Ein Arzt auf Wolke 7, bitte! - Britt Gerken - E-Book

Ein Arzt auf Wolke 7, bitte! E-Book

Britt Gerken

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Beschreibung

Tiffys Leben könnte so schön sein: Sie hat das alleinige Sorgerecht für Kurti - einen bezaubernden Mops-Pudel - und arbeitet mit ihrem besten schwulen Freund Piet in dessen gemütlichen Café. Würde nur Tiffys biologische Uhr nicht ständig so laut ticken. Als Piet ihr die Tarotkarten legt, sagen diese voraus, dass Tiffy schon bald das Herz eines Arztes für sich gewinnen wird. Wenn damit mal nicht Oberarzt Mattheus gemeint ist, der jeden Morgen vollkommen übermüdet seinen Kaffee bei Tiffy bestellt!

Um Mattheus näher kennenzulernen, meldet sich Tiffy - trotz ihrer Angst vor Blut und Spritzen - als ehrenamtliche Helferin für den Ambulanzbus an. Doch anstatt mit ihrem attraktiven Arzt muss sie die medizinischen Versorgungsfahrten zu der abgelegenen Landbevölkerung mit dem grummeligen und wortkargen Pfleger Alex unternehmen. Mattheus wird nur bei Notfällen dazu gerufen. Zu allem Überfluss durchschaut Alex ihren Plan auch noch sofort. Die Stimmung im Bus ist folglich mies und Tiffy sieht ihre »Mission Traummann« in ernster Gefahr. Denn die Karten lügen nie ... Oder etwa doch?

Du willst dich mal wieder so richtig verlieben, laut lachen und von Mr. Right träumen? Dann ist Britt Gerkens zweiter Liebesroman genau das richtige Buch für dich: eine herzerfrischende Enemies-to-Lovers-Geschichte für alle Fans von romantischen Komödien.

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Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsÜber dieses BuchTitelKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Über die AutorinWeitere Titel der AutorinImpressum

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Über dieses Buch

Tiffys Leben könnte so schön sein: Sie hat das alleinige Sorgerecht für Kurti – einen bezaubernden Mops-Pudel – und arbeitet mit ihrem besten schwulen Freund Piet in dessen gemütlichen Café. Würde nur Tiffys biologische Uhr nicht ständig so laut ticken. Als Piet ihr die Tarotkarten legt, sagen diese voraus, dass Tiffy schon bald das Herz eines Arztes für sich gewinnen wird. Wenn damit mal nicht Oberarzt Mattheus gemeint ist, der jeden Morgen vollkommen übermüdet seinen Kaffee bei Tiffy bestellt!

Um Mattheus näher kennenzulernen, meldet sich Tiffy – trotz ihrer Angst vor Blut und Spritzen – als ehrenamtliche Helferin für den Ambulanzbus an. Doch anstatt mit ihrem attraktiven Arzt muss sie die medizinischen Versorgungsfahrten zu der abgelegenen Landbevölkerung mit dem grummeligen und wortkargen Pfleger Alex unternehmen. Mattheus wird nur bei Notfällen dazu gerufen. Zu allem Überfluss durchschaut Alex ihren Plan auch noch sofort. Die Stimmung im Bus ist folglich mies und Tiffy sieht ihre »Mission Traummann« in ernster Gefahr. Denn die Karten lügen nie … Oder etwa doch?

BRITT GERKEN

Kapitel 1

»Da kommt er!«, sang Pieter wie in einem Werbe-Jingle und zeigte mit einer mit Ornamenten verzierten Gebäckzange auf einen Mann, der gerade die Straße überquerte und unser kleines Café ansteuerte.

Ich spürte Wärme in meine Wangen steigen, und mein Puls tanzte Samba bei seinem Anblick.

Unser Kunde betrachtete die ofenwarmen Gebäckstücke, die Pieter eben noch in der Auslage im Schaufenster arrangiert hatte, und massierte sich müde mit einer Hand den Nacken. Abgesehen von der Müdigkeit sah er aus, als würde er in Sankt-Peter-Ording mit einem Surfbrett unter dem Arm dem Meer entsteigen und sich das Salzwasser aus den Haaren schütteln, und nicht wie ein Arzt, der gerade aus der Nachtschicht kam.

»Uh, der Herr Doktor sieht wieder zum Anbeißen aus! Mmh.« Pieter stöhnte genüsslich, als würde er in eines der warmen Puddingteilchen beißen, und legte die Zange beiseite. »Ich verschwinde. Heute redest du mit ihm, hörst du! Schließlich wirst du ihn mal heiraten, da wäre es nicht schlecht, vorher mit ihm ein paar Worte gewechselt zu haben.«

»Bleib hier!«, zischte ich, doch zu spät.

Mein bester Freund war schon kichernd in der Backstube verschwunden, sodass ich allein hinter dem Verkaufstresen stand. Mit butterweichen Knien strich ich mir eine widerspenstige Locke hinters Ohr. Damit kam das Grübchen auf der rechten Wange besser zu Geltung, und ich knipste mein schönstes Lächeln an.

Die Türglocke bimmelte mit meinem Herzen um die Wette, als er eintrat. Er trug eine Biker-Lederjacke über der blauen Krankenhauskleidung, die blonden Haare hatte er in Surfer-Manier nach hinten gekämmt, und die sanfte Sonnenbräune ließ seine meerblauen Augen besonders gut zur Geltung kommen. Doch sein Blick wirkte wirklich müde, der Arme hatte offenbar eine anstrengende Nacht hinter sich.

Auf meiner inneren Leinwand sah ich in blitzschneller Abfolge, wie er auf einem leblosen Körper hockte, diesem vehement auf die Brust drückte und »Wir brauchen Adrenalin!« schrie … Wie er die Hand eines Sterbenden hielt und kurz an der modernen Medizin zweifelte, um dann im nächsten Moment einem Jungen, der aus dem Bettchen gefallen war, den Arm einzugipsen und dem Teddy ein Pflaster auf die Stirn zu kleben, damit der Kleine nicht allein mit seinem Schmerz war.

