenschaft, so auch in der Literatur, so üblich ist, kann es mehrere Sichtweisen zu einem Thema geben und weil ich Ihnen nicht nach dem Mund rede, so wie Sie es gerne hätten und gewohnt sind, stehe ich zu meinem Standpunkt. Ob Ihnen das nun passt oder nicht. Drittens: nein! Sie reden so unverständlich und aufgesetzt, dass man Ihnen nur schwer folgen kann. Lediglich Ihre Themen sind interessant, was überhaupt der einzige Grund ist für das Vorhandensein von Studenten in Ihren Kursen. Ihre Aura ist dafür sicherlich auch nicht verantwortlich, Sie untervögelte Ziege.

Es sei angemerkt, dass sich diese Unterhaltung nur in meinem Kopf abspielt. Was ich sage ist – nichts. Einfach nichts. Ich bin nur baff, weil sich diese Prüfung für mich nicht so schlimm angefühlt hat. Dass ich sie bis kurz vor den Schlaganfall getrieben habe, hat sie nicht durchblicken lassen. Zumindest nicht, bis ich mein letztes Wort gesagt hatte.

„Ich lasse Sie gerade noch bestehen. Aber einbilden sollten Sie sich darauf nichts.“ Ok. Prima. Großartig. Das gibt mir genau das Selbstbewusstsein, das ich auf diesem ohnehin schon schwierigen Pflaster Arbeitsmarkt brauchen werde. Mein Notendurchschnitt vor dieser Prüfung: 1,4. Nach der Prüfung nur noch eine schlechte Zwei. Vielen Dank auch. Ich will nur noch weinen. Das mache ich bevorzugter Weise alleine. Also ab nach Hause. In mein Bett. Und Wasser lauf.

Später rufe ich eine Freundin an. Sie weiß, dass ich heute Prüfung hatte, aber fragt erst nach einem zehn-minütigen Monolog, wie es gelaufen ist. Heute ist wirklich ein ganz besonderer Tag! Aber sie ist nicht nur heute so. Im Lebensmittelpunkt, und in allen Punkten in unmittelbarer Nähe, befindet sich nur sie, Nicolette. Wir haben uns beim Studium kennen gelernt – Germanistik, mein Zweitfach. Am Anfang fand ich sie cool, obwohl sie es mit der Hygiene nicht so ernst nahm. Sie roch meist ein wenig muffig. Aber sie war nett. Und ich war neu in der Stadt. Und wir konnten uns gut unterhalten, wenn wir in unserer Gruppe waren. Bei Einzelgesprächen mit ihr ging es immer nur um ihr Lieblingsthema – sie. Und um irgendeinen Schwarm den sie gerade hatte, dem sie sich aber nicht zu nähern getraute. Wenn sie dann mal jemanden hatte, war es meist eine Fernbeziehung, obwohl sie das überhaupt nicht verkraftet. Sie ist eifersüchtig wie der Teufel und muss ihren Liebsten ständig um sich haben. Das geht bei solchen Beziehungen natürlich nicht und das macht sie fertig. Worüber sie sich dann stundenlang auslassen kann. Sie liebt das Drama. Warum sonst sollte sie immer wieder solche Beziehungen, die einfach nur zum Scheitern verurteilt waren, eingehen?

Mit ihr komme ich nicht weiter. Ich höre mir noch eine Weile ihren Mist an, dann verabschiede ich mich. Ich muss noch einkaufen.

Muss ich nicht. Sage ich nur.

