Ehevertrag - Georgette Heyer - E-Book

Ehevertrag E-Book

Georgette Heyer

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Beschreibung

England, 1814: Der frisch gebackene Viscount Lynton ist schon lange in die wunderschöne Julia Oversley verliebt. Doch als er vom napoleonischen Krieg aus Spanien zurückkehrt, stellt er fest, dass seine Familie am Rand des finanziellen Ruins steht. Um den Familienbesitz zu retten, erklärt der junge Lord sich bereit, ein großes Opfer zu erbringen. Er sagt sich von seiner großen Liebe los und geht stattdessen eine Vernunftehe mit der schlichten Kaufmannstochter Jenny ein. Doch schon bald schon muss er erkennen, dass die Liebe manchmal seltsame Wege geht ...

"Ehevertrag" (im Original: "A Civil Contract") ist ein wunderschöner Regency-Liebesroman aus der Feder der legendären Georgette Heyer. Jetzt als eBook bei beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.



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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Über dieses Buch

England, 1814: Der frisch gebackene Viscount Lynton ist schon lange in die wunderschöne Julia Oversley verliebt. Doch als er vom napoleonischen Krieg aus Spanien zurückkehrt, stellt er fest, dass seine Familie am Rand des finanziellen Ruins steht. Um den Familienbesitz zu retten, erklärt der junge Lord sich bereit, ein großes Opfer zu erbringen. Er sagt sich von seiner großen Liebe los und geht stattdessen eine Vernunftehe mit der schlichten Kaufmannstochter Jenny ein. Doch schon bald schon muss er erkennen, dass die Liebe manchmal seltsame Wege geht …

Über die Autorin

Georgette Heyer, geboren am 16. August 1902, schrieb mit siebzehn Jahren ihren ersten Roman, der zwei Jahre später veröffentlicht wurde. Seit dieser Zeit hat sie eine lange Reihe charmant unterhaltender Bücher verfasst, die weit über die Grenzen Englands hinaus Widerhall fanden. Sie starb am 5. Juli 1974 in London.

Georgette Heyer

Ehevertrag

Aus dem Englischen von Grete Friedmann

Digitale Neuausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Copyright © Georgette Heyer, 1961

Die Originalausgabe A CIVIL CONTRACT erschien 1961 bei William Heinemann.

Copyright der deutschen Erstausgabe:

© Paul Zsolnay Verlag GmbH, Hamburg/Wien, 1965.

Lektorat/Projektmanagement: Kathrin Kummer

Covergestaltung: Guter Punkt, München unter Verwendung von Motiven © Richard Jenkins Photography

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7325-8918-0

www.lesejury.de

FürPat Wallacein Liebe

Kapitel 1

Die Bibliothek der Priorei Fontley lag, gleich den meisten Haupträumen des weitläufigen Gebäudes, gegen Südosten und gab den Blick auf einen naturbelassenen Garten und eine Reihe von Pappeln frei, die als Windschutz dienten und dem Auge die Eintönigkeit des dahinter liegenden Moores verbargen. An diesem Märznachmittag gelang es der Sonne nicht, durch die Spitzbogenfenster zu dringen, und der Raum wirkte düster. Der Teppich, die Draperien und die metallbeschlagenen Lederfolianten auf den geschnitzten Bücherregalen sahen nicht minder verwittert aus als die Uniform des Mannes, der reglos am Schreibtisch saß, die Hände über einem Stoß von Papieren gefaltet hatte und auf eine Gruppe gelber Narzissen starrte, die in dem Winde nickten, der um die Ecken des Gebäudes seufzte und wie ein Schatten über den ungemähten Rasen strich.

Die Uniform zeigte die senfgelben Aufschläge und die Silbertressen des 52. Regiments. Sie war so fadenscheinig wie der Teppich, aber trotz ihrer Schäbigkeit wirkte sie in diesem friedlichen Raum genauso fehl am Platz, wie sich ihr Träger in seiner ungewohnten Umgebung fühlte.

Dazu hatte er allerdings keine Veranlassung. Die Priorei war sein Geburtshaus und sein Eigentum. Seit er erwachsen war, hatte er jedoch viele Jahre lang in Gegenden gelebt, die sich krass von den verträumten Mooren und dem Heideland Lincolnshires unterschieden, und die plötzliche Versetzung aus der großartigen Szenerie der Pyrenäen hatte sich zu unerwartet vollzogen und war von zu vielen Hiobsbotschaften begleitet gewesen, um ihm anders als ein böser Traum zu erscheinen, aus dem ihn im nächsten Augenblick ein Trompetensignal wecken musste, oder ein durchgehendes Packtier, das sich in einem Halteseil seines Zeltes verfangen hatte, oder auch nur die allgemeine Geschäftigkeit eines Feldlagers in der Morgendämmerung.

Die Briefe aus England hatten ihn am letzten Tag des Januar erreicht. Als Erstes hatte er das Schreiben seiner Mutter gelesen, das sie ihm, noch ganz unter dem Eindruck ihres Verlustes stehend, geschickt hatte, um ihm mit kaum zu entziffernden und oftmals durchgestrichenen Zeilen den Tod seines Vaters mitzuteilen. Die Nachricht löste in ihm eher Bestürzung als Kummer aus, da er den verstorbenen Vicomte nur sehr oberflächlich gekannt hatte, denn obwohl Lord Lynton jedem seiner Sprösslinge mit rauer Herzlichkeit begegnet war, hatten doch die häuslichen Tugenden nicht eben zu seinen stärksten Seiten gezählt. Als enger Freund des Prinzregenten fand er die Gesellschaft des Prinzen umso vieles anregender als jene seiner eigenen Familie, dass er nur geringe Zeit zu Hause verbrachte und keinen Gedanken an die möglichen Vorlieben und Eigenschaften seines einzigen überlebenden Sohnes und seiner beiden Töchter verschwendet hatte.

Der Tod hatte ihn auf der Jagd ereilt. Gleich beim Aufbruch überschlug sich sein Pferd, als es einen Graben nehmen sollte. Für einen unerschrockenen und oftmals tollkühnen Reiter war das wohl kein überraschendes Ende. Bedeutend mehr überraschte es seinen Sohn, dass Lord Lynton entgegen dem Rat und den Vorstellungen seiner Freunde ein bockiges junges Pferd ohne Jagderfahrung geritten hatte. Lord Lynton war ein leichtsinniger Reiter, aber er war kein Narr. Sein Stammhalter, der mit dem lärmenden Beginn eines jeden Jagdausfluges wohl vertraut war, schloss, dass sein Vater gewettet hatte, diesen jungen Hengst meistern zu können, und er folgte dem mütterlichen Befehl, seine Offizierslaufbahn augenblicklich an den Nagel zu hängen und nach England zurückzukehren, wo seine Anwesenheit dringend erforderlich war.

Der neue Lord Lynton (aber es sollte viele Wochen dauern, ehe er auf eine andere Anrede als Hauptmann Deveril reagierte) vermochte dem Brief seiner Mutter keinerlei Hinweis zu entnehmen, warum er einen Kurs einschlagen sollte, der ihm so aus tiefstem Herzen zuwider war. Der Brief von Lord Lyntons Anwalt war weniger bombastisch, dafür aber deutlicher gewesen.

Er hatte ihn zweimal gelesen, ehe er imstande war, das Ausmaß seines Unglücks zu begreifen, und er las ihn noch oft durch, bevor er ihn seinem Oberst vorlegte.

Niemand hätte ihm mit größerem Verständnis begegnen können, und es wäre Adam Deveril auch unmöglich gewesen, jemand anderem diesen Brief zu zeigen. Oberst Colborne hatte ihn gelesen, ohne die Miene zu verziehen, und hatte ihm nicht sein Mitgefühl aufgedrängt. »Sie müssen fahren«, hatte er gesagt. »Ich gewähre Ihnen zur Regelung Ihrer Familienangelegenheiten sofort Urlaub, aber Sie werden natürlich die Offizierslaufbahn aufgeben.« Dann, als ahnte er die Gedanken, die sich hinter Adams strammer Haltung verbargen, fügte er hinzu: »Vor einem Jahr noch wäre es schwierig gewesen zu entscheiden, ob Sie Ihre Pflicht hier oder bei Ihrer Familie zu erfüllen haben, heute aber ist die Antwort klar. Wir werden Soult bald endgültig in die Flucht geschlagen haben. Ich will nicht behaupten, dass man Sie hier nicht vermissen wird. Sie werden uns fehlen — verdammt fehlen! —, aber Ihre Abwesenheit wird das Geschick Ihres Regimentes nicht beeinflussen. Die Antwort lautet eindeutig: Sie müssen heim nach England fahren.«

Er hatte es natürlich gewusst und weder seinem Oberst noch seinem eigenen Gewissen widersprochen. Er war mit dem ersten auslaufenden Schiff abgereist, hatte in London kurz unterbrochen und seinen Anwalt beauftragt, den Umfang seiner Verschuldung festzustellen, und seinen Schneider, ihn so rasch wie möglich mit Garderobe auszustatten, die einem Zivilisten in tiefer Trauer angemessen war, und hatte sich dann eiligst nach Lincolnshire begeben.

