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Beschreibung

Erzählungen, die erheitern, wärmen und ans Herz gehen, für die schönste und hellste Zeit im Jahr. Vierzehn Lieblingsautorinnen haben ihre berührendsten Weihnachtsgeschichten aufgeschrieben und ihre festlichsten Rezepte gesammelt. Leise Musik klingt über verschneite Landschaften, Gemütlichkeit erfüllt die Wohnzimmer, es wird geplant und gebastelt, gebacken und verpackt. Wenn die Weihnachtszeit anbricht, zieht eine ganz besondere Stimmung in die Leben und Herzen ein, und es ereignen sich kleine und große Wunder. Es ist die Zeit, Geschichten zu erzählen. Die Geschichte der kleinen Johanna, die an Weihnachten das Geheimnis von warmen Pfeffernüssen und Freundschaft erfährt. Die Geschichte einer unwahrscheinlichen Liebe, die in einer Hütte in Dänemark wahr wird. Die Geschichte der Menschen aus dem kleinen Bücherdorf, die sich am Heiligen Abend an einem Ort begegnen, wo niemand die Anderen erwartet hätte. Oder die Geschichte der Seemänner, die weit weg von ihren Familien, gestrandet in einem fremden Land, ein ganz besonderes Weihnachtsfest erleben. Berührende Weihnachtsgeschichten, liebevoll aufgeschrieben und gesammelt für ein herzerwärmendes Weihnachtsbuch. Und am Ende wird alles gut. Denn am Ende wird Weihnachten sein. Mit Geschichten von Inken Bartels, Julie Caplin, Rebekka Eder, Micaela A. Gabriel, Miriam Georg, Liv Helland, Katharina Herzog, Manuela Inusa, Sandra Lüpkes, Kira Mohn, Kristina Moninger, Kelly Moran, Ines Thorn und Lena Wolf. 

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Seitenzahl: 362

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Lea Daume (Hg.)

Ein ganzes Herz voll Weihnachten

Geschichten und Rezepte für die schönste Zeit im Jahr

 

 

Über dieses Buch

Weihnachten ist ein Gefühl ...

Wenn die Weihnachtszeit anbricht, zieht eine ganz besondere Stimmung in die Leben und Herzen ein, und es ereignen sich kleine und große Wunder. Es ist die Zeit, Geschichten zu erzählen.

Die Geschichte der kleinen Johanna, die an Weihnachten das Geheimnis von warmen Pfeffernüssen und Freundschaft erfährt. Die Geschichte einer unwahrscheinlichen Liebe, die in einer Hütte in Dänemark wahr wird. Die Geschichte der Menschen aus dem kleinen Bücherdorf, die sich am Heiligen Abend an einem Ort begegnen, wo niemand die anderen erwartet hätte. Oder die Geschichte der Seemänner, die weit weg von ihren Familien, gestrandet in einem fremden Land, ein ganz besonderes Weihnachtsfest erleben.

Vierzehn Lieblingsautorinnen haben ihre schönsten Weihnachtsgeschichten aufgeschrieben und dazu ihre festlichsten Rezepte gesammelt. Erzählungen, die erheitern und ans Herz gehen, wärmen und berühren. Und am Ende wird alles gut. Denn am Ende wird Weihnachten sein.

Impressum

Alle weihnachtlichen Lieblingsrezepte unserer Autorinnensind als Rezeptsammlung auf der Rowohlt-Website zu finden:

www.rowohlt.de/adventsrezepte

 

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Oktober 2022

Copyright © 2022 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

Christiane Steen übersetzte den Beitrag «Ein Koffer voller Weihnachten» von Julie Caplin.

Vanessa Lamatsch übersetzte den Beitrag «Haileys allerschönstes Weihnachtsgeschenk» von Kelly Moran.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

Covergestaltung Hafen Werbeagentur, Hamburg

Coverabbildung Shutterstock

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-644-01528-9

www.rowohlt.de

 

Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.

Inhalt

Julie Caplin

Ein Koffer voller Weihnachten 9

Englische Adventskranz-Pavlova 37

Rebekka Eder

Der Geschmack von Pfeffernüssen 39

Thielemanns Pfeffernüsse 66

Manuela Inusa

Weihnachtszauber in Lake Paradise 67

Sadies Christmas Crumble 87

Kira Mohn

PS: Frohe Weihnachten 89

Vanillekipferl fürs Herz 111

Kelly Moran

Haileys allerschönstes Weihnachtsgeschenk 113

Weihnachtsbowle und Schneeflocken-Plätzchen 129

Katharina Herzog

Weihnachten im kleinen Bücherdorf 131

Nanettes leckerer Winter-Pimm’s 155

Miriam Georg

Gestrandet vor Island 157

Herzerwärmender isländischer Jólaglögg 183

Inken Bartels

Weihnachten in Nordernby – oder: Feste feiern, wie sie fallen 185

Wildragout mit Rosmarin-Nudeln à la Jette 207

Kristina Moninger

Das Liebkuchenparfüm 209

Taras Lebkuchenparfait 237

Sandra Lüpkes

Aller Augen warten 239

Ostfriesische Neujahrskuchen 253

Micaela A. Gabriel

Das Reichstags-Baby 255

Schlesische Mohnklöße nach Oma Faber 274

Lena Wolf

Nikolaus 2.0 – oder: Glauben versetzt Berge 277

Inas Lebkuchen-Chutney 302

Liv Helland

Stürmische Weihnachten im Inselkrankenhau 303

Nordfriesische Teestangen 324

Ines Thorn

Freude schenken 327

Christas Weihnachtskaffee 341

Die Autorinnen 343

Julie Caplin

Ein Koffer voller Weihnachten

Übersetzt von Christiane Steen

Mit einem Glas Champagner in der Hand auf meinen Flug nach London wartend in der First Class Lounge am Flughafen Charles de Gaulle zu sitzen, war nicht gerade der perfekte Zeitpunkt, um zu erfahren, dass meine Wochenendpläne soeben geplatzt waren.

Und es wurde auch nicht besser, als ich sechs Stunden später allein und niedergeschlagen in meinem Hotelzimmer ankam und feststellen musste, dass einer meiner Koffer vertauscht worden war – der mit der großen rosa Schleife am Griff. Um genau das zu vermeiden, hatte ich die Schleife extra am Koffer befestigt, weil ja jeder weiß, dass es ungefähr eine Million schwarze Handkoffer auf der Welt gibt. Wie konnte das blöde Ding einfach verschwinden? Mir fiel ein, dass die Schleife zu Hause bereits locker gewesen war und ich sie eigentlich hatte neu festbinden wollen, doch dann war sie vermutlich irgendwann während des Fluges abgefallen. Wie konnte man nur so ein Pech haben?

Ich beäugte den Inhalt des Koffers, der ganz offensichtlich nicht mir gehörte. Keine Spur von meiner teuren Unterwäsche, von meinem Make-up oder meinen Designerschuhen. Dieser Koffer sah aus, als gehöre er jemandem, den die Modewelt vergessen hatte. Obenauf lag ein Paar graue Pantoffeln aus Wolle, die den ersten Preis als hässlichste Pantoffeln der Welt, nein, des Universums verdient gehabt hätten. Darunter eine flauschige Bettjacke aus Velours. Eine Bettjacke! Ich meine, ernsthaft, wer trug denn bitte Bettjacken? Daneben lag eine grellgrüne Schaumstoff-Kniematte. Alles war noch mit Etiketten versehen, es musste sich also um Geschenke handeln – zumal sich auch noch eine Rolle weihnachtliches Geschenkpapier sowie mehrere Dosen Kekse und Geschenksets mit Olivenöl und Essig, aromatisierte Gins und Tonics sowie Körperlotion und Badeöl im Koffer fanden. Ziemlich sicher handelte sich bei dem Kofferbesitzer nicht um eine attraktive aufstrebende junge Fernsehmoderatorin um die dreißig, sondern um jemand Uraltes. Und ganz offensichtlich hatte ich dessen Weihnachtsgeschenke mitgenommen.

