Rauchstopp - Sina Graßhof - E-Book

Rauchstopp E-Book

Sina Graßhof

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Beschreibung

Anna hat Probleme, die unlösbar erscheinen: Sie ist Single, leidet unter Panikattacken und ist Raucherin. Kann sie es schaffen, ihr Leben in den Griff zu bekommen? Diese Frage stellt sie sich täglich aufs Neue. Ein neuer Therapeut weckt Hoffnung. Doch auf ihrem steinigen Weg kann er sie nur am Rande begleiten - gehen muss sie ihn selbst, auch wenn er wie ein Hürdenlauf erscheint. "Ein schonungslos ehrliches, tiefgreifendes Buch!" Mark Hesse

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Inhaltsverzeichnis

Erster Teil

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Zweiter Teil

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Erster Teil

1

Morgen beginnt eine neue Zeitrechnung. Ab morgen bin ich eine Andere. Wie neu geboren. Ein frischer neuer Mensch, ohne Makel und Fehler. Und vor allem ohne Süchte. Ich habe soeben meine letzte Zigarette geraucht – denn darum geht es hier. Nicht um harte Drogen, denen konnte ich nie viel abgewinnen, obwohl ich ein paar probiert habe. Es geht um die Volkssucht Nummer eins – oder Nummer zwei, je nachdem wie es mit dem Alkohol gerade steht. Und sie ist ein riesen Problem für mich geworden.

Meine erste Zigarette genehmigte ich mir mit 12. Die coolen Jungs im Park, wo meine beste Freundin und ich immer abhingen, gaben sie uns. Und wir wollten, wie so viele, nicht einen auf priesterlich machen und Nein sagen. Wir wollten so cool sein wie sie und von ihnen gemocht werden. Wollten dazugehören, auch wenn wir nicht wussten, welchen Preis wir dafür zahlten. Also probierten wir es aus. Ich kann ehrlich nicht mehr sagen wie sie mir geschmeckt hat. Das ist zu lange her und seit dem habe ich zu viele geraucht. Aber sie war definitiv der Einstieg für uns. Bald schon rauchten wir beide, meine beste Freundin und ich, auch alleine. Wir teilten uns von unserem Taschengeld pro Monat circa zwei Päckchen. Bis unsere Freundschaft zwei Jahre später wegen eines Jungen endete.

Unsere Eltern wussten davon nichts. Sie bemerkten nur die enormen Parfümwolken in die wir uns hüllten, um nicht ertappt zu werden. Ich erinnere mich an einen Moment mit meiner Mutter, die meinte, wir riechen als wären wir geradewegs aus dem Puff gekommen. Uns war alles recht, solange wir nicht erwischt wurden.

Zwischen 15 und 18 rauchte ich nur gelegentlich mal eine. Das war ok und hat gereicht. Aber mit dem Auszug von zu Hause, weit weg von meiner militant nicht rauchenden Mutter, ging es wieder los. Und dieses Mal heftiger. Ich rauchte wann immer ich wollte und das war oft. Eine Schachtel am Tag war drin, an schlechten Tagen mehr. Aber es hat mich nicht gekümmert. Ich war jung, weit weg von Falten oder Krankheiten, all den Prophezeiungen der Gesundheitsbehörden, die einem das Rauchen vermiesen sollten. Damals, Ende der Neunziger, war deren Programm auch noch nicht so umfangreicht. Da stand auf den Packungen nicht, dass Rauchen tötet. Geschweige denn all der anderen Dinge die sie uns heutzutage um die Ohren hauen. Zu recht. Das will ich gar nicht klein reden. Nur mit 18 macht man sich darüber keinen Kopf. Und es trifft ja eh immer die anderen, nicht einen selbst. Nicht wahr?