Seine Garderobe war noch nicht eingelangt, wohl aber hatte die Nachricht Fontley erreicht, dass sich sein Regiment bei der Schlacht von Orthes ausgezeichnet hatte. Diese Meldung hatte gleichzeitig Jubel und Sehnsucht bei ihm ausgelöst. Am Vortage war Mr. Wimmering auf Fontley erschienen. Er hatte die Nacht in der Priorei verbracht, aber die jüngere Miss Deveril glaubte kaum, dass er mehr als zwei oder drei Stunden geschlafen haben konnte, da er sich mit ihrem Bruder bis zum Morgengrauen eingeschlossen hatte. Er benahm sich den Damen gegenüber äußerst wohlerzogen, also war es recht herzlos von ihr, ihn einen Unglücksraben zu nennen. Auch dem neuen Vicomte brachte er die größte Höflichkeit und Geduld entgegen und beantwortete alle Fragen, ohne sich anmerken zu lassen, dass er den Erben Fontleys beklagenswert unkundig fand.

Adam sagte mit einem Lächeln in seinen müden grauen Augen: »Er muss mich für einen Dummkopf halten, weil ich so viele törichte Fragen stelle. Mir sind jedoch all diese Begriffe völlig neu, muss Er wissen. Um Geschäfte hatte ich mich nie gekümmert, daher verstehe ich auch nichts davon und muss mir die nötigen Kenntnisse erst allmählich aneignen.«

Mr. Wimmering wehrte sich entsetzt gegen den Verdacht, Seine Lordschaft als Dummkopf zu betrachten, aber er bedauerte es zutiefst, dass der verblichene Vicomte es nicht der Mühe wert gefunden hatte, seinen Sohn in sein Vertrauen zu ziehen. Der Verstorbene hatte es aber sogar für überflüssig erachtet, seinen Hausjuristen restlos in seine Vorhaben einzuweihen, und so waren an der Börse von Mittelsmännern, die Wimmering bedauerlicherweise nicht kannte, verschiedene Transaktionen durchgeführt worden. Er sagte bekümmert: »Ich hätte Seiner Lordschaft manche Investitionen nicht empfehlen können, die er vornahm. Aber Seine Lordschaft war mit einem unbeschwerten Naturell gesegnet — und ich muss zugeben, dass er einige gewagte Spekulationen, vor denen ich als Geschäftsmann ihn nur hätte warnen müssen, zu einem glücklichen Ende gebracht hat.« Er nahm eine Prise Schnupftabak aus seiner verbeulten Silberdose, auf die er mit einer nikotingebräunten Fingerspitze getrommelt hatte, und setzte hinzu: »Ich kannte Euren hochverehrten Herrn Vater gut, Mylord, und es ist meine lang gehegte Überzeugung, dass es seine größte Hoffnung war, das ihm zugefallene Erbe, das, wie er wusste, einmal auf Euch übergehen würde, wieder zur früheren Blüte zu bringen. Die waghalsige und — Gott sei’s geklagt! — unselige Spekulation, in die er sich kurz vor seinem unerwarteten Hinscheiden einließ —« Er brach ab und ließ seinen Blick von Adams Gesicht zur Allee der schwankenden Baumkronen jenseits des Gartens wandern. Dann fuhr er fort, als richtete er den Rest seiner Worte an sie: »Man darf niemals vergessen, dass der Verstorbene ein, wie ich bereits bemerkte, beneidenswert unbeschwertes Naturell besaß. Du lieber Himmel, ja! Wenn ich für jedes Mal, da Seine Lordschaft einen Rückschlag an der Börse erlitt, ohne sich seinen Optimismus dadurch auch nur im Geringsten dämpfen zu lassen, hundert Pfund hätte, wäre ich heute ein reicher Mann. Das darf ich wohl behaupten.«

Darauf erübrigte sich jede Antwort. Statt weitere Versicherungen abzuwarten, sagte Adam nüchtern: »Sag Er mir in ungeschminkten Worten, wie es um meine Angelegenheiten steht, Wimmering.«

Ungeschminkte Worte in einer Situation von äußerster Delikatesse anzuwenden, war Wimmering zutiefst verhasst. Die Autorität dieser gemessenen Stimme veranlasste ihn jedoch, mit ungewohnter Offenheit zu sagen: »Schlimm, Mylord.«

Adam nickte. »Wie schlimm?«

Mr. Wimmering legte seine Fingerspitzen pedantisch gegeneinander und erwiderte ausweichend: »Es ist ein in höchstem Maße unglücklicher Umstand, dass der Großvater Eurer Lordschaft verstarb, ehe der dahingegangene Lord Lynton volljährig war. Es war seine Absicht, neue Pächter auf seinen Gütern anzusiedeln. Damals stand mein Vater, wie ich Eure Lordschaft nicht erst zu erinnern brauche, zu dem Vierten Vicomte in der gleichen Beziehung wie ich zu dem Fünften und — wenn ich mir erlauben darf, diesen Wunsch zu äußern — hoffentlich in Hinkunft auch zu Eurer Lordschaft. Als Ihr, Mylord, die Volljährigkeit erreichtet, war es mein ehrliches Bemühen, Euren hochverehrten Herrn Vater zu bewegen, eine Unterlassung gutzumachen, die durch die verschlungenen Wege des Schicksals unvermeidlich geworden war. Seine Lordschaft erachtete jedoch den Augenblick als nicht opportun für die Durchführung eines Planes, der ihm, wie ich versichern darf, sehr am Herzen lag. Eure Anwesenheit, Mylord, wäre dazu erforderlich gewesen. Es ist sicherlich überflüssig, jene Umstände in Eurem Gedächtnis wachzurufen, die es für Euch damals äußerst schwierig gemacht hätten, um Urlaub anzusuchen. Es war die Schlacht der Koalitionsmächte! Es scheint, als wäre es gestern gewesen, dass wir so atemlos die Nachrichten über diesen Kampf verfolgten, und Lord Wellington die Offiziere und Mannschaft des Regimentes Eurer Lordschaft mit seinem Lob auszeichnete.«

»So viel ich Seinen Ausführungen zu entnehmen glaube, war das Gut selbst damals schon mit Schulden belastet?«, unterbrach Seine Lordschaft.

Mr. Wimmering neigte das Haupt in bekümmerter Zustimmung, hob es jedoch wieder, um dem Zugeständnis einiges seiner Schwere zu nehmen. »Aber Lady Lyntons Wittum wurde gesichert.«

»Und die Anteile meiner Schwestern?«

Wimmering seufzte. Nach kurzem Schweigen bemerkte Adam: »Die Lage scheint verzweifelt zu sein. Was muss ich tun?«

»Ernst, Mylord, aber nicht verzweifelt«, widersprach Wimmering. »Wir dürfen die Hoffnung nicht verlieren.« Er hob die Hand, als Adam auf den Stoß von Papieren auf seinem Schreibtisch deutete. »Ich bitte Eure Lordschaft, den Forderungen, die unter diesen Umständen unvermeidlich waren, keine zu große Bedeutung beizumessen. Keiner der Gläubiger drängt auf sofortige Bezahlung. Eine gewisse Besorgnis war zu erwarten. Dieser zu begegnen, muss meine vordringlichste Aufgabe sein, und ich habe bereits einige Schritte in dieser Richtung unternommen. Ich bin weit davon entfernt, an der Begleichung all dieser Forderungen zu verzweifeln.«

»Ich bin kein hervorragender Rechner«, versetzte Adam, »aber ich glaube, dass die Gesamtsumme dieser Verpflichtungen die mir zur Verfügung stehenden Aktiven übersteigt.« Er griff nach einer Liste und prüfte sie sorgfältig. »Wie ich sehe, hat Er für die Rennpferde keinen Schätzwert eingesetzt. Ich finde jedoch, dass man sie sofort verkaufen sollte. Ebenso das Stadtpalais.«

»Auf gar keinen Fall!«, unterbrach Wimmering erschrocken. »Ein solcher Entschluss würde die schlimmsten Folgen nach sich ziehen! Glaubt mir, Mylord! Darf ich wiederholen, dass ich es mir angelegen sein ließ, die Unruhe der Gläubiger zu zerstreuen. Alles Weitere wird sich mit der Zeit finden.«

Adam legte die Aufstellung beiseite. »Ich bin mir über meine Lage bereits im Klaren. Sie heißt Ruin, oder nicht?«

»Eure Lordschaft sehen die Dinge zu düster. Der Schock hat Euch verwirrt. Aber wir brauchen nicht zu verzweifeln.«

»Nein, wenn ich die nötige Zeit und die Mittel hätte, könnte ich vielleicht unseren Besitz noch retten. Zu Lebzeiten meines Großvaters war Fontley doch gewiss ein sehr ertragreiches Gut. Seit ich zu Hause bin, habe ich die Grundstücke mit dem Gutsverwalter besichtigt und versucht, in einer Woche all das von ihm zu lernen, was ich als kleiner Junge hätte lernen sollen. Stattdessen« — er lächelte trocken — »war ich auf die Militärlaufbahn versessen. Man weiß das Wichtige oft nicht vom Unwichtigen zu unterscheiden oder besitzt nicht den nötigen Weitblick. Aber das Klagen hilft mir nicht aus meiner Verlegenheit. Der Boden hier ist genauso reich wie jeder andere in Lincolnshire, aber wie viel wäre zu tun! Und hätte ich die Mittel dazu, so wäre es vor allem mein Wunsch, die Hypotheken einzulösen, und dazu fehlt mir natürlich jede Möglichkeit!«

»Nicht der gesamte Besitz ist belehnt, Mylord. Ich flehe Euch an, seid nicht —»

»Zum Glück nicht der ganze Besitz! Haus und Erbgut sind frei. Kann Er mir sagen, mit welchem Preis wir es veranschlagen können? Beide sind vernachlässigt, aber die Priorei gilt allgemein als schön und hat außerdem historischen Wert.«

»Ihr wollt Fontley verkaufen?«, rief Wimmering entsetzt. »Eure Lordschaft belieben zu scherzen!«

»Durchaus nicht«, erwiderte Adam gefasst. »Ich glaube nicht, dass mir jemals weniger zum Scherzen zumute war. Wenn Er mir einen Weg zeigen kann, diese Schuldenlast zu löschen und meine Schwestern zu versorgen, ohne Fontley zu verkaufen — aber das kann Er nicht, oder?«

»Mylord«, setzte Wimmering an, der seine Fassung wiedergewonnen hatte. »Ich bin überzeugt, dass ich dazu imstande sein werde. Es mag keine einfache Aufgabe sein, aber mir kam der Gedanke — falls ich mir erlauben darf, ein sehr privates Thema anzuschneiden?«

Adam sah ihn erstaunt an, nickte aber.