Ich schüttelte den Kopf und schaute auf den Adressanhänger. Christopher Hamilton. Immerhin hatte er die Weisheit besessen, seine Handynummer mit aufzuschreiben. Ich stellte mir einen Mann über sechzig vor, und nach seinem Kofferinhalt zu urteilen, besaß er nicht besonders viel Fantasie und ohne Zweifel überhaupt keinen Kleidergeschmack. Er trug vermutlich ein Flanellhemd unter einem selbst gestrickten Pullunder und dazu eine formlosen Chinohose, die schon bessere Tage gesehen hatte. Oh Gott. Wenn das die Weihnachtsgeschenke für seine Frau waren, dann hatte sie mein tiefstes Mitgefühl.

Entnervt wählte ich die Nummer vom Adressschild.

«Ja», blaffte eine Stimme.

«Guten Abend. Spreche ich mit Mr. Hamilton?»

«Dr. Hamilton.»

Das erklärte vieles.

«Dr. Hamilton, ich glaube, ich habe hier Ihren Koffer.»

Ich hörte einen tiefen Seufzer. «Und wieso glauben Sie das?»

«Vielleicht», sagte ich übertrieben geduldig, «weil Ihr Name auf dem Kofferanhänger steht und darin Gegenstände sind, die ganz sicher nicht mir gehören.»

«Ich verstehe nicht, wie das passiert sein soll», sagte er unwirsch. «Ich hatte meinen Koffer die ganze Zeit bei mir.»

Ich verdrehte die Augen – bestimmt war er schon etwas altersverwirrt. Bemüht höflich fragte ich: «Wohnen Sie eventuell im Astoria Mayfair?»

«Nein, da war ich gestern. Ich bin heute Nachmittag abgereist.»

Da war die Erklärung. Bei meiner Ankunft an der Hotelrezeption herrschte Chaos, alles war voller Leute, die auschecken wollten; darum hatte ich meine Sachen bei der Concierge gelassen und erst mal einen Tee in der Lounge getrunken, bevor ich einchecken konnte.

«Und wo sind Sie jetzt?»

«Ich bin in Burford.»

«In den Cotswolds!», rief ich aus. Ich kannte den Ort gut. Burford war eine hübsche Stadt, meine geschiedenen Eltern lebten beide in der Nähe.

«Nun, es ist zwar schön zu wissen, dass Sie mit der englischen Geografie vertraut sind, aber ich wüsste nicht, wieso Sie …» Er unterbrach sich, dann hörte ich einen unterdrückten Fluch. «Sind Sie Miss A. Baines?»

«Allerdings. Ich schätze, Sie haben meinen Koffer.»

«Es scheint so.» Natürlich entschuldigt er sich nicht. «Verdammt. Sie haben all meine Weihnachtsgeschenke für die Familie. Und ich bin bis Heiligabend auf einer Konferenz, da kann ich nicht weg … Ich muss schauen, ob mein Hotel Ihnen Ihren Koffer bringen kann, und Sie könnten mir meinen schicken lassen.»

Das Letzte, wozu ich Lust hatte, war, mich mit Kurieren herumzuschlagen. Mit einem Seufzer wischte ich meinen Frust beiseite. Eigentlich war doch alles halb so schlimm. Heiligabend war bereits in zwei Tagen. Ich hatte für zwei Wochen gepackt, sodass sich in meinem größeren Koffer fast alles fand, was ich brauchte.

«Wie es der Zufall will, reise ich zu Heiligabend nach Burford», sagte ich. «Ich könnte Ihnen den Koffer also vorbeibringen und meinen abholen.»

«Wirklich? Das wäre großartig. Mein Terminkalender ist komplett voll, das wäre mir also eine große Hilfe. Ich bin hier der Hauptreferent. Und die nächsten beiden Tage sind für mich ziemlich hektisch.»

«Sie Glücklicher. Meine Pläne wurden alle gecancelt.» Warum auch immer ich ihm das erzählte. Vielleicht aus Selbstmitleid: Meine beste Freundin Adrienne, die eigentlich von ihrer Kochschule in Irland hatte einfliegen wollen, hatte einen familiären Notfall und konnte nicht kommen.

Ich hörte eine laute, sehr rüstige und muntere Stimme im Hintergrund. «Christopher! Wie schön, Sie zu sehen!»

Plötzlich sagte Dr. Hamilton ins Telefon: «Das ist ja wirklich schade, Angela. Was ist denn passiert? Ich bin sicher, ich kann da etwas tun.» Der plötzliche Stimmungswandel brachte mich völlig aus dem Konzept. Auf einmal klang er richtig nett. «Entschuldigen Sie, Martin», sagte er, offenbar an den Mann im Hintergrund gewandt, «ich telefoniere gerade. Gehen Sie doch ruhig schon mal vor.»

«Sie kommen aber gleich nach, ja?», fragte Martin.

«Geben Sie mir noch zwei Minuten. Entschuldigen Sie, Miss Baines», sprach er jetzt wieder ins Telefon, «was haben Sie gerade gesagt?»

«Ich heiße Avril, und interessiert Sie das wirklich, oder wollen Sie bloß nicht mit Mr. Gesund und Munter reden?», fragte ich grinsend.

«Letzteres. Definitiv.»

Ich lachte. «Sie möchten also, dass ich weiter mit Ihnen plaudere.» Ich goss mir ein Glas Wein aus der Minibar ein.

«Absolut», sagte er betont begeistert. «Also, wie sahen Ihre Pläne denn aus?»

Die Vorstellung, ihn vor einem dieser lauten, nervigen Kollegen zu retten, gefiel mir irgendwie. Hatten wir nicht alle schon mal mit ihnen gearbeitet? «Ich wollte ein paar Tage mit einer Freundin in London verbringen», spielte ich mit, «aber sie musste in letzter Minute absagen.»

«Was kann ich Ihnen zu trinken mitbringen, Christopher?» Wieder diese laute Stimme.

«Machen Sie sich keine Umstände, Martin, ich bin noch eine Weile am Telefon.»

«Sie Schwindler», sagte ich lachend. So langsam fand ich Gefallen an der Sache. Und ich hatte ja auch gerade nichts Besseres vor. «Eigentlich wollte ich heute Abend Cocktails oben in The Shard trinken und dann in einem hübschen Restaurant am Borough Market zu Abend essen.»

«Das klingt wundervoll.»

«Das meinen Sie doch nicht ernst.»

«Doch, das tue ich.»

«Was ist denn Ihr Lieblingscocktail?»

«Pornstar Martini», antwortete er.

«Christopher!», bellte der andere Mann wieder.

«Ja. Wirklich? Das ist ja toll!», sagte Christopher mit plötzlicher Begeisterung. Ich stellte mir vor, wie er sich das Handy ans Ohr presste und dem nervigen Mann ein Zeichen gab, dass es noch dauerte.

