Ein geheimes Töchterchen - Marianne Schwarz - E-Book

Ein geheimes Töchterchen E-Book

Marianne Schwarz

5,0

Beschreibung

Große Schriftstellerinnen wie Patricia Vandenberg, Gisela Reutling, Isabell Rohde, Susanne Svanberg und viele mehr erzählen in ergreifenden Romanen von rührenden Kinderschicksalen, von Mutterliebe und der Sehnsucht nach unbeschwertem Kinderglück, von sinnvollen Werten, die das Verhältnis zwischen den Generationen, den Charakter der Familie prägen und gefühlvoll gestalten. Mami ist als Familienroman-Reihe erfolgreich wie keine andere! Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Dorothee lächelte ihrem Spiegelbild zu. Ihr gefiel, was sie dort sah, und ihre Kleidung, fand sie, war nahezu perfekt. Sie trug ein ganz ausgezeichnet geschnittenes schwarzes Etuikleid, und darüber – ohne Frage ein Hauch von Extravaganz – ein sogenanntes Chasuble, also ein vorn offenes, gerade geschnittenes langes westenähnliches Überkleid mit hohen Seitenschlitzen. Dieses Chasuble aus zartem, transparentem Stoff schimmerte silbern, je nach Lichteinfall mehr oder weniger intensiv, und war mit eingewirkten silberglänzenden Ranken überzogen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 122

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
5,0 (1 Bewertung)
1
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Mami Bestseller – 2 –

Ein geheimes Töchterchen

Mit der kleinen Leila kommt viel Wirbel

Marianne Schwarz

Dorothee lächelte ihrem Spiegelbild zu. Ihr gefiel, was sie dort sah, und ihre Kleidung, fand sie, war nahezu perfekt. Sie trug ein ganz ausgezeichnet geschnittenes schwarzes Etuikleid, und darüber – ohne Frage ein Hauch von Extravaganz – ein sogenanntes Chasuble, also ein vorn offenes, gerade geschnittenes langes westenähnliches Überkleid mit hohen Seitenschlitzen. Dieses Chasuble aus zartem, transparentem Stoff schimmerte silbern, je nach Lichteinfall mehr oder weniger intensiv, und war mit eingewirkten silberglänzenden Ranken überzogen.

Äußerst effektvoll, fand Dorothee, und sehr gut harmonierend mit ihrem rötlich blonden Haar, das zu einer flotten Kurzfrisur geschnitten war. Dorothee drehte sich noch einmal vor dem hohen Spiegel und betrachtete sich dabei äußerst kritisch. Auch dann war sie noch mit sich zufrieden, und das war ein gutes Gefühl. Dieses Kleid hatte sie eigens für diesen Abend gekauft, und sie hatte wohl gut gewählt. Aus dem Spiegel blickte ihr eine elegante, damenhafte Erscheinung entgegen, relativ groß und schlank. Das zweiteilige Kleid ließ die gute Figur erahnen und umspielte doch das sich bereits rundende Bäuchlein, zu dem Dorothee sich noch nicht bekennen wollte. Jedenfalls nicht so direkt. Sie wollte Rufus erst vorbereiten. Und zwar heute, das hatte sie sich vorgenommen. Nach der Oper. Wenn sie, wie üblich, den Abend in der eleganten Bar ausklingen lassen würden.

Wie üblich – wie das klang! Dorothee verzog etwas selbstironisch den perfekt geschminkten Mund. Geschlagene vier Wochen hatte Rufus Toelken nichts von sich hören lassen. Und diese Einladung zur Oper war dann ziemlich unvermittelt gekommen. Natürlich ohne ein entschuldigendes Wort bezüglich des langen Schweigens. Eigentlich ziemlich kränkend. Aber das war typisch für Rufus Toelken, den gefragten und viel beschäftigen Münchener Staranwalt, und Dorothee hatte sich vorgenommen, nicht gekränkt zu sein. Ein Mann wie Rufus Toelken war eben so.

Und im übrigen – nach diesem Abend würde sich sicherlich einiges ändern.