»Unglückliche Situationen wie diese sind nicht so rar, wie es zu wünschen wäre, Mylord«, sagte Wimmering, wobei er geflissentlich seine Finger betrachtete. »Ich könnte Euch von Fällen aus meiner eigenen Praxis erzählen, in denen bedauernswert zusammengeschrumpfte Vermögen eines hervorragenden Hauses durch eine sinnvolle Verbindung wieder aufgefüllt wurden.«

»Du liebe Zeit, schlägt Er mir etwa vor, eine reiche Erbin zu heiraten?«, fragte Adam.

»Dieser Ausweg wird oft eingeschlagen, Mylord.«

»Das mag wohl stimmen, aber ich fürchte, dass Er von mir diesen Ausweg nicht erwarten darf«, erwiderte Adam. »Ich glaube nicht, mit reichen Erbinnen bekannt zu sein, und würde mich bestimmt auch nicht als einen erstrebenswerten Bewerber betrachten.«

»Ganz im Gegenteil, Mylord! Ihr seid von vornehmer Abstammung, habt einen Titel, besitzt sehr beträchtliche Güter und einen Landsitz von — wie Ihr selbst bemerktet — historischem Wert.«

»Von Ihm hätte ich nie solchen Unsinn erwartet«, unterbrach Adam ihn. »Diese meine Besitzungen muten so lange prächtig an, bis man sie ein wenig abklopft — dann klingen sie nämlich hohl. Aber wie dem auch sei, habe ich nicht die Absicht, mich zu Markte zu tragen.«

Sein Tonfall hatte etwas Endgültiges, und Wimmering nahm die Ablehnung mit einer Verneigung zur Kenntnis. Im Augenblick genügte es ihm, den Erben auf diesen Gedanken gebracht zu haben. Er mochte davon zurückscheuen, aber Wimmering hatte eine gute Meinung von seinem gesunden Menschenverstand und er hoffte, dass er, sobald er sich von dem Schock, am Rande des Ruins zu stehen, erholt hatte, die Vorteile dieses, wie sein Ratgeber dachte, einfachen Weges aus seinen Schwierigkeiten erkennen würde. Es war eine glückliche Fügung, dass sein Herz noch frei war — falls es das war. Es war Wimmering bekannt, dass der junge Lord Lynton vor einem Jahr die Tochter Lord Oversleys zu lieben wähnte; eine Verlobung war jedoch nie bekannt geworden, und die Verbindung hatte nicht die Zustimmung des Fünften Vicomte gefunden. Der Fünfte Vicomte hatte — genau wie Wimmering — für seinen Sohn eine reiche Heirat im Sinne gehabt. Und soweit Wimmering über Lord Oversleys Verhältnisse informiert war, brachte dieser einer solchen Verbindung ebenfalls keinerlei Begeisterung entgegen. Miss Julia war eine anerkannte Schönheit, und wenn jemand die Verlegenheit Lord Lyntons richtig abzuschätzen wusste, dann musste es sein alter Freund Oversley sein. Nein, Wimmering neigte zu der Annahme, dass der verstorbene Lord Lynton völlig richtig gehandelt hatte, als er die Angelegenheit als unernste Kinderliebe abtat.

»Und jetzt redet sich mein Sprössling ein, Oversleys Tochter zu lieben!«, hatte Seine Lordschaft in einem Augenblick der Entrüstung gesagt. »Nichts als Hirngespinste! Hat nie einen Blick an die Kleine verschwendet, ehe er mit der Kugel in der Hüfte heimgeschickt wurde! Er kennt sie, seit er zur Mount Street hinüberwatscheln konnte. Zwei Naseweise, nichts weiter. Mir wird dieser romantische Unsinn keine schlaflose Stunde bereiten!«

Auch Wimmering zerbrach sich darüber nicht den Kopf. Der junge Vicomte hatte empört den Vorschlag abgelehnt, sich nach einer passenden Erbin umzusehen, hatte aber mit keinem Wort erwähnt, dass sein Herz bereits gebunden sei. Es war kein Wunder, dass er die Schmerzen und die Bedrückung der vielen Monate, in denen er sich immer wieder der Hand des Chirurgen ausliefern musste, durch einen kleinen Flirt mit der entzückenden Miss Oversley erleichtert hatte. Noch konnte es wundernehmen, dass ein romantisches junges Mädchen die Werbung eines Helden von Salamanca ermutigte. Nach Wimmerings Ansicht würde es bedeutend eher an ein Wunder grenzen, wenn eine so kindliche Schwärmerei die Trennung überlebt haben sollte.

Die Bedenken Seiner Lordschaft, ein willkommener Anwärter auf die Hand einer Tochter aus reichem Hause zu sein, teilte Wimmering keinesfalls. Lord Oversley mochte die Verbindung nicht begrüßen, aber Wimmering dachte auch nicht an Eltern im gesellschaftlichen Range der Oversleys. Der Vicomte war sichtlich gar nicht auf den Gedanken verfallen, dass er in den Reihen der reichen Kaufleute nach einer Braut Ausschau halten musste. Vermutlich würde ihm dieser Vorschlag zu Beginn missfallen, aber er schien ein vernünftiger junger Mann zu sein, von dem anzunehmen war, dass er beinahe alles tun werde, um den Sitz zu halten, der seit vielen Generationen das Heim der Deverils war. Eine solche Heirat wäre durchaus nicht ungewöhnlich. Es stand nirgends geschrieben, dass Seine Lordschaft die Tochter eines vulgären Emporkömmlings heiraten musste. Mr. Wimmering konnte jederzeit mit einem Dutzend überaus manierlicher Kaufherren aufwarten, die ihren Ehrgeiz darein setzten, ihre Töchter die gesellschaftliche Leiter hinaufzubugsieren. Im Großen und Ganzen jedoch neigte er eher dazu, die ideale Braut in dem einen oder anderen der großen Bankhäuser zu suchen. Solche Verbindungen kamen häufig zustande. Es war überdies anzunehmen, dass das Mädchen an Seiner Lordschaft Gefallen finden würde, es sei denn, es hätte sehr verstiegene Ideale. Er war ein gut aussehender junger Mann, wenngleich er nicht die Blicke so auf sich zog wie sein Vater. Er war schlank und sensibel und besaß ein überaus gewinnendes, herzerfrischendes Lächeln. Er sah älter als seine sechsundzwanzig Jahre aus, denn in seinem Gesicht hatten sich durch das ständige Blinzeln seiner Augen im sengenden Sonnenlicht einige Falten eingegraben, und seine Haut war von Wind und Wetter gegerbt. Er war durchschnittlich groß, wohlproportioniert, besaß aber nicht den kräftigen Körperbau seines Vaters; ja, hätte seine Haltung nicht eine gewisse Zähigkeit verraten, die die Muskeln in seinem hageren Körper ahnen ließ, hätte man ihn für gebrechlich halten mögen, so mager war er. Beim Gehen zog er das eine Bein unmerklich nach, aber diese Erinnerung an Salamanca schien ihn kaum zu inkommodieren. Er hatte Glück gehabt, dass man ihm das Bein nicht abgenommen hatte, wenn er damals wohl auch anderer Meinung gewesen sein mochte. Wimmering wusste nicht, wie vielen schmerzhaften Operationen er sich hatte unterziehen müssen, ehe es den Chirurgen gelungen war, die Kugel und sämtliche Knochensplitter zu entfernen, aber er machte jene Wochen für die unauslöschlichen Spuren im Gesicht Seiner Lordschaft verantwortlich.

Er berührte den Heiratsplan nicht weiter, sondern widmete sich stattdessen der Aufgabe, dem Vicomte bei der Entwirrung der unübersichtlichen Vermögensverhältnisse seines Vaters getreulich beizustehen. Es bereitete ihm ehrlichen Kummer zu sehen, wie sich die Sorgenfalten immer tiefer um die seelenvollen Augen des jungen Mannes eingruben, aber er versuchte nicht, die Schwere seiner Lage zu bagatellisieren. Je klarer Mylord seine Schwierigkeiten erkannte, desto eher würde er seinen Widerwillen gegen eine Geldheirat überwinden. Als Wimmering die Priorei verließ, befand er sich in zuversichtlicher Stimmung, denn seine Meinung über die Vernunft seines neuen Herrn war beträchtlich in die Höhe geklettert. Er hatte die entmutigenden Enthüllungen gefasst hingenommen, ohne sich gegen sein Schicksal aufzubäumen oder bittere Worte zu verlieren. Wenn er seinem Vater Vorwürfe machte, so tat er es im Stillen; eher schien er dazu zu neigen, sich selbst zu tadeln. Zweifellos war er im Augenblick wie betäubt, aber sobald er sich erst erholt hatte, würde er mit größerer Gelassenheit überlegen und bei seiner Suche nach einem Ausweg an jenen Vorschlag zurückdenken, der ihm unterbreitet worden war, und vielleicht auch diesen in Ruhe erwägen.

