Ein Stiefbruder für Cinderella - Anie Salvatore - E-Book

Ein Stiefbruder für Cinderella E-Book

Anie Salvatore

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Beschreibung

Was machst du, wenn sich der heißeste Stiefbruder ever bei dir zu Hause einquartiert? Richtig, du versuchst erst einmal, ihn zu ignorieren und konzentrierst dich auf deinen Freund. Genau das macht Liza. Doch was, wenn der Freund im Vergleich zum Stiefbruder nicht mithalten kann? Was, wenn die Anziehung immer stärker wird und du nachts wegen dem Kerl auf der anderen Seite des Flurs nicht mehr schlafen kannst? Wenn irgendwann der Moment kommt, in dem es kein Zurück mehr gibt?

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Seitenzahl: 292

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Klappentext:

Was machst du, wenn sich der heißeste Stiefbruder ever bei dir zu Hause einquartiert?

Richtig, du versuchst erst einmal, ihn zu ignorieren und konzentrierst dich auf deinen Freund. Genau das macht Liza. Doch was, wenn der Freund im Vergleich zum Stiefbruder nicht mithalten kann? Was, wenn die Anziehung immer stärker wird und du nachts wegen dem Kerl auf der anderen Seite des Flurs nicht mehr schlafen kannst? Wenn irgendwann der Moment kommt, in dem es kein Zurück mehr gibt?

Eine romantische, erotische und zugleich witzige Lovestory von Anie Salvatore.

Ein Stiefbruder für Cinderella

von Anie Salvatore

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9 Danksagung

Kapitel 10 Leseprobe aus Sweet Alabama Love

Kapitel 11 Weitere Bücher von Anie Salvatore

Über die Autorin

Impressum

Kapitel 1

Mit einem letzten Winken verabschiede ich mich von meiner Mutter und Samuel, während das Taxi aus meinem Blickfeld verschwindet. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich das Haus die nächsten drei Monate für mich haben werde. Ein Traum. Vor mich hinlächelnd schließe ich die Haustür und gehe zurück in die Küche, um die Reste vom Frühstück aufzuräumen. Mama und Samuel sind auf dem Weg zum Flughafen und von dort aus geht es nach Indien. Samuel ist Journalist und arbeitet an irgendeinem Projekt, von dem ich nichts wissen darf. Um ehrlich zu sein hat es mich überrascht, dass Mama ihn begleitet. Die beiden sind seit ungefähr einem Jahr zusammen, doch in der Zeit hat meine Mutter sich verändert. Sie wirkt jünger, ist unternehmungslustiger. Doch dass sie jetzt für drei Monate ihren Job an den Nagel hängt, um mit Samuel nach Indien zu reisen, hätte ich nie im Leben von ihr gedacht. So kann man sich irren. Aber ich habe keinen Grund, mich zu beschweren, denn nun kann ich allein in diesem wunderschönen Haus wohnen. Wir sind erst vor einigen Wochen bei Samuel eingezogen. Anfangs wollte ich mir eine eigene Wohnung suchen, doch dann ging alles so schnell, dass ich überhaupt keine Chance hatte, eine zu finden. Also bin ich fürs Erste mit Mama zu ihm gezogen. Das Haus ist der Hammer, alles neu renoviert und topmodern. Wir haben sogar einen Pool im Garten. Außerdem habe ich zwei große Zimmer und ein eigenes Bad im ersten Stock. Ich glaube, ich werde es mit der eigenen Wohnung doch nicht mehr so eilig haben. Nachdem ich in der Küche fertig bin, gehe ich nach oben um mir einen Bikini anzuziehen. Der Sommer hat grade erst begonnen und ich habe mir vorgenommen, etwas für meine Figur zu tun und jeden Morgen zu schwimmen.

Nach zwanzig Minuten im Wasser bin ich völlig außer Atem. Meine Arme sind schwer wie Blei und meine Beine fühlen sich wie Wackelpudding an. Das Training wird mir keinesfalls schaden! Während ich mich abtrockne höre ich die Türklingel. Na super, meine Kleidung liegt natürlich oben im Badezimmer, da ich nicht mit Besuch gerechnet habe. Wer kann das bloß sein? Ich schlinge mir das feuchte Handtuch um den Körper und gehe zurück ins Haus. Es klingelt erneut und ich beschleunige die Schritte. Könnte sein, dass es meine Freundinnen sind, um mit mir auf die sturmfreie Bude anzustoßen. Ich öffne die Tür einen Spalt und erstarre. Vor mir steht Gabriel. Samuels Sohn. Bisher sind wir uns nur zweimal begegnet und seit wir hier wohnen, ist er noch nie da gewesen.

»Hallo«, bringe ich hervor. »Dein Vater ist schon weg.« Was könnte er auch sonst wollen?

»Hey Schwester«, meint er grinsend. Ich versuche zu ignorieren, wie gut er aussieht. In seinen grünen Augen blitzt es. »Ich sehe es als meine Aufgabe an, in den nächsten Wochen auf dich aufzupassen. Schließlich gehörst du jetzt zur Familie und ich kann unmöglich zulassen, dass du ganz allein in diesem riesigen Haus wohnst.« Ich verstehe nur Bahnhof. Bestimmt ist mein Gesichtsausdruck alles andere als intelligent.

»Und was soll das heißen?«, bringe ich schließlich hervor.