Dorothee war sich da ganz sicher. Und sie freute sich. So lag auf ihrem aparten Gesicht, ihr unbewußt, ein hübsches Lächeln, als sie den Waschraum der Oper verließ.

Draußen wartete Rufus Toelken. Er war in der Tat eine blendende Erscheinung. Der Smoking saß wie angegossen, und Rufus trug ihn so, als käme eine andere Art der Kleidung für ihn überhaupt nicht in Frage. Ein markantes, dezent gebräuntes Gesicht, kühle graue Augen, perfekt geschnittenes dunkles Haar mit ganz leicht angedeuteten grauen Schläfen – kurz genau das, was man landläufig einen interessanten Mann nennt. Dorothee war ehrlich genug, sich selbst gegenüber einzugestehen, stolz darüber zu sein, daß dieser Mann dort auf sie wartete. Daß er ihr Begleiter an diesem heutigen Opernabend war, und auch sonst…

Rufus Toelken hatte sie jetzt bemerkt. Er kam ihr mit dem Lächeln eines Filmstars entgegen, und Dorothee ertappte sich bei dem leicht ironischen Gedanken, wieviel an diesem prächtigen Gebiß wohl echt war und was die Kunst der Zahnärzte dazu beigetragen haben mochte. Aber immerhin, das Ergebnis konnte sich sehen lassen.

»Neues Kleid?« fragte Rufus.

»Gefällt es dir?« fragte Dorothee zurück und freute sich, daß Rufus es bemerkt hatte.

»Ja, ja, ganz nett. Aber du hast einen solchen Fummel doch eigentlich nicht nötig. Damit wollen Frauen doch bloß ihre überflüssigen Pfunde verstecken. Und es gefällt mir eigentlich nicht, daß du damit auch nur einen solchen Anschein erweckst. Du weißt, ich liebe nur schlanke Frauen, und deine Figur gefällt mir. Du solltest sie zeigen und nicht so malerisch umhüllen. Wir sind hier doch nicht im Orient.«

Dorothee war verletzt, aber sie bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen.

»Bemerkenswert, wie du ein Kompliment mit einem Tadel verbinden kannst, mein Lieber«, sagte sie und lächelte unverbindlich. »Aber vielleicht sollte ich dich daran erinnern, daß du kein Schulmädchen vor dir hast.«

»Nicht nötig«, grinste der Mann. »Dessen bin ich mir auch so durchaus bewußt. Für Schulmädchen habe ich nämlich auch nichts übrig, weißt du.«

Er nahm Dorothees Arm und führte sie zu ihren Plätzen. Das zweite Klingelzeichen ertönte gerade.

Dorothee konnte die Oper nicht so richtig genießen. Es war zwar eine ausgezeichnete Aufführung, ein berühmter Gastdirigent leitete das Orchester, und sie hatten wie immer die besten Plätze, aber Dorothee war irgendwie verstimmt. Ihr hatte das Gerede von Rufus nicht gefallen. Dabei war es doch gar nicht so ungewöhnlich für ihn gewesen, so war er nun einmal. Daß sie so empfindlich reagierte, mußte wohl an ihrem Zustand liegen. Ja, sicher, das war wohl die Erklärung. Und darum würde sie sich künftig wohl mehr zusammenreißen müssen. Für Überempfindlichkeiten würde ein Mann wie Rufus Toelken wohl kaum Verständnis haben.

In der Bar war ihr gewohnter Tisch bereits reserviert.

»Was möchtest du trinken?« fragte Rufus und bot ihr aus seinem goldenen Etui eine Zigarette an.