»Ein Kaasbroodje und …«

»… einen gefüllten Mandelkuchen sowie ein Rosinenbrötchen … Die kommen gerade frisch aus dem Ofen. Dazu einen großen Kaffee zum Mitnehmen mit Milch und doppelt Zucker?«, ergänzte ich seine Bestellung und strahlte ihn an, als müsste ich mit meiner Energie das Weserstadion ausleuchten.

Überrascht hob er die Augenbrauen und sah mir eine süße Sekunde lang direkt in die Augen. Ein winziger Stromstoß rieselte durch meinen Körper, und ich spürte die Hitze in meinem Gesicht erneut aufflammen.

»Bin ich etwa so durchschaubar?« Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel, und er musterte mich, als würde er mich zum ersten Mal sehen, dabei kam er seit Wochen beinahe jeden Morgen zu uns und bestellte stets dasselbe.

Gleich würde er aus der Innentasche seiner Lederjacke ein edel wirkendes Portemonnaie ziehen, mir einen Zehneuroschein reichen und auf das Wechselgeld verzichten. Ich spürte, wie nun auch noch mein Hals und Dekolleté heftig aufglühten. Auf jeder Verkleidungsparty wäre ich ohne viel Aufwand als Hummer durchgegangen, ich hätte mir nur lustige Scheren basteln müssen und das perfekte Kostüm besessen.

Mit flatternden Händen gab ich die bestellten Backwaren in eine Papiertüte mit der Aufschrift Geniet van het leven. Genieße das Leben, das war das Motto des kleinen holländisch anmutenden Stehcafés, in dem ich mit meinem besten Freund Pieter arbeitete und das ihm und seinem Lebensgefährten Hank gehörte.

Pieter hantierte nun hinter mir an der Siebdruckmaschine herum und füllte frische Kaffeebohnen in die Mühle.

»Darf es sonst noch etwas sein?«, zwitscherte ich, obwohl ich genau wusste, dass dem nicht so war. »Vielleicht eine Stroopwaffel dazu? Die haben wir neu im Angebot. Das heißt, wir hatten die ja vorher schon, aber neuerdings stellen wir sie selbst her. Nach einem Originalrezept von Pieters holländischer Oma; das war früher sein Lieblingsgebäck. Seine Oma hat da immer noch Schokoladenstreusel draufgegeben, aber das war uns dann doch zu süß. Wir haben auch eine Variation mit salzigem Karamell, die ist auch megalecker.«

Er antwortete nicht, sondern beobachtete mich weiter mit amüsiert blitzenden Augen.

Dass ich immer so losplappern musste, wenn ich aufgeregt war! Souverän ging echt anders.

Kurz darauf sprang das Mahlwerk der elektrischen Kaffeemühle mit lautem Getöse an.

»Das ist übrigens Pieter!«, schrie ich gegen den Radau an und wies mit dem Daumen hinter mich. »Und ich bin Tiffy!«

Die Mühle gab genau in dem Moment wieder Ruhe. Zum Glück war das Koffiehuis nur so winzig, dass kein Echo meines Namens von den Wänden widerhallte.

Gott, wie peinlich!

Hinter mir zischte und brodelte es, als Pieter die Kaffeebecher befüllte. »Eigentlich heißt sie Tiffany, nach die Boekjes ihrer Mutter; die ist eine berühmte S…srifts…stellerin«, rief er.

Pieter konnte je nach Belieben seinen holländischen Akzent an- und ausschalten. Jetzt hielt er ihn wohl für angebracht, obwohl er ihn bevorzugt – und eher früher – durchaus erfolgreich zum Männeraufreißen einsetzte.

Ich stöhnte leise auf und warf Pieter einen bösen Blick zu, doch er presste ungerührt mit einem breiten Grinsen im Gesicht die Deckel auf die Kaffeebecher.

»Mit Literatur kenne ich mich gut aus, würde ich behaupten. Ich habe selbst ein paar ganz ordentliche Kurzgeschichten zu Papier gebracht. Wenn mein alter Herr mich nicht als Nachfolger seines Chefarztpostens in der Unfallchirurgie vorgesehen hätte, wäre ich wohl auch Autor geworden und in die Fußstapfen von Michel Houellebecq getreten. An der Côte d’Azur, in einem Apartment mit Blick aufs Meer, mit Zigarette im Mundwinkel und einem stets gut gefüllten Glas Rotwein neben der Schreibmaschine.« Er richtete seinen Blick, der in die Ferne abgeschweift war, wieder auf mich und schüttelte für den Bruchteil einer Sekunde den Kopf, als wollte er einen unschönen Gedanken abwerfen. Er zog die Schultern hoch.

»Den lieben langen Tag Leben retten ist doch auch nicht schlecht. Aber sicherlich ganz schön belastend.«

Pieter warf mir einen schnellen Blick zu. Ich musste unwillkürlich lächeln. Pieters Tarotkarten hatten mir nicht nur einen Arzt als neue Liebe prophezeit, sondern uns auch verraten, dass ein dunkler Schatten über ihm lag. Wenn das nur der Wunsch nach der Schriftstellerei war, konnte ich damit sehr gut leben.

»Wie heißt Ihre Mutter denn? Vielleicht habe ich ja etwas von ihr gelesen?«, riss er mich aus meinen Gedanken.

»Ganz sicher nicht. Tiffany – aufregend wie die Liebe … Das war im letzten Jahrhundert mal eine erfolgreiche Taschenheft-Serie. Meine Mutter hat unsere Miete mit dem Schreiben prickelnder Erotik bezahlt«, raunte ich und zog dabei vielsagend eine Augenbraue hoch. »Diese Romane nicht zu kennen zeugt eher von Geschmack und nicht von literarischem Unwissen.«

Er lachte kurz laut auf, und für einen Augenblick schien seine Müdigkeit wie weggefegt. Sein Lachen war warm und herzlich; wenn Herbert, mein Ex-Mann, lachte, klang es immer, als hätte ein Delfin Schluckauf.