»Na dass ich auch hier wohnen werde, was sonst! Ich hab mit Dad alles besprochen. Er ist froh, dass du nicht den ganzen Sommer allein bist«, erwidert er mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Ich komme mir vor, wie im falschen Film. Das kann doch bloß ein Scherz sein. Doch als mein Blick auf die große Reisetasche fällt, die neben seinen Sneakers von Yeezy am Boden liegt, ahne ich, dass er es absolut ernst meint.

»Das … das …« stottere ich. Mir fehlen die Worte. Am liebsten würde ich ihm ein lautes Nein entgegenwerfen, doch dazu fehlt mir der Mut. Gabriel ist hier aufgewachsen. Es ist viel mehr sein Zuhause als meins.

»Ich dachte mir schon, dass du froh über etwas Gesellschaft bist«, meint er und greift nach der Tasche. »Lässt du mich jetzt rein oder was?« Automatisch festige ich den Griff um das Handtuch und öffne die Tür. Sein Blick schweift über meinen Körper und als er mir wieder ins Gesicht sieht, zuckt es um seine Mundwinkel. »Du kannst gern wieder schwimmen gehen, ich wollte dich nicht stören.«

»Nein, ich … war sowieso schon fertig«, murmle ich und weiche zurück. Gabriel betritt das Haus und als er an mir vorbeigeht, weht mir der frische Duft seines Aftershaves um die Nase. Unwillkürlich drehe ich ihm die Nase hinterher und schnuppere. Er riecht unheimlich lecker. Während er durch den Raum geht, komme ich nicht dagegen an, auf seinen Hintern zu starren. Gabriel trägt eine hellblaue Jeans, die ihm tief auf den Hüften sitzt. Das schwarze Muskelshirt endet knapp über dem Bund der Hose und bei jedem Schritt muss ich auf den Streifen nackter Haut dazwischen starren. Er ist braungebrannt, zumindest an den Stellen, die er offen zeigt. Außerdem sind seine Arme übersät mit Tattoos und auch am Rücken kann ich Bruchstücke davon erkennen. Warum muss mir das alles ausgerechnet heute so ins Auge stechen? Dass mein Stiefbruder gutaussehend und extrem heiß ist, habe ich natürlich schon bei unseren früheren Begegnungen bemerkt, aber heute ist es anders. Vielleicht weil wir allein sind. Heute nehme ich noch viel mehr wahr als seine grünen Augen, die unordentlichen Haare und seinen nahezu perfekten Körper. Bis jetzt konnte ich zwar noch keinen Fehler finden, doch ich unterstelle ihm jetzt mal, dass er nicht perfekt ist. Das kann unmöglich sein! Er stellt die Tasche am Fuß der Treppe ab und geht zum Kühlschrank, wo er sich einen Energydrink herausnimmt. Lässig lehnt er an der polierten Küchenzeile und wirft mir einen Blick zu.

»Hat es dir die Sprache verschlagen, Liza?«

»Was? Ähm, nein. Ich bin nur ein wenig überrascht, das ist alles. Ich habe nicht damit gerechnet, dass du vorbeikommst und hier wohnen willst. Ich meine, du hast doch eine eigene Wohnung, oder nicht?«, frage ich zögernd.

»Sicher. Meine Mitbewohner werden bestimmt eine Weile ohne mich auskommen. Schließlich will ich meine neue Schwester etwas besser kennenlernen. Wenn ich den Plänen meines Vaters glauben darf, wird er deiner Mutter in Indien einen Antrag machen.«

»Das hat er gesagt?«, frage ich überrascht.

»Nicht mit denselben Worten, aber ja. Das hat er vor.«

»Kaum zu glauben«, murmle ich und denke darüber nach, was das für mich bedeuten wird.

»Du redest nicht besonders viel, hab ich recht?«, will Gabriel wissen und mustert mich mit einem unergründlichen Ausdruck im Gesicht. Ich zucke mit den Schultern.

»Kommt drauf an.«

»Worauf denn?«

»Darauf, wie sympathisch mir mein Gesprächspartner ist«, erwidere ich mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.

»Ach ja?«, meint er und neigt den Kopf zu Seite. »Willst du damit sagen, dass ich dir unsympathisch bin?«

»Nein, ganz und gar nicht«, entgegne ich schnell und streiche mir eine imaginäre Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich … wir kennen uns kaum, das ist alles.«

»Dann war es wohl eine gute Idee von mir, herzukommen und das zu ändern.«

»Ja, sieht so aus«, stimme ich zu.

»Na dann.« Er hebt seine Dose und prostet mir zu. »Auf die nächsten drei Monate.« Ich kann nicht anders, als einfach nur verlegen zu lächeln.

»Ich geh dann mal nach oben und ziehe mich an«, murmle ich und durchquere den Raum. Mir ist bewusst, dass er mich mit Blicken verfolgt, weshalb ich sorgsam darauf achte, nicht zu stolpern. Am Fuß der Treppe passiert es natürlich trotzdem, aber ich kann mich noch im letzten Moment am Treppengeländer festhalten. Blöderweise muss ich deshalb das Handtuch loslassen und wie könnte es anders sein, stehe ich in der nächsten Sekunde im knappen Bikini vor ihm. Ich spüre ein Brennen auf meinen Wangen und bücke mich, um das Handtuch hochzuheben. Unter Gabriels amüsierten Blicken presse ich es vor meinen Körper und gehe mit schnellen Schritten die Treppe hoch.