Mr. Wimmering war kein warmherziger Mensch, aber als er sich von Adam verabschiedete, empfand er den uneigennützigen Wunsch, ihm zu helfen. Er benahm sich vorbildlich: unvergleichlich besser, als sich sein Vater unter dem Eindruck unerwarteter Schwierigkeiten benommen hatte. Als er Wimmering zu einem seiner eigenen Wagen begleitete, der Wimmering auf der ersten Etappe seiner Reise nach London bis Market Deeping bringen sollte, sagte er mit seinem gewinnenden Lächeln: »Ich fürchte, Er wird unbarmherzig durchgerüttelt werden. Die Straße ist genauso schlecht wie die Straßen Portugals. Ich danke Ihm, dass Er eine so mühevolle Fahrt auf sich nahm. Ich bin Ihm sehr verbunden! In wenigen Tagen werde ich in der Stadt sein, sobald ich hier einige Angelegenheiten geregelt und mich mit meiner Mutter besprochen habe.«

Er schüttelte Wimmering die Hand und wartete, bis die Kutsche sich in Bewegung gesetzt hatte, ehe er sich wieder in die Bibliothek begab.

Abermals nahm er hinter seinem Schreibtisch Platz, um in den Wust von Papieren ein wenig Ordnung zu bringen, aber als er einen achtunggebietenden Stapel von Rechnungen aufgetürmt hatte, saß er lange Zeit reglos und blickte durch das Fenster auf die Narzissen, ohne sie wahrzunehmen.

Das Geräusch einer geöffneten Tür riss ihn aus seinen Grübeleien. Er wandte sich um und sah, dass seine jüngere Schwester zur Tür hereinspähte.

»Ist er fort?«, fragte sie mit Verschwörerstimme. »Darf ich eintreten?«

Seine Augen blitzten belustigt auf, doch er erwiderte mit angemessenem Ernst: »Ja, aber pass auf, dass dich keiner sieht!«

Sie zwinkerte ihm begeistert zu. »Von all meinen Verwandten mag ich dich am liebsten«, gestand sie und trat auf den Sessel zu, in dem kurz vorher noch Wimmering gesessen hatte.

»Sehr liebenswürdig!«

»Obzwar das nicht viel zu bedeuten hat«, setzte sie nachdenklich hinzu, »denn Tanten, Onkel und Cousins zähle ich nicht mit. Daher sind wir jetzt nur mehr zu viert. Und um dir die Wahrheit zu sagen, Adam, habe ich Papa nur geliebt, weil das meine Pflicht war, und Stephen überhaupt nicht. Natürlich hätte ich Maria lieben können, wäre sie nicht vor meiner Geburt gestorben, aber ich glaube kaum, dass ich sie gemocht hätte, denn nach Mamas Worten zu schließen, war sie ein grässliches Kind.«

»Lydia! Mama sagte nie etwas dergleichen!«, wies Adam sie zurecht.

»Nein, genau das Gegenteil! Sie sagt, Maria war zu gut für diese Welt. Begreifst du jetzt, was ich meine?«

Er konnte es nicht leugnen, gab jedoch mit mühsam unterdrücktem Gelächter zu bedenken, dass Maria, wäre sie nicht bereits mit sechs Jahren gestorben, ihrer beklemmenden Tugendhaftigkeit vielleicht entwachsen wäre. Lydia pflichtete ihm ohne rechte Überzeugung bei und wandte ein, dass auch Charlotte ungemein tugendhaft sei. »Und ich bin Charlotte aufrichtig zugetan«, versicherte sie ihm.

»Und Mama bestimmt auch?«

»Natürlich; das ist ja meine Pflicht«, versetzte sie würdevoll.

Er war verblüfft. Nachdem er sie flüchtig gemustert hatte, fand er es jedoch ratsam, sich jeder Äußerung zu enthalten. Er kannte sie nicht genau, denn sie war neun Jahre jünger als er und wenn sie ihn auch während seiner schleppend vorangehenden Genesung oft mit ihren unreifen Ansichten erheitert hatte, waren ihre Besuche an seinem Krankenbett durch ihren umfangreichen Stundenplan immer eng begrenzt gewesen. Miss Keckwick, eine Gouvernante von unbestimmbarem Alter und respekteinflößendem Äußeren, hatte Lydia regelmäßig nach Ablauf einer halben Stunde aus dem Zimmer ihres Bruders abberufen; sei es wegen einer Unterrichtsstunde in italienischer Sprache oder einer Übungsstunde an der Harfe. Die Früchte ihres unverdrossenen Fleißes waren Adam bisher verborgen geblieben, denn obwohl das lebhafte Gesicht seiner Schwester auf wache Intelligenz schließen ließ, hatte sie doch nie geruht, sich Zeichen jener Gelehrsamkeit anmerken zu lassen, die von einem Zögling einer in so vielen Künsten beschlagenen Lehrmeisterin wie Miss Keckwick zu erwarten war.

Er fragte sich im Stillen, warum sie um so vieles ansprechender wirkte als ihre ältere und bedeutend schönere Schwester, als sie aus einer privaten Träumerei aufschreckte und ihn mit der Frage aus dem Gleichgewicht brachte: »Sind wir ruiniert?«

»Oh, das ist ein großes Wort. So schlimm wird es bestimmt nicht werden!«

»Ich will dir lieber gleich sagen«, unterbrach ihn Lydia, »dass ich keine dumme Gans bin, wenn ich mich auch immer entschieden gegen eine umfassende Bildung gewehrt habe, von der ich rasch erkannte, dass ich sie niemals brauchen würde. Selbst Charlotte weiß, dass wir seit Jahren knapp vor einer Katastrophe standen, und niemand kann behaupten, dass ihr Verstand brillant ist. Und außerdem, Adam, bin ich bereits siebzehn, besitze einen reichen Schatz an Erfahrung und habe die Absicht, dir zu helfen, wenn es in meiner Macht steht. Erspare es mir also bitte, mich mit dieser ›Das-geht-dich-gar-nichts-an-Stimme‹ anzusprechen.«

»Ich bitte um Vergebung«, entschuldigte er sich hastig.

»Sind wir ruiniert?«

»Es hat fast den Anschein, fürchte ich.«

»Dachte ich’s doch! Mama sagt seit Wochen, dass sie jeden Moment darauf gefasst ist, kein Dach mehr über dem Kopf zu haben.«

»Dazu wird es nicht kommen«, versicherte er ihr. »Sie wird ihr Wittum haben — weißt du, wie viel das ist?«

»Ja, aber sie sagt, es ist ein lumpiger Betrag, und wir werden von Schwarzbrot leben müssen — und damit, Adam, wird Mama sich niemals abfinden.«

»Sie übertreibt. Ich hoffe, sie wird sich einige Annehmlichkeiten leisten können. Sie wird etwa achthundert Pfund Sterling pro Jahr haben — das ist zwar kein Vermögen, aber doch zumindest ein Einkommen. Mit einer gewissen Sparsamkeit —»

»Mama hat niemals sparen gelernt«, warf Lydia ein.

Er lächelte. »Und du?«

»Oh, ich habe mich bloß mit Nationalökonomie befasst und die nützt mir gar nichts! Ich mag nicht viel davon verstehen, aber ich weiß, dass es etwas mit der Verteilung des Reichtums zu tun hat. Deshalb habe ich auch beschlossen, mich nicht selbst damit zum Besten zu halten, da ich ja keinen Reichtum besitze, den ich verteilen könnte.«

»Hat die überaus gelehrte Miss Keckwick dir keinen Unterricht in Haushaltsökonomie erteilt?«

»Nein. Ihr Geist bewegt sich in höheren Sphären. Außerdem weiß jeder, was das heißt! Es bedeutet, dass das Abendessen aus einem einzigen Gang besteht, dass man nicht annähernd genügend Lakaien hat, und sich die Kleider selbst näht, was absolut zwecklos ist, denn wenn man kein Geld hat, ist es eine hirnverbrannte Zeitvergeudung, zu lernen, wie man es sparen kann. Mama wird nicht sparen — aber ich dachte nicht an sie, sondern an dich und Fontley.« Sie blickte ihn aus ernsten Augen an. »Mama sagt, dass wir Fontley verlieren werden. Ist das wahr? Bitte, Adam, sag es mir!« Sie las die Antwort von seinem Gesicht ab und senkte den Blick. Nachdem sie ihr Musselinkleid über den Knien sorgfältig zurechtgezupft hatte, sagte sie: »Das nenne ich eine wahrhaft abstoßende Vorstellung!«

»Ich auch«, stimmte er ihr traurig bei. »Zu abstoßend, um darüber zu sprechen, ehe ich mich ein wenig daran gewöhnt habe.«

Sie blickte auf. »Ich weiß, dass es für dich noch viel schlimmer ist, und ich will auch nicht in Klagen ausbrechen. Aber mich dünkt, wir sollten mit aller Macht versuchen, Fontley zu retten. Ich habe viel darüber nachgedacht, und es ist mir klar, dass es nun meine Pflicht ist, eine Heirat mit einem reichen Manne einzugehen. Glaubst du, wird es mir gelingen, wenn ich es mir vornehme?«

»Nein, ganz bestimmt nicht! Meine liebe, gute Lydia —»

»Nun, ich denke doch«, widersprach sie entschlossen. »Natürlich sehe ich ein, dass ein oder zwei kleinere Hürden zu umgehen sein werden, besonders, da ich noch mein Gesellschaftsdebüt vor mir habe. Mama hatte die Absicht, mich in dieser Saison einzuführen, weißt du, aber das kann sie nicht tun, solange wir noch alle schwarze Handschuhe tragen, und ich gebe zu, dass ohne Debüt —»

»Wer hat dir diesen Unsinn eingeredet?«, unterbrach Adam sie.

