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Eine Vorgeschichte zu "Marina, Marina" von Grit Landau - zauberhafte Ferienlektüre mit viel Italien-Flair. Sommer 1960 in Cervo. Adriano Perretti, dessen Familie eine Pension im Ort betreibt, freut sich über die Unterbrechung der ferienbedingten Langeweile: Ein geheimnisvoller Gast steigt in der "Pensione Perretti" ab, ein graumelierter Deutscher namens Schmidt, der, da ist sich Adriano sicher, nie und nimmer nur zum Wandern und "wegen der guten Luft" angereist ist. Ähnlich sehen das auch seine abenteuerlustige Cousine Nelli und sein Freund Beppe, Polizistensohn aus dem benachbarten Sant'Amato. Denn dass die älteren deutschen Touristen im Hinterland insgeheim nach Schätzen graben, die sie einst selbst als Besatzungssoldaten im Krieg versteckt haben, das weiß in den Küstenorten zwischen Imperia und Finale Ligure doch jedes Kind! "Wir beschatten Schmidt" lautet ab sofort der Plan. Vor allem Krimifan Nelli ist Feuer und Flamme, den Deutschen in flagranti bei der Schatzsuche zu erwischen. Adriano, der seine Cousine anbetet und seit Jahr und Tag auf einen Kuss hofft, kann nicht anders als mitmachen – zumal just ein Konkurrent um Nellis Gunst auftaucht und es so aussieht, als würde er sie an diesen verlieren...
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Seitenzahl: 51
Veröffentlichungsjahr: 2019
Grit Landau
Erzählung – Die Vorgeschichte zu »Marina, Marina«
Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.
Sommer 1960 in Cervo. Adriano Perretti, dessen Familie eine Pension im Ort betreibt, freut sich über die Unterbrechung der ferienbedingten Langeweile: Ein geheimnisvoller Gast steigt in der »Pensione Perretti« ab, ein grau melierter Deutscher namens Schmidt, der, da ist sich Adriano sicher, nie und nimmer nur zum Wandern und »wegen der guten Luft« angereist ist.
Ähnlich sehen das auch seine abenteuerlustige Cousine Nelli und sein Freund Beppe, Polizistensohn aus dem benachbarten Sant’Amato. Denn dass die älteren deutschen Touristen im Hinterland insgeheim nach Schätzen graben, die sie einst selbst als Besatzungssoldaten im Krieg versteckt haben, das weiß in den Küstenorten zwischen Imperia und Finale Ligure doch jedes Kind!
»Wir beschatten Schmidt«, lautet ab sofort der Plan. Vor allem Krimifan Nelli ist Feuer und Flamme, den Deutschen in flagranti bei der Schatzsuche zu erwischen. Adriano, der seine Cousine anbetet und seit Jahr und Tag auf einen Kuss hofft, kann nicht anders als mitmachen – zumal just ein Konkurrent um Nellis Gunst auftaucht und es so aussieht, als würde er sie an diesen verlieren …
VENERDÌ
Juni 1960, Cervo an der Riviera di Ponente
SABATO
DOMENICA
LUNEDÌ
E ADESSO?
KLEINES GLOSSAR
Der Deutsche hinkte. Dies war das Erste, was Adriano Perretti stutzig werden ließ und aus seinem ferienbedingten Tran holte. So einer will hier wandern? Nie im Leben. Und mit welchem Schuhwerk überhaupt?
Skeptisch studierte er die blank polierten Budapester des Neuankömmlings. Ihr Tritt hallte auf dem Kopfsteinpflaster des Torbogens wider, der über den oberen Parkplatz ins Innere von Cervos Altstadt und zu dem Platz vor Francos Bar führte.
Die Schuhe, der piekfeine Anzug, der Panamahut? Und was trägt er da unter dem Arm, ein Buch? Also ein gentiluomo, eindeutig.
Adriano rutschte von dem Mäuerchen neben der Bar, wo er den neuen Gast in der Frühstückspension seiner Mutter erwartet hatte. Dann schlenderte er auf ihn zu und schenkte ihm die Art Lächeln, welche ihm seine geschäftstüchtige Mamma von klein auf eingetrichtert hatte.
»Signor Schmidt?«
Adriano stellte sich vor und erklärte dem Deutschen in möglichst einfachen Worten, warum er für seine Mutter einsprang. Als er nach Schmidts Handkoffer aus hellem Kalbsleder greifen wollte, schüttelte dieser den Kopf.