Als ich die Zimmertür hinter mir zuschlage und mich mit dem Rücken dagegen lehne, klopft mir das Herz bis zum Hals. Was bist du nur für eine tollpatschige Kuh? Ausgerechnet vor Gabriel musste ich so einen Auftritt hinlegen. Das Leben ist unfair! Ich kann es nicht fassen, dass er hier wohnen wird. Und dass sein Vater davon gewusst hat, ist das Allerletzte. Ob meine Mutter es auch wusste und mir verheimlicht hat? Aber falls ja, weswegen? Warum hat mir niemand was davon gesagt? Könnte es sein, dass sie mir nicht zutrauen, allein auf das Haus zu achten? Dass Gabriel deshalb hier ist? Um auf mich und das Haus aufzupassen? Schnaubend stoße ich mich von der Tür ab und tausche den Bikini gegen ein leichtes Sommerkleid. Das ist doch vollkommen bescheuert. Ich bin neunzehn Jahre alt. Viele in meinem Alter haben bereits eine eigene Wohnung oder leben im Studentenwohnheim. Warum sollte ich nicht in der Lage sein, ein paar Monate allein zu überstehen? Diese Gedanken lenken mich im Grunde nur vom eigentlichen Problem ab, welches gutaussehend und viel zu sexy in der Küche steht. Gabriel. Er entspricht exakt der Vorstellung, die ich von meinem Traummann habe. Bis ins kleinste Detail. Warum nur muss er der Sohn von Samuel sein? Könnte er nicht einfach nur ein Freund von seinem Sohn sein? Dann wäre die Situation längst nicht so kompliziert. Ich stöhne frustriert auf und lasse mich rückwärts aufs Bett fallen. Was soll ich denn jetzt bloß machen? Ich kann doch nicht mit dem heißesten Stiefbruder aller Zeiten unter einem Dach wohnen. Nur wir zwei! Wie soll ich denn da den Sommer genießen?

Mein Handy vibriert auf dem Nachttisch und kündigt den Eingang einer neuen Nachricht an. Sie ist von Luiz, meinem Freund.

Guten Morgen Prinzessin! Wann soll ich vorbeikommen, damit wir die sturmfreie Bude einweihen können?

Mit einem gequälten Lächeln auf den Lippen verdrehe ich die Augen. Sturmfreie Bude. Von wegen!

Guten Morgen. Leider hat sich völlig überraschend mein Stiefbruder im Haus eingenistet. Ich kann nur hoffen, dass ich ihn bald wieder los bin. Gehen wir mittags essen?

Wie arschig! Klar, ich hol dich ab. Bis später.

Ich schicke Luiz einen Kuss-Smiley und lege das Handy zurück auf den Nachttisch. Wenn ich unterwegs bin, kann ich Gabriels Gesellschaft entfliehen, wenigstens für ein paar Stunden.

Den Rest des Vormittags verbringe ich in meinem Zimmer und klage mein Leid Maggie und Emma. Die beiden zählen zu meinen engsten Freundinnen.

Als es an der Tür klingelt, bin ich froh über etwas Abwechslung. Das ist bestimmt Luiz. Während ich mich in meinem Zimmer verkrochen habe, war von Gabriel weder was zu hören, noch was zu sehen. Vielleicht ist er ja weggefahren. Bestimmt war es ihm hier zu langweilig. Ich verlasse mein Zimmer und mache mich auf den Weg nach unten, doch als ich dort ankomme, muss ich feststellen, dass Gabriel keineswegs fort ist. Mein Stiefbruder hat die Tür bereits geöffnet und unterhält sich mit Luiz, der mir zunickt, sobald sich unsere Blicke treffen. Gabriel wendet sich um und mustert mich von Kopf bis Fuß. Es prickelt auf meiner Haut und ich muss mich dazu zwingen, meine Aufmerksamkeit meinem Freund zuzuwenden.

»Hey!«, sage ich mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen, eile zu Luiz und küsse ihn zur Begrüßung auf den Mund. Gabriels Blick brennt sich in meinen Nacken. Ich kann ihn nicht sehen aber ich spüre, dass er mich beobachtet.

»Hallo Schönheit«, murmelt Luiz mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Mir ist klar, dass er sich den heutigen Tag anders vorgestellt hat. Das Haus für uns allein und so. Allerdings bin ich eher erleichtert, dass ich der Situation entkommen kann. Luiz und ich waren noch nicht im Bett und um ehrlich zu sein bin ich mir unsicher, ob ich schon so weit bin. Er ist nett, sieht gut aus und benimmt sich mir gegenüber wie ein Gentleman, aber irgendwas fehlt mir. Ich kann es nicht in Worte fassen, es ist einfach dieses gewisse Etwas. Wenn ich mit ihm zusammen bin, spüre ich ein Kribbeln im Bauch und wenn er mich küsst, dann ist das schön. Dennoch glaube ich, dass da mehr zwischen uns sein sollte, um den nächsten Schritt zu tun. Wir sind seit einigen Wochen zusammen. Ich mag ihn sehr und wünsche mir nichts mehr, als dass es mit uns klappt. Trotzdem habe ich nicht den Wunsch, mit ihm zu schlafen. Noch nicht. Luiz hat schon mehrere Annäherungsversuche dieser Art gemacht, meistens im Auto, was für mich ein weiterer Grund war, ihn abzublocken. Wenn ich mit ihm schlafe, dann in einem Bett, nicht wie ein billiges Flittchen auf dem Rücksitz seines Audi.