»Für seine Eltern kann man ja nun wahrhaftig nichts. Und Geschmack ist eben unterschiedlich. Offenbar mochten ja viele Menschen die Geschichten Ihrer Mutter, daran ist doch nichts Verwerfliches«, sagte er und unterdrückte gleichzeitig ein Gähnen, kniff die Augen zusammen und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel.

Ach Gott, der Arme hatte wohl wirklich eine anstrengende Nachtschicht hinter sich.

»Entschuldigung. Du musst ja hundemüde sein, und ich halte dich mit meinem Geplapper von deinem wohlverdienten Frühstück ab.« Ich schlug mir die Hand vor den Mund.

Genau Tiffy, ganz große Leistung. Ihn direkt zu duzen, nachdem du verstörendes Zeug aus deinem Leben ausgeplaudert hast, ist genau richtig! Oh Gott, wie hochnotpeinlich.

»Entschuldigung, das Du ist mir so rausgerutscht.«

»Kein Problem. Stimmt so«, er reichte mir einen Zehneuroschein über den Tresen und steckte seine Geldbörse zurück in die Innentasche.

»Danke! Und sorry noch mal.« Am liebsten hätte ich ihn nun um Verzeihung für das ständige Entschuldigen gebeten.

Ich schluckte und hörte, wie Pieter ein winziges genervtes Schnauben ausstieß. Er hasste es, dass ich mich dauernd für alles entschuldigte, auch für Dinge, für die ich gar nichts konnte. Er stellte den Kaffeebecher auf den Tresen.

»Ach, das ist nicht das Schlimmste, was ich heute erlebt habe.« Der Doc schenkte mir ein bezauberndes Lächeln, bei dem seine perfekten Zähne kurz aufblitzten, und griff nach seiner Brötchentüte und dem Kaffee. »Ich bin übrigens Mattheus, Mattheus Kamphaus.«

»Äh, ja – genieße das Leben!«, rief ich ihm unser Geschäftsmotto hinterher.

»Danke. Du auch!« Er zwinkerte mir über die Schulter zu und das extra betonte Du schwebte noch im Raum wie ein sinnliches Parfüm, nachdem das Türbimmeln verklungen war.

Wie auf Kommando stürmten Pieter und ich ans Fenster und verrenkten unsere Köpfe. Pieter schob eine meiner selbst gehäkelten Gardinen beiseite, die den Sprossenfenstern den typischen holländisch-gemütlichen Touch gaben. Wie üblich ging unser Kunde mit gesenktem Blick und großen Schritten über die Straße.

»Er hat wirklich einen tollen Hintern«, meinte Pieter und seufzte tief. »Een echt lekker ding.«

»Mhm. Und schöne Augen. Und feine Hände. Richtige Chirurgenhände. Und dieser Mund!«

Wie verzaubert schauten wir dem Arzt hinterher, der sich plötzlich umschaute, als würde er unsere Blicke spüren. Ruckartig ließ Pieter die Gardine los und lachte.

»Oh mein Gott!« Ich fasste mir mit beiden Händen an den Kopf. »Musstest du ihm auf die Nase binden, dass meine Mutter diese grauenhaften Geschichten schreibt?«

»Weiß nicht. Musstest du ihm deinen Namen ins Gesicht brüllen?«

Drei Sekunden lang starrten wir uns an wie zwei hitzköpfige pubertierende Geschwister beim Streit ums letzte Stück Schokolade, doch dann brachen wir beide in schallendes Gelächter aus.

»Schlimmer kann man es nicht versauen, oder?«

Ich wischte mir die Lachtränen von den glühenden Wangen und Pieter tupfte sich die Augen mit einem Zipfel des Geschirrtuchs auf seiner Schulter trocken.

Er legte seinen Kopf in den Nacken und formte mit seinen Händen einen Trichter vor dem Mund. »Du! Ich heiße Tiffy!«, brüllte er. »Deinen Namen wird er jedenfalls nicht vergessen. Was für ein Abgang! Er steht auf dich. Absolut. Er war nicht sauer, du hättest dich nicht zu entschuldigen brauchen. Das musst du dir echt abgewöhnen.«

»Sorry«, sagte ich zerknirscht und bemerkte sofort meinen Fehler. »Oh, tut mir leid.«

»Tiffy, Tiffy, Tiffy, du bist wirklich unbelehrbar. Wie lautet unser Leitspruch?«

»Sei die Heldin deines Lebens, nicht das Opfer«, murmelte ich und hätte mich beinahe wieder dafür entschuldigt, dass ich dieses Motto nicht tief in mir fühlen konnte, denn leider besaß ich eher das Herz eines verschreckten Kaninchens als das einer tapferen Löwin.

Der Ofen piepte und gab mit dramatischer Strenge zu verstehen, dass die Appeltartjes durchgebacken waren.

»Frühstück ist fertig!« Ich eilte in die Backstube und stellte den Timer aus.

»Ich mache uns schnell ein Tässchen Kaffee. Wir haben einiges zu bereden! Mattheus Kamphaus, Sohn des Chefarztes! Volltreffer, mijn liefje.«

»Mattheus«, murmelte ich und schlüpfte in einen feuerfesten Handschuh. Dann öffnete ich die Ofenklappe und zog das Backblech mit den knusprig braunen Mini-Apfelkuchen heraus. Mattheus und Tiffany, wie schön das klang. Es klang nach einem Pärchen, das zu gemeinsamen Abendessen mit Freunden einlud, das Gartenpartys mit interessanten Leuten veranstaltete und sich sozial engagierte. Wollen wir heute Abend zu Mattheus und Tiffy? Es ist doch immer so nett bei ihnen. Ein traumhaftes Paar. Und das Essen erst! Macht sie das wirklich immer alles selber?