Was ich wirklich will? Ich will auf den Arm. Auf den von Ramon. Meinem spanisch-deutschen Freund. Nein, seiner Ansicht nach ist er nicht mein Freund. Er bezeichnet das was wir seit einem halben Jahr haben als eine Affäre. Ist es aber nicht, er ist nur gestört. Wir texten rund um die Uhr, haben eine hammermäßige Chemie und den besten Sex, den ich in meinem Leben je hatte. Und wir sehen uns auch häufig. Alles, was uns von einer Beziehung trennt ist die Tatsache, dass wir nicht zusammen übernachten. Das ist auch schon alles. Er ist ein Beziehungs-Phobiker. Er sagt, er trauert noch immer seiner Ex hinterher. Sie habe ihn für alle anderen Frauen verdorben, so toll war sie. Was ich natürlich mega gerne höre. Aber hey, wenn die Beziehung so toll war, warum ist sie dann einfach nach Berlin verschwunden? Und wenn er sie so liebte, warum ist er nicht mitgegangen? Da scheint mir etwas gewaltig faul zu sein. Aber die Wahrheit werde ich aus ihm wohl nicht mehr raus bekommen. Er macht da total zu. Keine Ahnung wie ich es schaffen soll, seine Nummer Eins zu werden. Soweit ich weiß bin ich die einzige mit der er ins Bett geht. Das ist ja immerhin schon mal etwas. Aber reicht mir das? NEIN. Ich will nicht die Affäre von jemandem sein in den ich total verliebt bin. Ich war schon immer der Ganz-oder-gar-nicht-Typ. Aber ich kann mich nicht so gut durchsetzen, also lasse ich mir das gefallen. Jedes Mal, wenn ich versuche, ihn auf die richtige Bahn zu lenken, scheitere ich. Und jedes Mal wenn ich versuche es zu beenden, bequatscht er mich, doch zu bleiben. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass er mich auch liebt. Aber seine Worte gehen dagegen an. Ich weiß mir einfach nicht zu helfen. Vielleicht ist es das Beste, zu warten, bis meine Verliebtheit abflacht und ihm dann den Laufpass zu geben. Vorher noch alles mitnehmen und genießen was geht. Aber mein Kopf lässt mich nicht. Ich will das kategorisieren. Es will benannt werden. Und zwar nicht mit dem Titel Affäre. Aber so sehr ich es auch versuche, ich werde ihn wohl nicht ändern können. Meine Ausdauer lässt auch langsam nach. Er laugt mich aus.

Auf seinen Arm kann ich also nicht. Deshalb lege ich mich in mein Bett und habe das Gefühl, ganz tief einzusinken. Ich glaube, ich brauche mal eine ganz lange Pause. Von allem. Und allen.

2

Die letzten Tage bin ich einfach im Bett geblieben. Ich hatte keine Ambitionen mich der Welt auszusetzen. Aber heute muss ich zumindest mal etwas einkaufen gehen. Also hebe ich meine müden Knochen auf und mache mit auf den Weg.

Alles ist normal hier draußen. Die Welt hat sich während meiner Abwesenheit anscheinend einfach weitergedreht. Unverschämt. Aber verpasst habe ich sicherlich nicht viel. Ich fülle meinen Wagen und will zurück in meine Höhle. Stoppe nur am Briefkasten und ziehe mich dann dorthin zurück. Allerdings habe ich Post bekommen. Ein Brief von einem Anwaltsbüro, das mir so gar nichts sagt. Na toll, denke ich, will mich etwa jemand verklagen? Ich überlege angestrengt, was ich verzapft haben könnte, doch mir fällt beim besten Willen nichts ein.

In meiner Wohnung angekommen wage ich es, den Brief zu öffnen. Und es haut mich fast aus den Socken. Das Schreiben teilt mir das Versterben meines Vermieters mit und die Tatsache, dass er mir anscheinend etwas hinterlassen hat. Was das sein könnte weiß ich beim besten Willen nicht. Er war ein Grießgram, total unzugänglich, immer schlecht gelaunt und anstrengend im Umgang. Doch wir haben uns oft gesehen, weil er ein paar Häuser weiter wohnte. Um meine Wohnung zu bekommen musste ich ihn ein paar Mal auf einen Kaffe treffen, damit er mich kennen lernen konnte. Er hatte viele Probleme mit anderen Mietern und hat es sich daher angewöhnt, alle neuen Kandidaten sehr genau unter die Lupe zu nehmen. Mich möchte er anscheinend, denn ich durfte einziehen.

Bei den Gesprächen hat er des Öfteren, nicht ohne Stolz, durchblicken lassen, dass er Millionär ist, obwohl er rumgelaufen ist wie ein Penner. Er war jemand, der das Geld nur gehortet, aber nicht ausgegeben hat, damit es sich vermehrte. Ziemlich dumm. Jetzt ist er verstorben und hat es nie genossen. Hat bis zum Ende geschuftet und sparsam gelebt. Und was hat er nun davon? Nichts. Das tut mir leid für ihn, aber er wollte es so.