Ich rauchte weiter bis 25. Dann kam plötzlich und unverhofft ein Tag an dem ich das Rauchen nicht mehr mochte. Es war mir über, zuwider. Ich wollte das nicht mehr. Alles stank, man hatte nie wirklich frische Luft in der Lunge und es war schweineteuer. Von einem Tag auf den anderen gelang mir das Unmögliche. Ich pfefferte meine letzten Kippen in den Müll und ward, von jetzt auf gleich, Nichtraucher. So einfach. Es fiel mir nicht mal schwer und ich vermisste es auch nicht. Komischerweise. Das ging sieben Jahre gut. Dann, durch einen ganz blöden Zufall – ich hatte Liebeskummer und mir gerade einen Film reingezogen in dem alle rauchten – griff ich wieder zu. Ging zum Kiosk und kaufte mir meine erste Packung seit Jahren um nur eine zu rauchen. Natürlich. Natürlich blieb es nicht dabei. Das Laster hatte mich schnell wieder in seinen Fängen. Zuerst habe ich nicht viel geraucht, doch es wurde mehr und mehr. Bis ich wieder süchtig war und nicht mehr ohne konnte. Nach sieben Jahren Abstinenz und einer beidseitigen Lungenentzündung mit 27, die mich eigentlich eines besseren belehrt haben sollte. Es ist wirklich kein Spaß lungenkrank zu sein. Das verdrängt man aber leider als Raucher. So dumm es sich anhört. Man denkt nicht an die Konsequenzen. Und wenn solch ein Gedanke mal aufkommt, vertreibt man ihn schnell wieder. Aber das wissen Sie sicher selbst. Man redet sich schön was nicht schön ist. Genau wie in der Kneipe, wenn das Gegenüber nach ein paar Bier plötzlich doch hübsch ist.

Aber das soll nun ein Ende haben. Meine Raucherkarriere ist vorbei. Ich hoffe es. Denn dies ist nicht mein erster Versuch. In den letzten Monaten gab es immer mal wieder Tage an denen ich meinen Tabak (ich drehe seit 3 Jahren, aus Kostengründen) wegwarf und mir sagte, ich brauche das nicht. Doch beim kleinsten Anzeichen von Stress oder Kummer griff ich wieder zu. Ich hielt nie länger als ein paar Tage durch. Manchmal nur Stunden. Und dann merkte ich, wie schlimm es steht. Die erste Zigarette, nach einer Weile Verzicht, schmeckt scheußlich. Es wird einem schwindelig und der Kopf wird schwer. Aber das macht nichts, denn die Sucht sieht das anders. Sie will genau das, genau so wie es ist. Und man gibt sich geschlagen.

Ein guter Freund schenkte mir vor zwei Jahren das Buch „Endlich Nichtraucher“ von Allen Carr. Das las ich zweimal durch und ich verstand einiges über das Rauchen. Ein wirklich interessantes Buch. Aber es hat mir nicht geholfen. Denn egal wie viel ich nun über das Rauchen wusste, es machte die ersten Tage des Entzugs nicht leichter. Die Depressionen in die ich verfiel blieben die selben. Auch wenn ich wusste, dass das Rauchen ein Trugschluss ist, einem nichts bringt außer Probleme – ich habe es einfach nicht über die ersten sehr anstrengenden Tage hinaus geschafft. Ich habe mich komisch gefühlt. Die ganze Welt hat sich komisch angefühlt. Und ich wusste, mit nur einer Zigarette wäre das alles wieder zu kitten. Also rauchte ich. Doch dann begann ich Panikattacken zu bekommen, sobald ich mir eine anzündete. Weil der Wunsch aufzuhören so stark war, meine Stärke sich aber versteckt hielt.

Es ist so verdammt schwer aufzuhören. Und mir fehlt der Rückhalt. Das ist wirklich der Knackpunkt. Ich habe momentan nicht viel im Leben was mir Freude macht oder Rückhalt gibt. Ich bin seit einem Jahr arbeitslos, habe keinen Partner und nur Freunde, deren Leben dem meinen nicht unterschiedlicher sein könnte. Rauchen gibt mir Halt. So blöd das auch klingt. Rauchen und Essen. Zweiteres versuche ich zu reduzieren, da ich zugenommen habe. Das ist mir mindestens genau so wichtig wie der Rauchentzug. Und ich habe das Gefühl, wenn ich mich bei beiden Sachen zurücknehme, habe ich nichts mehr worauf ich mich im Leben freuen kann. Und keinen Halt mehr.