Heißer, süßer Dampf schlug mir entgegen und vertrieb meine Träumereien. Die Luft war schlagartig erfüllt von Apfel- und Zimtaromen, die mir zuverlässig das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen. Wie jeden Morgen gab ich je eines der Apfelküchlein auf zwei mit blauen Windmühlen bemalte Teller und häufte daneben einen ordentlichen Klecks dick aufgeschlagener Sahne. Frühstück und Belohnung für die anstrengenden Morgenstunden zugleich, denn mein Arbeitstag begann bereits um drei Uhr nachts. »Appelgebak med slagroom, dat is prachtig!«, versuchte ich es auf Niederländisch und musste kichern, weil es bei mir immer so albern klang.

Pieter bereitete uns in der Zwischenzeit zwei Milchkaffees zu und stellte sie auf einen der schmiedeeisernen Stehtische am Fenster. Ich liebte den Anblick der blau bemalten Tassen, auch wenn sie nur ein preisgünstiges Imitat des traditionellen holländischen Porzellans waren. Doch dieses Geschirr und die mit Blumen und Windmühlen verzierten Kacheln, die wir an den unverputzten Backsteinwänden als Deko angebracht hatten, verliehen unserem Café einen gemütlichen Charme.

Ich nahm meine Tasse in beide Hände und nippte am heißen Braun. Die Türglocke bimmelte und eine junge Frau, bekleidet mit dem grünen Overall einer ortsansässigen Gebäudereinigungsfirma, trat ein. Kurz nach ihr stolperten zwei Kinder mit viel zu großen Schulranzen in den Laden. Hanna und Felix gehörten ebenfalls zu unseren Stammkunden. Die beiden begrüßten mich mit einem Zahnlückengrinsen. Die Kundin im grünen Overall orderte ein belegtes Brötchen, konnte aber dem Duft des frisch gebackenen Apfelkuchens nicht widerstehen und ließ sich ein Stück für den Nachmittagskaffee einpacken.

»Guten Appetit! Und genieße das Leben!«, verabschiedete ich die junge Frau.

»Na, meine beiden Süßen? Was gibt’s Neues?« Ich drückte den Kindern wie jeden Morgen die Papiertüten, in denen sich ihre Lunchpakete befanden, in die Hände. Dieses Mal hatte ich die Gurkenscheiben in Schweinchenform ausgestochen und die Radieschen in Mäuse verwandelt.

Direkt vor dem Café gab es einen kleinen Parkplatz, an dem viele Eltern ihre Kinder, die zur nahe gelegenen Grundschule hinüberspazierten, herausließen. Meine Idee, einen gesunden Imbiss mit Obst, Gemüse und frischen Backwaren anzubieten, wurde zunehmend von gestressten Eltern genutzt, und ich hatte bereits einige Abos dafür abschließen können. Wenn ich mir vorstellte, wie sich die Kinder in der Pause über ihre liebevoll ausgestatteten Lunchpakete hermachten, schwoll mein Herz an vor Glück. Der nette Nebeneffekt war, dass die Kleinen, die ich mittlerweile richtig lieb gewonnen hatte, morgens zu uns in die Bäckerei kamen.

»Frau Müller-Rammstein ist in der Reha. Nun haben wir Frau Möhlmann«, sagte Felix, stöhnte theatralisch und stopfte die Tüte in seinen Ranzen.

»Was ist denn mit ihr?«, fragte ich und öffnete den Deckel eines dickwandigen Bonbonglases, in dem sich eine holländische Fruchtgummi-Lakritz-Mischung befand. Ich zwinkerte ihnen zu, als sie in das Glas griffen.

»Frau Müller-Rammstein ist ausgebrannt und Frau Möhlmann ist voll nett«, nuschelte Hanna mit einer dicken Beule in ihrer Wangentasche, in die sie einen Schaumgummifrosch geschoben hatte.

Felix, dessen Gesicht von Sommersprossen übersät war, verdrehte genervt die Augen. »Ist sie nicht! Nur weil du ein Mädchen bist … Jungs kann sie nicht leiden.« Ein vom Lakritz schwarz gefärbter Speichelfaden rann ihm aus dem Mundwinkel.

»Jungs sind ja auch doof. Tschüss, Tiffy!« Die Kleine stiefelte zur Tür, doch ihr Freund blieb stehen und schielte auf das Bonbonglas. »Kann ich noch einen? Wegen dem Stress und so.«

Ich konnte seinem bezaubernden lakritzverschmierten Zahnlückenlächeln nicht widerstehen und öffnete das Glas ein weiteres Mal für ihn. Beherzt griff er hinein und stopfte sich den Inhalt seiner kleinen Faust, aus der sich nun eine saure Schlange befreite, in eine Hosentasche.

»Du bist voll cool, nicht so wie Frau Möhlmann.«

»Los jetzt, wir kommen zu spät!«, klang es gedämpft von draußen. Hanna klopfte an die Scheibe und wedelte mit den Armen. Felix winkte mir kurz zum Abschied zu, bevor er seiner Freundin hinterherrannte.

»Gott, die sind zum Auffressen, die beiden«, sagte ich zu Pieter, der gerade unsere Kuchenteller auf einen der Stehtische am Fenster stellte.

»Ja, das sind sie.« Er musterte mich mit einem besorgten Blick, denn er wusste, wie sehr ich mir eigene Kinder wünschte und wie stark ich darunter litt, dass meine Ehe zerbrochen war, bevor mein lang ersehnter Wunsch in Erfüllung gehen konnte. Pieter legte eine Hand auf meinem Arm und sah mir tief in die Augen. Er besaß einen dichten Kranz langer Wimpern, für die ihn jede Frau beneidete. Sie verliehen seinen Augen noch mehr Ausdrucksstärke; man konnte kaum den Blick von ihm abwenden. »Hey! Nicht alle Jungs sind doof. So wie dieser Arzt von gerade eben, der ist der Sechser im Lotto! Die Karten lügen nicht. Niemals.«

