Ein gelungener Streich - Italo Svevo - E-Book

Ein gelungener Streich E-Book

Italo Svevo

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Beschreibung

Mit Svevo begann Italiens literarische Moderne

Die Ängste des modernen Mannes – vor dem Älterwerden, vor beruflichem Versagen, vor dem «schwachen Geschlecht» –, selten hat sie ein Schriftsteller präziser auf den Punkt gebracht als Italo Svevo. Mit zärtlicher Ironie porträtiert er Helden, die, ein großes Ziel vor Augen, schon über Kleinigkeiten stolpern: einen Kaufmann, der sein jahrzehntelanges kluges Handeln durch einen einzigen Augenblick des Leichtsinns gefährdet. Einen Familienvater auf Diät, dem gefühlter Autoritätsverlust Albträume verursacht. Missgeschick, Fehlinterpretation, Selbstbetrug – die Ursachen des Scheiterns sind facettenreich und verraten viel über die Psyche von Männern in den besten Jahren.

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Seitenzahl: 447

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ITALO SVEVO

Ein gelungener Streich

Erzählungen

Aus dem Italienischen übersetzt

von Barbara Kleiner

Nachwort von Hans-Ulrich Treichel

MANESSE VERLAGZÜRICH

reichlich wein

Es heiratete eine Nichte meiner Frau, in einem Alter, da junge Mädchen aufhören, dies zu sein und zu alten Jungfern werden. Bis vor Kurzem hatte sie sich von diesem Leben abgewandt, doch dann hatte der Druck der ganzen Familie sie dazu gebracht, ins Leben zurückzukehren, und auf ihren Wunsch nach Reinheit und Frömmigkeit verzichtend, hatte sie eingewilligt, mit einem jungen Mann Umgang zu pflegen, den die Familie als gute Partie ausgewählt hatte. Bald darauf: addio Frömmigkeit, addio Träume von tugendhafter Einsamkeit, und das Datum für die Hochzeit war sogar früher festgesetzt worden, als die Angehörigen zu wünschen gewagt hätten. Und jetzt saßen wir am Vorabend der Hochzeit beim Essen.

Ich als alter Schwerenöter lachte. Was hatte der junge Mann angestellt, um sie zu so raschem Sinneswandel zu bewegen? Vermutlich hatte er sie in die Arme geschlossen, um sie die Freuden des Lebens spüren zu lassen, hatte sie also mehr verführt als überzeugt. Deshalb musste man ihnen viel Glück wünschen. Alle haben, wenn sie heiraten, Glückwünsche nötig, aber dieses Mädchen mehr als alle anderen. Was für ein Desaster, wenn sie es eines Tages bedauern sollte, diesen Weg eingeschlagen zu haben, vor dem es sie instinktiv gegraut hatte. Und auch ich erhob mehrmals das Glas, begleitet von Glückwünschen, die ich sogar auf den speziellen Fall abzustimmen wusste: «Seid froh, ein oder zwei Jahre lang, dann werdet ihr in dem Bewusstsein, dass ihr eure Zeit genossen habt, die folgenden langen Jahre leichter ertragen. Von der Freude bleibt nur die sehnsüchtige Erinnerung zurück, die auch ein Schmerz ist, aber ein Schmerz, der das eigentliche Leiden, das Leiden am Leben, überdeckt.»

Anscheinend hatte die Braut so viele Glückwünsche gar nicht nötig. Mir schien ganz im Gegenteil, als sei ihr Gesicht in einem Ausdruck hingebungsvollen Vertrauens geradezu erstarrt. Es war derselbe Ausdruck wie damals, als sie ihre Absicht bekundete, ins Kloster zu gehen. Auch diesmal legte sie ein Gelübde ab, das Gelübde, ein Leben lang heiter zu sein. Gewisse Leute auf dieser Welt legen ständig Gelübde ab. Würde sie dieses Gelübde besser einhalten als das vorherige?

Alle anderen an diesem Tisch waren von einer ganz natürlichen Heiterkeit, wie es Zuschauer immer sind. Mir fehlte die Natürlichkeit völlig. Es war auch für mich ein denkwürdiger Abend. Meine Frau hatte von Doktor Paoli die Erlaubnis erhalten, dass ich an diesem Abend essen und trinken dürfe wie alle anderen. Diese Freiheit wurde nur umso kostbarer durch die Androhung, dass sie mir gleich danach wieder entzogen würde. Und ich benahm mich genauso wie diese jungen Leute, denen man zum ersten Mal die Haustürschlüssel überlässt. Ich aß und trank nicht aus Durst oder Hunger, sondern aus Gier nach Freiheit. Jeder Bissen, jeder Schluck sollte eine Bekundung meiner Unabhängigkeit sein. Ich riss den Mund weiter auf als nötig, um die einzelnen Bissen darin aufzunehmen, und ich goss den Wein von der Flasche ins Glas, bis es überlief, und ließ ihn dort nur einen Augenblick lang. Ich verspürte heftigen Bewegungsdrang, und festgenagelt auf meinem Stuhl, gelang es mir doch, das Gefühl zu haben, als würde ich laufen und springen wie ein Hund, den man von der Kette gelassen hat.

Meine Frau verschlimmerte meinen Zustand, indem sie einer Tischnachbarin erzählte, welcher Diät ich für gewöhnlich unterworfen war, während meine fünfzehnjährige Tochter Emma ihr zuhörte und sich wichtig machte, indem sie die Angaben der Mutter ergänzte. Sie wollten mich also auch in diesem Augenblick, da sie mir abgenommen war, an die Kette erinnern? Und meine ganze Tortur wurde in allen Einzelheiten geschildert: Wie sie das bisschen Fleisch abwogen, das mir zu Mittag gestattet war, es völlig fade zubereiteten, und wie es abends nichts zu wiegen gab, weil das Abendessen aus einem Scheibchen Schinken und einem Glas ungezuckerter Milch bestand, vor der mich ekelte. Während sie sprachen, unterzog ich die Weisheit des Doktors und ihre Liebe der Kritik. Denn in der Tat, wenn mein Organismus so verbraucht war, wie konnte man dann davon ausgehen, dass er an diesem Abend auf einmal so viel unverdauliches und schädliches Zeug vertrug, bloß weil uns der Coup gelungen war, ein Mädchen zu verheiraten, das dies aus freien Stücken nicht gewollt hätte? Ich trank und bereitete mich auf die Rebellion am nächsten Tag vor. Ich würde es ihnen zeigen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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