«Wissen Sie überhaupt, was ein Pornstar Martini ist?», neckte ich ihn und überlegte, wie alt er wohl tatsächlich sein mochte. Auf jeden Fall besaß er Sinn für Humor.

«Keine Ahnung», meinte er fröhlich.

«Kann ich Sie etwas fragen?»

«Sie können mich alles fragen. Ich bin nur zu gern behilflich.» An seiner Stimme konnte ich hören, dass er überaus gewillt war, sich noch eine Weile ablenken zu lassen. Es gab mir das Gefühl, nützlich zu sein, was meinem angekratzten Ego einen kleinen Boost verpasste, so ganz allein und ohne Freundin in London, wie ich gerade war.

Ich ging hinüber zum Fenster und schaute über die Skyline von London. Das Hotel lag direkt am Themseufer, und auf der anderen Flussseite konnte ich die Lichter des London Eye und weiter östlich verschiedene Hochhäuser sehen, die den nächtlichen Himmel beleuchteten.

«Die Pantoffeln, für wen sind die?»

«Für meine Tante. Warum?»

«Wie alt ist Ihre Tante denn?»

«Sie ist zweiundvierzig. Eine sehr späte Nachzüglerin nach meiner Mutter.»

«Zweiundvierzig? Sie machen wohl Witze. Diese Pantoffeln sind wirklich nicht altersgemäß.»

Er lachte amüsiert. «Ich hatte keine Ahnung, dass Pantoffeln eine Altersbeschränkung haben.»

«Sehr lustig. Was für eine Sorte Zweiundvierzigjährige ist sie denn?»

«Was für Sorten gibt es?»

«Was macht sie beruflich? Was gefällt ihr?»

«Wieso ist das wichtig?»

«Ich versuche, mir ein Bild zu machen. Um herauszufinden, ob die Pantoffeln für die Tante angemessen sind.»

Dr. Hamilton seufzte. «Meine Tante leitet eine PR-Firma in London, sie ist ziemlich einflussreich.»

Ich verschluckte mich beinahe an meinem Wein. «Und Sie haben ihr diese Pantoffeln gekauft? Ach, du große Güte.»

«Was ist falsch an denen?»

«Nichts, wenn man einhundertunddrei Jahre alt ist.»

«Oh.» Er klang ernsthaft enttäuscht. Der Arme. «Ich dachte, sie wollte Pantoffeln.»

Auf einmal fühlte ich mich mies, dass ich sein Geschenk so schlechtgemacht hatte. Er war sicher richtig stolz auf sich gewesen, weil er so organisiert war. Die meisten Männer, die ich kannte, rannten erst an Heiligabend in Panik los. Mein Vater gehörte auch dazu, und für seine geldgierige neue Frau funktionierte das tatsächlich sehr gut. Er kaufte ihr einfach lächerlich teuren Schmuck, den sie direkt nach Weihnachten wieder zurückbrachte, um ihn zu nötigen, ihr etwas noch Teureres zu kaufen.

«Hören Sie», sagte ich. «Ich habe nichts zu tun. Ich könnte doch für Sie einkaufen gehen und etwas Passenderes besorgen.»

Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen.

«Entschuldigung, ist das irgendwie schräg?»

«Nicht schräg, aber … na ja, meinen Sie das ernst?»

«Ja», sagte ich begeistert. «Ich liebe Shoppen, und es wäre eine echte Herausforderung für mich.» Diese Frau brauchte glamouröse Pantoffeln im Stil der 40er-Jahre mit kleinen Absätzen und Marabu-Federn auf der Schuhspitze. «Und wo ich gerade dabei bin: Für wen ist diese Bettjacke?»

«Meine Mutter», sagte er zögerlich. «Was stimmt mit der Bettjacke nicht?»

Ich schüttelte den Kopf. Mit einer Bettjacke konnte nie irgendwas stimmen. Er brauchte eine helfende Hand. «Ich finde was Besseres. Denn wie gesagt, ich bin allein in London!» Ich versuchte, den erneuten Anflug von Selbstmitleid aus meiner Stimme rauszuhalten. Ich hatte mich so auf diese Reise gefreut. Adrienne war eine meiner besten Freundinnen, und ehrlich gesagt war es mir in Paris bisher ziemlich schwergefallen, Freunde zu finden. Ich hatte dort einen Job als Fernsehmoderatorin bei einem obskuren englischsprachigen Sender angenommen, ohne darüber nachzudenken, dass ich in Paris keine Menschenseele kannte.

«In diesem Fall …» Er schwieg eine Weile, dann sagte er mit herausfordernder Note in der Stimme: «Die Lieblingsfarbe meiner Mutter ist Veilchenblau.»

«Verstanden.» Ich freute mich, dass er auf meinen Vorschlag einging. «Und die Kniematte?», fragte ich mit sanfter Stimme, denn ganz im Ernst, wer kaufte irgendwem eine Kniematte? Wenn man sich die Knie nicht schmutzig machen wollte, dann kaufte man doch wenigstens eine ordentliche Gartenhose, um Himmels willen.

«Die ist für meinen Vater.»

«Und welche Größe hat er?»

«Sie stellen seltsame Fragen. Er ist eins zweiundachtzig und trägt Größe 48. Was ich deshalb weiß, weil er es andauernd betont. Er erzählt jedem, dass er immer noch dieselbe Größe trägt wie vor dreißig Jahren, als er meine Mutter geheiratet hat.»

«Sie sind schon dreißig Jahre verheiratet? Wow. Das ist beeindruckend. Meine Eltern sind jeweils zum dritten Mal verheiratet. Und ich glaube, meine Mutter wird sich demnächst wieder scheiden lassen», sagte ich und verzog das Gesicht. Drei Nächte bei meiner Mutter über Weihnachten und dazu ein paar Pflichtbesuche bei meinem Vater und seiner neuen Frau waren nicht gerade meine Vorstellung von Spaß, aber es war immerhin besser, als allein in meiner Wohnung in Paris zu sitzen.

«Das muss schwierig sein. Für Sie, meine ich.»

Ich zuckte die Achseln, auch wenn er das nicht sehen konnte. «Ist Ihr Stalker weg?», wechselte ich das Thema.

«Meinen Sie Martin? Ich glaube, ich bin ihn erst mal los. Danke für Ihre Hilfe. Ich kann jetzt unbesorgt auflegen, denke ich.»

Am nächsten Morgen trotzte ich dem kalten Wetter und machte mich mit beschwingtem Schritt auf den Weg zu Harrods, überzeugt, meine Einkaufsziele dort erreichen zu können. Als Erstes legte ich einen Stopp in der Lebensmittelabteilung ein, deren Verlockungen ich nie widerstehen kann. Als erfahrene Einkäuferin schlängelte ich mir den Weg durch die Menschenmassen bis zur Schokolade, wo sich in einer Auslage kunstvoll gefertigte Pralinen reihten wie Soldaten bei einer Parade. Pastellfarbene Macarons füllten ganze Regale, Stapel mit goldgeprägten Schachteln türmten sich in jeder Ecke, und der sündhaft süße Duft von Kakao erfüllte die Luft. Von dort aus ging ich in die Patisserie-Abteilung, wo fein gearbeitete Torten mit bunter Glasur und farbigen Füllungen die Geschmacksnerven der Passanten reizten, verziert mit Nüssen, Fruchtpürees und Blattgold. Mit schneeweißem Zuckerguss und hübschen silbernen Bändern verzierte Weihnachtskuchen standen in Schachteln zum Kauf bereit, während sich Blechdosen mit Shortbread, auf denen Bilder der englischen Königsfamilie, Doppeldeckerbusse und Telefonzellen prangten, an jeder Ecke türmten. Schließlich ging ich durch die ägyptischen Themenräume zu den Rolltreppen, vorbei an riesigen Teddybären in der berühmten grün-goldenen Uniform des Kaufhauses bis zur Weihnachtsdekoration. Weihnachten war ohne meine jährliche Pilgerreise zu Harrods einfach nicht vollständig. Jedes Jahr fügte ich meiner Weihnachtsbaumschmuck-Sammlung ein neues Stück hinzu. Heute dauerte es über eine Stunde, bis ich mich für ein Rentier aus Filz mit einer kleinen roten Knopfnase entschieden hatte.