Pieter hielt sich für einen begnadeten Kartenleger und Hellseher und hatte schon so oft recht gehabt mit seinen Prophezeiungen. Er hatte auch vorausgesagt, dass meine Ehe mit Herbert, dem Star-Immobilienmakler, in einer Katastrophe enden würde, und das war noch vorsichtig ausgedrückt. Als ich in meinem Brautkleid, in dem ich aussah wie eine tuffige Baisertorte, vor den Altar geschritten war, hatte er eine Tarotkarte in die Höhe gezerrt, um mich von diesem Fehler abzuhalten. Auf der Tageskarte, die er für mich gezogen hatte, war ein Bettlerpärchen abgebildet gewesen, das, mit Lumpen bekleidet und mit leerem Blick, vor Gram gebeugt in eine hoffnungslose Zukunft humpelte. Pieter war wohl neben meiner Mutter der einzige Gast unserer Hochzeitsgesellschaft gewesen, der keine Tränen der Rührung, sondern der Verzweiflung weinte, weil er es nicht geschafft hatte, mir diese schicksalhafte Fehlentscheidung auszureden. Dramatische und unangemessene Auftritte meiner Mutter war ich ja gewohnt, damit war ich quasi aufgewachsen, doch Pieter hatte ich viele Monate lang nicht verzeihen können. Umso dankbarer war ich ihm und Hank gewesen, dass sie mich nach der Trennung in ihrem Café einstellten, denn im Immobilienbüro meines Ex-Mannes hätte ich keine Sekunde länger bleiben wollen. Hank, der Singer-Songwriter war, hatte die Gelegenheit genutzt, um mit seiner Band Too old to die young auf Tour zu gehen. Damit hatten sie mir das Gefühl gegeben, mir den Job nicht nur aus Gefälligkeit vermittelt zu haben. Außerdem ließen sie mich mietfrei in dem über dem Koffiehuis liegenden Apartment wohnen.

Ohne die beiden wäre ich mittellos auf der Straße gelandet oder hätte in die Kommune meiner Mutter ziehen müssen. Die Gute machte sich wie eine alternde Pippi Langstrumpf auf ihrem Hof die Welt, »wie sie ihr gefällt«. Vor allem gefielen ihr jugendliche Liebhaber, meistens mittellose Künstler, die sie unbekümmert kommen und gehen ließ, als hätte sie darauf genauso wenig Einfluss wie aufs Wetter.

Bei meiner großen Jugendliebe Herbert hatte ich einst stabilen Halt gefunden, den ich in meiner Kindheit vermisst hatte. Er war einige Jahre älter als ich, hatte damals bereits ein eigenes kleines Unternehmen und fuhr ein schickes Auto. Wie das Selbstverständlichste auf der Welt hatte ich ihn geheiratet und mich in einen goldenen Käfig einsperren lassen, bis er das Türchen geöffnet und mich durch ein jüngeres Vögelchen ersetzt hatte. Dass ich nie gelernt hatte, selbstständig zu fliegen, war ihm vollkommen egal gewesen.

Gar nicht egal allerdings war ihm aus unerfindlichen Gründen unser gemeinsam angeschaffter Hund. Um Kurti, einem Mops-Pudel-Mischling, hatten wir einen erbitterten Kampf geführt, der vor Gericht geendet war, denn man hätte mir alles nehmen können, nicht aber meinen Hund. Außerdem hatte ich genau gewusst, dass Herbert mit ihm nicht gut umging, und ich hatte Angst gehabt, dass er ihn ins Tierheim bringen würde. Der Streit war in einer gerichtlich angeordneten Umgangsregelung gemündet: Ich durfte Kurti jede zweite Woche bei mir haben.

Pieter zog sein Handy aus der Hosentasche. »So! Lass ihn uns googeln.«

Er aß schweigend und mit sichtlichem Vergnügen sein Küchlein und tippte und wischte dabei auf dem Display seines Handys herum.

Ich war ganz kribbelig. Pieter hatte recht, da war wirklich mehr zwischen uns gewesen. Er hatte definitiv mit mir geflirtet! Aber dass ein Mann wie er Single war, konnte ich mir kaum vorstellen. Ich häufte Apfelkuchen auf die Gabel und dippte das Stückchen in die Sahne. Die Äpfel waren fast noch ein bisschen zu heiß, doch die dicke kalte Schlagsahne sorgte dafür, dass sich in meinem Mund ein Feuerwerk an Sinneseindrücken ausbreitete. Kalt und warm, süß und säuerlich, weiche Creme und knuspriger Teig – ich stöhnte vor Wonne auf.

»Wow, der teure Ceylon-Zimt lohnt sich total. Echt köstlich. Kein Vergleich zu den Fertigdingern von denen da drüben.« Pieter sah vom Handy auf und blickte in Richtung Selbstbedienungsbäckerei, die vor ein paar Wochen auf der anderen Straßenseite aufgemacht hatte. »Packungen aufreißen und TK-Ware in den Ofen schieben kann ja jeder. Aber nur so kannst du auch günstige Preise machen. Und schau mal, wie die da wieder Schlange stehen. Hier gibt es echt leckere Sachen. Hallo-u!«, rief er mit holländischem Akzent und klopfte an die Scheibe.

Ich legte die Gabel beiseite und hob meine Kaffeetasse zum Mund. »So, Mr. Holmes, was hat deine Recherche ergeben?«

Pieter grinste mich an, trank seinen Milchkaffee und leckte sich den Milchschaum von der Oberlippe. »Volltreffer. Er ist der Sohn von Chefarzt Dr. Dr. Lambert Kamphaus, Oberarzt in der Notaufnahme und passionierter Golfspieler in einem exklusiven Club am Zwischenahner Meer. Und … Hemeltje!« Er gackerte lauthals los und knallte seine Tasse auf die Untertasse. »Nutten und Koks auf dem Dach der Hafenklinik! Das Netz ist voller Artikel in dem Stil.«

»Ach ja, ich erinnere mich, das habe ich in der Zeitung gelesen … Ist aber ein paar Monate her, oder? Dort oben wurde eine wilde Orgie gefeiert, ein Rettungshubschrauber konnte nicht landen und musste auf einen anderen Landeplatz ausweichen; sie haben es sich aber nicht nehmen lassen, aus der Vogelperspektive Bilder zu machen. War das seine Party?«

Pieter gackerte weiter vor sich hin wie ein Huhn mit Legenot. »Junge, Junge, das nenne ich mal einen vierzigsten Geburtstag. Die haben echt nichts ausgelassen.«

Er hielt mir das Display unter die Nase, und ich warf einen schnellen Blick auf viel nackte Haut, wollte aber keine Details anschauen.