Dennoch, die Panikattacken, die ich seit Tagen bei fast jeder der schon reduzierten Zigaretten bekomme, sind mir über. Also muss ich es versuchen. Ernsthaft. Diesmal ohne Joker.

2

Es ist zwei Uhr nachmittags und ich habe es gerade mal vor einer halben Stunde geschafft, mich in die Aufrechte zu bringen. Ich habe vom Rauchen geträumt, wie ich mir an einem weißen Sandstrand gemütlich eine drehe und sie dann genüsslich rauche. Der Traum schlechthin. Genuss ist dabei allerdings so eine Sache. Ein Genuss ist es ja nicht wirklich, oder? Das redet man sich ein, um es zu rechtfertigen. Vielleicht ist der erste Zug sowas wie Genuss, weil er einen für kurze Zeit von den Entzugserscheinungen befreit. Aber darüber hinaus hat das alles wenig mit Genuss zu tun – nicht zu vergleichen mit gutem Essen zum Beispiel. Dennoch, der Traum steckt in meinem Kopf fest. Ich will eine rauchen, jetzt sofort. Anders komme ich heute nicht in die Gänge. Das Gute ist – muss ich auch nicht wirklich. Ich habe mir für heute und die nächsten Tage extra nichts vorgenommen, damit ich das hier in Ruhe und für mich machen kann. Wenn ich ausschlafen will, kann ich das. Wenn ich schlechte Laune habe, ist das ok. Wenn ich depressiv werde, muss ich damit niemanden belasten. Ich denke, es ist das Beste so. Vielleicht wäre Ablenkung auch nicht verkehrt. Aber für die ersten Tage ist definitiv Ruhe das Richtige. Das ganze Gift muss aus meinem Körper und die Gedanken daran aus meinem Kopf gespült werden. Dafür kann man sich ruhig ein paar Tage frei nehmen.

Es ist ein schöner Tag draußen. Die Sonne scheint, Vögel zwitschern, es ist warm; aber ich traue mich nicht raus. Wenn ich auch nur eine Person rauchen sehe, gebe ich nach, das weiß ich jetzt schon. Ich bin noch zu schwach. Ich habe mich gestern mit allem Nötigen für die nächsten Tage eingedeckt und muss nicht raus. Auch wenn es schade ist und mir sicher gut tun würde. Aber ich traue mir nicht, beziehungsweise diesem Suchtmonster das in meinem Kopf wohnt. Und das dafür sorgt, dass ich circa alle zehn Minuten denke: „Ich will eine rauchen.“ Scheiße auch. Will ich wirklich. Denn ich fühl mich gerade ziemlich am Boden. Depressiv. Und immer wenn ich mich so fühle, kommen Gedanken an vergangene Lieben hoch. Das Schlimmste überhaupt. Und nein, nicht die schönen Erinnerungen, sondern das bittere Ende. Das war in der Vergangenheit immer der Punkt, an dem ich nachgegeben habe. Die Erinnerung an Khalil und mich.

Zuerst war da gar nichts. Er war mein neuer Kollege in dem Café in dem ich als Barista tätig war und sollte in der Küche eingearbeitet werden. Das habe ich übernommen. Wir haben uns gut verstanden – auf Englisch, sein Deutsch war noch nicht so gut. Aber das war es auch schon. Ich war kurz davor nach Australien auszuwandern – mein Leben hier hat mich nicht mehr interessiert. Er war gerade erst aus Syrien gekommen und hatte wohl auch anderes im Kopf. Doch dann, Monate später, einen Tag nach Weihnachten, hat es bei mir klick gemacht. Mir waren schon vorher seine Blicke und Komplimente aufgefallen. Und an besagtem Tag hat es auch mich erwischt. Er sah ein bisschen aus wie David Duchovny, ziemlich mein Typ, mit längeren dunklen Haaren, gut gebaut und über 1,80 groß. Also habe ich ihn zu einem sozusagen Willkommen-im-Land-Abend bei mir zu Hause eingeladen. Der lief sehr gut, obwohl nichts passiert ist. Für mich wusste ich jedoch, dass er es war den ich wollte. Und ich war mir so sicher, dass wir zusammen kommen würden, dass ich meinen Visumsantrag für Australien am nächsten Tag gecancelt habe.