»Nichts Alkoholisches heute«, sagte Dorothee, »und danke, ich rauche nicht mehr.«

Rufus klappte überrascht das Etui zu. »Was sagst du da? Du rauchst nicht mehr? Einfach so?«

»Nun, ganz so einfach nicht. Ich habe schon meinen Grund.«

»Na ja, wird schon so sein. Und unvernünftig ist es ja nicht, mit dem Rauchen aufzuhören. Paß nur auf, daß du jetzt nicht auseinandergehst. Manche Frauen werden schnell dick, wenn sie aufhören zu rauchen.«

»Nicht nur Frauen. Auch Männer, Rufus.«

»Klar. Aber bei einem Mann ist das nicht so gravierend. Passiert wohl auch nicht so schnell. Bei Frauen aber, vor allem wenn sie nicht mehr so jung sind…«

»Du bist wirklich sehr liebenswürdig heute, Rufus.«

»Ach, nun sei doch nicht so empfindlich. Du weißt, wie ich es meine. Du wirst doch wohl nicht wie ein junges Mädchen behandelt werden wollen? Ich mag dich so, wie du bist, damenhaft, elegant, erwachsen… Sonst säße ich ja wohl jetzt nicht hier mit dir. Was hattest du gesagt, was willst du trinken?«

Der Ober war an ihren Tisch getreten und wartete auf die Bestellung.

»Nichts Alkoholisches«, wiederholte Dorothee. »Einen Fruchtcocktail vielleicht.«

Rufus schaute Dorothee verblüfft an, nachdem der Ober sich entfernt hatte.

»Sag mal, was soll das? Du rauchst nicht mehr, du trinkst keinen Alkohol. Bist du krank?«

Dorothee schüttelte den Kopf. »Krank nicht«, sagte sie, und es war ihr gar nicht bewußt, daß das Lächeln, welches sie dem Mann nun schenkte, ein sehr glückliches Lächeln war.

»Nun, was ist es denn?« drängte dieser ungeduldig. »Mach es nicht so geheimnisvoll.«

»Kannst du es dir denn nicht denken?«

»Nein, natürlich nicht. Was soll ich mir denken? Hast du Angst um deinen Teint? Fürchtest du um dein jugendliches Aussehen? Da kann ich dich beruhigen, da kannst du noch sehr zufrieden sein. Außerdem gibt es ja auch gute Kosmetik.«

»Ach, Rufus, ich hatte gehofft, du würdest schneller begreifen.« Dorothees enttäuschte Stimme klang fast traurig.

»Was soll ich begreifen?« Die Ungeduld war nicht zu überhören.

»Daß ich versuche, dir beizubringen, daß ich schwanger bin, Rufus. Ja, es ist wirklich wahr. Ich werde ein Kind haben, Rufus. Unser Kind. Ich habe es erst gar nicht glauben wollen, in meinem Alter. Aber es ist wirklich so, es gibt nicht mehr den geringsten Zweifel. Ist das nicht wunderbar?«

Rufus Toelken sah wirklich nicht intelligent aus in diesem Augenblick. Die Stirn gerunzelt, der Mund halb geöffnet, als sei ihm das, was er gerade hatte sagen wollen, buchstäblich im Hals stecken geblieben. Es schien ihm Mühe zu bereiten, zunächst einmal zu schlucken, und dann zu sagen: »Ich habe dich wohl nicht richtig verstanden, Dorothee? Du kannst doch wohl nicht ernsthaft behaupten wollen, daß du ein Kind bekommst? Und daß ich der Vater sei? Weißt du, für solche Scherze habe ich überhaupt keinen Sinn.«

»Das ist kein Scherz, Rufus. Mit so etwas würde ich niemals scherzen. Es ist die Wahrheit.«

»Aber du… du bist dreiundvierzig Jahre alt.«

»Vierundvierzig, Rufus. Ich hatte inzwischen Geburtstag.«

»Und du hast einen erwachsenen Sohn.«

»Ja, das stimmt. Hanno ist fünfundzwanzig Jahre alt.«

»Aber dann… das ist doch absurd, Dorothee. Einfach absurd.«

»Ich hatte eigentlich gehofft, du würdest dich mit mir freuen, Rufus.«

»Freuen? Ich soll mich freuen? Wie stellst du dir das denn vor? Nie im Leben hätte ich mit einer solchen Möglichkeit gerechnet. Ja, zum Donnerwetter, Dorothee, hättest du mich denn nicht verschonen können damit? Nimmst du denn die Pille nicht? Heutzutage muß doch niemand mehr schwanger werden, wenn man es nicht will. Oder…« Jetzt sah das männlich-schöne Gesicht gar nicht mehr so attraktiv aus. Ein durchaus nicht sympathischer Zug lag da nun völlig offen. »Hast du das etwa gewollt, Dorothee? Hast du gedacht, mich so an dich binden zu können? Hast du das wirklich geglaubt?«

Dorothee saß wie erstarrt. Sie hatte das Gefühl, von innen heraus zu Eis zu gefrieren. Und sie war im Augenblick unfähig, etwas zu erwidern.