Die Gespräche haben auch ergeben, dass er keinerlei Verwandtschaft hat. Keine Kinder, keine Nichten oder Neffen. Nur die Tochter einer verstobenen Cousine, zu der er jedoch keinen Kontakt hatte. Keine Ahnung was da schief gelaufen ist. Wahrscheinlich war er einfach nur er selbst. Das dürfte gereicht haben. Also gut, dann schaue ich mir mal an was das wird. Gespannt bin ich irgendwie nicht, keine Ahnung, ob ich das was er mir hinterlassen hat überhaupt haben möchte. Wir waren nie auf der gleichen Wellenlänge, er weiß nicht, was ich mag oder brauche. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass es etwas Besonderes ist. Er hat sich nie groß für das Wohl anderer interessiert. Warum sollte er da bei mir eine Ausnahme machen? Allerdings war ich immer nett zu ihm, habe seine Böshaftigkeit ignoriert und ihn behandelt wie jeden anderen, weil ich die Wohnung brauchte und behalten wollte. Naja, mal sehen was das wird. Die Testamentverlesung ist in zwei Tagen. Ich werde hingehen.

Die letzten Tage hatte ich mein Handy ausgeschaltet. Vielleicht wird es Zeit, mich mal wieder mit der Welt zu verbinden. Also los.

Mehrere Anrufe in Abwesenheit. Ein paar Textnachrichten und drei Nachrichten auf der Mailbox. Von meiner Mutter, von Nicolette und von Ramon. Die drei Spezialisten. Meine Mutter fragt, wie es mir geht und möchte mal wieder für mich kochen. Ist gebongt. Nicolette hat Liebeskummer und bittet um Rückruf. Hat sie gefragt wie es mir geht? Nein, natürlich nicht. Ramon wundert sich, dass ich auf seine Nachrichten nicht antworte. Fragt mich, ob alles okay ist. Nein. Aber das geht ihn nichts mehr an. Ich will das beenden. Er tut mir nicht gut. Meine Mutter bekommt eine Nachricht von mir, die anderen beiden werden ignoriert. Vielleicht melde ich mich da später, wenn mein Pflichtgefühl durchkommt. Aber eigentlich geht es mir immer noch mies. Und ich habe nicht vor, das zu verschlimmern, so wie ich es früher sicherlich gemacht hätte. Ich hab einfach gerade keinen Kopf für die Probleme anderer und bin nicht in der Lage, ihnen zu geben was sie von mir brauchen. Also zurück ins Bett.

Ich schlafe sofort ein. Ich träume. Ramon und ich sind im Urlaub, an irgendeinem Strand. Wir gehen spazieren, Hand in Hand. Küssen uns immer wieder. Er flüstert, dass er mich liebt. Ich hauche ihm die Worte ebenfalls in Ohr. Es ist himmlisch, genau so wie ich es mir immer gewünscht habe. Wir halten an, küssen uns lange und innig. Er nimmt zärtlich mein Gesicht in seine Hände. Es ist wunderschön. Plötzlich sind wir nicht mehr alleine. Eine heiße Blondine geht, nur im Bikinihöschen, an uns vorbei. Ramon pfeift ihr hinterher. Das ist schon näher an der Realität. Ich wache auf. Scheiße.

Ein Teil von mir will ihn so sehr, dass es weh tut. Ein anderer Teil hat schon vor Wochen mit ihm abgeschlossen. Wenn nur der Sex nicht so gut wäre und meine Gefühle nicht so stark. Bei unserem ersten Mal sind wir gemeinsam gekommen, es war magisch. Er ist der einzige Mann, der das bisher geschafft hat. Er ist ein wirklich guter Liebhaber. Aber leider ein beschissener Partner, der bei mir nur Stress verursacht. Es ist anstrengend, immer hinter jemandem herzulaufen. Dafür habe ich nicht die Kondition. Er ist ein Jäger. Will immer eine Herausforderung, will das Unbekannte, will alles nur nicht mich. Zumindest nicht ganz. Und ich hab es satt. Satt, darüber nachzudenken, satt darüber zu reden. Und erst recht satt, es zu leben. Es laugt mich aus. Ich bin eben mit dem Studium fertig, ich brauche meine ganze Energie jetzt für die Jobsuche. Da kann ich keinen Klotz am Bein mit mir rumschleppen. Das Gleiche gilt für Nicolette. Ich will diese beiden Menschen hinter mir lassen, ein für alle Mal.