Wir haben uns ab dann öfter auch privat gesehen und super verstanden. Aber dass er mich nie geküsst hat, hat mich gewurmt. Und ich habe es schlichtweg nicht verstanden. Unsere Chemie war unschlagbar, es gab Gelegenheiten und ich wollte es so sehr, dass musste er doch irgendwie merken. Aber nichts. Also nahm ich all meinen Mut zusammen und gestand ihm, nach einem gemeinsam verbrachten Abend, dass ich mich in ihn verliebt habe. Er erwiderte das, indem er mir seine Liebe gestand. Ich war auf Wolke sieben. Er meinte dazu noch, dass er bald etwas klarstellen muss, was für mich ok war, auch wenn ich nicht wusste, was er damit meinte und es schnell vergaß. Die nächsten Tage schwebte ich, allerdings allein, denn er hatte viel um die Ohren, so dass wir uns nur auf der Arbeit sahen – und da waren wir ganz professionell. Als wir uns endlich trafen dauerte es nicht lange und er sagte mir endlich was los ist. Er versicherte mir, dass er mich liebe, aber er habe seinen Eltern versprochen eine andere zu heiraten.

Bäm! Schockstarre. Diese Frau sei für ihn ok, er tue es seiner Mutter zuliebe, für die damit ein Traum in Erfüllung geht. Es tue ihm furchtbar leid, aber er hätte es versprochen, bevor er wusste was ich für ihn empfinde und könne aus der Nummer jetzt nicht mehr raus. Dann umarmte er mich und sagte mir wie leid es ihm tue. Ich stand völlig neben mir. Das alles war zu viel für mich und kam so unerwartet, dass das was er sagte kaum bei mir ankam. Ich wollte gehen, aber er ließ mich noch nicht. Er wollte essen gehen, wie wir es geplant hatten, aber mein Appetit war dahin. Also gingen wir etwas trinken. Wir tanken, rauchten und redeten stundenlang. Mein Cocktail tat mir gut und ich konnte mich einigermaßen wieder fangen. Ich sagte ihm er würde so nicht glücklich werden. Er sagte, er hätte keine Wahl. Würde er es nicht tun, würde seine Familie ihn verstoßen. Das konnte ich verstehen, auch wenn es so unfassbar klang. Irgendwann wurde ich müde und hatte genug, ging nach Hause und brach da so richtig zusammen. Die ganze Geschichte war so unglaublich für mich, einfach zu heftig um sie zu begreifen.

Ich finde immer noch, dass aus uns etwas Tolles hätte werden können. Und selbst jetzt, mehr als ein Jahr später, tut es noch weh. Ich war erst ein Mal so verliebt wie in ihn. Das passiert mir nicht so oft. Und es ist unfassbar schade, dass es so enden musste. Einfach nur heftig, was in manchen Kulturen praktiziert wird. Man sollte doch mit einem Menschen zusammen sein, den man liebt, nicht mit jemandem, den man erst lieben lernen muss. So sehen ich und die moderne Welt das. Aber das gilt nicht überall.

Warum musste das ausgerechnet mir passieren? Ich werde beim Thema Liebe echt nicht vom Glück gesegnet. Scheiße. Jetzt will ich wirklich, wirklich eine rauchen. Aber nein!, denk an das aus dem Fenster geschmissene Geld, an deine Gesundheit. Daran, dass das Rauchen dir absolut nichts bringt, außer vielleicht ein paar Minuten Erlösung, für die du einen teuren Preis bezahlst!

Zur Hölle damit, ich brauche jetzt eine oder ich drehe hier gleich durch.