Danach fuhr ich hinauf in die Wäsche- und Schuhabteilung, auf der Suche nach glamourösen Pantoffeln und etwas Verführerischerem als Dr. Hamiltons flauschiger Bettjacke.

Bei den Hausschuhen wurde ich fast sofort fündig: Kitten-Heels aus blassrosa Samt mit passendem Marabu-Besatz und Strass-Schleife. Sie waren perfekt, wenn auch ein bisschen teuer. Ich hatte mit Dr. Hamilton noch gar nicht über das Budget gesprochen. Aber egal. Er konnte sie ja jederzeit zurückbringen, wenn er sie nicht haben wollte, wobei ich mir wirklich keinen Grund vorstellen konnte, warum das der Fall sein sollte. Sie waren einfach toll.

In der Wäscheabteilung hatte ich keinen Erfolg – es gab zwar einige hübsche Bademäntel, aber nichts in Veilchenblau. Dennoch deprimierte mich das kein bisschen. Ich hatte schließlich noch den Rest des Tages Zeit und schon ein paar Boutiquen im Sinn.

Eine Stunde später, inzwischen hatte ich mich tapfer durch die Menschenmassen in der U-Bahn gekämpft, bog ich vom Leicester Square auf den Covent Garden ab. Auf dem gepflasterten Platz wimmelte es nur so von Einkäufern, und es duftete nach Mince Pies, Schokolade und Maronen. Riesige Silberkugeln an Mistelzweigen schmückten den Apple Market, und an jedem Eingang standen altmodische Karren voller roter und grüner Weihnachtssterne, verziert mit Samtgirlanden. Ein riesiger Weihnachtsbaum beherrschte den Platz vor der mit glitzernden Lichtern geschmückten Schauspielerkirche St. Paul’s, und vor den Türen des Royal Opera House standen zwei lebensgroße Nussknacker. Ich bog in eine der kleinen gepflasterten Seitenstraßen ab, in denen sich die unabhängigen Boutiquen reihen. Undercover verkaufte exquisite Seiden- und Spitzenunterwäsche, und ich war sicher, dass ich hier genau das Richtige für Dr. Hamiltons Mutter finden würde. Etwas, in dem sie sich nicht wie eine altbackene Herzogin fühlen würde. Ganz bestimmt wollte keine Frau, egal welchen Alters, eine Velours-Bettjacke zu Weihnachten. Das perfekte Geschenk ist etwas, von dem der Beschenkte nicht weiß, dass er es sich gewünscht hat, bis er es in den Händen hält.

Das Schaufenster war inspiriert von Frozen und mit wunderschöner Wäsche aus fliederfarbener Seide, Camisoles aus lavendelfarbenem Satin und weißer Spitze, French Knickers, Korsetts, Hemdchen und Bustiers gefüllt. Drinnen fand ich genau das Richtige: einen hauchzarten Seidenmantel in einem wunderschönen Blau, das an Glockenblumen im Frühling erinnerte. Der Stoff glitt durch meine Finger, als ich ihn berührte, und ich wusste einfach, dass ich ihn kaufen musste.

Beladen mit Einkäufen, hielt ich ein schwarzes Taxi an, sank auf den Rücksitz, ruhte meine müden Füße aus und fuhr zurück zum Hotel. Wäre ich mit Adrienne unterwegs gewesen, hätten wir noch irgendwo auf einen Cocktail angehalten, aber allein hatte ich keine Lust. Plötzlich deprimierte mich die Aussicht auf einen einsamen Hotelabend mit Zimmerservice.

«Dr. Hamilton?»

«Hallo. Wie war Ihr Tag?»

Überrascht von seiner freundlichen Stimme ließ ich mich in meinem Hotelzimmer aufs Sofa sinken. «Er war okay», gab ich zu.

«Sie Glückspilz. Meiner war sterbenslangweilig. Aber heute Abend muss ich mich zusammenreißen. Keine Pornstars für mich. Ich muss morgen Vormittag die Hauptrede halten.»

Ich kicherte. «Sie meinen Pornstar Martinis.»

«Die auch.»

«Wissen Sie, was da drin ist?»

«Ja, das weiß ich tatsächlich. Ich habe heute gegoogelt. Passionsfruchtpüree, Vanille-Wodka, Limettensaft und Prosecco. Normalerweise trinke ich lieber Bier vom Fass.»

Ich schauderte. Natürlich tat er das. Einen Moment lang hatte ich ganz vergessen, dass ich ja gar nicht wusste, wie alt er war – tranken nicht alle alten Männer Bier vom Fass? Seine Stimme war eigentlich recht attraktiv …

«… aber um meinen Horizont zu erweitern, wäre ich bereit, einen zu probieren.»

«Das ist sehr mutig von Ihnen», witzelte ich.

«Oh ja, so bin ich», sagte er fröhlich. «Ich breche immer wieder aus meiner Komfortzone aus.» Die Art, wie er das sagte, ließ darauf schließen, dass er mit seiner Komfortzone ganz zufrieden war.

«Also, was haben Sie heute Abend vor?», fragte er. «Ich werde Martin nicht aus dem Weg gehen können. Ich sitze beim Abendessen neben ihm. Gott, er redet ununterbrochen. Meine Mutter meint immer, ich sei etwas langweilig, aber sie sollte ihn mal kennenlernen.»

«Für mich gibt es Abendessen vom Zimmerservice», seufzte ich. «Was mich daran erinnert, dass ich meine Reservierung stornieren sollte. Wir wollten eigentlich ins Dishoom gehen.»

«Oh, das liebe ich. Da müssen Sie unbedingt hin. Waren Sie schon mal da?»

«Nein. Ich wollte es schon lange ausprobieren.»

«Sie sollten wirklich hingehen.»

«Aber nicht alleine.»

«Warum nicht? Nehmen Sie ein Buch mit. Oder tun Sie so, als wären Sie in irgendwas auf Ihrem Handy vertieft.»

«Hm, vielleicht», sagte ich, wohl wissend, dass ich auf keinen Fall allein in ein Restaurant gehen würde. Das würde mich wie eine komplette Loserin aussehen lassen. Die traurige Frau, die keine Freunde hat – was ja wohl auch stimmte. Theoretisch hatte ich zwar durchaus Freunde, aber niemanden, der mir wirklich nahestand. Ich hatte in den letzten Jahren zu viel gearbeitet, um Freundschaften zu pflegen.

«Gehen Sie hin», drängte Dr. Hamilton. «Wie wäre es, wenn ich Ihnen digital Gesellschaft leiste?»

«Das geht doch nicht.»

«Warum nicht? Ich werde mich heute Abend zu Tode langweilen. Mir gefällt die Vorstellung, hier und da heimlich eine Nachricht zu schreiben.»

