Ein Stück meines Herzens - Richard Ford - E-Book

Ein Stück meines Herzens E-Book

Richard Ford

3,0

Beschreibung

Zwei Männer verschlägt es auf eine gottverlassene sumpfige Insel im Mississippi, die man auf keiner Landkarte finden kann - Robard Hewes auf den Spuren einer Frau und Sam Newel auf der Suche nach sich selbst. Die Insel ist an einen Eigenbrötler verpachtet, der sie seit Jahrzehnten mit seiner Ehefrau und einem schwarzen Hausangestellten bewohnt. Hewes und Newel werden in Ereignisse verwickelt, die sie wie einen unentrinnbaren bösen Traum erleben ... „Ein Stück meines Herzens“ ist eine Tour de Force durch den Süden der USA, ein Roman „in der Tradition von Faulkner, Hemingway und Steinbeck“ (The Times).

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Hanser Berlin eBook

Richard Ford

Ein Stück meines Herzens

Roman

Aus dem Amerikanischenvon Martin Hielscher

Hanser Berlin

Die Originalausgabe erschien 1976

unter dem Titel A Piece of My Heart bei Ecco/HarperCollins Publishers, New York.

ISBN 978-3-446-24245-6

© Richard Ford 1976

Alle Rechte der deutschen Ausgabe

© Hanser Berlin im Carl Hanser Verlag München 2012

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Kristina

Prolog

W. W. kam im Regen über den Damm hinunter, sein alter Plymouth schlitterte aus der Fahrspur, und sein Gewehrlauf, noch heiß vom Schießen, ragte gefährlich aus dem Fenster. Er blickte durch die Weiden hinunter auf das Bootscamp, und für einen Augenblick sah er nichts als das Haus und den Anlegeplatz, vom Regen verdeckt, obwohl er aus der Entfernung beobachtet hatte, wie Robards Pickup vor drei Minuten den Damm erklommen hatte und auf der anderen Seite verschwunden war, und er nun hinter ihm her war. Der Regen wurde immer heftiger, und er fuhr langsamer durch die Weiden. Dicke Tropfen liefen den Gewehrlauf hinunter und tröpfelten auf seine Hose, aber er merkte es nicht. Schließlich sah er Robards Pickup, der sich im Schutz der niedrigen Äste duckte und im Regen dampfte und tickte. Er stieg aus, ließ seinen Wagen rollen, bis er in das Heck des Pickup hineinrollte, und schritt, immer noch in seinem Baseball-Dress, vorsichtig auf den Anlegeplatz zu, wo ein blonder Junge am Wasser stand, ein Gewehr mit dem Lauf nach unten hielt und zusah, wie ein leeres Boot den Seearm hinunter- und auf die Untiefen zutrieb.

Als der Junge die Gegenwart eines anderen witterte, wirbelte er herum und riß das Gewehr hoch und zielte damit direkt auf den Bauch des Mannes.

»Wer zum Teufel sind Sie denn?« fragte er, und seine Mundwinkel zitterten, so daß er aussah, als ob er lächeln wollte.

W. W. sah aufs Wasser hinaus, fummelte am warmen Abzugsbügel herum und überlegte, ob er den Jungen erschießen und dabei auf irgendeine Weise vermeiden könnte, selbst erschossen zu werden. Er kam zu dem Schluß, daß er es nicht könnte, und lächelte.

»Ich bin W. W. Justice aus Helena.«

»Was machen Sie in Ihrem Baseball-Dress und mit ’nem Gewehr, W. W.?« fragte der Junge, wobei er das Fehlen dreier Vorderzähne enthüllte, hinter denen man die Zunge sehen konnte, die sich bemühte, die Lücke auszufüllen.

»Ich bin hinter Robard Hewes her. Du hast ihn nicht zufällig gesehen?«

»Hinter wem?«

»Robard Hewes.«

»Also, W. W.«, sagte der Junge, spielte mit seiner Zunge in den Mundwinkeln und ließ die Gewehrspitze wieder zu seinem Fuß zurücksinken, »von dem hab ich noch nie gehört. Aber eins kann ich Ihnen sagen.«

»Und das wäre?« fragte W. W.

»Ich hab hier gerade einen Mann getötet, nich’ mal ’ne Minute, bevor Sie gekommen sind.«

»Wen hast du getötet?« fragte er und sah dem leeren Boot nach, das in Regen und Wind dahintrieb.

»Keine Ahnung! Aber wer immer das war, hatte hier absolut nichts zu suchen. Das kann ich Ihnen sagen. Das kann ich Ihnen aber sagen.«

Teil IRobard Hewes

1  In der Dunkelheit konnte er die langen Lichtkegel sehen, die den Berg hinunterkamen, auf Bishop zu. Sie durchquerten die Wüste nach Einbruch der Dunkelheit, nachdem sie Reno in der Dämmerung verlassen hatten, und glitten um Mitternacht durch die Wüste nach Indio. Er saß im vorderen Zimmer im Dunkeln und starrte durch den Eingang hinaus, rauchte und hörte zu, wie die Käfer das Fliegengitter hochkrabbelten und die Luft durch das Fenster zog. Irgendwo in der Ferne machte sich ein Lastwagen mühsam auf den Weg über die Wiese zu den Bergen. Von der Stadt her hörte er lange ein Auto hupen, dann Reifen quietschen, bis das Geräusch schwächer wurde und in die Nacht zurücksank. Im Dunkeln stieß er eine Rauchwolke aus und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.