»Dann wünsche ich euch viel Spaß«, höre ich Gabriels samtige Stimme hinter mir und ein wohliger Schauer läuft mir den Rücken hinab. Warum muss ausgerechnet mein Stiefbruder so eine Stimme haben? Ich drehe mich zu ihm um und hebe die Hand zum Abschied.

»Den werden wir haben«, erwidere ich geheimnisvoll und wende mich wieder meinem Freund zu.

»Bye Gabriel«, sagt dieser und legt mir den Arm um die Schultern. Gemeinsam gehen wir zu seinem Auto und ich muss mich regelrecht dazu zwingen, keinen Blick zurück zu werfen. Ich war mir noch nie so sehr bewusst, wie sich mein Hintern beim Gehen bewegt, wie in diesem Moment.

Wir essen im Palace, einem Restaurant im Golf-Club, bei dem unsere Eltern Mitglieder sind. Ich würde gern mal woanders hingehen, doch Luiz ist eher der bequeme Typ. Im Palace haben wir unseren festen Tisch und die Rechnung geht auf das Konto seines Vaters. Seine Kreditkarte mit Sicherheit auch, also wäre es egal, wo wir essen.

»Warum musste dein Stiefbruder ausgerechnet heute auftauchen«, grummelt er, fasst über den Tisch und nimmt meine Hand.

»Das wüsste ich auch gerne«, seufze ich und betrachte sein Gesicht. Luiz sieht gut aus, mit seinen blauen Augen und den dunkelblonden Haaren. Er ist breiter gebaut als Gabriel, aber sie sind etwa gleich groß. Warum vergleiche ich ihn mit meinem Stiefbruder? Ich schließe die Augen und versuche, mich zu sammeln. Versuche, Gabriel aus meinen Gedanken zu verbannen.

»Hat er zufällig erwähnt, dass er heute noch was vorhat?«, will er wissen.

»Nein, leider nicht.« Bedauernd schüttle ich den Kopf. Er beugt sich über den Tisch und dämpft die Stimme.

»Ich hatte Pläne für heute.« Mit dem Daumen streichelt er über meinen Handrücken.

»Tatsächlich?« Ich spiele die Ahnungslose.

»Aber sicher, Liza. Ich kann es kaum noch erwarten, mit dir allein zu sein. Ich will dir endlich zeigen, wie sehr du mir gefällst«, raunt er.

»Wie sehr gefalle ich dir denn?«, erwidere ich und lege den Kopf zur Seite. Er wippt mit den Augenbrauen.

»Du machst mich verrückt, wie du so vor mir sitzt in diesem heißen Fummel. Und das in positivem Sinn. Ich will dich, Liza«, sagt er eindringlich. Sein Blick hält den meinen fest und mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Verlegen senke ich die Lider.

»Luiz, ich …«, beginne ich, doch wir werden von einer Kellnerin unterbrochen, die unser Essen serviert. Wir lösen unsere Hände und ich greife nach Messer und Gabel.

»Das Steak ist der Hammer«, schwärmt Luiz nach dem ersten Bissen. Mein Herzklopfen lässt langsam nach und ich bin erleichtert, dem Gespräch entkommen zu sein. Ich weiß nicht, ob er einen weiteren Korb in Sachen Sex verkraften würde. »Wir sollten mal ins Steakhouse am anderen Ende der Stadt fahren. Dort soll man hervorragend essen können.« Das sagt er jedes Mal, wenn wir im Palace sind und er ein Steak bestellt hat. Bisher waren wir noch nie dort.

»Klar, machen wir«, murmle ich und stochere in meinem Essen herum. Ich habe mich darauf gefreut, den Tag mit ihm zu verbringen, doch jetzt drängt sich ständig jemand anders in meine Gedanken. Ein Mann, der dort auf gar keinen Fall sein sollte. Gabriel.

»Liza!«, ruft eine sehr bekannte, weibliche Stimme meinen Namen. Es ist zweifellos Emma und als ich mich umdrehe, kommt sie freudestrahlend auf uns zu. Ihre blonden, perfekt gestylten Locken wippen bei jedem Schritt um ihre Schultern. »Hey! Ich wusste gar nicht, dass ihr auch zum Essen hier seid. Wolltet ihr nicht irgendwo in der Stadt was essen gehen?« Sie umarmt mich zur Begrüßung und setzt sich auf einen freien Stuhl.

»Wir hatten noch nichts ausgemacht«, erwidere ich unbestimmt. »Bist du allein hier?«

»Toni sollte schon längst hier sein, aber ihm ist was dazwischengekommen. Schon wieder. Aber egal«, winkt sie ab. Toni ist ihr Freund. »Wir müssen dringend über dein Stiefbruder-Problem sprechen.«

»Was gibt’s da groß zu reden«, murmle ich und werfe Luiz einen Seitenblick zu.

»Hast du schon einen Plan, wie du ihn wieder loswirst?«

»Nein.« Irritiert schüttle ich den Kopf.

»Dann sollten wir uns dringend etwas überlegen, denn ich habe mehrere Partys geplant.«

»Du hast Partys geplant?«, hake ich ungläubig nach.