»Danke. Mein Gepäck trage ich selbst.«
Schmidts Stimme war warm, sein Italienisch flüssig, die Wortwahl höflich. Doch nach einem Blick in dessen Augen beschloss Adriano, dem Deutschen vorerst keine weitere Hilfestellung aufzudrängen. Und es war ja nicht so, dass er sich um diesen Einsatz als Rezeptionist gerissen hätte. Doch der knappe Ton, die straffe Haltung, das Hinken - konnte es sein, dass …? In Adriano keimte ein Verdacht, doch er ließ sich nicht recht greifen. Also bat er seinen Gast ebenso knapp, ihm zu folgen.
Cervo drängte sich auf einem der Küste vorgelagerten Bergkegel zusammen, und die Taxis kurvten meist hinter dem Kegel hoch bis zum oberen Parkplatz, das war für die Touristen bequemer. Auch Schmidts Fahrer hatte das getan, und so lotste Adriano seinen Gast nun wieder bergab, durch handtuchschmale caruggi mit flach getretenen Stufen, vorbei an wuchernden Kaktusfeigen und Bougainvilleen, über Treppen und Treppchen hinunter bis zu seinem Zuhause.
Auf halber Höhe der Altstadt, verwöhnt mit einem weiten Blick über das Meer, befand sich die Kirche des Ortes, San Giovanni Battista, aktuell eingerüstet und wegen Sanierung gesperrt. Schräg gegenüber, in einem Winkel der Piazza vor der Kirche, lehnten sich zwei hellgelbe Gebäude über Eck aneinander, eines mit umlaufender Veranda im Obergeschoss, ein schmaleres mit Einzelbalkonen aus Schmiedeeisen. Von beiden Häusern blätterte die Farbe, beide trugen die gleiche verschlungene Aufschrift.
PENSIONE PERRETTI
8 camere - colazione compresa – prezzi modici
vista sul mare
Jetzt, kurz nach Mittag, wirkte der Platz wie ausgestorben. Kein Einheimischer rührte sich aus der Kühle seines abgedunkelten Hauses, und selbst das britische Touristenpärchen, das bei Adrianos Aufbruch auf den Stufen vor dem Kirchenportal geturtelt hatte, knutschte nun lieber auf einer Bank im Schlagschatten der Apsis.
Stille lastete auf der Piazza. Stille und drückende Hitze, und noch kaum eine halbe Stunde zuvor hätte Adriano geschworen, diese Last entspränge allein dem Überdruss, der ihn beim Gedanken an weitere elf endlos öde Ferienwochen befiel. Jetzt allerdings war er sich nicht mehr so sicher.
»Es ist heiß für Juni. Heiß und gewittrig«, erklärte er Schmidt, um irgendetwas zu sagen, während er mit dem Schlüssel am Türschloss des Pensionszimmers hantierte. Es lag im 1. Stock des Eckhauses der Pension - gleich gegenüber vom Haupteingang - und verfügte über einen separaten Eingang.
»Nicht so heiß, wie ich es in Erinnerung habe«, erwiderte der Deutsche und gab Adrianos Verdacht damit weitere Nahrung.
»Sie waren schon einmal in Cervo?«
»In der Nähe. Vor vielen Jahren.« Schmidt ließ seinen Blick von der steinernen Balustrade gegenüber der Kirche über die sonnenverbrannten Dächer und das endlose Blau des Golfo Dianese schweifen. Seine Miene wurde weich. »Es hat sich seitdem nicht sehr verändert.« Er bedachte Adriano mit einem auffordernden Lächeln, und dieser beeilte sich aufzuschließen.
Der Rest war Routine. Adriano fragte seinen Gast, wann dieser am nächsten Morgen zu frühstücken wünsche, führte ihn die Treppe hoch in den ersten Stock und zeigte ihm das gebuchte Zimmer: Nr. 5, ihr bestes mit integriertem Bad, Südwestbalkon und Meerblick. Zum Schluss übergab er Schmidt noch den Schlüssel, dann machte er sich nach einer letzten, höflichen Verabschiedung davon. Draußen lastete die Hitze immer noch schwer auf der Piazza. Doch Adriano war nun hellwach.
»Also, ich kenne diesen Signor Schmidt nicht, habe ihn auch noch nie hier gesehen«, erklärte Adrianos Mutter Teresa, als sie einige Stunden später aus Sant’Amato von ihrem Besuch bei Zia Maria zurückkehrte und das Abendessen der Familie vorbereitete. »Er hat sich als Erich Schmidt angemeldet, Erich Schmidt aus Stuttgart. Wahrscheinlich einer dieser Deutschen, die man früher unten in Imperia stationiert hatte.« Ihr Gesicht nahm einen verächtlichen Ausdruck an. »Einer, der wie Maria die alten Zeiten nicht ruhen lassen kann.«
Adrianos Vater Ciro, der am Küchentisch die Stellenangebote für elettricisti in der Abendzeitung studierte, sah auf. »So schlimm wieder?«