Verdammt, ich habe tatsächlich eine Packung gekauft – diesmal keinen Tabak, weil der zu lange reicht. Ich wollte eigentlich wirklich nur eine. Jetzt sitze ich wieder auf einer Packung. Aber die Kippe hat gut getan. Für den Moment. Ich bin noch zu nah dran am Rauchen, die Hemmschwelle ist noch nicht so hoch. Ich habe noch nicht lange genug nicht geraucht. Das ist das Problem. Trotzdem habe ich wieder Panik, dass ich das nie schaffen werde. Was, wenn ich jeden Tag an die Sache mit Khalil denken muss? Das würde ich nicht aushalten. Wenn ich rauche, denke ich gar nicht mehr an ihn, eher an die Zukunft. Das ist wirklich zum schreien. Ich möchte weinen, aber auch nicht. Ich möchte davor weglaufen, aber habe nicht die Kraft. Das ist mir in letzter Zeit öfter passiert – dass ich ein paar Stunden ohne ausgehalten habe und dann doch wieder Tabak gekauft habe, nur um ihn dann nach ein paar Kippen in den Müll zu schmeißen. Später habe ich ihn, und das ist wirklich ekelhaft – wieder aus dem Müll gerettet und weiter geraucht. So ging das ein paar Mal. Das muss wirklich endlich aufhören. Ob ich die Packung auch in den Müll schmeiße, weiß ich noch nicht. Ich will das wirklich schaffen, aber irgendwas hält mich noch davon ab sie zu entsorgen. Vielleicht brauche ich sie noch.

Ich habe meinen Tabak auch schon mal im Keller gelagert, damit er nicht mehr so schnell erreichbar ist. Das ging ein paar Tage gut, mit einem Abstecher hier und da, und dann habe ich wieder normal weiter geraucht. Nicht gut. Ich kann einfach keine Zigaretten im Haus haben und nur ab und an eine rauchen, wenn ich es gerade brauche. Das schaffe ich nicht und das weiß ich. Entweder ganz oder gar nicht, so läuft das bei mir. Alles andere brauche ich mir gar nicht versuchen einzureden.

3

Khalil und ich haben keinen Kontakt mehr, weil das für mich zu hart wäre – obwohl wir über die Monate auch richtig gute Freunde geworden sind. Den Job habe ich seinetwegen damals gewechselt. Das war das Beste so. Ich hatte einen anderen in Aussicht, der sich aber zerschlagen hat, weil die Kollegin die ich ersetzen sollte ihre Kündigung zurückgenommen hat. Gut für sie, Pech für mich. Seit dem bin ich arbeitslos. Schon etwas über ein Jahr. Das macht mir auch zu schaffen. Ich will so gerne wieder etwas leisten, irgendwo dazugehören. Geld verdienen. Aber bisher hat noch nichts geklappt. Ich habe studiert, keine Ausbildung gemacht – das ist oft das Problem. Mir fehlt für viele Bereiche die Praxis. Mit meinem Literaturstudium komme ich da nicht weit. Klar kann ich Sprachen gut, das ist im Büro gefragt, aber alles andere habe ich noch nicht drauf und mir gibt keiner eine Chance. Also habe ich mehr Zeit zu Hause rumzusitzen und zu rauchen – aus Frust und Langeweile.

Klar habe ich Freunde, aber die haben ihr eigenes Leben, Kinder und all das. Mit privaten Terminen kann ich meinen Kalender daher auch nicht wirklich füllen. Das ist alles so frustrierend, ich will schon wieder eine rauchen. Wie soll ich das jemals schaffen, unter diesen Lebensumständen? Ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß nur, dass ich es über alles will. Vielleicht reicht das irgendwann. Vielleicht ist jetzt aber auch einfach nicht die Zeit um aufzuhören. Aber wann dann? Wenn ich wieder arbeite kann ich mir erstmal keine solche Auszeit mehr nehmen. Übers Wochenende ist das sicherlich nicht zu schaffen. Also jetzt. Es muss sein. Ich bin schon 37. Wenn ich noch Kinder bekommen möchte, bekomme ich sie sehr spät. Das heißt, ich muss noch lange fit sein, wenn ich sie und vielleicht auch noch ihre Kinder aufwachsen sehen möchte. Rauchen spielt da negativ rein. Das kann ich mir einfach nicht leisten.

Ich habe gerade, mit richtig schlechtem Gewissen, die zweite geraucht. Die Packung ist jetzt hier und ich weiß nicht, was ich damit machen soll. Sie wegzuschmeißen bringe ich irgendwie nicht übers Herz. Auch wenn das das Vernünftigste wäre. Vielleicht rauche ich sie einfach noch auf und mache dann einen neuen Versuch.