Vielleicht sollte ich umziehen, in eine andere Stadt. Das würde den Prozess auf jeden Fall erleichtern, dann hätte ich eine gute Ausrede. Aus den Augen, aus dem Sinn – das dürfte bei den Beiden funktionieren, so sind sie drauf. Ich werde die Idee reifen lassen. Mal schauen, wohin mich mein neuer Job, so ich denn einen finde, verschlägt. Hoffentlich ganz weit weg!

3

Heute ist die Testamentverlesung. Ich ziehe mir etwas Schickes an und mache mich auf den Weg in die Stadt. Ein Typ in der Bahn sucht Blickkontakt, schaut mich unentwegt an. Ich scheine gut auszusehen, obwohl ich mich mies fühle. Ich gehe nicht drauf ein, aber ich bin geschmeichelt. Meine Laune verbessert sich ein wenig. Noch ein paar Stationen und ich bin angekommen.

Außer mir ist niemand im Wartebereich. Die anderen scheinen sich zu verspäten, denn ich bin gerade noch pünktlich eingetroffen. Schon öffnet sich die Tür und ich werde hereingebeten. Ich bin immer noch die Einzige hier, das wundert mich. Jetzt werde ich langsam nervös.

„Okay, lassen Sie uns anfangen“, sagt der Nachlassverwalter.

„Okay“, sage ich stutzig.

„Ich verlese nun das Testament von Herrn Vogel. Die Begünstigte, Jule Pasch – das sind Sie, nehme ich an?“ „Ja“; sage ich zögerlich. „Nun“, fährt er fort. „Die Begünstigte, Jule Pasch, wird in allen Belangen bevorteilt. ‚Ich Johannes Vogel, hinterlasse mein sämtliches Vermögen, sowie die Wohnung in der Karlsruher Straße, meiner Mieterin und Freundin, Jule Pasch.‘ Meinen Glückwunsch!“, fügt er hinzu. Ich bin baff. Meiner Freundin? Das überrascht mich doch sehr.

„Das Vermögen beläuft sich auf 1,6 Millionen Euro, Frau Pasch. Nehmen Sie das Erbe an?“ Ich muss ganz schön doof aus der Wäsche gucken, denn der Typ hebt die Augenbrauen. „Frau Pasch? Ist alles in Ordnung?“

„Ja ja“, sage ich endlich. „Alles in Ordnung. Ja, ich nehme es an“, bringe ich hervor.

„Gut, dann leite ich alles in die Wege. Teilen Sie mir nur noch Ihre Bankdaten mit, damit das Geld auch sicher bei Ihnen ankommt.“ Ich gebe ihm meine Bankverbindung und schon ist es vorbei. Wir verabschieden uns, er wünscht mir alles Gute und ein schönes Leben.

Wow! Das muss erstmal sacken. Ich bin reich! Kann das wahr sein? Eben noch war ich ein arbeitsloser Loser, der sein Leben nicht auf die Reihe bekommt und jetzt das. Selbst nach Abzug der Erbschaftssteuer bin ich immer noch Millionärin. Millionärin! Das klingt so unfassbar, nicht greifbar. Abstrakt. Das ist ein Zahlenbereich, den ich mir gar nicht vorstellen kann. Aber er hat es gesagt, oder nicht? Der Vogel hat mir alles vermacht. Mir, seiner Mieterin und Freundin! Unglaublich. Das hätte ich im Leben nicht gedacht. Meine Nettigkeit hat sich also im wahrsten Sinne des Wortes bezahlt gemacht.

Im Supermarkt kaufe ich mir von den letzten Euros, die noch auf meinem Konto sind, eine Flasche Sekt. Ich trinke eigentlich nicht gerne und auch nur selten Alkohol, aber heute muss das sein. Das muss gefeiert werden!