«Hat Ihre Frau denn nichts dagegen, dass Sie einer Fremden schreiben?»

«Sie sind keine Fremde, Sie sind meine persönliche Einkäuferin. Und ich habe keine Frau. Was kann denn schon passieren? Oder sind Sie etwa feige?»

«Ich bin nicht feige!», antwortete ich empört.

«Genießen Sie das Abendessen. Es wird sehr viel besser sein als mein Standard-Konferenzessen mit Hühnchen, glasierten Kartoffeln und zu Tode gekochten Möhren.»

Ich genoss das Abendessen wirklich. Verletzt von seinem Vorwurf, ich sei zu feige, allein zu essen, und ebenso genervt von der Aussicht, einsam in meinem Hotelzimmer hocken zu müssen, hatte ich ein langes heißes Bad genommen, mir ein Kleid angezogen und mich geschminkt.

Das Restaurant war auf kleine indische Gerichte spezialisiert, und alles auf der Speisekarte klang köstlich, sodass ich die Qual der Wahl hatte. Während ich die Karte studierte, vibrierte mein Handy. Ich nahm es dankbar in die Hand, denn ich fühlte mich doch ein wenig unsicher so allein.

 

Nehmen Sie unbedingt das Black Daal nach Art des Hauses. Die Gunpowder potatoes sind auch gut.

 

Ich lächelte. Offenbar zweifelte Dr. Hamilton nicht daran, dass ich im Restaurant war.

 

Habe mich dann doch für Kentucky Fried Chicken entschieden.

 

Nein, das haben Sie nicht. Sie klingen nicht wie der Fast-Food-Typ. Ich habe den Eindruck, Sie wissen die schönen Dinge im Leben zu schätzen.

 

Da haben Sie recht. Das tue ich, und es ist mir auch gar nicht peinlich.

 

Schon oft hatten Menschen mir vorgeworfen, ich sei zu anspruchsvoll. Und ja, ich hatte Ansprüche. Ich wusste, was ich wollte, und ich kümmerte mich darum, dass ich es auch bekam. Manchmal fanden die Leute das anstrengend. Vor allem männliche Freunde. Aber ich glaubte nun mal an meinen eigenen Wert. Und wenn ich mich nicht um mich selbst kümmerte, wie konnte ich dann von anderen erwarten, dass sie es taten? Ich hatte selbst miterlebt, wie meine Mutter und mein Vater sich für ihr emotionales Wohlergehen auf andere verließen – und was daraus wurde.

 

Guten Appetit.

 

Ich ließ mir Zeit für mein Abendessen. Seine Empfehlungen waren perfekt, ebenso wie der Chili-Brokkoli-Salat, verfeinert mit Pistazien und Gewürzen, und die Masala-Garnelen, die an den Rändern leicht angebrannt waren. Ich trank einen herrlich frischen Weißwein, und seltsamerweise genoss ich es richtig, allein dazusitzen und die Kellner zu beobachten, allesamt freundlich und aufmerksam, für die es anscheinend von enormer Bedeutung war, dass es mir gut ging, und die mich stets im Auge behielten, während sie von Tisch zu Tisch eilten. Ich hatte Spaß daran, mir Gedanken über die anderen Gäste zu machen. War die Familie mir gegenüber vielleicht wegen eines besonderen Geburtstags in der Stadt? Das Paar in den Dreißigern, das etwas unbeholfen miteinander umging, hatte bestimmt ein Blind Date. Die beiden jungen Frauen neben mir wirkten wie gute Freundinnen, die sich seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatten. Sie redeten nonstop. Ich war ein bisschen neidisch auf sie, aber auch stolz auf mich.

Als ich die Rechnung bestellte, hatte ich tatsächlich das Gefühl, etwas erreicht zu haben. Ich hatte alleine in einem Restaurant gegessen. Schon bedauerte ich all die Abende in Paris, an denen ich nicht ausgegangen war. Das würde ich in Zukunft ändern. Vielleicht würde ich es mir sogar zur Gewohnheit machen, beschloss ich, als der Kellner mir in meinen Mantel half und mich kokett anlächelte. Ich lächelte zurück und schlenderte aus dem Restaurant.

Danke, dass Sie mich überredet haben herzukommen. Ich hatte ein wunderbares Essen.

 

Ich schickte die Nachricht ab und öffnete die Minibar, um eine kleine Flasche Prosecco herauszunehmen. Es war erst neun Uhr, und ich hatte noch keine Lust, ins Bett zu gehen.

Dr. Hamilton antwortete sofort.

 

Immerhin eine von uns. Mein Huhn war praktisch ungenießbar. Und jetzt muss ich es in dieser Bar noch eine halbe Stunde mit dem Idioten Martin und den anderen aushalten.

 

Lächelnd betrachtete ich mein Handy und drückte spontan die Anruftaste.

«Guten Abend.»

«Hallo, Dr. Hamilton. Ich habe mich gefragt, ob Sie gerettet werden wollen.»

«Nein, das ist ja furchtbar. Natürlich kann ich sprechen. Einen Moment bitte.» Ich hörte, wie er sich bei seinen Begleitern entschuldigte. «Sie retten mir das Leben», sprach er dann wieder ins Telefon. «Ehrlich, ich könnte vor Langeweile sterben. Wenn ich mich wenigstens betrinken dürfte, würde das die Sache etwas erträglicher machen, aber ich brauche morgen einen klaren Kopf. Es gibt tatsächlich ein paar bedauernswerte Leute, die an dem interessiert sind, was ich zu sagen habe.»

«Worum geht es denn bei Ihrer Konferenz?»

«Cyberkriminalität und Sicherheit. Alles furchtbar langweilig.»

«Da möchte ich Ihnen nicht widersprechen.»

Er lachte. «Sie sind sehr direkt. Das gefällt mir.»

Ein wohliger Schauer lief über meine Haut. «Das sieht nicht jeder so.» Ich dachte wieder an den Stempel ‹anspruchsvoll›, der mir so oft anhaftete.

«Ich bin nicht jeder.»

Ich spürte, wie mein Magen eine kleine Drehung vollführte. Ja, gut, arrogante Alphamännchen hatten es mir nun mal angetan. Dr. Hamilton hörte sich immer interessanter an …

«Ich sollte jetzt auflegen», sagte ich hastig.

«Das ist aber schade», sagte er, und seine Stimme senkte sich bedauernd, was bei mir den einen oder anderen Schmetterling aufflattern ließ.

«Nun, morgen ist ein anstrengender Tag. Für uns beide.»

«Was haben Sie denn vor? Ich dachte, all Ihre Pläne seien abgesagt.»

«Ich wollte im Somerset House Schlittschuh laufen», platzte ich heraus, ohne nachzudenken. Seit wann hatte ich denn vor, Schlittschuh laufen zu gehen? Es war total touristisch, nicht im Geringsten cool, und ich hatte es nur mal angedacht, um Adrienne einen Gefallen zu tun, die unbedingt dorthin wollte.

«Das ist eine tolle Idee. Schön für Sie. Ich bin ziemlich neidisch. Ich wäre lieber dort als hier. In diesem Hotel kommt wirklich keine Weihnachtsstimmung auf. Im Vergleich zu der Dekoration hier ist der Minimalismus die reinste Kunsthandwerksbewegung.» Ich hörte Stimmen im Hintergrund. «Oje, man ruft nach mir. Ich muss leider auflegen. Viel Spaß beim Schlittschuhlaufen. Ach ja, und wir müssen noch unsere Kofferübergabe planen.» Er lachte. «Ich komme mir vor wie ein Spion aus dem Kalten Krieg. Wo sollen wir uns treffen?»