Pieter scrollte weiter und pfiff dann durch die Zähne.

»Was denn noch?«

Er machte eine dramatische Pause, in der er mich begeistert anschaute.

»Mach’s nicht so spannend!«

»Er ist Single!«

»Das kann man so googeln? Steht das einfach so im Internet?« Mir war kaum eine Technik richtig geheuer, und ich mied sie, so gut ich konnte. Ich war wohl die Einzige in meinem Alter, die noch im Örtlichen Telefonnummern nachschlug, Bahnkarten am Schalter kaufte und Überweisungen am Bankschalter regelte. Ich hatte ein Mobiltelefon, mit dem ich telefonieren und SMS verschicken konnte, doch einen Internetzugang besaß das Teil nicht. Dafür hielt eine Akkuladung tagelang.

Ich schob mir ein weiteres Stück Kuchen in den Mund.

»Vor ein paar Wochen gab es in dem Golfclub eine Wohltätigkeitsveranstaltung, bei der es eine Junggesellenversteigerung gab. Und eine gut situierte Lady hat wohl ihr Scheckheft weit geöffnet und ihn für einen Abend ersteigert.« Er zeigte mir lachend ein Bild, auf dem Mattheus mit einem verrutschten Lächeln und eine ältere Dame mit ledriger Claudia-Effenberg-Bräune und grellem Lippenstift auf den gebleckten Zähnen in die Kamera schauten.

»Ach je, der Arme«, sagte ich mit vollem Mund.

»Allerdings, aber es war ja für eine gute Sache. Der Erlös ging an einen Ambulanzbus, der über Land fährt und die Versorgung der ländlichen, vor allem betagten Bevölkerung sicherstellen soll. Aha, und er sitzt am Steuer. Sehr fotogen. Und sehr pressetauglich. Da versucht wohl jemand, seinen Ruf wiederherzustellen.« Kichernd scrollte er weiter durch die Einträge. »Und guck mal, auf den letzten Fotos bei Instagram ist er immer allein oder mit Freunden abgebildet. Und sehr brav.«

Er hielte mir erneut das Display unter die Nase. Er zeigte mir einige Aufnahmen, auf denen Mattheus beim Sport, auf Reisen oder auf dem Fahrersitz eines Kleinbusses mit herausgestrecktem Daumen zu sehen war. Aber immer war er ohne eine Frau an seiner Seite. Meistens lächelte er, doch auf manchen Bildern wirkte er geradezu traurig.

»Ah! Hier, das ist wohl seine Verflossene. Der letzte Post mit ihr ist von letztem Weihnachten.« Auf dem Foto posierten Mattheus und eine brünette Schönheit, beide herzhaft lachend, das Glück sprang einem förmlich entgegen. Sie hielt einen rosafarbenen Schokoladenweihnachtsmann mit Glitzerschleife in die Kamera, er das männliche Pendant mit Sonnenbrille und Hosenträgern. Ich wischte mit dem Finger über den Bildschirm und betrachtete die Pärchenfotos.

Ich verspürte einen kleinen Stich. Die Frau war mir, was die Attraktivität anging, um Längen überlegen, da konnte ich nicht mithalten. Die Fotos von ihr im Bikini hätten in jedem Bademodenkatalog abgedruckt werden können. Bilder von mir in dieser Lage taugten eher für die Vorher-Fotos bei Vorher-Nachher-Dokus in Modezeitschriften, wobei ein Nachher bei mir trotz Sport und guter Ernährung bislang niemals eingetreten war. Sie schienen viele Monate sehr glücklich gewesen zu sein, aber seit den Weihnachtsgrüßen war in seiner Fotogalerie keine Spur mehr von ihr zu sehen.

Ich reichte Pieter sein Handy zurück.

»Ha!«, stieß er kurz danach aus. »Liana Schulte heißt die Gute. Kinderärztin in der Klinik und liiert mit dem Kinderkardiologen Peter Grüttner. Sie haben Ostern geheiratet. Aua.«

»Ach herrje. Nach Weihnachten getrennt und Ostern schon mit dem Neuen verheiratet? Kein Wunder, dass Mattheus so traurig auf den Bildern aussieht. Der arme Kerl.«

Ich wusste genau, welchen Qualen er ausgesetzt gewesen sein musste. Der beißende Schmerz, als auf einmal eine andere Frau mit dickem Babybauch auf dem Beifahrersitz in unserem auf Familienzuwachs ausgerichteten Auto saß, hatte mich wochenlang nicht verlassen. Doch nun keimte ein kleiner Gedanke in mir auf. Womöglich hatte er nach dieser Erfahrung die Nase voll von hübschen Püppchen und wollte nun etwas Charakterfesteres, eine Bindung, die nicht nur auf Optik basierte.

Ich dippte einen Finger in die geschmolzene Sahne auf meinem Teller und zog nachdenklich Spiralen durch die Zimtspuren. Mir gefiel die Vorstellung durchaus, die Frau eines Arztes zu sein. In meiner Fantasie bügelte ich bereits seine blütenreinen Kittel und sorgte dafür, dass er den Rücken frei hatte, um sich voll und ganz seinen Patienten zu widmen. Abends würde er nach einem von mir frisch gekochten Abendessen bei einem Glas guten Rotwein von schwierigen Fällen und glücklichen Ausgängen berichten.

Ich lutschte die Zimtsahne vom Zeigefinger.