Sie sah ihn erstaunt an. »Das ist kein Unsinn! Ja, weißt du denn nicht, welch große Hoffnungen Mama darauf setzte, dass Charlotte eine glänzende Partie machen würde? Es wäre auch beinahe dazu gekommen, bloß wollte sie den Antrag wegen Lambert Ryde nicht annehmen. Und ich muss sagen, dass ich ihr das nicht verzeihen kann. Nur ein dummes Gänschen konnte sich nicht ausmalen, wohin das führen würde, und Mama hat auch tatsächlich wochenlang von nichts anderem als von Maria gesprochen, und dass sie sich niemals so leichtfertig über ihre Pflicht hinweggesetzt haben würde wie die arme Charlotte.«

»Ryde?«, fragte Adam, ohne sich um den recht unpassenden Rest dieser Rede zu kümmern.

»Ja, entsinnst du dich seiner nicht mehr?«

»Doch, aber ich sah ihn noch nicht seit meiner Heimkehr und —»

»Nein, nein, er ist verreist. Er musste sich nach Edinburgh begeben, weil eine seiner schottischen Tanten gestorben ist und er der Kurator oder etwas Ähnliches war. Adam, du wirst es doch Charlotte nicht verbieten, ihn zu heiraten, nicht wahr?«

»Du lieber Himmel, wie käme ich dazu? Wollen sie noch immer heiraten?«

»Ja, und du kämst sehr wohl dazu. Charlotte ist noch nicht volljährig, und du weißt, dass du ihr Vormund bist.«

»Ja, aber —»

»Falls du fürchtest, etwas gutzuheißen, was Papa nicht billigte, kann ich dir versichern, dass der Widerstand nicht von ihm, sondern von Mama rührte«, klärte Lydia ihn bereitwillig auf. »Er sagte, sie müsse sich betten, wie sie wolle, er schere sich keinen Pfifferling darum.« Nach einer nachdenklichen Pause fuhr sie fort: »Es sollte mich gar nicht wundernehmen, wenn du Mama mit diesem Gedanken aussöhnen könntest, da wir jetzt doch ruiniert sind. Sie wäre natürlich nicht glücklich darüber — und ich muss zugeben, dass es auch mir als bodenlose Verschwendung erscheint, wenn ein Mädchen wie Charlotte sich an Lambert Ryde fortwirft! Aber das ist jedenfalls kein Grund zur Verzweiflung. Ich kann nicht sagen, dass zu meinem Bekanntenkreis viele junge Herren zählen, aber ich weiß, dass ich bei den alten prächtig ankomme, denn sooft Papa einige seiner Freunde hier zu Gast hatte, verstanden wir uns vortrefflich! Und so viel ich entdecken konnte, sind es immer die Alten, die das große Vermögen besitzen. Ich wüsste wirklich nicht, was ich gesagt habe, um dich zum Lachen zu bringen!«

»Nein, nein, ganz recht — verzeih mir noch einmal«, bat Adam. »Du hast dich sicher mit Wimmering unterhalten, nicht wahr?«

»Nein. Warum?«, fragte sie erstaunt.

»Das ist nämlich genau der Rat, den er mir erteilte: eine vorteilhafte Ehe einzugehen.«

»Oh!«, rief sie aus, und dieser Vorschlag ließ sie in tiefe Grübelei versinken. Dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, du nicht! Charlotte sagt, dass für einen Menschen, der sein Herz bereits vergeben hat, der bloße Gedanke, jemand anderen als den Auserwählten zu heiraten, unerträglich ist.«

Adam musste entdecken, dass seine kleine Schwester genauso taktlos wie unterhaltsam zu sein verstand, und versetzte mit gut gespielter Unberührtheit: »Tatsächlich? Nun, da ich annehme, dass sie darüber besser Bescheid wissen muss als ich, will ich nicht weiter auf diese Frage eingehen.«

»Hast du Julia in London besucht?«, erkundigte sich Lydia, der seine Zurechtweisung nicht zu Bewusstsein gekommen war. »Die Oversleys haben nämlich zu Beginn des Monats Beckenhurst verlassen.« Sie bemerkte seine augenblickliche Verschlossenheit und fragte besorgt: »Hätte ich das nicht erwähnen dürfen? Aber sie hat mir selbst davon erzählt.«

Adam begriff, dass seine Rettung nur in der Offenheit lag und sagte: »Ich weiß nicht, was sie dir erzählt haben mag, Lydia, aber ich wäre dir dankbar, wenn du es vergäßest. Wir waren einander zugetan, aber niemals versprochen. Ich habe vorläufig in der Mount Street noch keine Aufwartung gemacht, aber natürlich muss ich das nachholen, sobald ich wieder in London bin, und — nun, weiter ist darüber nichts zu sagen.«

»Nimmst du an, dass Lord Oversley dir Julias Hand verweigern wird, weil du jetzt ruiniert bist?«, fragte sie.

»Er wäre ein sehr schlechter Vater, wenn er mir unter diesen Umständen seine Tochter zur Frau gäbe«, antwortete er so munter, wie er nur konnte.

»Nein, das ist aber eine schreiende Ungerechtigkeit!«, rief sie. »Zuerst mutet man dir zu, Papas Schulden zu begleichen, die dich gar nichts angehen, und jetzt musst du auf Julia verzichten! Alles lastet auf deinen Schultern, und dabei bist du weniger zu tadeln als wir alle! Mama glaubt ja, dass sie es ist, die Mitleid verdient, aber das sind Flausen — und wenn du noch so missbilligend dreinschaust, Adam, es sind Flausen! In Wahrheit bist einzig du es, dem Mitleid gebührt! Mama wird ihre Witwenrente haben, Charlotte ihren Lambert heiraten, und ich bin nun felsenfest entschlossen, einen vermögenden Mann zu ehelichen!« Sie lächelte ihn herzlich an. »Natürlich müsste es für dich oder Charlotte höchst unerfreulich sein, eine Vernunftehe einzugehen, aber mir macht das gar nichts aus, das darfst du mir getrost glauben! Es ist nämlich so, dass — nun, ja, wie soll ich sagen, dass mir Regungen des Herzens fremd sind. Außer«, fügte sie in natürlicherem Ton hinzu, »dass ich mich in einen Lakaien verliebte, als ich zwölf war, und auch das war keine lang anhaltende Leidenschaft, und da er tief unter mir steht, brauchen wir darüber kein weiteres Wort mehr zu verlieren. Kennst du irgendwelche reiche alte Herren, Adam?«

»Ich fürchte, nein. Und selbst wenn ich sie kennte, würde ich sie wohl vor dir zu verbergen wissen! Eher lasse ich mir Fontley nehmen, als dass ich zusehen würde, wie du dich dafür opferst. Und wenn du bis heute auch noch nie verliebt gewesen bist, kann doch niemand voraussehen, was die Zukunft für dich birgt, und überlege doch, wie überaus lästig es dann für dich wäre, an einen reichen Greis gebunden zu sein!«

»Ja«, pflichtete sie ihm bei, »aber ich glaube, man muss bereit sein, für seine Familie Opfer zu bringen. Und außerdem könnte er bis dahin ja schon tot sein!«

»Sehr richtig! Und sollte er noch nicht das Zeitliche gesegnet haben — obwohl das höchst unwahrscheinlich ist —, könnten wir ihn mit einigen unauffälligen Tropfen Gift immer noch ins Jenseits befördern.«

Diese Vorstellung gefiel Lydia so ungemein, dass sie in perlendes Gelächter ausbrach. In diesem wenig glücklichen Augenblick öffnete sich die Tür und Lady Lynton, hinter sich eine lange Schleppe aus schwarzem Krepp und Spitze nachschleifend, trat, auf den Arm ihrer älteren Tochter gestützt, ins Zimmer. Auf der Schwelle blieb sie stehen und sagte mit schwacher, ungläubiger Stimme: »Gelächter, meine Lieben?«

Charlotte, die ebenso gütig wie schön war, sagte: »Es war so erquicklich anzuhören! Lydia hat es immer zuwege gebracht, Adam ein Lachen zu entlocken, selbst als er Schmerzen litt, nicht wahr, Mama?«

»Ich freue mich, dass es auf Fontley irgendjemanden gibt, der gegenwärtig zu lachen vermag«, äußerte Lady Lynton.

Weder ihr Tonfall noch ihre Miene verrieten eine Spur dieser Freude, aber ihre Kinder hüteten sich, sie einer leeren Phrase zu zeihen. Nachdem sie das Unbehagen der Schuldigen mit einem schmerzerfüllten Seufzer vollgemacht hatte, erlaubte sie Charlotte, sie zum Sofa zu geleiten, auf das sie niedersank. Charlotte rückte ihr ein Kissen unter den Kopf, schob ihr einen Schemel unter die Füße und zog sich in einen Sessel an der gegenüberliegenden Seite des Kamins zurück, wobei sie ihrem Bruder einen ängstlich fragenden Blick zuwarf. Zwischen den beiden Geschwistern herrschte eine auffallende Ähnlichkeit. Beide gerieten ihrer Mutter nach, im Gegensatz zu der größeren und dunkelhaarigen Lydia, die das Ebenbild ihres Vaters war. Lady Lyntons oft wiederholter Ausspruch, Charlotte sei die Wiedergeburt ihrer eigenen Jugend, stellte keine großen Anforderungen an die Vorstellungskraft des Beschauers. Wenn die Jahre auch die blonde Schönheit der Witwe hatten dahinwelken lassen und das nicht leichte Leben an der Seite ihres Mannes eine mürrische Maske über ihre klassischen Züge gelegt hatte, war sie doch nach wie vor eine bemerkenswert attraktive Frau.

