Ein Haus in Spanien - J.M. Coetzee - E-Book

Ein Haus in Spanien E-Book

J.M. Coetzee

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Beschreibung

Flüchtig und spröde, leuchtend und skeptisch, verschattet und schön – die drei Meistererzählungen J.M. Coetzees ›Ein Haus in Spanien‹, ›Nietverloren‹ und ›Er und sein Mann‹ in einem Band. Die unverhoffte Wiederbegegnung mit einem Ort aus der Kindheit, das Wiederkennen einer existentiellen Situation, die Sehnsucht nach einem autarken Leben: Das alles wird zum Beginn erzählerischer Meditationen, die in den Falten der Geschichten, in dem, was sie verbergen, eine Wahrheit finden. Flüchtig und spröde, leuchtend und skeptisch, verschattet und schön – eine Erzählung des zurückgekehrten Robinson Crusoe beschließt diesen Band. Heimgekehrte Schiffbrüchige – vielleicht ist das eine der vielen Signaturen von Coetzees rätselhaftem Werk.

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Seitenzahl: 47

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J.M. Coetzee

Ein Haus in Spanien

Drei Geschichten

Aus dem Englischen von Reinhild Böhnke

FISCHER E-Books

Inhalt

Ein Haus in SpanienNietverlorenEr und sein Mann

Ein Haus in Spanien

Mit zunehmendem Alter wird er, wie er feststellen muss, immer unduldsamer, was die Sprache betrifft, ihren schludrigen Gebrauch, das sinkende Niveau. Zum Beispiel: sich verlieben. »Wir haben uns in das Haus verliebt«, sagen Freunde. Wie kann man sich in ein Haus verlieben, wenn das Haus die Liebe nicht erwidern kann?, möchte er entgegnen. Wenn man anfängt, sich in Dinge zu verlieben, was bleibt dann übrig von der wahren Liebe, der Liebe, wie sie einmal war? Aber keinen scheint das zu kümmern. Die Leute verlieben sich in Gobelins, in Oldtimer.

Gern würde er diesen Neologismus, diesen Modeausdruck, leichthin abtun, aber er kann es nicht. Wenn sich nun darin etwas offenbart, ein Wandel im Fühlen der Menschen? Wenn nun die Seele, von der er geglaubt hatte, sie sei ihrer Substanz nach zeitlos, schließlich doch nicht zeitlos ist, sondern allmählich leichter wird, weniger ernsthaft, sich den Zeiten anpasst? Wenn es nun für die Seele gar nicht mehr seltsam ist, sich in Dinge zu verlieben – vielmehr ein Kinderspiel? Wenn nun die Menschen um ihn mit Hilfe ihrer neuen, modernisierten Seelen Immobilien gegenüber wirklich das Herzweh empfinden, das er mit dem Sichverlieben verbindet? Wenn darüber hinaus seine Krittelei nicht das bedeutet, was er sich selbst einredet – eine altmodische Pedanterie in sprachlichen Dingen –, sondern im Gegenteil (er fasst den Gedanken fest ins Auge) Neid, den Neid eines Mannes, der zu alt, zu unbeweglich geworden ist, um sich noch einmal zu verlieben?

Die Geschichte seiner eigenen Beziehungen zu Immobilien ist schnell erzählt. Im Laufe seines Lebens hat er nacheinander zwei Häuser und eine Wohnung besessen, dazu eine Zeitlang nebenher noch ein kleines Haus am Meer. Bei der ganzen Geschichte fällt ihm beim besten Willen nichts ein, was er mit dem Namen Liebe auszeichnen würde. Er kann sich überhaupt kaum an Gefühle seinerseits erinnern, weder bei der Inbesitznahme noch beim Auszug. Wenn er sich einmal von einem Haus getrennt hat, interessierte ihn dessen weiteres Schicksal nicht. Mehr noch: er wollte es nie wiedersehen. Sein Verhältnis zu Eigentum ist von Anfang bis Ende zweckorientiert. Nichts, was der Liebe, nichts, was einer Ehe gliche.

Er denkt über die Frauen in seinem Leben nach, besonders über seine beiden Ehen. Was trägt er noch mit sich, in sich, von diesen Frauen, diesen Ehefrauen? Hauptsächlich ein Wirrwarr von Empfindungen: Bedauern und Schmerz, zerrissen von einem wetterleuchtenden Gefühl, das schwerer zu benennen ist, das vielleicht etwas mit Scham zu tun hat, aber genauso gut etwas mit noch nicht erloschenem Verlangen zu tun haben kann.

Fragen von Liebe und Eigentum beschäftigen ihn stark, und das hat seinen Grund. Vor einem Jahr hat er ein Haus im Ausland gekauft: in Spanien, in Katalonien, auf einem anderen Kontinent. Immobilien sind in Spanien nicht teuer, nicht in einiger Entfernung von der Küste, in Spaniens verfallenden Dörfern. Zu Tausenden haben dort Ausländer, meist Europäer, aber auch Bürger anderer Weltgegenden, Häuser einer gewissen Art, pieds-à-terre, erworben. Und er gehört jetzt dazu.

In seinem Fall hat dieser Schritt etwas Praktisches. Er lebt vom Schreiben; und heutzutage kann ein Schriftsteller überall wohnen, da er mit Agenten und Verlagen genauso leicht von einem kleinen Dorf wie von einer Stadt aus elektronisch Verbindung aufnehmen kann. Seit seiner Jugend hat er sich zu Spanien hingezogen gefühlt, zum Spanien des wortkargen Stolzes und der alten Bräuche. (Liebt er Spanien? Die Liebe zu einem Land, einem Volk, einer Lebensweise, ist wenigstens keine neumodische Vorstellung.) Wenn er in Zukunft immer mehr Zeit in Spanien verbringt, ist es sinnvoll, einen Ort zu haben, den er sein Eigen nennen kann, ein Zuhause, wo die Bettwäsche und die Küchenutensilien vertraut sind und er nicht anderen Leuten hinterherräumen muss.

Natürlich muss man keine Immobilie in Spanien besitzen, um sich in Spanien aufzuhalten. Man kann sehr wohl in gemieteten Unterkünften arbeiten oder sogar in Hotels. Es könnte so aussehen, als wären Hotels die kostspielige Variante, aber so ist es nicht, wenn man richtig nachrechnet und alle Nebenkosten berücksichtigt. Hotels (Gedanken an Liebe drängen sich wieder auf) sind wie flüchtige Affären. Man reist ab, trennt sich, und damit Schluss.

Der Kauf eines Hauses ist vielleicht nicht sinnvoll in wirtschaftlicher Hinsicht, aber er ist auf andere, tiefere Art sinnvoll. Er ist in den Fünfzigern – wenn auch nicht in der Zielgerade, so doch in der Kurve, die zur Zielgeraden hinführt. Keine Zeit mehr für Spielereien, für ein Leben ganz nach Lust und Laune. Das Haus in Katalonien ist keine plötzliche Eingebung, keine Augenblickslaune. Im Gegenteil, es ist das Ergebnis eines ausgesprochen rationalen Entscheidungsprozesses. Wenn es überhaupt einer Ehe gleicht, dann einer vermittelten Ehe, dem Bräutigam wird die Braut durch einen Makler, einen Fachmann, zugeführt.

Doch selbst in vermittelten Ehen verlieben sich manchmal Mann und Frau. Ist es möglich, dass er sich nun in vorgerücktem Alter in das Haus verliebt, das er für sich in Spanien entdeckt hat?