»Natürlich, was dachtest du denn! Du hast ein Haus ganz für dich allein! Das allein ist schon Grund genug um zu feiern.«

»Du vergisst ein klitzekleines Detail namens Gabriel«, werfe ich ein. Dass ich keine Lust habe, für irgendwelche Leute, die ich kaum kenne, eine Party zu schmeißen, verschweige ich vorerst.

»Ich weiß. Und deshalb sollten wir uns einen Plan zurechtlegen, wie wir ihn dazu bringen, so bald wie möglich in seine WG, oder wo immer er auch wohnt, zurückzuziehen.«

Luiz mischt sich in unser Gespräch ein. »Ich kenne Gabriel zwar nicht besonders gut, aber auf mich macht er einen lässigen Eindruck. Ich glaube nicht, dass er etwas dagegen hätte, wenn du eine Party machst.«

»Denkst du?« Emma sieht Luiz überrascht an.

»Ich weiß nicht«, murmle ich und spieße ein Stück Paprika auf meine Gabel. Ich will überhaupt keine Party feiern, völlig egal, was Gabriel davon hält.

»Dann frag ihn doch«, schlägt Emma vor und sieht mich erwartungsvoll an.

»Jetzt?«

»Lass uns doch erst mal essen, Emma«, wirft Luiz ein.

»Natürlich, entschuldigt«, erwidert sie und lehnt sich im Stuhl zurück. Gelangweilt betrachtet sie ihre perfekt manikürten Fingernägel und ich muss mir ein Grinsen verkneifen. Emma hasst es, wenn sich nicht alles um sie dreht. Das war schon immer so und ich bezweifle, dass sich das irgendwann mal ändern wird.

»Ich schlage vor, wir warten erst mal ab, wie lange Gabriel überhaupt bleibt. Vielleicht will er sich nur wichtigmachen und verschwindet in ein paar Tagen von alleine wieder«, sage ich.

»Könnte durchaus sein«, erwidert Luiz achselzuckend.

»Und wenn nicht?«, wirft Emma ein. Ich verdrehe die Augen.

»Dann lassen wir uns was einfallen. Er ist seit ein paar Stunden im Haus. Bestimmt hat er nicht vor, ewig zu bleiben.«

»Das will ich schwer hoffen«, schmollt sie und zieht eine Schnute. Plötzlich springt sie auf und ihre Augen beginnen zu strahlen. »Du hast es doch noch geschafft! Wie schön!« Im selben Moment erscheint Toni in meinem Blickfeld und die beiden begrüßen sich mit einem Kuss, der für den Golf-Club viel zu leidenschaftlich ist. Oje. Peinlich berührt wende ich den Blick ab und sehe in Luiz grinsendes Gesicht. Er beugt sich über den Tisch und murmelt mit gedämpfter Stimme: »Wenigstens ist klar, was die zwei heute noch vorhaben.«

»Scheint so.«

»Wir könnten nach dem Essen zu mir fahren.«

»Um mit deiner Mutter und ihren Freundinnen Kaffee zu trinken?«, frage ich und ziehe dabei die Augenbrauen hoch. Seine Mutter hat ständig Besuch. Ich war noch nie bei ihm, ohne dass Bekannte oder Verwandte im Haus waren. Es ist so gut wie unmöglich, länger als eine halbe Stunde ungestört zu sein. Er zuckt mit den Schultern.

»Wir könnten es zumindest versuchen.« Ich schüttle den Kopf.

»Ein anderes Mal, Luiz. Ich möchte den Rest des Tages gern mit dir allein verbringen.«

»Das ist schön«, erwidert er und drückt kurz meine Hand.

»Wir sind dann mal weg«, ruft Emma und winkt uns zu. Händchenhaltend verlassen sie und Toni das Palace.

Die nächsten Stunden verbringen Luiz und ich auf der Terrasse im Golf-Club. Wir reden und lachen, albern herum, küssen uns, und ich vergesse tatsächlich für eine Weile, warum ich meinem Zuhause fernbleibe.

»Nimm mich mit in dein Zimmer«, raunt Luiz an meinen Lippen. »Deine Tür lässt sich doch abschließen.«

»Ich will aber nicht, dass Gabriel etwas mitbekommt«, entgegne ich und schiebe ihn von mir. Er weicht nur ein paar Zentimeter zurück.

»Könnte doch sein, dass er gar nicht im Haus ist«, versucht er mich zu überzeugen.

»Und wenn doch?«

»Ach komm, scheiß auf den Kerl. Wenn du erst mal mit mir im Bett bist, verschwendest du sowieso keinen Gedanken mehr an ihn.«

»Soll das eine Drohung sein?«, scherze ich.

»Nein, ein Versprechen«, murmelt er und küsst mich erneut. Seine Zunge dringt tief in meinen Mund ein und ich weiche ihm etwas aus, um dem Druck zu entgehen. Ich hab schon ein paar Jungs geküsst und leider ist Luiz nicht der beste Küsser. Er ist viel zu stürmisch. Manchmal habe ich den Eindruck, er will mit seiner Zunge bis in meinen Rachen vordringen. Keine Ahnung, warum er das macht. Ich habe schon einige Male versucht, ihn auf meine Art zu küssen. Sanft und mit mehr Gefühl, aber Luiz übernimmt nach kurzer Zeit wieder das Kommando und saugt meinen Mund geradezu ein. Ich sollte ihm sagen, dass mir das nicht so gefällt, doch ich will ihn nicht verletzen. Auf gewisse Weise gefällt es mir ja, wenn er die Führung übernimmt. Wenn er einfach macht und tut und nicht lange fragt, was ich will. Das Einzige, was ich ihm bisher vorenthalten habe, ist Sex. Nicht, dass Luiz mein Erster wäre, nein, das habe ich zum Glück schon hinter mich gebracht. Trotzdem ist das eine Sache, auf die ich mich nicht leichtfertig einlasse. Wenn ich mit jemandem schlafe, dann will ich mir sicher sein. Sowohl meiner Gefühle als auch seiner. Ich befreie mich aus dem Kuss und rücke ein Stück von ihm weg. Mein Atem geht schneller und das Herz pocht hart in meiner Brust. Luiz fährt sich mit gespreizten Fingern durch die Haare und sieht mich mit glühendem Blick an.