Soll ich jemanden einladen? Ich entscheide mich dagegen. Nicht nur, weil es niemanden gibt, auch, weil ich das erst mal für mich behalten möchte. Das halte ich für klug. Also ab nach Hause und auf den Schreck erstmal ein Gläschen Blubberwasser.

„Auf mich und mein neues Leben!“, sage ich in den leeren Raum. Dann trinke ich das Glas in einem Zug aus. Beinahe sofort breitet sich ein kribbelndes Wärmegefühl in meinem Körper aus. Ich trinke noch ein Glas, das sollte fürs Erste reichen. Die Flasche wandert in den Kühlschrank und ich zurück in mein Schlafzimmer. Soll ich mich wieder hinlegen? Legen sich Millionäre tagsüber ins Bett? Nein, noch ist das Geld nicht da. Noch bin ich keine Million schwer. Noch bin ich einfach Jule Pasch, das nette Mädchen von nebenan. Ich fange jedoch an zu träumen. Was mache ich mit der Kohle? Soll ich trotzdem mit der Jobsuche anfangen? Ich brauche doch eine Beschäftigung. Vielleicht lege ich das eine Weile auf Eis? Gehe auf Reisen? Genieße das Leben? Verhält man sich so, wenn man reich ist? Ich will es auf jeden Fall anders machen als Herr Vogel! Ich will etwas von dem Geld haben solange ich lebe!

Ich mache erstmal noch nichts. Noch ist das Geld nicht da. Ich verhalte mich so wie immer, bis es eintrifft. Dann erst kann ich es richtig glauben, denke ich. Aber ich will mich auf den Moment vorbereiten. Ich nehme mir ein Blatt Papier und schreibe die Zahl auf. So viele Nullen. Wahnsinn. Ich fühle mich erschlagen und euphorisch zugleich. Das muss der Sekt sein.

Auch wenn das Geld noch nicht eingegangen ist, so will ich doch anfangen zu überlegen, wohin die Reise gehen soll. Denn dass ich verreisen werde, steht für mich inzwischen fest. Ich sehe wunderschöne, weiße Strände vor meinem geistigen Auge. Also erstmal Karibik? Aber ich möchte mich auch weiter entwickeln. Die Reise soll mich etwas lehren. Ich bin viel zu gutgläubig und naiv durchs Leben gegangen. Ich muss tougher werden. Und wo wird man am besten tough? Welcher Ort macht das mit einem? Da fällt mir nur einer ein: New York City. Da war ich schon und es hat mir gefallen. Die Stadt hat eine unglaubliche Energie. Aber sie verlangt einem auch etwas ab. Wenn man dort zurecht kommen möchte, muss man aufgeweckt sein. Und das muss ich mir aneignen. Nicht zuletzt, weil ich jetzt diese ganze Kohle habe.

Ich denke, so werde ich es machen. Erst in der Karibik entspannen und dann geht es nach New York, zum Überlebenstraining. Aber was soll ich da machen? Ich brauche ja etwas zu tun. Die letzten Tage war ich zwar ziemlich faul aber normalerweise habe ich viel um die Ohren gehabt mit Studium und Job, das brauche ich auch. Soll ich noch mal studieren? Vielleicht, aber was? Ich habe mich immer für die Künste interessiert, bin da aber leider nicht sonderlich begabt. Zumindest nicht malerisch oder musikalisch. Was gibt es da denn noch? Schauspiel! In New York ist die Elitekunsthochschule Julliard ansässig. Soll ich mich da bewerben? Aber ich habe keine Erfahrung. Ich glaube nicht, dass Geld allein da reichen wird. Talent habe ich aber schon, denke ich. Während der Schulzeit war ich in der Theater AG und habe immer viel Lob bekommen. Aber nach dem Abitur habe ich das nicht weiter verfolgt – bis auf ein Casting für das ich nach Hamburg gefahren bin. Es war in einem Hotel und ich musste 50 Euro zahlen. Danach habe ich von denen nie wieder etwas gehört. Halsabschneider! Ja, ich weiß, ziemlich naiv. Aber ich war erst 20 und wusste nicht, dass man auf keinen Fall etwas bezahlen sollte.