»Hallöchen!« Pieter stupste mich an. »In welcher Sphäre schwebst du gerade?«

Ich schluckte eine Entschuldigung hinunter, verschwieg ihm aber den Inhalt meines Tagtraumes. Verlegen trank ich den mittlerweile erkalteten Kaffee aus und räumte unser Geschirr zusammen. »Womöglich hat er gar kein Interesse an mir, ich meine, wie lange kommt er schon morgens zu uns? Und tat ja heute geradezu so, als würde er mich zum ersten Mal sehen. Ich habe nur Angst, mich wieder in etwas zu verrennen.«

»Was sollen die Zweifel? Du hast den ersten großen Schritt gemacht, du hast seine Aufmerksamkeit geweckt. Deinen Namen vergisst er jedenfalls so schnell nicht mehr.«

»Bei mir hat es ganz ordentlich geknistert«, gab ich zu und spürte die Hitze in meinen Wangen aufflammen.

»Nun heißt es dranbleiben!«

»Was meinst du? Soll ich ihm etwa auflauern?«

»Nein, natürlich nicht. Dabei würdest du dir ja sowieso vor Angst ins Höschen machen.«

Er strich sich leise lachend durch seinen Dreitagebart. Er hatte recht. Abenteuer waren etwas für andere, mir machte alles Neue eher Angst. Das war die Kehrseite der Medaille, wenn man zu viel Fantasie hatte und sich die absurdesten Möglichkeiten in bunter Farbpracht ausmalte. Meine Komfortzone umhüllte mich wie ein warmer, kuscheliger Mantel, ohne den ich mich schutzlos und ausgeliefert fühlte. Am liebsten hätte ich, dass alles für immer und ewig so bliebe, wie es war. Deshalb hatte ich auch Herberts muffige Tennissocken, die er stets neben statt in den Wäschekorb warf, viel zu lange ertragen. Dennoch: Das Schicksal hatte mich hierher in dieses bezaubernde Café, mit den netten Kunden, an die Seite meines besten Freundes geschickt, und der Rest würde sich fügen.

»Die kosmische Energie wird schon dafür Sorge tragen, die füreinander bestimmten Herzen zueinanderzuführen. Warte nur ab und vertraue auf das Universum. Die nächste Gelegenheit wird kommen, und dann schnappst du zu!«

»Deine Zuversicht hätte ich gern.« Ich seufzte tief und ging in die Küche. »Wenn es mit ihm nicht klappt, werde ich eben mit dir und Hank alt und grau.«

Pieter folgte mir und lachte laut auf. »Wenn du weiter nach den Rezepten meiner Oma backst, hat er sicher nichts dagegen.«

Ich sah ihn schief an, dabei war die Vorstellung alles andere als schlimm. Wenn ich ehrlich war, fühlte ich mich jetzt schon viel glücklicher, als ich es jemals in meiner Ehe gewesen war.

Er zog mich in seine muskulösen Arme. »Hey! Alles kommt in Ordnung«, flüsterte er in meine Haare. »Schließlich bist du cooler als Frau Möhlmann!«

Kapitel 2

Ungeduldig wippte ich auf den Fußsohlen und schaute immer wieder zur Eingangstür. Tag vier, an dem mein Tarot-Prinz am Morgen nicht aufgetaucht war.

Eine Horde Kinder stürmte lärmend unseren Laden, darunter auch meine beiden kleinen Lieblingskunden Felix und Hanna. Ich teilte die Lunchpakete aus, notierte mir die Namen und ließ die Kleinen in das Süßigkeitenglas greifen, doch mein Blick wanderte immer wieder über die Köpfe hinaus zum Eingang.

»Hanna! Warte mal! Du hast ein Haargummi verloren«, rief ich ihr hinterher. Ich bückte mich und hob das mit roten Plastikkirschen verzierte Haarband auf. Hanna stellte sich mit dem Rücken zu mir, ich griff ihre weichen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und befestigte das Gummi daran. Hanna roch so gut nach Vanilleshampoo, am liebsten hätte ich meine Nase in ihre Haare gedrückt.

»Schreibt ihr heute das Diktat?«, fragte ich, und Hanna nickte, dass ihr Zopf nur so wippte.

»Dann wünsche ich euch, dass es nicht so schwer wird.«

»Danke schön!«, sagte Hanna artig und ging zur Tür.

Felix stand noch am Verkaufstresen und schielte hoch zu dem Bonbonglas.

»Du, Tiffy?«, quengelte er mit herzergreifend verzogenem Gesicht, das wohl die pure Verzweiflung ausdrücken sollte. »Ich habe heute wieder sehr viel Stress! Da brauche ich noch mehr Nervennahrung. So heißt das doch, oder?«

Lachend fuhr ich ihm durch die strubbeligen Haare und öffnete das begehrte Süßigkeitenglas noch einmal.

»Warum heißt du eigentlich Tiffy, Tiffy?«, fragte Felix und fischte sich ein saures Gummitier heraus.

»Weil meine Mutter mich so genannt hat. Tiffany Melody, um genau zu sein.« Ich schraubte den Deckel wieder zu, stellte die Bonbonniere auf ihren Platz auf dem Tresen und half Felix, den schweren Ranzen aufzusetzen.

»Komischer Name.«

»Ja«, seufzte ich. »Der ist wirklich ungewöhnlich. Aber Felix ist ein schöner Name.«

»Und Hanna?«, fragte das Mädchen, die abmarschbereit in der Tür stand und sie aufhielt.

»Sehr schön!«

»Aber Felix findest du am schönsten, oder?« Felix zog mit dem Mund das Ende einer Lakritzschnecke ab, kaute darauf herum und sah mich erwartungsvoll an.

Ich hockte mich hin und wickelte ihm den grün-weiß gestreiften Werder-Bremen-Fanschal um den Hals, der ihm heruntergerutscht war. Diesen Schal trug er zu jeder Jahreszeit. Ich erinnerte mich an das Drama, als er eines Morgens bemerkte, dass er den Schal zu Hause vergessen hatte. »Den Namen finde ich am schönsten für einen Jungen und Hanna am schönsten für ein Mädchen, okay? Und nun ab mit euch!«

Ich richtete mich auf, drehte mich um und schaute plötzlich in das lächelnde Gesicht von Mattheus, der, von mir unbemerkt, das Café betreten hatte. Schlagartig schoss mir das Blut in die Wangen und mein Herz fing wie wild an zu schlagen. Vor allem, weil sich eine Frau vertraulich bei ihm eingehakt hatte. Sie war hochgewachsen wie er und wirkte skandinavisch gesund, selbst die sanften Wellen ihrer blonden Haare erschienen beneidenswert natürlich.