Rufus Toelken begriff wohl, daß er zu weit gegangen war, daß er sich im Ton vergriffen hatte. Besänftigend ergriff er Dorothees eiskalte Hand, die auf dem Tisch lag.

»Verzeih, Liebes«, bat er. »Ich hätte das natürlich nicht sagen sollen. Aber weißt du, das kam eben zu überraschend. Nie hätte ich mit einer solchen Möglichkeit gerechnet. Wirklich, niemals.«

»Und ich war so naiv zu glauben, du würdest dich freuen«, sagte Dorothee mühsam.

Rufus Toelken lachte leise. Das klang ziemlich überheblich. »Ja, Liebes, da warst du wohl wirklich naiv. Aber vielleicht gehört das bei Frauen in deinem Zustand dazu. An sich bist du doch eine kluge, sehr vernünftige Person. Und du hast etwas, was mich durchaus fasziniert. Wir hatten… wir haben eine großartige Zeit miteinander. Aber so eine Beziehung soll doch um Himmels willen nicht in Ehe und Familie münden. Daran kannst du doch nicht wirklich ernsthaft gedacht haben.«

Dorothee entzog dem Mann ihre Hand. »Nein, natürlich nicht«, sagte sie nun und wunderte sich selbst, wie ruhig und kühl, ja fast überlegen ihre Stimme klang. Nichts verriet, wie enttäuscht und verletzt sie war. »Nein, natürlich habe ich nicht an Ehe und Familie gedacht. Ich bin ja verheiratet, wie du dich vielleicht erinnern wirst. Und ich habe meinen Mann nicht verlassen, um mich in ein neues Eheabenteuer zu stürzen. Du kannst also völlig unbesorgt sein. Ich habe keinerlei Forderungen an dich.«

»Ja, aber… Ja, dann ist ja alles in Ordnung, Liebes. Warum reden wir denn überhaupt in einem solchen Ton miteinander? Ich dachte für einen Moment wirklich, du wolltest… Aber gut, das ist ja nun geklärt. Doch was hast du denn nun vor? Es ist doch hoffentlich noch Zeit genug für eine Abtreibung? Wenn ich dich da finanziell irgendwie unterstützten kann… Du kannst natürlich voll auf mich zählen.«

Dorothee behielt ihre kühle, überlegene Haltung. Auf keinen Fall sollte der Mann merken, wie es wirklich in ihr aussah. Wie enttäuscht, verletzt sie war. »Ich werde deine finanzielle Großzügigkeit nicht in Anspruch nehmen, Rufus«, sagte sie sachlich. »Und im übrigen kommt eine Abtreibung für mich nicht in Frage. Ich will dieses Kind. Ich freue mich darauf. Bist du jetzt bitte so nett und läßt mir ein Taxi rufen? Ich fühle mich doch etwas angegriffen, ich möchte nach Hause.«

»Ich werde dich selbstverständlich bringen, Dorothee.«

»Danke, das ist nicht nötig.«

Doch dann saß Dorothee doch neben Rufus Toelken in dessen Wagen. Sie ließ sich von ihm beim Aussteigen helfen, als sie vor ihrer Wohnung angekommen waren. Aber sie bat ihn nicht mit hinein, wie es ja wohl eigentlich beabsichtigt gewesen war.

Rufus Toelken machte auch keinerlei Anstalten, sie weiter als bis zur Haustür zu begleiten.

»Ruhe dich aus«, sagte er nur, und: »Ich rufe dich an.«

Dann stieg er in seinen Wagen zurück und fuhr davon.