»Ich nehme an«, sagte sie, »dass jener Mann unser Haus verlassen hat. Vielleicht hätte ich erwartet, dass er es passend finden würde, sich von mir zu empfehlen. Aber zweifellos muss ich mich daran gewöhnen, als Person ohne Rang und Einfluss behandelt zu werden.«

»Der Tadel für diese Unterlassungssünde trifft wohl mich, Mama«, erwiderte Adam. »Wimmering war sehr daran gelegen, Ihnen seine Aufwartung zu machen, aber ich ließ es nicht zu, da ich wusste, dass Sie sich zur Ruhe gelegt hatten. Er trug mir daher auf, ihn bei Ihnen zu entschuldigen.«

»Oh, ich bin dankbar, dass es mir erspart blieb, ihn noch einmal vor die Augen zu bekommen«, bekannte Lady Lynton etwas inkonsequent. »Ich habe ihn nie mögen, nie! Und nichts kann mich von der Überzeugung abbringen, dass wir unser Unglück einzig jener Ungeschicklichkeit verdanken, mit der er die Agenden deines armen Vaters betrieb.«

Wieder vermittelte Charlotte. »Dürfen wir wissen, wie es um uns steht, Adam? Wir glauben, dass keine Enthüllung bitterer sein kann, als es unsere Vorahnungen sind, nicht wahr, Mama? Die Wahrheit wird uns kaum entsetzen, selbst wenn wir hoffnungslos vor dem Ruin stehen.«

»Mich kann keinerlei Wahrheit entsetzen«, sagte ihre Mutter. »Nach den vielen Schicksalsschlägen, die ich zu erdulden hatte, bin ich gegen Unheil gewappnet. Ich möchte nur erfahren, wann ich darauf gefasst sein muss, kein Dach mehr über dem Kopf zu haben.«

»Dazu wird es niemals kommen, das verspreche ich, Mama«, erwiderte Adam. »Ich hoffe im Gegenteil, dass Sie in zumindest einigermaßen angenehmen Verhältnissen leben werden, selbst wenn keiner von uns auf Fontley bleiben kann.«

Charlotte fragte mit versagender Stimme: »Müssen wir Fontley verkaufen? Gibt es nichts, um das zu verhindern?«

Er blickte auf die glimmenden Buchenscheite im Kamin und antwortete bloß mit einem leichten Kopfschütteln. Die Tränen traten ihr in die Augen, aber ehe sie zu weinen begann, lenkte Lydia sie mit dem ungerührten Hinweis ab, dass sie glaube, Mama stehe kurz vor einem ihrer Anfälle.

Die Witwe sah tatsächlich beängstigend aus, und obwohl sie sich genügend erholte, sobald ihr ein Riechfläschchen unter die Nase gehalten worden war, um nach Hirschhornsalz zu verlangen, war sie doch erst, nachdem dieses Belebungsmittel von ihrer jüngeren Tochter herbeigeholt und ihr von Charlotte an den Mund gehalten worden war, imstande, den Kopf vom Kissen zu heben und mit tapferer, wenngleich brechender Stimme zu murmeln: »Ich danke euch, meine Lieben! Bitte kümmert euch nicht um mich! Es war nichts! Es haben bloß meine armen Nerven versagt, weil dieses so schreckliche Los mir auf diese Art verkündet wurde —! Du bist so lange Zeit ein Fremder in deinem Hause gewesen, mein teurer Adam, dass du natürlich nicht wissen kannst, wie schwach meine Konstitution ist!«

»Sie müssen mir verzeihen, Mama! Ich hatte nicht die leiseste Absicht, Sie derart aufzuregen«, sagte Adam. »Es erschien mir zu grausam, vor Ihnen geheim zu halten, was Sie früher oder später ja doch erfahren müssen.«

»Sicher hast du gehandelt, wie du es für richtig fandest, mein lieber Sohn. Mein Erstgeborener!« Die Witwe streckte ihm eine zerbrechliche Hand entgegen. »Aber wäre mir dein Bruder erhalten geblieben, er hätte begriffen, wie niederschmetternd dieser Schlag für mich sein muss! Ach, mein armer Stephen! Immer so rücksichtsvoll, immer meine Sentiments so genau erfühlend!«

Da sich die Laufbahn ihres jüngeren Sohnes, die ein jähes Ende fand, als er noch in Oxford weilte, durch eine hochgradige Missachtung eines jeden Wunsches außer seiner eigenen ausgezeichnet hatte, bewirkte dieser Ausruf, dass die ihr verbliebenen Kinder einander vielsagend anblickten.

Während Adam sich bemühte, sie davon zu überzeugen, dass ihre Witwenrente durchaus nicht bitterer Armut gleichzusetzen war, rief Lydia plötzlich aus: »Hat Dawes also doch recht behalten! Ich wollte es nicht glauben, aber seht doch! Diese betrügerischen Kaufleute senden uns Rechnungen für Dinge, die Papa niemals kaufte, Adam!«

Er wandte sich rasch um und sah, dass sie ernsthaft jenen Stoß von Rechnungen prüfte, den er auf dem Schreibtisch liegen gelassen hatte. Ehe er noch eingreifen konnte, bewies sie eine peinliche Lücke in ihrer Weltgewandtheit. »Papa schenkte Ihnen doch niemals ein Collier aus Smaragden und Brillanten, nicht wahr, Mama? Aber hier fordern Rundell & Bridge eine geradezu haarsträubende Summe für solch ein Collier! Was sind das doch für schamlose Betrüger!«

Diese Enthüllung wirkte auf die Witwe wie ein Blitzschlag. War sie noch vor Kurzem angesichts der Bemühungen ihrer beiden Ältesten, ihr die Zukunft in freundlicheren Farben auszumalen, in haltlose Verzweiflung gestürzt, so setzte sie sich jetzt kerzengerade auf und rief: »Was?«

»Lydia, du legst diese Rechnungen sofort auf meinen Tisch zurück«, befahl Adam tödlich verlegen.

»Aber, Adam —»

»Brillierte damit vor meiner Nase«, stöhnte Lady Lynton. »Das hätte ich mir denken können! In der Oper, und ich fand es noch besonders gewöhnlich! Genau, was man von einer solchen Kreatur erwarten konnte! Ach, wie sich die Teile zum Ganzen fügen! Wir mussten uns in Lumpen hüllen, aber er stellte sein Vermögen jeder Hetäre zur Verfügung, die ihm zu gefallen verstand!«

»Großer Gott!«, rief Lydia mit weit geöffneten Augen. »Sie glauben doch nicht, dass Papa — Papa — eine, eine —»

»Halt den Mund«, sagte Adam brüsk, entwand ihr die Rechnung und warf sie in eine der Schreibtischladen.

Sie sah, dass er wütend war, und bat ihn augenblicklich um Verzeihung, aber ganz offensichtlich machte ihr ihre eigene Indiskretion nicht halb so viel zu schaffen wie die Vorstellung, dass ein weibliches Wesen die Aufmerksamkeiten eines Mannes willkommen heißen konnte, der so hochbetagt war wie ihr Vater, der nicht weniger als zweiundfünfzig Jahre gezählt hatte. Charlotte, die Sinn für Humor nicht zu ihren Vorzügen zählen durfte, fühlte sich daher verpflichtet, Adam später zu erklären, dass die Verstocktheit der lieben Lydia wohl eher für Unschuld als Verworfenheit spräche.

Lady Lynton hatte jahrelang die Extravaganzen ihres Gatten mit wohlerzogener Gleichgültigkeit hingenommen, aber dieses Smaragdcollier riss sie aus einem Grund, den ihre Kinder nie zu entdecken vermochten, aus ihrer Lethargie. Die Empörung trieb ihr das Blut in die Wangen, und sie vergaß sich so weit, einige der früheren Entgleisungen Seiner Lordschaft zu erwähnen, wobei sie allerdings unterstrich, dass sie imstande gewesen sei, sie zu vergeben. Das Smaragdcollier jedoch, das sie als Brot bezeichnete, das ihren Kindern vom Munde geraubt worden war, und sie mit seinem herausfordernden Gefunkel verhöhnt hatte, war, wie sie versicherte, zu viel! Für Lydia war es gewiss zu viel, denn sie stieß ein ersticktes Gekicher aus, womit sie ihrer leidgeprüften Mutter wieder ihre Anwesenheit ins Gedächtnis rief. Lady Lynton stellte darauf bedauernd fest, dass ihrer Tochter jedes Taktgefühl mangle. Es schien ihr einen gewissen Trost zu gewähren, zu konstatieren, dass Lydia stets genau wie ihr Vater gewesen sei. Dennoch forderten die bedauerlichen Untugenden dieses jungen Mädchens einen Vergleich mit den Vorzügen der kleinen Maria heraus und ließen die Witwe die Grausamkeit des Schicksals beklagen, das ihr jene beiden Kinder entrissen hatte, die ihr in ihrer Stunde der Not hilfreich beigestanden wären. Eine Betrachtung führte zur anderen und so dauerte es nicht lange, bis Adam wegen seiner groben Gefühllosigkeit verurteilt wurde, während Charlotte, die ihr Bestes tat, um ihre Mama zu beruhigen, ein anklagendes Kopfschütteln dafür erntete, dass sie es überhaupt noch wagte, hocherhobenes Hauptes einherzuschreiten, nachdem sie so mutwillig jene Möglichkeit ausgeschlagen hatte, die es an ihr hatte sein lassen, das Unheil von Fontley abzuwenden.