»Also«, hatte sie gesagt, »wie lange willst du wegbleiben?«, während sie das Geschirr auf die Fensterbank stellte und in das violette Licht hinausstarrte. »Wie wird das wohl werden?«

»Es wird schon gutgehen«, sagte er. »Ich komme wieder.«

Und sie hatte sich umgedreht, ihr dickes Haar, schwärzer als seins, über ihren Schultern, und war ohne ein weiteres Wort im Haus verschwunden. Als ob sie sich gerade dabei ertappt hätte, wie sie sich in ein Arrangement hineinziehen ließ, und zurückgewichen wäre, um sich mit einem Instinkt zu retten, dessen Existenz sie ganz vergessen hatte, weil sie acht Jahre lang keinen Grund gehabt hatte, sich zu retten. Er hatte gehört, wie sich die Tür schloß.

Nach einer Weile hatte er sich vom Tisch erhoben, das Licht ausgeschaltet und war nach vorn gegangen, um zu warten, bis es richtig dunkel war und er in der Kühle aufbrechen konnte.

Er überlegte, während er dort allein saß, was man da eigentlich tun konnte. Wenn der Ehemann einer Frau plötzlich aufsteht und einfach weggeht aus dem Leben, das sie mit ihm führt, obwohl sie nach acht Jahren sicher zu sein glaubt, daß er nicht auf einmal aufsteht und in die Nacht hinausfährt, ohne zu sagen, warum: Was macht sie dann? Was ändert sie in ihrem Leben? Er hatte das Gefühl, er müßte sich mit jedem Arrangement abfinden, das sie getroffen hätte, wenn er einmal zurückkehrte. Er versuchte, sich eine andere Möglichkeit vorzustellen, und kam zu dem Schluß, daß es sie nicht gab.

Er blies seinen Rauch in die Dunkelheit. Ein Wagen kam den Feldweg entlang, seine Scheinwerfer folgten dem Straßenrand, das Radio lief, und es klang, als wäre er ganz in der Nähe. Dann erreichte er das Ende der Straße, bog wieder in die Wüste ein, und die Musik verebbte.

Um neun Uhr ging er zum hinteren Teil des Hauses, schaltete das Licht an, füllte den Wasserkessel und setzte ihn wieder aufs Feuer. Die Küche roch kalt, obwohl es in ihr wärmer war als in den anderen Räumen. Der Herd roch nach Gas. Er spülte die Thermosflasche und stellte sie mit der Öffnung nach unten auf das Spülbecken. Er holte den Pulverkaffee herunter, setzte sich an den Tisch und wartete.

Er dachte daran, wie er in der kleinen Jagdhütte mit zwei Zimmern in Hazen gesessen und am Tisch gewartet hatte, daß die Ärzte aus Memphis kamen. Er hatte die Becher gespült, in jeden einen Löffel getan, sie in einer Reihe auf den hölzernen Tresen gestellt und die Blechdose mit Pulverkaffee dazugestellt. Und dann hatte er angefangen zu warten, daß es ans Schießen ging, vom Gaskocher und dem Licht der Glühbirnen in den Ecken gewärmt, die Schatten in das Hinterzimmer warfen, wo das Feldbett stand. Er wartete in der Kälte, bis die Ärzte den Fahrweg herunterkamen, wobei ihre schweren Wagen schwankten und schaukelten und die Strahlen ihrer aufgeblendeten Scheinwerfer weit über das Feld bis zum Waldrand warfen, wo er durch die halbverglaste Tür Augen aus rotglühender Kohle aufblitzen und zwischen den Bäumen verschwinden sah.

Er hatte am Fenster gewartet, bis sie hereinkamen, alte Männer in hohen Gummistiefeln und Segeltuchmänteln, und hatte den Topf vom Herd genommen und Kaffee gemacht, während die Stimmen der Männer das Zimmer füllten, die lachten und husteten, bis es warm wurde. Er war dann ins Hinterzimmer geschlüpft, um auf dem Feldbett zu warten, bis er das Fenster mit dem ersten Silberdunst hinter den Baumwipfeln hell werden sah und er die Männer in der Stille über das Feld auf den Wald zutrieb, so daß die Hütte versank, nur noch ein einzelnes Licht war und schließlich in den gleißenden Flocken von Sonnenlicht verschwand. In der Kälte wurden die Männer still und mürbe wie Klumpen weicher Kohle. Sie stapften in den Wald, und ihre Stiefel knatschten, bis sie allmählich ins Wasser gelangten. Er hatte sie in die Boote gesetzt und war in den Strom hinausgewatet, hatte sie zwischen den Bäumen hindurchgezogen, bis er die Enten hören konnte, die sich hundert Meter weiter, wo das Wasser tief wurde, zankten und verbündeten. Hoch oben konnte er ihre Spur sehen, die sich säuberlich auf dem fahlen Himmel abzeichnete. Er setzte die Männer dort aus und hielt die Boote, während sie in das bis zu den Schenkeln reichende Wasser hinausstolperten, und sagte ihnen, in welche Richtung sie nicht gehen sollten: auf die Fahrrinne des Wasserlaufs zu. Dann ließ er sie zurück, während sie lärmend durchs Wasser wateten und in der Dämmerung lachten, bis er sie nicht mehr hören konnte und die Boote wieder auf festen Boden gezogen hatte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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