Vielleicht muss es ja nicht Julliard sein. Ein normaler Schauspielkurs sollte es doch auch tun. Und vielleicht Kampfsport. Falls ich da mal in eine brennzliche Situation gerate. Also gut, das ist doch schon mal ein Plan. Karibik, dann New York, und dort etwas bleiben. Solange, bis ich bereit bin für die Welt. Entscheidung getroffen!

4

Ich habe fast 18 Stunden geschlafen. Reichtum ist ein gutes Ruhekissen. Auch wenn das Geld noch nicht in meinem Besitz ist. Richtig glauben werde ich es auch erst können, wenn ich den Zahlungseingang auf meinem Konto sehe. Aber das Timing hätte nicht besser sein können. Traurig nur, dass mein Vermieter sein tristes Leben dafür geben musste. Aber ich glaube, in meinen Händen ist das Geld besser aufgehoben. Ich kann es gut gebrauchen. Aber ich überlege auch, einen Teil zu spenden. Ich weiß, Gutmensch und so weiter, aber es liegt mir wirklich am Herzen. Vor kurzem noch war ich total knapp bei Kasse und ich weiß, dass es viele Menschen gibt denen es genauso geht. Ich möchte den Armen etwas Gutes tun. Nicht in fernen Ländern, sondern denen vor meiner Haustür. Leuten, denen das Leben böse mitgespielt hat. Obdachlosenunterkünfte, Suppenküchen und Tierheime werden meine Begünstigten sein.

Ich bin erst 27, das Geld wird eine Weile reichen müssen, wenn ich erstmal nicht arbeite. Deshalb werde ich nicht den Fehler machen, alles gleich auszugeben, wie es manche Lottomillionäre tun. Ich werde mir keine Yacht kaufen, nicht mal ein Haus. Mit meiner kleinen Wohnung, die jetzt mir gehört, bin ich vollauf zufrieden. Ich brauche auch kein Auto. Alles was ich möchte ist gut essen und reisen. Mich weiterentwickeln. Dafür sollte es allemal reichen. Es soll auch nicht zu offensichtlich sein, dass ich zu Geld gekommen bin. Das würde mir nicht gut tun – falsche Freunde habe ich ja schon. Vielleicht erzähle ich es meiner Familie. Erzähle, dass ich ein bisschen was geerbt habe. Wie viel es tatsächlich ist behalte ich einfach für mich. Sie würden sich sehr wundern, wenn ich ohne Einkommen durch die Welt fliege.

Ramon hat mich sechs Mal angerufen, aber keine Nachricht hinterlassen. Ich weiß nicht, ob er sich Sorgen macht oder er einfach nur notgeil ist.

Ich schicke ihm einen kurzen Text: „Hey Ramon, lass uns eine Pause einlegen, ok?“ Das klingt doch vernünftig. Das sollte mir ein wenig Luft verschaffen.

Er antwortet sofort: „Baby, ich hatte gehofft, dass wir uns diese Woche noch sehen können. Ich vermisse dich!“

Spinner. Jetzt haut er auf die Kacke, aber wenn es drauf ankommt hält er sich bedeckt. Ich antworte nicht. Habe alles gesagt, was es zu sagen gibt. Dieses Hin und Her habe ich lange genug mitgemacht. Ich habe einfach keine Kraft mehr dafür. Es ist nicht so, dass ich besondere Stärke beweise, wenn ich ihm widerstehe. Es ist einfach nur so, dass ich keine Energie mehr für seine Spielchen habe. Ich bin ausgelaugt.

Seine Nachrichten und Nummer zu löschen bringe ich noch nicht fertig, aber ich werde sie mir nicht ansehen. Und da ich nicht trinke, besteht auch nicht die Gefahr, dass ich etwas Dummes mache.

Nicolette hat sich nicht gemeldet, was mich nicht weiter wundert. Sie ist sich selbst die Näheste. Sie denkt sicherlich, dass ich Probleme habe oder es mir aus irgendeinem Grund nicht gut geht. Sie weiß ja immerhin von der verpatzten Prüfung, auch wenn sie dazu nicht viel gesagt hat. Und da hält sie sich lieber fern. Die Probleme anderer Leute kann sie sich nun wirklich nicht aufschultern.

Ich schiebe mir eine Pizza in den Ofen und entspanne mich. Ich kann mich jetzt entspannen wann ich will, denke ich mir. Wenn das kein Luxus ist.