»Meinen Lippen wird nie auch nur ein einziges Wort der Missbilligung entfliehen«, sagte sie heroisch. »Ich staune bloß über dich, meine Gute, denn meiner Natur ist jede Spur von Eigensucht völlig fremd. Armes Kind! Oh, dass du diesen Tag nie bereuen mögest, an dem du den ehrenvollen Antrag ausschlugst! Beklommenen Herzens erwarte ich, dass die Aufmerksamkeiten des jungen Ryde jetzt, da wir am Bettelstab angelangt sind, nachlassen werden.«

Darin jedoch irrte sie. Keine vierundzwanzig Stunden waren nach dieser Unglücksprophezeiung verstrichen, als Mr. Ryde Adams Hand drückte und sagte: »Bei Gott, es ist eine Freude, dich wiederzusehen, Adam, und du scheinst auch wieder bei Kräften zu sein. Du weißt, wie sehr ich den Grund deines Hierseins bedaure! Was musst du für einen üblen Eindruck von mir gewonnen haben, aber ich verließ mich darauf, dass Charlotte dir alles erklären würde. Ich war nicht zu Hause — eine meiner alten Tanten hat ins Gras gebissen, und es blieb mir nichts übrig, als mit der nächsten Eilpost nach Schottland zu reisen. Bei all dem Klimbim der Anwälte und den beiden anderen alten Tanten, die mir an den Rockschößen hingen, dachte ich schon, ich könnte überhaupt nicht mehr zurückkommen! Aber es hätte keinen Sinn gehabt, einfach davonzulaufen, ehe alles geregelt war. Dann hätte ich ein zweites Mal nach Schottland fahren müssen und das will ich nicht, es sei denn, um meine Hochzeitsreise mit Charlotte dorthin zu unternehmen!« Er lachte schallend und fuhr fort: »Du hast doch nicht die Absicht, unsere Heirat zu verbieten, wie? Ich würde es dir nicht raten, alter Freund!«

Adam schüttelte lächelnd den Kopf. »Das würde ich niemals wagen! Aber ich glaube, du musst erfahren, dass es um Fontley sehr schlecht bestellt ist, Lambert. Ich werde mir die größte Mühe geben, wenigstens einen Teil von Charlottes Mitgift aufzubringen, aber es wird bedeutend weniger sein, als ihr zusteht oder du mit Recht erwarten könntest.«

»So?«, versetzte Lambert. »Räumst mir wohl die Möglichkeit ein, Fersengeld zu geben, wie? Hochanständig von dir und genau, was man von dir erwarten kann. Aber allen Ernstes und Spaß beiseite! Ich bedaure das Vorgefallene aus tiefstem Herzen, aber es überrascht mich nicht. Ich will dir nicht vorenthalten, dass mein erster Gedanke, als Charlotte mir die Nachricht sandte, der war, dass wir jetzt endlich getraut werden können! Membury Place lässt sich zwar nicht mit Fontley vergleichen, aber wenn mein Vermögen auch nicht gewaltig ist, erlaubt es mir doch einen genügend großen Vorsprung vor meinen Verpflichtungen, um eine Frau standesgemäß zu erhalten — und Lydia ebenfalls, falls sie zu uns ziehen wollte.«

Er erkundigte sich, ob Adam gezwungen sei, Fontley zu verkaufen und als dieser erwiderte, das befürchte er, machte er ein ernstes Gesicht und nannte das eine böse Sache, die Charlotte sehr zu Herzen gehen würde. »So nahe von Fontley zu wohnen und Fremde hier aus- und eingehen zu sehen, weißt du? Ich wollte, ich könnte dir helfen, aber das liegt nicht in meiner Macht. Das Einzige, was ich tun kann«, fügte er mit seinem stets die Oberhand gewinnenden Lachen hinzu, »ist, dir Charlotte abzunehmen!«

Es wäre zu viel von Lady Lynton erwartet gewesen, sich leicht mit dem Gedanken auszusöhnen, dass ihre Tochter bloß einen kleinen Landjunker heiratete; schließlich jedoch gab sie ihre zögernde Zustimmung, da ihr dies noch immer leichter fiel, als für Charlotte aus ihrem Wittum zu sorgen. Zwar behielt sie sich das Recht vor, die Verbindung zu beklagen, musste jedoch zugeben, dass sie Charlotte nicht zur Schande gereichte: Lambert war zwar nicht vornehmer, aber angesehener Herkunft und sein Vermögen, das ihr ehemals als Bettel erschienen war, hatte nun im Lichte ihrer eigenen unglücklichen Lebensumstände die Ausmaße eines beträchtlichen Einkommens angenommen. Die Heirat vermochte sie nicht zu begeistern, aber sie musste ihrem Sohn gestehen, dass Lambert sich großmütig und liebevoll benommen hatte.

Auch Lydia erkannte Lamberts freundliches Ansinnen an, beteuerte Adam jedoch, dass nichts sie dazu bewegen könnte, in seinem Hause zu leben.

»Nein, das wirst du selbstverständlich auch nicht«, erwiderte er. »Du wirst bei Mama wohnen.«

»Ja, das ist mir immer noch lieber, so sonderbar es auch klingen mag«, sagte sie, was keine günstigen Auspizien verhieß. »Ich hoffe, Lambert die ihm gebührende Wertschätzung entgegenzubringen, aber es wäre eine Qual, gezwungen zu sein, unter einem Dach mit einem Menschen zu leben, der pausenlos lustig ist und so viel lacht! Glaube mir, selbst wenn uns alle ein Erdbeben verschlänge, würde er dem Unglück eine komische Seite abzugewinnen verstehen! Bringt er dich nicht auch manchmal dazu, dass sich dir sämtliche Haare sträuben?«

Er konnte es nicht bestreiten. Er kannte Lambert, seit sie beide kleine Jungen gewesen waren, und mochte ihn herzlich gerne, aber seine nie erlahmende Heiterkeit reizte ihn manchmal genau wie Lydia. Dennoch musste er Lamberts guten Charakter anerkennen, und als er Charlotte in einer Wolke der Glückseligkeit einherwandeln sah, vermochte er der Heirat, wenn nicht mit Begeisterung, so doch mit Erleichterung entgegenzusehen. Dass ihre Zukunft gesichert erschien, war der einzige Hoffnungsstrahl, den er auf seine Londoner Reise mitnahm, die er zu Beginn der Woche antrat.

Kapitel 2

Das Stadtpalais der Lyntons lag in der Grosvenor Street und war ein geräumiges Herrenhaus, das von seinem letzten Eigentümer in den Tagen entschwundenen Wohlstandes um einige hübsche Räume vergrößert und aufgestockt worden war. Die Einrichtung zeugte von altmodischer Eleganz, aber als Adam das Haus aufschloss, waren sämtliche Möbel mit Schonbezügen versehen und die Ziergegenstände von den Kaminsimsen geräumt worden. Beinahe die einzige Sparmaßnahme des verstorbenen Vicomtes hatte in der Schließung seines Londoner Palais‹ während der Wintermonate bestanden. Wenn er nicht die Gastfreundschaft des Carlton House genoss, zog er es vor, kostspielig und luxuriös im Clarendon zu wohnen.

Auch Adam zog in ein Hotel, aber nicht ins Clarendon. Nachdem der Hausmeister ihn durch sämtliche Räume des Palais geleitet hatte, wusste Adam, dass er auf diesen Teil seiner Besitzungen ohne Bedauern verzichten konnte; je eher er das Haus loswurde, desto lieber sollte es ihm sein.

Die Stallungen in Newmarket waren bereits gemeinsam mit dem Jagdhaus in Melton Mowbray und den sechzehn Jagdpferden des Verstorbenen zum Verkauf ausgeschrieben. Wimmering erhob keinen Einspruch gegen die Veräußerung des Rennstalles, protestierte aber heftig gegen den Verkauf der Jagdpferde. »Das wird einen schlechten Eindruck erwecken, Mylord«, gab er zu bedenken. »Ich kann es nicht gutheißen.« Adam gefiel es ebenfalls nicht, aber er blieb fest. Noch in der gleichen Woche wurden sie zu Tattersall gebracht. Der Lyntonsche Haushalt zerfiel. Das war kein angenehmer Gedanke und die Pferde konnten zu Ende der Jagdsaison auch nicht annähernd jenen Preis erzielen, den sein Vater für sie erlegt hatte, aber zumindest blieben Adam die Kosten für ihren Unterhalt erspart. Wimmering sprach noch immer davon, dass man die Gläubiger nicht in Panik versetzen dürfe, aber seine weiteren Nachforschungen in der Geldgebarung seines verstorbenen Klienten hatten nichts zutage gefördert, das Adam zu der Annahme ermutigen konnte, er hätte durch das Hinauszögern des Unvermeidlichen etwas zu gewinnen; und sein ständig wiederholtes Flehen, den ursprünglichen Status der Deverils wiederherzustellen, bewirkte bloß, seinen Auftraggeber, dessen Nerven bereits bis zum Zerreißen gespannt waren, vollends zu erschöpfen. Einzig seine unerschütterliche Wohlerzogenheit bewog Adam, Wimmering geduldig anzuhören, aber kein Vorschlag, den ihm sein Anwalt bisher unterbreitet hatte, überzeugte ihn so weit, dass er von jenem Kurs abschwenkte, den ihm sein eigenes Urteilsvermögen vorgeschrieben hatte. Nie erfuhr er, wie sehr seine Höflichkeit Wimmering verwirrte, oder mit welcher Erleichterung dieser verängstigte Mensch einen Wutausbruch begrüßt hätte.