Ich überlegte kurz. «Es gibt leider nicht viele Cocktailbars in Burford, und wir werden kaum einen Pub finden, der Pornstar Martinis serviert.»

Er lachte wieder, und ich merkte, dass ich ihn gerne zum Lachen brachte. «Ich könnte ausnahmsweise auf die Cocktails verzichten.»

«Wie wär’s dann mit dem Lamb Inn in der Nähe der Hauptstraße? Sagen wir 19.30 Uhr?»

«Perfekt. Und woran erkenne ich Sie?», fragte er.

«Ich werde einen Trenchcoat und eine Baskenmütze tragen», sagte ich und stellte mir mich als geheimnisvolle Mata-Hari-Figur vor.

«In Ordnung. Ich werde eine Ausgabe der Times bei mir tragen und einen Homburg-Hut.»

«Haben Sie wirklich einen Homburg-Hut?»

«Ja, tatsächlich. Ist das ein Problem?» Es klang neckend, und ich war nicht sicher, ob mir das gefiel.

«Ich weiß nicht», sagte ich knapp. «Ich lasse es Sie dann wissen.»

Ich hörte fast, wie er schmunzelte, und wieder spürte ich dieses kleine Kribbeln in meinem Bauch. «Ich muss auflegen», sagte ich.

«Gute Nacht, schlafen Sie gut.»

Nachdem ich aufgelegt hatte, starrte ich noch ein paar Minuten auf das Telefon. Man konnte sich doch unmöglich in jemanden verlieben, nur weil er eine schöne Stimme hatte – eine Stimme, die Dinge zum Leben erweckte, von denen man glaubte, sie seien schon vor langer Zeit eingeschlafen. Oder doch? Dr. Hamilton, der Cyber-Computerfreak, zugegebenermaßen unspezifischen Alters, konnte unmöglich mein Typ sein. Allein nach seinen Einkäufen zu urteilen, musste er mindestens mittelalt sein und geradezu eine Allergie gegen guten Geschmack haben. Ich nahm einen großen Schluck von meinem Prosecco. Es war eindeutig zu lange her, dass ich ein Date oder Sex gehabt hatte. Um ehrlich zu sein, hatte ich seit zwei Jahren die Nase voll von gelegentlichen Treffen und führte das Leben einer Nonne, während ich an meiner Karriere arbeitete. Vielleicht sollte ich mich im neuen Jahr ein bisschen mehr anstrengen, Leute in Paris kennenzulernen.

Nachdem ich den ganzen Vormittag auf der Eisbahn im prächtigen Innenhof des Somerset House herumgeschlittert war, der tatsächlich ein London vergangener Zeiten heraufbeschwor, kehrte ich mittags ins Hotel zurück, um meinen Koffer und den von Dr. Hamilton zu packen, den ich zusätzlich mit den Geschenken füllte, die ich für ihn eingekauft hatte. Dann machte ich mich auf den Weg nach Paddington, um den Zug nach Charlbury zu nehmen, was mehr oder weniger der nächste Bahnhof vor Burford war. Meine Mutter hatte sich bereit erklärt, mich vom Zug abzuholen, und von ihrem Haus in der Stadt war es nur ein kurzer Spaziergang zum Lamb Inn.

Das Zentrum von Burford mit seinen honigfarbenen Häusern, von denen einige noch aus der Tudorzeit stammten, brachte mich immer zum Lächeln. Von allen Cotswold-Städten war dies mein Lieblingsort. Die mit Flechten gesprenkelten Schieferdächer zogen sich in einer gezackten Linie den Hügel hinauf, und die Lichter in den gemauerten Kuppelfenstern warfen einen sanften goldenen Schein auf die Steinmauern.

Auch der Pub zählte zu meinen Lieblingsorten, mit seinen Steinfliesen und alten Holzbalken. Und da saß ich nun bei einem Gin Tonic in einer gemütlichen Nische und ärgerte mich immer noch über die Ankündigung meiner Mutter, dass sie spontan am ersten Weihnachtstag auf die Bahamas fliegen würde. Ich war so weit gereist, um sie zu sehen, und sie ließ mich einfach im Stich! Zu allem Überfluss hatte mein Vater ein Haus voller Gäste und konnte mich nicht auch noch bei sich unterbringen. Falls ich ganz verzweifelt sei, könnte ich am zweiten Weihnachtsfeiertag aber bei ihnen Mittag essen. Na toll. Ich nahm einen Schluck von meinem Gin. Verdammte Weihnachten.

Während ich das Eis in meinem Glas schwenkte, sah ich einen sehr attraktiven Mann Ende dreißig mit strahlend blauen Augen in den Pub kommen. Unwahrscheinlich, dass er Christopher Hamilton war. Das wäre wohl zu viel erwartet. Er ging direkt zur Bar, um einen Drink zu bestellen, und meine Laune verfinsterte sich wieder. Keine Spur von einem Homburg oder der Times. Ich seufzte, stellte mein Glas auf den hübschen Untersetzer und sah erst wieder hoch, als sich die schwere Holztür erneut öffnete und ein hochgewachsener, gebückter Mann mit unauffälliger Kleidung eintrat. Er sah genauso aus wie ein Dr. Hamilton. Ich schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, woraufhin er ziemlich verständnislos dreinschaute und zu einer Gruppe von Leuten in der Ecke hinüberging. Der attraktive Mann mit den blauen Augen allerdings schlenderte zu mir herüber.

«Ist dieser Platz besetzt?»

Eine Sekunde lang breitete sich Enttäuschung in meiner Brust aus, und ich wollte schon sagen, dass ich auf jemanden wartete, aber dann fiel es mir auf. Seine Stimme.

«Dr. Hamilton?», fragte ich überrascht. Diesen tiefen und, wie ich fand, sehr sexy klingenden Tonfall würde ich überall wiedererkennen.

«Was hat mich verraten?» Er setzte sich. «Ich trage keinen Homburg.»

Ich hob eine Augenbraue. «Wir haben ja schon öfter miteinander gesprochen. Ich habe Ihre Stimme erkannt.»

«Ah, ja, natürlich.» Er schenkte mir ein Lächeln, seine blauen Augen tanzten vor Belustigung, und ich spürte dieses wohlige Flackern der Anziehung tief in meinem Bauch.

«Ich habe nie gefragt, wie Ihre Rede gewesen ist», sagte ich schnell.

«Niemand ist eingeschlafen. Ich betrachte das praktisch als Triumph.»

Trotz seiner selbstironischen Worte war mir klar, dass Dr. Christopher Hamilton den Saal höchstwahrscheinlich in Atem gehalten hatte. Ich hatte genug erfolgreiche Menschen interviewt, um das Selbstvertrauen zu erkennen, das mit Talent und Intelligenz einhergeht. Aus irgendeinem Grund spürte ich einen Anflug von Schüchternheit. Ich starrte in meinen Gin.

«Vielen Dank, dass Sie meinen Koffer mitgebracht haben», sagte er, und das war genau das Richtige. Er war offenbar der perfekte Gentleman. «Wie gut, dass Sie die Verwechslung rechtzeitig bemerkt haben. Ich hätte den Koffer erst heute Abend aufgemacht, und dann wäre es zu spät gewesen.»