Nach dem Essen gehe ich in die Badewanne. Es ist kalt draußen, Mitte Januar. Ich mache mir ein paar Duftkerzen an und die Augen zu. Ich genieße das richtig, mehr noch als früher. Man kann sich so leicht etwas Gutes tun. Da fällt mir ein, wofür ich einen Teil meines Geldes ausgeben werde – Massagen! Das habe ich mir viel zu selten gegönnt, obwohl es mir so wahnsinnig gefällt. Dann sind es schon vier Sachen: Spenden, Reisen, Essen, Massagen. Ganz bescheidene Wünsche eigentlich, oder? So war ich schon immer und das wird sich hoffentlich auch nicht ändern.

Ein wenig Angst habe ich schon davor, dass das Geld mich verändert. Was, wenn ich arrogant und ignorant werde. Und geizig? Ich will doch nur ein bisschen tougher werden und mir nicht mehr alles gefallen lassen. Was, wenn das in die Hose geht? Hat man das selbst unter Kontrolle, oder passiert das einfach mit einem? Keine Ahnung. Ich muss mir einfach immer ins Gedächtnis rufen, dass ich schlicht und ergreifend wahnsinniges Glück hatte. Mehr nicht. Ich habe mir das Geld nicht hart erarbeitet. Ich bin nicht aus reichem Hause. Ich bin ein einfaches Mädchen mit viel gutem Karma. Ich muss unbedingt auf dem Teppich bleiben!

Nach dem Bad geht es wieder ins warme Bett. Noch eine Runde schlafen, dann werde ich mal bei der Bank vorbeischauen.

5

Es ist da! Es ist tatsächlich da. Mir ist ein wenig schwindelig. Mein Guthaben beläuft sich auf 1,120.098 Euro. Hilfe! Mein Herz rast, meine Hände sind klamm. Mein Kopf fühlt sich an als würde er schweben.

Das Klingeln meines Handys holt mich in die Wirklichkeit zurück. Unbekannte Berliner Nummer. Ich gehe ran. „Ein wunderschönen Guten Tag, Frau Pasch. Mein Name ist Schulze, ich bin Mitarbeiter Ihrer Bank. Uns ist ein ungewöhnlich hoher Zahlungseingang auf Ihrem Konto aufgefallen. Ich möchte gerne einen Termin mit Ihnen machen, um über Anlagemöglichkeiten zu sprechen. Wenn Sie Interesse haben.“

Ich schlucke hörbar. „Oh, ja. Aber danke, das ist nicht nötig.“

„Wie Sie wünschen, Frau Pasch. Sollten Sie Ihre Meinung ändern, wir sind jeder Zeit für Sie da.“

Wow. Meine Bank weiß Bescheid. Meine Bank weiß, dass ich reich bin. Mist. Ich wollte das doch für mich behalten. Hier kann das Geld nicht bleiben. Die werden bestimmt noch mal nerven. Und ich habe auch kein gutes Gefühl dabei, dass so ein hoher Betrag flüssig auf meinem Konto ist. Was, wenn ich überfallen werde? In der Bank. Hier und jetzt und derjenige Einblick in mein Konto verlangt. Ich werde ein wenig paranoid. Ok, es muss schnell ein Plan her.

Hier ist er: Ich werde 900.000 auf mein Sparkonto überweisen und es erstmal nicht anrühren. 120.000 möchte ich spenden. Dann habe ich 100.000 flüssig, das sollte reichen.

Du meine Güte, 100.000! Das ist nur ein Bruchteil von dem was ich besitze, aber es ist so ein verdammt hoher Betrag. Keine Ahnung, wann das endlich mal sackt. Aber ja, ich bin Millionärin. Das ist jetzt eine Tatsache und meine neue Realität. Ich hebe 300 Euro ab. Heute Abend werde ich mich schick zum Essen ausführen und ein ansehnliches Trinkgeld hinterlassen. Freunde muss geteilt werden.

„Wünschen Sie noch etwas?“, fragt mich der Kellner im Steakrestaurant, nachdem ich 300g Fleisch mit Ofenkartoffel verdrückt habe.