»Lass uns zu dir fahren, Prinzessin. Ich schwör dir, ich halte es keinen Tag länger aus.«

»Bitte dräng mich nicht so«, flüstere ich.

»Liza, weißt du eigentlich, wie lange ich dich schon will? Wir gehen seit mehr als zwei Monaten miteinander. Du machst mich mit deinen Küssen von Tag zu Tag heißer und lässt mich gleichzeitig am ausgestreckten Arm verhungern«, erwidert er eindringlich.

»Das liegt nicht in meiner Absicht«, verteidige ich mich.

»Ich habe lange genug auf dich gewartet. Es ist an der Zeit, den nächsten Schritt zu gehen. Bist du bereit dafür?« Er sieht mir in die Augen, die Stille zwischen uns wird mit jeder Sekunde angespannter. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, fühle mich in die Enge getrieben. Der Puls rauscht in meinen Ohren und eine leichte Panik ergreift Besitz von mir.

»Tu das nicht«, flüstere ich, als Luiz aufsteht.

»Sag Bescheid, wenn du bereit bist, eine richtige Beziehung zu führen«, murmelt er, wendet sich ab und geht davon. Ungläubig starre ich ihm hinterher, warte darauf, dass er sich umdreht und zurückkommt. Doch er tut es nicht. Irgendwann ist er aus meinem Blickfeld verschwunden und das Dröhnen meines Herzschlags hallt nach, als wäre es in meinem Brustkorb leer. Vollkommen leer. Er hat mich einfach hier zurückgelassen, ohne sich darum zu kümmern, wie ich nach Hause komme. Ohne mir Zeit zu geben, eine Entscheidung zu treffen.

Ich bestelle einen Martini und während ich darauf warte, dass die Kellnerin ihn bringt, wird mein Puls langsam ruhiger. Wie kann Luiz mir das antun? Wie kann er mich einfach so sitzenlassen? Wegen Sex! Verdammt, das ist nicht fair! Eigentlich dachte ich, es läuft gut zwischen uns. Ist es zu viel verlangt, dass er noch eine Weile wartet, bis ich bereit dafür bin? Muss sich immer alles nur um Sex drehen? Endlich kommt mein Drink und ich kippe die Flüssigkeit in einem Zug hinunter. Ich brauche das jetzt einfach. Eine vertraute Wärme breitet sich in meinem Körper aus und ich schließe die Augen. Wie kann an einem einzigen Tag nur so viel schieflaufen? Erst die Sache mit Gabriel und jetzt Luiz! Wenn der Rest des Sommers genauso beschissen wird, habe ich nicht die geringste Lust darauf.

Als ich am späten Nachmittag mit dem Taxi zu Hause ankomme, hoffe ich inständig, dass Gabriel unterwegs ist. Ich sehne mich nach Einsamkeit um meine Wunden zu lecken und in Ruhe über das nachzudenken, was im Golf-Club passiert ist. Ich habe keine Lust, in seiner Gegenwart so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Doch leider läuft an diesem Tag rein gar nichts so, wie ich es mir wünsche, weshalb mir Gabriel sogar die Haustür öffnet.

»Liza«, sagt er, die Stirn in Falten gelegt. »Ist etwas passiert?«

»Nein, wieso fragst du?«, erwidere ich schnell und gehe an ihm vorbei ins Haus. Er kommt mir hinterher und während ich die Schuhe ausziehe, lehnt er lässig an der Wand.

»Warum hat Luiz dich nicht nach Hause gebracht?«, will er wissen. Ich zucke mit den Schultern.

»Einfach so.«

»Habt ihr Streit?«, hakt er nach. Ich hebe den Kopf und sehe ihn genervt an.

»Das geht dich absolut nichts an, Gabriel. Also wenn du mich jetzt bitte entschuldigst, ich würde gern nach oben gehen«, fauche ich.

»Hey«, murmelt er und fasst nach meinem Arm. »Auf mich musst du nicht sauer sein. Falls du reden willst bin ich da.« Ich schließe für einen Moment die Augen und atme tief durch.

»Entschuldige. Und danke«, erwidere ich leise und sehe ihm ins Gesicht. »Aber das ist nicht nötig.«

»Wie du meinst«, entgegnet er und lässt mich los. Erst, als ich mich abwende und zur Treppe gehe wird mir bewusst, wie schnell mein Herz schlägt. Die kurze Begegnung mit Gabriel wühlt mich noch mehr auf, als der Streit mit Luiz. Wenn das so weitergeht, bin ich am Ende des Sommers ein emotionales Wrack.