Weitere zwei Zigaretten später sitze ich wieder hier. Es ist mittlerweile Abend. Ich denke, dass was heute passiert ist könnte man einen Rückfall nennen – obwohl ich ja noch nicht sehr weit gekommen war mit meinem Aufhören. Zumindest sind die Zigaretten die ich jetzt rauche nicht so stark wie die Selbstgedrehten. Das ist schon mal was, also kein so tiefer Fall. Davon werde ich leichter wieder loskommen. Mein Plan ist jetzt, heute Abend noch zu rauchen und alles was übrig ist morgen früh in den Keller zu verbannen. Morgen möchte ich auf keinen Fall so weiter machen. Und wegwerfen ist auch keine richtige Option. Warum, kann ich gar nicht genau begründen – ich habe es ja schon öfter gemacht. Aber ich bringe es einfach nicht über mich. Vielleicht bedeutete das, dass ich gerade nicht so weit bin. Oder ich habe einfach aus meinen Fehlern gelernt – jedes Mal neue zu kaufen und dann den Großteil wegzuwerfen ist einfach blöd. Dann lieber, für ganz schlimme Notfälle, was im Haus haben. Obwohl ich wirklich nicht vorhabe davon Gebrauch zu machen.

Ich muss allerdings sagen, ich fühle mich deutlich besser als heute früh. Da ging es mir als wäre ich frisch von einem Bus überrollt, vor allem mental. Jetzt habe ich wieder Freude in mir. Das Dopamin wird wieder ausgeschüttet – meinem Kopf geht es also gut, aber mein Körper leidet. Entweder oder heißt es wohl die nächsten Wochen. Aber ich denke ich kann das schaffen. Ich will es so sehr – mehr als alles andere.

Ich fand schon immer, dass Frauen die rauchen nicht besonders attraktiv sind. Bei Männern geht das eher durch, aber Frauen steht das nicht. Meine persönliche Meinung. Dass ich dann ausgerechnet eine von ihnen geworden bin, ist schon ein wenig ironisch. Obwohl, bei ganz wenigen Frauen sieht es auch cool aus. Vielleicht bin ich eine von denen, ich weiß es nicht. Aber das sollte mir bald egal sein.

Es ist mitten in der Nacht, ich kann nicht schlafen. Insgesamt habe ich heute sieben Zigaretten geraucht. Das ist weniger als sonst, aber mehr als ich vorhatte. Zudem habe ich noch einen halben Liter Eis gegessen. Deshalb bin ich mittelschwer enttäuscht von mir. Ich will mein Leben endlich in den Griff kriegen. Aber es scheint, als würde ein Laster weitere mit sich bringen. So ist es wohl. Zumindest bei mir. Das ärgert mich. Ich würde das gerne einfach alles abschütteln, aber so einfach ist das leider nicht. Morgen werde ich wieder versuchen mich auf mich selbst stolz zu machen. Ich hoffe es gelingt mir.

Ein alter Bekannter von mir ist neulich verstorben – Hautkrebs. Er hat auch Jahre lang geraucht und sich am Ende dafür verflucht. Er hatte alles, was man sich im Leben wünschen kann – einen guten Job, ein nettes kleines Häuschen und einen ihn liebenden Partner. Das hat er alles jahrelang aufs Spiel gesetzt und letztendlich verloren. War es das wert? Er fand das nicht. Und ich sehe das genauso. Noch bin ich gesund. Ich hatte vor ein paar Tagen meinen Check-Up beim Arzt. Alles gut soweit. Doch wie lange noch? Wenn ich so weiter mache habe ich in ein paar Jahren womöglich Diabetes oder Krebs. Das ist es definitiv nicht wert. Das verdrängt man nur leider zu schnell, solange es einem gut geht.

Ich will das nicht weiter verdrängen. Aus dem Grund, und weil es mir eine Hilfe sein soll, habe ich in den letzten Woche alle Tabak-Verpackungen aufgehoben. All die Bilder und vernichtenden Sätze sollen mich daran erinnern was alles passieren kann. Ich habe vor, mir das in schwachen Momenten anzuschauen. Sofern ich dann daran denke.