Das sah Dorothee aber schon nicht mehr. Sie war bereits im Haus und hatte die Tür hinter sich geschlossen.

*

Dorothee fror, als sie in ihre kleine gemütliche Wohnung kam. Sie machte alle Lampen an und sah sich um, als befände sie sich in einer völlig fremden Wohnung. Bildete sie sich das hier nicht nur ein? War sie nicht in diesem anderen, großen weitläufigen Haus in Südamerika zu Hause? Wo ihr Mann als Manager einer bedeutenden europäischen Firma eine wichtige, einflußreiche Persönlichkeit war? War sie nicht dort die charmante, vielbewunderte und umschwärmte Hausherrin?

Was tat sie denn bloß hier in dieser zwar netten, aber im Vergleich zu ihrem Haus doch winzigen Wohnung?

Das konnte doch eigentlich nur ein ziemlich albernes Hirngespinst sein.

Doch daß sie jetzt fror, das war kein Hirngespinst. Und das andere auch nicht.

Dorothee streifte die hochhackigen Pumps von den Füßen, sie ging in die kleine Küche, um sich Teewasser aufzusetzen, und dann gleich weiter ins Schlafzimmer. Auch dieses war klein, fast wie eine Puppenstube, aber ein Raum richtig zum Wohlfühlen. Und bisher hatte Dorothee sich hier ja auch wohl gefühlt.

Sie zog das Kleid aus, hängte es sorgfältig auf einen Bügel und mußte nun sogar ein bißchen lachen, als sie sich erinnerte, wie Rufus geringschätzig von einem ›Fummel‹ gesprochen hatte. Dabei war das gute Stück sündhaft teuer gewesen, und mit einem orientalischen Gewand doch wirklich nicht zu vergleichen, wie Rufus es getan hatte.

Überhaupt – Rufus!

Dorothee schlüpfte in einen bequemen Hausanzug, ging zurück in die Küche, wo das Wasser inzwischen kochte, sie brühte sich einen Tee auf – Roibosh mit Vanille, im Augenblick ihr Lieblingsgetränk – und ging damit ins Wohnzimmer. Bevor sie sich dort niederließ, schaltete sie die Deckenbeleuchtung aus, ließ nur die Stehlampe in der Ecke brennen und zündete die dicke Bienenwachskerze auf dem niedrigen Tisch an. Dann kuschelte sie sich in die Couchecke, zog die Füße hoch und nahm einen Schluck Tee.

Ah, das tat gut. Das weckte und belebte die Lebensgeister. Jetzt konnte sie in aller Ruhe Ordnung in ihre Gedanken bringen. Jetzt konnte sie Bilanz ziehen. Das war wohl auch nötig. Immerhin war sie jetzt ja nicht mehr nur für sich allein verantwortlich. Sie würde in absehbarer Zeit ein Kind haben, und das war alles andere als eine Illusion. Das war eine Tatsache, mit der sie sich auseinandersetzen mußte. Eine Tatsache aber auch, über die sie sich ehrlich und aus ganzem Herzen freute.

Und diese Freude, dieses Glück, sollte ihr auch ein Mann wie Rufus Toelken nicht verderben können.

Dorothee nahm noch einen Schluck von dem duftenden, zart aromatisierten Tee. Rufus Toelken war der Vater dieses Kindes. Das war natürlich eine unabänderliche Tatsache. Sie hatte wohl auch geglaubt, diesen Mann zu lieben. Sonst wäre es ja nicht so weit gekommen. Und sie sollte jetzt auch nicht abstreiten, daß sie die Gesellschaft dieses eleganten, oft äußerst charmanten Mannes sehr genossen hatte. Doch wie er sich ihr heute gezeigt hatte…

»Geschieht dir ganz recht, Dorothee«, sagte sie jetzt voller Selbstironie zu sich selbst. »Hast dich blenden lassen wie ein verliebtes junges Mädchen. Hast es nicht für nötig befunden, einmal hinter die Fassade zu schauen. Fühltest dich ja richtig geschmeichelt. Gut, daß du endlich wach geworden bist.«