„Ja, gerne ein Dessert“, sage ich, obwohl ich schon sehr satt bin. Creme Brulée soll es sein, mein Lieblingsnachtisch, den sie hier ganz wunderbar drauf haben.

Ich zahle 55 Euro, 45 sind Trinkgeld. Die Überraschung und Freude in den Augen meines Kellners ist unbezahlbar. „Ich wünsche Ihnen noch einen wunderbaren Abend. Und hoffe, Sie bald wieder bei uns begrüßen zu dürfen!“ Er lächelt breit.

„Ganz bestimmt“, antworte ich. Ich kann es mir jetzt leisten.

Draußen steige ich in ein Taxi. Heute ist ein besonderer Tag, heute wird nicht U-Bahn gefahren.

So schön es auch ist, Geld zu haben, merke ich doch, dass es mich schon jetzt einsam macht. Ich würde gerne jemandem davon erzählen, wünschte, ich hätte einen Partner oder eine gute Freundin. Aber Fehlanzeige. Ich würde gerne mit anderen einen solchen Abend verleben, ohne irgendetwas erklären zu müssen. Vielleicht ist es an der Zeit, die Stadt zu verlassen und irgendwo neu anzufangen. Unter Leuten zu sein, denen ich nichts erklären muss, die mich als wohlhabend kennen lernen und keine Fragen stellen.

Zu Hause schmeiße ich meinen Computer an. Ich will weg. Raus hier. An die Luft, in die Freiheit. In die Sonne. Barbados soll es sein, habe ich beim Essen entschieden – mein erstes Reiseziel als Millionärin. Ich möchte so bald wie möglich starten. Finde noch einen freien Platz für die Maschine morgen Abend.

Lange überlege ich, ob ich vielleicht erster Klasse fliegen soll. Es ist ein langer Flug. Ich wollte schon immer mal sehen, wie es in diesem Bereich des Flugzeugs zugeht und das Essen wäre besser. Für knapp 3000 Euro wäre das zu haben.

Ich lasse mich nicht lumpen und buche es. Ich sollte es mir einfach nur gut gehen lassen. Und das ist nur ein winzig kleiner Teil vom Kuchen.

Also gut, morgen geht es in die Ferne, aber vorher muss ich noch etwas erledigen.

„Hallo Ma, ich bin’s!“

„Mein Kind, das freut mich aber, dass du anrufst. Was hast du denn die letzten Tage getrieben? Bist du untergetaucht?“

„So ähnlich. Ich hab meine Prüfung vermasselt.“

„Ach nein, das tut mir leid. War es sehr schlimm?“

„Ja, ziemlich. Aber das ist nicht der Grund für meinen Anruf. Ich habe auch gute Neuigkeiten! Mein Vermieter ist verstorben…“ Bevor ich weiterreden kann, muss ich schlucken und eine Pause einlegen.

„Was denn, der alte Griesgram? Aber sei nicht so böse, das sind doch nur eingeschränkt gute Nachrichten.“

„Ich war ja noch nicht fertig. Anscheinend hat er mich gemocht. Er hat mir nämlich etwas vererbt.“

Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann fängt sie sich. „Ach was. Das ist ja ein Ding. Wie viel denn?“

„Das möchte ich lieber für mich behalten. Aber es ist genug, um mir erstmal über die Jobsuche keine Gedanken zu machen. Ich werde morgen verreisen.“

„Oh wie schön. Und wohin geht es?“

„Auf die Bahamas und dann nach New York. Da möchte ich die vollen drei Monate des Visums bleiben und einen Schauspielkurs machen.“

„Schauspiel? Das ist eine brotlose Kunst, mein Kind, das weißt du doch. Ich dachte, das Thema hättest du abgehakt.“

„Da liegst du falsch. Und wie gesagt, um Geld brauche ich mir erstmal keine Sorgen machen.“

„Du machst mich neugierig, Jule. War es so ein großer Batzen?“

„Wie gesagt, das bleibt mein Geheimnis. Bist du eigentlich finanziell gut gesichert?“

„Ja, Kind. Das Erbe von deinem Großvater hat mir sehr geholfen. Davon ist immer noch einiges übrig. Um mich brauchst du dir keine Sorgen machen!“

„Dann ist gut.“