Die nächsten Stunden verbringe ich in meinem Zimmer und starre das Handy an. Luiz meldet sich nicht und ich bin immer wieder ganz kurz davor, ihm zu schreiben. Ganz kurz davor, ihm zu sagen, er solle vorbeikommen, damit wir es endlich tun. Ich weiß auch nicht, warum ich mich deswegen so anstelle. Doch ein kleiner Rest Stolz hält mich jedes Mal davon ab. Außerdem will ich mich von ihm nicht unter Druck setzen lassen. Nicht so! Ich will ja mit ihm schlafen, aber nicht auf diese Weise. Ich will Romantik und Liebe. Etwas, das Luiz nicht besonders wichtig ist. Wenn er sich Mühe gibt, kann er durchaus romantisch sein, doch das hält meistens nur für kurze Zeit an.

Von unten höre ich Gelächter, weibliches Gelächter, was mich von meinen Gedanken ablenkt. Hat Gabriel etwa Damenbesuch? Ernsthaft? Er kommt einfach hier an, mit all seinen Sachen und fühlt sich sofort wie zu Hause! Na ja, eigentlich ist es ja sein Zuhause, aber trotzdem! Er hat noch keine einzige Nacht hier geschlafen und lädt sich sofort irgendeine Tussi ein. Oder ist es vielleicht seine Freundin? Ich habe keine Ahnung, ob Gabriel überhaupt eine Freundin hat. Bestimmt ist er nicht der Typ für eine feste Beziehung. Ach Gott, was weiß ich schon, was er für ein Typ ist? Ich kenne ihn doch kaum. Vielleicht sieht er ja bloß aus, wie der heißeste Kerl auf Erden. Das muss ja noch lange nicht heißen, dass er ein Leben führt wie Casanova. Ich höre ein Poltern und mir wird klar, dass Gabriel und seine Freundin die Treppe hochkommen. Früher hatte Gabriel das komplette Stockwerk für sich allein, aber da nun ich eingezogen bin, bleibt für ihn nur noch das Gästezimmer. Es liegt auf der anderen Seite des Flurs, gegenüber meiner Tür. Und ja, genau dorthin verschwinden die beiden. Der Tritt, mit dem Gabriel die Tür schließt, ist kaum zu überhören. Doch selbst danach werden die Geräusche nicht leiser. Ganz im Gegenteil. Ich höre gedämpftes Kichern, hohes Quietschen, lautes Lachen, und dazwischen immer wieder den Klang seiner dunklen Stimme. Und was dann kommt, will ich im Grunde gar nicht hören. Sie tun es. Laut und heftig. Ich bilde mir ein, die Wände in meinem Zimmer würden wackeln, doch das kann unmöglich sein. Ihr Stöhnen wird mehr und mehr ein Schreien und sie ruft immer wieder seinen Namen. Ich sollte mir die Ohren zuhalten, doch ich kann nicht. Fasziniert lausche ich den Geräuschen aus seinem Zimmer, wobei sich unbewusst mein Puls und meine Atmung beschleunigen. Gabriel hat nur wenige Meter von mir entfernt Sex, während ich mutterseelenallein im Bett liege und seit Stunden an nichts anderes denke. Sex, Sex, Sex! Denkt irgendwer auf dieser beschissenen Welt an etwas anderes? Die Schreie aus dem Nebenzimmer werden noch lauter. Hoffentlich sind sie bald fertig, denn lange ertrage ich das keinesfalls mehr. Offensichtlich hat seine Freundin großen Spaß. Viel größeren Spaß als ich es von mir je behaupten könnte. Liegt es an Gabriel, dass sie so laut ist oder gibt sie grundsätzlich solche Töne von sich? Das würde mich wirklich brennend interessieren. Mit einem langgezogenen Stöhnen kommt sie zum Höhepunkt. Obwohl ich nur stumme Zuhörerin bin, ist selbst mir das sonnenklar. Für eine Weile ist es ruhig und ich beginne, mich zu entspannen. Mein Herzklopfen wird leiser und mein Puls beruhigt sich. Werde ich je erfahren, wie es ist, wenn einem jemand solche Laute entlockt? Vielleicht mit Luiz? Irgendwie habe ich nicht den Eindruck, dass es bei Luiz und mir so wäre, doch wer weiß das schon? Soll ich es einfach probieren und sehen, was passiert? Vielleicht sollte ich darauf vertrauen, dass er weiß, was er tut. Immerhin hat er mir das schon oft genug gesagt. Aus Gabriels Zimmer höre ich leises Gekicher und nach ein paar Minuten beginnt das ganze Spiel von vorne. Oh mein Gott! Das darf doch nicht wahr sein! Da ich mir ziemlich sicher bin, dass ich Gabriel in den nächsten Minuten nicht begegnen werde, verlasse ich mein Zimmer und gehe nach unten, um mir etwas zu essen zu holen. Am Fuß der Treppe liegt ein Spitzentanga. Während ich einen großen Bogen darum mache, läuft mein Kopfkino auf Hochtouren. Natürlich weiß ich, was die beiden dort oben machen, doch ihre Unterwäsche zu sehen, wirft die Frage auf, wie er sie ihr ausgezogen hat. Hat er es gemacht, während er sie küsste? Oder wollte sie die Treppe hoch und Gabriel hat sie von hinten gepackt, ihr den Tanga vom Hintern gezerrt? Oder möglicherweise hat er ihn mit den Zähnen runtergezogen …

»Nein!«, rufe ich aus und schüttle den Kopf. Die Bilder müssen verschwinden. Ich darf mir unmöglich solche Sachen vorstellen. Er ist mein Stiefbruder! Ich starre immer noch auf den Spitzentanga, als ich Gabriels samtene Stimme von oben höre.