Ich musste unwillkürlich seufzen. Es gab Locken. Schöne Locken, die sich niedlich kringelten und lustig beim Gehen wippten. Und es gab dieses widerspenstige Zwischending wie das rötliche Gestrüpp auf meinem Kopf, für das Anti-Frizz-Produkte erfunden wurde und das sich weigerte, Schoko-Karamellbraun oder Haselnuss-Blond als neue Farbnuance zu akzeptieren. Obwohl ich gerade nicht in Geld schwamm, gab ich doch einen beträchtlichen Anteil für Haarpflegeprodukte aus. Ich glaubte an die Werbeversprechen, dass aus dem Gewirr aus Haaren ein schimmernder Wasserfall gezaubert werden konnte, der sich genauso sanft über die Schultern ergoss wie bei der Dame, die an Mattheus’ Arm hing.

»Du? Tiffy?« Felix zupfte an meiner Schürze und riss mich aus meinen Gedanken. Er stand mit gerunzelter Stirn vor mir und schaute von einer meiner Brüste zur anderen. Ich sah, wie er mit seinen Zweitklässler-Lesekünsten zu entziffern versuchte, was dort aufgestickt war.

»Steht da rechts und links auf Holländisch auf deinen Möpsen?« Er sah mich aus seinen Kulleraugen so treuherzig an, dass ich ihm für die Frage nicht böse sein konnte.

Die Begleitung von Mattheus gluckste, und auch er schien ein Lachen zu unterdrücken. An meinen Wangen hätte man ein Streichholz entflammen können, so sehr brannten sie nun vor Scham.

»Äh, nein. Dort steht Geniet van het leven! Das heißt: Genieße das Leben!« Ich griff die Schürze und zog sie von meinen Körperrundungen weg, sodass sie glatt abstand. Sie war anthrazitfarben, und unser Motto war darauf in Hellrot eingestickt und eigentlich ganz hübsch. Pieter sah darin mit seinem athletischen Körper sexy aus, doch an mir hing das Kleidungsstück, abgesehen von den beschrifteten Ausbeulungen, bis zum Schienbein hinunter, und ich fühlte mich neben Mattheus’ Begleitung wie ein rotwangiges Zwergenweib.

»Ach so. Kommt Kurti heute?«

Apropos Möpse. Genau das nannte man wohl einen Gedankensprung. »Ja, heute fängt die Kurti-Woche an.«

»Juhu! Tschüss, Tiffy!« Felix flitzte hinaus, da Hanna ihn bereits nervös herbeiwinkte. »Ich finde deinen Namen schön! Und dich auch!«

»Danke, bis morgen!«, rief ich ihm nach und wusste nicht, wo ich vor Scham hinblicken sollte.

»Süße Racker«, sagte die hübsche Blondine und musterte unsere Auslage. »Du hast recht, Mattheus, das sieht alles fantastisch aus hier!«

Pieter trat aus der Backstube an den Tresen, wischte sich gerade die Hände an einem Geschirrtuch trocken und fing meinen verzweifelten Blick auf. »Guten Morgen!«, sagte er.

Der Tag hatte so schön angefangen, und nun hätte ich weinen mögen. Ich verschwand mit gesenktem Kopf in der Backstube.

So hatte ich mir unser Wiedersehen nicht vorgestellt. Pieter und ich hatten die letzten Tage damit verbracht, uns auszumalen, wie es mit Mattheus und mir weitergehen sollte. Zunächst war ich sehr euphorisch gewesen, doch mit jedem weiteren Morgen, an dem er nicht auftauchte, hatte mich mehr und mehr die Verzweiflung gepackt. Pieter hatte dazu am Vorabend ausführlich seine Karten befragt und eine eindeutige Antwort bekommen: Es würde sich alles fügen, eine Zukunft mit mir und dem Arzt stand nichts im Wege, wir brauchten das Schicksal nur machen zu lassen, alles würde sich von allein ergeben. Hurra!

Und nun das.

Da tauchte mein Herzblatt wieder auf, und ich blamierte mich bis auf die Knochen. Und dann hing da auch noch diese Schönheit an seinem Arm. Ich sah unsere Kinder und Kurti auf unserem imaginären zweimastigen Segelboot langsam abtreiben und am Horizont verschwinden. Den Tränen nahe machte ich mich daran, die nächste Fuhre Brotteig anzusetzen. Unser softes Vollkornbrot mit der knackigen Kruste fand immer mehr Liebhaber, und alles war meistens mittags schon ausverkauft. Brotteig profitierte davon, wenn man ihn heftig durchknetete und darauf herumboxte. Je mehr Luft man hineinprügelte, umso fluffiger wurde er später. Meinen ganzen Scheidungsfrust hatte ich bereits in die Teige hineingehämmert, und die Qualität der Brote dankte es mir. Auch jetzt donnerte ich meine Fäuste in den Teig, dass das Mehl nur so umherstob.

»Wir nehmen auf jeden Fall vier von diesen dort, die sehen ja sehr lecker aus«, hörte ich die Frau sagen.

Das so selbstverständlich ausgesprochene »Wir« versetzte mir einen kleinen Stich.

»Wie viel wird es denn insgesamt?«, fragte Pieter.

»Tja, was meinst du? Acht Kuchenstücke und acht belegte Brötchen?«

Mattheus brummte etwa Unbestimmtes als Antwort.

»Gibt es was zu feiern?«, fragte Pieter.

»Allerdings!« Ich hörte das Lächeln in ihrer Stimme. »Meinen Abschied! Heute gibt es ein letztes Frühstück auf Station. Noch ein paar Schichten, und dann bin ich weg und studiere Medizin in Freiburg.«

»Ihren Abschied!«, rief Pieter betont laut. »Für einen Ausstand sind Drentse Kontjes