Ich nickte und war plötzlich dankbar, dass er meinen Koffer nicht geöffnet und meine Unterwäsche entdeckt hatte. Ich fragte mich, was er wohl davon gehalten hätte, und spürte, wie ich errötete, was mir überhaupt nicht passte. Dieser Mann hatte irgendetwas an sich, das mich aus dem Konzept brachte.

«Ich wollte sowieso herkommen», sagte ich. «Obwohl sich jetzt herausgestellt hat, dass es tatsächlich besser gewesen wäre, in London zu bleiben. Wie es aussieht, werde ich nämlich ganz allein zu Hause sein, nicht einmal ein Truthahn wird mir Gesellschaft leisten.»

«Ich dachte, Sie wollten Weihnachten bei Ihrer Familie verbringen?»

«Meine Mutter hat beschlossen zu verreisen und damit auch gleich die Lieferung des Weihnachtsessens abgesagt. Morgen gibt es für mich gebackene Bohnen, und zwar zum Frühstück, Mittag- und Abendessen.»

«Das ist hart. Sie können unmöglich zu allen drei Mahlzeiten Bohnen essen.» Nachdenklich lehnte er sich zurück. «Warum kommen Sie nicht zu uns zum Abendessen? Wir essen am ersten Weihnachtstag immer erst um sechs, und meine Mutter ist der Meinung, je mehr Gäste, desto besser. Sie würde sich sehr über Ihren Besuch freuen.»

Ich musste laut lachen. So etwas konnte auch nur ein Mann sagen. Seine Mutter wäre bestimmt entsetzt. Meine Mutter jedenfalls wäre außer sich, wenn ich spontan Gäste einladen und ihren makellos gedeckten Tisch durcheinanderbringen würde.

«Ich bin mir nicht sicher, ob ‹freuen› das richtige Wort ist», sagte ich.

«Unsinn. Sie müssen kommen. Sie kennen immerhin praktisch schon die ganze Familie, nachdem Sie all die Weihnachtseinkäufe erledigt haben. Und falls nicht genug zu essen da ist, dann können wir ja auch hier hingehen. Die Gerichte sind ausgezeichnet, auch wenn ein Pub wie dieser sicher nicht Ihr übliches Lokal ist.»

«Bin ich denn so eine Primadonna?», fragte ich amüsiert, weil er sich offenbar schon ein Bild von mir gemacht hatte. Und er hatte tatsächlich recht. Ich mochte den Pub sehr, aber zum Abendessen würde ich viele andere Lokale vorziehen. Ich hatte nur vorgeschlagen, dass wir uns hier treffen könnten, weil es so günstig lag.

«Ja», sagte er, «aber ich finde es ganz bezaubernd.»

Ich hob eine Augenbraue und überlegte, ob er mich auf den Arm nehmen wollte.

Doch er nickte bekräftigend. «Starke, intelligente Frauen sind eine viel bessere Gesellschaft.»

«Sehr geschickt, Dr. Hamilton. Wirklich geschickt.»

«Das sollte ein Kompliment sein», sagte er mit schiefem Grinsen und griff nach der Speisekarte. Ich betrachtete ihn einen Moment und war mehr als angetan. Auch mir gefielen starke, intelligente Männer.

Trotz intensiver Blicke und einiger schamloser Flirtversuche meinerseits war er während des Essens der perfekte Gentleman. Was wirklich schade war, wie ich fand, als er mich gegen elf zu meiner Mutter zurückbrachte.

«Wir sehen uns dann morgen», sagte er, und obwohl ich gehofft hatte, dass zwischen uns eine gewisse Anziehung bestand, gab er mir nicht einmal einen Kuss auf die Wange.

«Fröhliche Weihnachten!», wurde ich an der Tür mit strahlendem Lächeln begrüßt. «Sie müssen Avril sein. Ich bin Dorothy, die Mutter von Christophe.»

«Christophe? Ich dachte, er heißt Christopher.»

«Das tut er auch. Wir nennen ihn bloß alle Christophe. Er ist gerade mit dem Hund draußen. Kommen Sie doch rein. Möchten Sie einen Drink?»

«Das wäre wunderbar, und danke für die Einladung.» Ich folgte ihr in einen gemütlichen Flur. «Ich hoffe, es macht Ihnen keine Umstände.»

«Ganz und gar nicht. Christophe hält sich ja immer so bedeckt. Es ist das erste Mal, dass er jemanden mit nach Hause bringt. Wir freuen uns wirklich sehr, Sie kennenzulernen.»

«Oh nein, wir …»

«George, Patty, das ist Avril», sagte sie zu einem Mann und einer Frau, die in der Tür zum Wohnzimmer standen. «Das sind mein Mann und meine Schwester.»

Hinter ihnen tummelten sich Cousins, Cousinen, Neffen und Nichten, sie alle winkten und lächelten. Ich würde mir niemals all ihre Namen merken können.

«Gehen Sie mit Patty in die Küche, sie wird Ihnen etwas zu trinken geben», sagte Dorothy. «Wir haben alle Pornstar Martinis, Christophe hat sie uns gezeigt. Er hat darauf bestanden, dass wir sie heute trinken. Und ich bin jetzt schon praktisch süchtig danach.»

Ich folgte der äußerst glamourösen Patty in die Küche.

«Ja, Sie haben unseren Christophe richtig umgekrempelt», sagte sie und nahm einen silbernen Cocktailshaker zur Hand. «Wir haben in diesem Jahr alle die tollsten Weihnachtsgeschenke bekommen.»

«Nicht wahr?», warf George ein und nahm einen Schluck von seinem leuchtend orangefarbenen Cocktail.

«Also ich habe die tollsten Hausschuhe bekommen.» Patty lachte herzlich. «Zum Glück hat er mir aber auch noch ein vernünftiges Paar gekauft. Es gibt nichts Besseres, als am Ende des Tages die Absätze abzustreifen und in schöne, bequeme Hausschuhe zu schlüpfen, nicht wahr?»

Ich starrte sie an.

«Ich habe eine Latzhose für die Gartenarbeit bekommen.» George grinste. «Ich sehe zwar aus wie ein Teletubby, aber sie ist sehr gemütlich», sagte er fröhlich. «Dennoch, die Kniematte ist das, was ich wirklich wollte. Meine armen alten Knie sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Und Dorothy war ganz begeistert von ihrem Bademantel.»

«Das bin ich wirklich», meldete seine Frau sich zu Wort. «Dadurch fühle ich mich weniger wie eine alte Dame. Obwohl er in diesem Haus nicht sehr praktisch ist. Es ist so zugig, dass eine kuschelige Bettjacke genau das Richtige für mich ist, wenn ich morgens noch im Bett lesen will. Aber zum Glück habe ich die ja auch bekommen!»

Ich sah Christopher in der Tür stehen. Er betrachtete mich amüsiert. Mit einem Taktgefühl, wie es nur enge Verwandte haben, verschwanden die drei und ließen mich mit ihm allein zurück.

Ich schluckte einen Kloß hinunter. «Sie haben meine Hilfe mit den Geschenken gar nicht wirklich gebraucht, oder?» Ich kam mir wie eine Idiotin vor. Christopher hatte die Geschenke aus Liebe gekauft, nicht um irgendwen zu beeindrucken. «Sie wollten mir damit einen Gefallen tun, stimmt’s?»

«Sie haben es angeboten», sagte er schlicht.

«Bestimmt haben Sie sich darüber köstlich amüsiert.»