Sich ganz auf seinen gesunden Menschenverstand verlassend, hatte er eine persönliche Unterredung mit seinem Bankier in Charing Cross geführt. Wimmering flehte ihn an, derlei Agenden seinen erfahreneren Händen zu überantworten, aber Adam fand, es sei an ihm, Drummond persönlich aufzusuchen. »Die Drummonds waren seit jeher die Bankiers unserer Familie«, entschied er. »Sie haben uns niemals übervorteilt. Ich denke, ich spreche lieber selbst mit Drummond.«

Mr. Wimmering mochte die Mundwinkel verziehen — eines stand fest: Er hätte niemals so viel bei Drummond erwirkt wie Adam.

Drummonds Bank war ein alteingesessenes Unternehmen, zu dessen Kunden kein Geringerer als Seine Majestät König George selbst zählte. Der Name Deveril erschien bereits in den frühesten Aufzeichnungen der Bank, und Mr. Charles Drummond sah deshalb schweren Herzens dem Besuch des neuen Lord Lynton entgegen. Beklommen erwartete er Ansinnen, denen er unmöglich seine Zustimmung erteilen konnte. Adam war ihm zwar nicht völlig unbekannt, doch hatte er bisher keine Gelegenheit gehabt, sich eine Meinung über ihn zu bilden. Er entsann sich seiner bloß als eines bescheidenen Offiziers, der seinem verschwenderischen Vater nicht im Geringsten glich; und wenn dies auch zugegebenermaßen ein Zug war, der für ihn sprach, bereitete er Mr. Drummond doch nicht auf einen Klienten vor, der ihn nicht nur ohne Einschränkungen in sein Vertrauen zog, sondern obendrein noch mit einem Lächeln sagte, das ebenso gewinnend wie schuldbewusst war: »Unter diesen Voraussetzungen, Sir, muss es unverzeihlich wirken, dass ich Sie bitte, mich weiterhin von einem Konto abheben zu lassen, das bereits beträchtlich überzogen ist, aber ich hoffe, Ihnen den Beweis meiner Fähigkeit erbringen zu können, meine Schulden zurückzuzahlen. Ich habe, so gut ich es verstehe, eine Art Gegenüberstellung zwischen Aktiven und Passiven ausgearbeitet, und ich ersuche Sie, diese Aufstellung gründlich zu studieren, wenn auch der exakte Wert einiger meiner Aktiven ein hypothetischer sein muss.«

Damit hatte er die Unterlagen Mr. Drummond vorgelegt, der sie voll böser Vorahnungen durchblätterte. Mit nicht geringem Entsetzen musste er feststellen, dass Adams Erwartungen sich nicht auf ein verlässliches Faktum oder eine Spekulation stützten, die dazu geeignet war, das Herz eines angesehenen Bankiers höherschlagen zu lassen. Sobald er diesen Schock überwunden hatte, machte er eine weitere Entdeckung, von der er später seinem Sohn berichtete.

»Der junge Mann ist genau wie sein Großvater. Er hat die gleiche ruhige Art und trägt denselben kühlen Kopf auf seinen Schultern: Er wird sich durchsetzen.«

Von Charing Cross nahm Adam eine Mietkutsche zur Mount Street und betrat unter heftigem Herzklopfen die Stufen zum Hauptportal.

Er wurde in Lord Oversleys Bibliothek geführt. Seine Lordschaft erhob sich mit dem Ruf: »Adam, mein lieber Junge!«, aus dem Stuhl, trat rasch auf ihn zu, fasste nach seiner Hand und heftete seine erfahrenen, freundlichen Augen eindringlich auf seinen Besucher. »Sie Ärmster! Ihnen sprechen die Sorgen aus dem Gesicht! Und das kann mich nicht wundernehmen! Aber Sie sind doch wieder gesund, nicht wahr? Ich sehe, dass Sie ein ganz klein wenig hinken. Schmerzt Ihr Bein Sie noch?«

»Nein, Sir, es geht mir ausgezeichnet. Und was meine bedrückte Miene betrifft, so erweckt wohl mein schwarzer Mantel diesen düsteren Eindruck.«

Oversley nickte verständnisvoll. Er war ein Mann, der seinen fünfzigsten Geburtstag schon einige Jährchen hinter sich hatte und mit der Mode ging, ohne extravagant gekleidet zu sein. Sein liebenswürdiges Antlitz zeichnete sich durch eine aus dem Herzen kommende Leutseligkeit aus. Er zog einen Stuhl für Adam heran. »Ich will Ihnen nicht erst versichern, wie sehr ich Ihren Verlust bedaure; Sie müssen sicher selbst fühlen, wie nahe mir Ihr Schicksal geht! Ihr Vater zählte zu meinen ältesten Freunden, und obzwar sich unsere Wege trennten, blieben wir doch gute Bekannte. Nein, nein, ich will mir Ihnen gegenüber jede Förmlichkeit ersparen, Adam: Wie schlimm steht es denn um Sie?«

»Sehr schlimm, Sir«, erwiderte Adam. »Ich hoffe, schuldenfrei aus der Erbschaft hervorzugehen. Mehr lässt sich leider kaum erwarten.«

»Habe ich’s doch befürchtet! Ich traf Ihren Vater im Brooks-Club, keine acht Tage vor dem Unfall —« Er brach ab und sagte nach kurzem Zögern: »Ich möchte mit Ihnen darüber sprechen. Es hat die Mäuler nicht zum Stillstand kommen lassen, und es wäre eine Lüge, zu behaupten, dass niemand klatschte. Der Unfall musste Gemunkel auslösen, und daher stürzen sich die Gläubiger wie ein Hornissenschwarm auf Sie.« Er maß Adam abermals mit einem seiner weltklugen Blicke. »Ah, Sie haben eine teuflische Zeit durchzustehen! Aber das ist es nicht, was ich sagen wollte. Ich habe viel über den Unfall nachgedacht. Er hat ihn nicht heraufbeschworen. Er mag bankrott gewesen sein, aber so wahr ich hier sitze, hat er sich nicht mit Absicht den Hals gebrochen. Sie hatten doch wohl diesen Verdacht, nicht wahr?«

»Ich weiß nicht recht«, erwiderte Adam. »Ich bemühe mich, nicht daran zu denken.«

»Nun, dann werden Sie jetzt daran denken, mein Junge«, sagte Oversley scharf. »Wenn er einen Punkt hinter sein Leben hätte setzen wollen, hätte er verlässlichere Mittel und Wege dazu gefunden. Herrgott im Himmel, kein Mensch wusste besser als Bardy Lynton, dass ein gewollter Sturz weit eher zu gebrochenen Rippen als zu einem gebrochenen Hals führt! Nein, nein, dieser Gedanke lag ihm völlig fern! Ich kannte Bardy! Er war ein viel zu unerschrockener Mann, um zu kneifen, und all seinen Fehlern zum Trotz weitaus zu ehrenhaft, Sie an seiner Stelle die Suppe auslöffeln zu lassen!« Er schaltete eine Pause ein und legte Adam die Hand mit festem Druck aufs Knie. »Gott weiß, dass Sie alle Ursache haben, ihm gram zu sein, aber gehen Sie nicht zu streng mit ihm ins Gericht! Er war zu jung, als er sein Erbe antrat. Wenn ein Jüngling seines Formats so reich ist, wie er es war, und niemand da ist, der die Zügel straff in der Hand hält —»

»Oh, nein, nein!«, warf Adam rasch ein. »Welches Recht besäße ich, zu verurteilen? Ich wusste nicht, wie ernst die Dinge lagen, aber es war mir bekannt, dass er Sorgen hatte. Er sagte oft, dass wir uns nicht mehr lange über Wasser halten würden. Ich schenkte dem keine Beachtung — Geld schien immer reichlich vorhanden zu sein, und mein einziger Wunsch galt dem bunten Rock! Hätte ich weniger daran und mehr an Fontley gedacht —!«

»Genug!«, unterbrach Oversley ihn. »Sie hätten gar nichts tun können, also ersparen wir uns das leere Gerede! Wir wollen gar nicht davon sprechen, wie stolz er auf Sie war — Himmel, Sie hätten ihn erleben müssen, als Sie für Ihre Tapferkeit offiziell erwähnt wurden — er wollte Sie auch gar nicht wissen lassen, wie tief er in der Kreide stand. Dachte stets, das Blatt würde sich wenden, und er könnte alles wieder einrenken! Und ich muss zugeben, dass er manche erstaunliche Glückssträhne hatte«, fügte Seine Lordschaft nachdenklich hinzu. »Das Malheur war nur — Aber bei einem fanatischen Spieler ist es ja immer das Gleiche! Na schön, Schwamm darüber! Wenn Sie aber meinen, die Schuld für die Folgen jemand anderem als Ihrem Vater in die Schuhe schieben zu müssen, dann wenden Sie sich lieber an Stephen als an Ihre eigene Adresse. Was hat dieser junge Taugenichts Bardy doch von Anbeginn an für Unsummen gekostet! Mehr will ich nicht darüber sagen, Adam: Der arme Bursche hat seine Rechnung beglichen.«

Eine Weile schwiegen beide, bis Adam sagte: »Davon weiß ich nichts. Für eines aber muss ich mir selbst die gleichen Vorwürfe machen, Sir, die Sie mir machen werden.«