»Sieht so aus, als hätten wir was verloren.«

Erschrocken hebe ich den Kopf und sehe in sein Gesicht. Er trägt nur seine Hose und ich muss mich sehr darauf konzentrieren, nicht auf seinen nackten Oberkörper zu blicken. Keinesfalls die Tattoos anzustarren, die meine Aufmerksamkeit förmlich auf sich ziehen. Er kommt die Treppe runter und bückt sich, um das Wäschestück aufzuheben. »Traust du dich wieder aus deinem Zimmer?«, will er wissen, während er auf mich zukommt.

»Ich … keine Ahnung, was du damit meinst«, erwidere ich hastig. Ich glaube, meine Wangen brennen.

»Ach komm schon, Liza. Du hast dich die letzten Stunden vor mir versteckt, du kannst es ruhig zugeben.«

»Was auch immer du denkst, du liegst falsch«, sage ich mit fester Stimme. Er neigt den Kopf zur Seite und mustert mich.

»Und du bist eine schlechte Lügnerin.«

»Warum gehst du nicht nach oben und leistest deiner Freundin Gesellschaft?«, zische ich.

»Eifersüchtig?«

»Sicher nicht!«

»Sie ist nicht meine Freundin«, stellt er richtig.

»Das ist mir sowas von egal!«

»Du wirkst mehr als entspannungsbedürftig, Liza. Schade, dass du Ärger mit deinem Freund hast, er könnte dir sicher weiterhelfen«, murmelt er.

»Fahr doch zur Hölle!«, fauche ich und ergreife die Flucht. Mit schnellen Schritten gehe ich zurück in mein Zimmer und knalle die Tür hinter mir zu. Was war das denn bitte? Entspannungsbedürftig! Hat der sie noch alle! Darauf, dass ich von seinem Rumgebumse genervt sein könnte, ist er wohl nicht gekommen! Entspannungsbedürftig! Ich! Ausgerechnet ich! Normalerweise bringt mich so schnell nichts aus der Ruhe. Das kann also nur an ihm liegen! Während ich immer noch vor Ärger koche, geht es im Nebenzimmer erneut zur Sache. Nimmt der Viagra oder so ein Zeug? Das ist doch nicht normal!

Kapitel 2

Am nächsten Morgen fühle ich mich wie gerädert. Ich habe bestimmt keine zwei Stunden geschlafen und das habe ich einzig und allein Gabriel zu verdanken. Jedes Mal, wenn ich eingenickt bin, wurde ich durch laute Geräusche aus seinem Zimmer geweckt. Die ganze verdammte Nacht lang! Jetzt ist es natürlich ruhig, aber jetzt kann ich nicht mehr schlafen. Stöhnend krieche ich aus dem Bett und gehe ins Badezimmer. Eine Dusche wird meine Lebensgeister hoffentlich aufwecken. Eigentlich hatte ich ja vor, jeden Morgen zu schwimmen, doch heute fühle ich mich dazu keinesfalls in der Lage. Soviel zum Thema gute Vorsätze. Vielleicht sollte ich laute Musik hören oder irgendwelchen Krach machen, damit mein nerviger Stiefbruder auch nicht schlafen kann. Doch dann würde er aus seinem Zimmer kommen und mir bloß wieder auf die Nerven gehen. Also lieber nicht.

Nach zwei Tassen Kaffee und einer Portion Obst geht es mir etwas besser. Luiz hat seit gestern kein Wort von sich hören lassen und ich weiß langsam nicht mehr, was ich davon halten soll. Ist es ihm tatsächlich ernst damit? Will er nur mit mir zusammen sein, wenn wir auch miteinander schlafen? Ich schreibe Maggie und Emma eine Nachricht, doch beide melden sich nicht. Wahrscheinlich liegen sie noch im Bett. Emma mit Toni und Maggie höchstwahrscheinlich allein. Oder vielleicht auch nicht? Wer weiß das schon? Maggie steht auf Frauen, zurzeit ist sie jedoch Single. Ach Mist, ich brauche unbedingt jemanden zum Reden sonst komme ich noch in Versuchung, Luiz zu schreiben. Während ich gedankenverloren aus dem Fenster starre, kommt jemand die Treppe herab. Ich wende den Kopf und sehe eine hübsche Frau mit tiefschwarzen Haaren und einer beachtlichen Oberweite. Auf ihren Lippen liegt ein Lächeln und ihre Augen strahlen förmlich, als sie mir ein »Guten Morgen« zuflötet. Ich erwidere den Gruß und kann nicht anders, als sie weiter anzustarren. Sie geht zur Tür, schlüpft in ihre Pumps und verlässt ohne ein weiteres Wort das Haus. Wow. Gabriel hat sich eine Wahnsinns-Frau angelacht, das muss ich ihm lassen. Unwillkürlich muss ich an die Geräusche von gestern Nacht denken und habe neue Bilder im Kopf. Die Schwarzhaarige und Gabriel. Ihren wogenden Busen, der Spitzentanga, das Gestöhne. Ich verdecke meine Augen mit der Hand und schüttle den Kopf. Die Bilder müssen weg! Verschwindet! Sofort!