Er runzelte die Stirn, kam hastig durch die Küche und stellte sich direkt vor mich. Plötzlich umfassten seine Hände mein Gesicht, seine hellblauen Augen leuchteten vor Aufrichtigkeit, und noch etwas anderes lag darin, das ein Kribbeln über meine Haut schickte.

«Ganz und gar nicht. Ich fand Sie reizend. Sie haben einem völlig Fremden Ihre Hilfe angeboten. Bestimmt, direkt, freundlich. Ich … ich finde Sie einfach wunderbar.» Er unterbrach sich, sah mir in die Augen, und ich spürte mein Herz schnell in meiner Brust schlagen. Wieder musste ich schlucken, und meine Hände wurden ein wenig feucht. Noch nie hatte mich jemand wunderbar oder freundlich genannt. Aber er mochte auch, dass ich direkt und bestimmt war. Ich schenkte ihm ein zittriges Lächeln und schloss die Augen, als er seinen Mund auf meinen senkte.

Es war der wundervollste Kuss, und als wir uns schließlich voneinander lösten, konnte ich ihn bloß überrascht ansehen.

«Mum, Patty und Dad haben sich wahnsinnig über ihre Geschenke gefreut», sagte er leise. «Du hast sie ja gehört. Du kanntest sie gar nicht, aber du wolltest, dass ich ihnen etwas Gutes tue. Das habe ich so an dir geliebt.»

«Oh», sagte ich mit brüchiger Stimme und blinzelte. Ich hatte das Gefühl, gleich losheulen zu müssen, so überwältigt war ich von seiner liebenswürdigen Art – nicht nur mir, sondern auch seiner Familie gegenüber. Es war so völlig anders, als ich es von zu Hause gewohnt war. «Du weißt aber schon, dass ich eine sehr anspruchsvolle Frau bin.»

Er grinste. «Ich weiß. Das ist sehr attraktiv. Und du hast einen exzellenten Unterwäsche-Geschmack.»

«Du hast also doch in meinen Koffer geguckt!»

«Natürlich habe ich das. Ich wollte alles über dich wissen.»

«Dr. Hamilton!» Ich lächelte ihn an, und die Schmetterlinge in meinem Bauch schwärmten los, als er mir wieder dieses Grinsen schenkte. «Dabei habe ich dich für einen langweiligen Mann mittleren Alters gehalten.»

Er lachte. «Und was denkst du jetzt über mich?»

Ich blickte ihn herausfordernd an. «Ganz okay, denke ich.»

Bei starken, intelligenten Männern darf man niemals zu viel preisgeben.

Englische Adventskranz-Pavlova

In England isst man zu Weihnachten zwar traditionell Christmas Pudding, ein gebackenes Dessert mit Trockenobst, doch die Hälfte meiner Familie mag kein Trockenobst, also bereite ich am ersten Weihnachtsfeiertag immer dieses Dessert als Alternative zu. Es ist ganz einfach, sieht aber sehr beeindruckend aus!

 

Zutaten

Für das Baiser:

4 Eiweiß

230 g Streuzucker

Für das Früchtepüree:

200 g Himbeeren

100 g Erdbeeren

100 g Streuzucker

Für den Belag:

300 ml Sahne

200 g Erdbeeren

200 g Himbeeren

50 g Granatapfelkerne

Minz- oder Basilikumblätter

Zubereitung

Zeichnen Sie auf ein Blatt Backpapier einen Kreis mit einem Durchmesser von ca. 28 cm und innerhalb dieses Kreises einen kleineren Kreis mit einem Durchmesser von ca. 14 cm. Heizen Sie den Backofen auf 160 Grad Ober- und Unterhitze/140 Grad Umluft vor.

Schlagen Sie das Eiweiß, bis es so steif ist, dass man die Schüssel auf den Kopf stellen kann und es sich nicht mehr bewegt. Dann fügen Sie nach und nach den Zucker hinzu, immer etwa 50 g auf einmal, dann wieder gründlich schlagen, bevor Sie den nächsten Zucker hinzugeben.

Wenn eine glänzende weiße Masse entstanden ist, löffeln Sie diese in Form des aufgezeichneten Kranzes auf das Backpapier. Sie können sie auch mit einer Teigspritze auftragen, aber mir gefällt die rustikale Variante besser. Ziehen Sie dann von oben eine Furche in die Masse, die später für die Sahnefüllung gedacht ist.

Schieben Sie das Baiser in den Ofen und drehen Sie die Hitze sofort auf 140 Grad Ober- und Unterhitze/120 Grad Umluft herunter. Lassen Sie den Kranz 50 Minuten lang backen. Dann schalten Sie den Ofen aus. Lassen Sie das Baiser so lange wie möglich im Ofen – am besten über Nacht. Das verhindert, dass die Baisermasse reißt und zerfällt.

Für das Früchtepüree erhitzen Sie die Früchte und den Zucker zusammen in einem Topf. Dann streichen Sie sie durch ein Sieb und lassen die Masse abkühlen.

Schlagen Sie die Sahne steif und löffeln Sie sie großzügig auf die Baisermasse. Streuen Sie dann die Erdbeeren, Himbeeren und Granatapfelkerne darauf, geben Sie das Püree darüber und dekorieren Sie alles mit Minz- oder Basilikumblättern, um dem Kranz einen grünen Touch zu verleihen.

Rebekka Eder

Der Geschmack von Pfeffernüssen

Hamburg, 1801

Am frühen Morgen des Heiligen Abends bemerkte Josephine Thielemann, dass sie allmählich ihren Vater vergaß. Sie öffnete das Fenster zur Rosenstraße und atmete den Duft der frischen Rundstücke ein, die ihr Onkel in der Bäckerei im Erdgeschoss gerade aus dem Ofen holte. Obwohl es ihre Mutter ihr verboten hatte, beugte sie sich weit über die Fensterbank und schaute zum Nachbarhaus hinüber. Es war ein milder Dezembermorgen, und der ehemalige Schuhmacherladen nebenan hüllte sich in Dunkelheit. «Guten Morgen, Vater», flüsterte sie zu ihrem alten Elternhaus hinüber. Sie stellte sich vor, wie er in seinen Laden hinunterschlurfte, um sich am Leder und den Schnürbändern zu schaffen zu machen. Wie er die Fensterläden öffnete und Josephine entdeckte, sie mit verschlafenem Lächeln anblinzelte und ihr zuwinkte. Doch diesmal konnte sie sein Gesicht in ihrer Vorstellung kaum erkennen. Es war, als wäre der Morgen viel zu dunkel.

Vater hatte die gleiche Haarfarbe wie sie gehabt, zimtbraun, hatte ihre Mutter sie immer genannt. Er war leicht gekrümmt gelaufen, so tief beugte er sich tagtäglich über seine Schuhe, und stets hatte ihn der herbe Geruch von Leder umgeben. «Na, du kleiner Wirbelwind?», hatte er gern zu ihr gesagt. Josephine klammerte sich an all diese Erinnerungen, doch das Gesicht ihres Vaters blieb im Verborgenen. Ihr traten die Tränen in die Augen. In der morgendlichen Finsternis war niemand, gestand sie sich ein. Alles schlief – und ihr Vater war seit drei Jahren tot.

Plötzlich wurden die Fensterläden des Nachbarhauses aufgestoßen, heftig schepperten sie gegen die Hauswand. Josephine zuckte zusammen.

«Bonjour, ma chère!», rief viel zu laut Louise Martin zu ihr hinüber.

Hastig wischte sich Josephine die Tränen weg. «Guten Morgen», murmelte sie.