Wenn die Sucht ihren Willen durchsetzen will ist sie ziemlich gnadenlos. Man entwickelt einen Tunnelblick. Der lässt all die Warnungen verhallen. Wenn der erstmal eingesetzt hat, hat man keine wirkliche Chance. Ich muss mich aber dazu zwingen. Ich will es diesmal schaffen. So sehr. Keine Ausflüchte mehr. Es muss etwas passieren, denn ich bin unglücklich. Mit meinem Leben und mit mir selbst.

Vieles was schief gelaufen ist hatte und habe ich nicht in der Hand. Ich kann mir nicht einfach einen Job oder einen Freund herzaubern. Aber – ich kann für mich und meinen Körper sorgen. Kann ihn zu einem gesunden Zuhause machen. Denn wie jeder weiß, bekommen wir nur diesen Einen. Und nur diese eine Chance auf ein Leben. Es kann so schnell vorbei sein. Und ich möchte es nicht vergeigen. Damals, als ich meine Lungenentzündung hatte, wäre es für mich fast vorbei gewesen. Beide Lungenflügel waren betroffen und ich hatte eine allergische Reaktion auf die Antibiotika. So heftig, dass ich in die Notaufnahme musste. Ich konnte nur im Sitzen schlafen, im Liegen wäre ich erstickt. Mein Körper hatte damals schwer zu kämpfen, aber er hat es geschafft. Glücklicherweise. Dafür war ich lange dankbar und hätte mir nie vorstellen können wieder mit dem Rauchen anzufangen. Ich erinnere mich noch, wie schwer selbst der Gang zur Toilette war und wie fertig ich hinterher war. Jetzt ist alles wieder gut, aber ich riskiere an jedem Tag den ich rauche, dass mir sowas wieder passiert. Lungenkrebs. Nicht auszudenken wie furchtbar das sein muss. Aber ich habe einen Vorgeschmack bekommen und der sollte mir wirklich eine Lehre sein. Ist es auch, denn ich bin kein dummer Mensch. Da sieht man mal, was für eine Macht diese Sucht hat. Bringt intelligente Menschen um den Verstand und dazu, sich selbst langsam aber sicher zu ersticken und dafür noch teuer zu bezahlen. Dabei bringt einem das Rauchen nichts. Man ist ständig auf der Suche nach dem Kick, der vielleicht ein paar Minuten anhält, dann ist man bis zur nächsten Zigarette einfach nur auf Entzug. Man wird nervös, ängstlich, unausgeglichen – bis man sich dann wieder eine anzündet und sich für ein paar Minuten besser fühlt. So fühlt, wie sich Nichtraucher die ganze Zeit fühlen. Das Rauchen raubt Einem mehr als es Einem gibt. Wenn man das einmal verstanden hat, sollte es eigentlich nicht so schwer sein, damit aufzuhören. Aber weit gefehlt. Man will immer das was man nicht mehr haben darf. Auf Entzug ist die Vorstellung eine zu rauchen weitaus attraktiver als das Rauchen an sich es ist. Wenn man sich dann eine ansteckt ist es fast schon enttäuschend. Aber man macht es, weil nach spätestens ein paar Stunden diese Phantasievorstellung wieder einsetzt. Man malt sich das Erlebnis viel schöner aus als es eigentlich ist. Aber dieser Teufelskreis ist magisch. Er ruft sich selbst immer wieder ins Leben. Man kann wenig dagegen machen. Die Zigarette wird zum Ideal, dabei ist sie weit davon entfernt eins zu sein.

Ich weiß das alles, es ist mir ganz bewusst, trotzdem möchte ich jetzt wieder eine rauchen. Eigentlich auch nicht. Aber irgendwie schon. Und die Tatsache, dass nur ein paar Meter entfernt welche liegen macht mich schon wieder nervös. Ich will nicht und doch will ich. Wird Zeit, dass ich die übrigen in den Keller bringe. Mal sehen ob das gut geht. Sonst werde ich sie doch in den Müll tun. Ich habe keine Lust mehr mich versklaven zu lassen. Die Zeiten in denen ich gerne geraucht habe sind definitiv vorbei. Dazu weiß ich inzwischen zu viel.

Ok, eine zünde ich mir noch an. Dann lege ich mich hin und ab morgen wird hoffentlich alles gut.