Eine Braut für Lord Sandiford - Julia Justiss - E-Book

Eine Braut für Lord Sandiford E-Book

Julia Justiss

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Beschreibung

Im Herbst 1815 sind die Kanonen von Waterloo endlich verstummt. Und Lord Sandiford, Colonel beim Zehnten Husarenregiment, kehrt nach England zurück. Da seine Jugendliebe Sarah Stanhope mit dem Marquess of Englemere vermählt wurde, beabsichtigt der Viscount, ebenfalls eine Vernunftehe einzugehen. Eine reiche Erbin will er freien, um sein mit Hypotheken belastetes Gut zu sanieren. Clarissa Beaumont, wegen ihrer Schönheit und ihres Einflusses tonangebend in der Londoner Gesellschaft, soll ihm bei der Wahl einer geeigneten Kandidatin behilflich sein. Doch als die beiden einander vorgestellt werden, knistert es vor Erotik - und der Viscount auf Brautschau gerät in einen stürmischen Konflikt zwischen Verlangen und Verstand...

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Julia Justiss

Eine Braut für Lord Sandiford

Impressum

HISTORICAL erscheint vierwöchentlich in der CORA Verlag GmbH & Co. KG

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Tel: +49(040)60 09 09-361 Fax: +49(040)60 09 09-469 E-Mail: [email protected]

Geschäftsführung: Thomas Beckmann

Redaktionsleitung: Claudia Wuttke

Cheflektorat: Ilse Bröhl (verantw. f.d. Inhalt)

Grafik: Deborah Kuschel, Birgit Tonn, Marina Grothues

© 2001 by Janet Justiss

Originaltitel: „The Proper Wife“

erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./ S.àr.l

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL

Band 187 (5) 2004 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Übersetzung: Anita Magg

Fotos: Harlequin Enterprises, Schweiz

Veröffentlicht im ePub Format im 07/2012 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

ISBN 978-3-86494-410-9

E-Book-Herstellung: readbox, Dortmund

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

HISTORICAL-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Der Verkaufspreis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

ROMANA, BIANCA, BACCARA, JULIA, TIFFANY, MYSTERY, MYLADY

1. Kapitel

Oberst Lord St. John Sandiford hielt sich mit den Händen, die in Lederhandschuhen steckten, an dem Geländer auf der Windseite des Schiffes fest. Eine Bö drohte ihm den Tschako vom Kopf zu blasen, während er in den grauen Nebelschleier blickte. Als für einen Augenblick die Wetterwand aufriss, sah er in der Ferne die Küstenlinie von England. Der Eroberer, der Held – endlich aus dem Krieg nach Hause zurückgekehrt.

Als er den Mund in bitterer Ironie verzog, vernahm er ein lautes "Hallo", das wohl ihm galt. Er drehte sich um und entdeckte Leutnant Alexander Standish, der hinkend auf ihn zukam; bei dem starken Seegang tat er sich noch schwerer mit dem Gehen als sonst. Als das Schiff unter lautem Dröhnen in eine sich brechende Welle stieß, schien der Soldat sein mühsam erkämpftes Gleichgewicht zu verlieren. Sandiford sprang auf ihn zu und streckte ihm die Hände entgegen.

"Halten Sie sich fest, Alexander", schrie er gegen den Wind. Zu seiner Erleichterung zögerte der Leutnant keinen Moment, sondern nahm dankbar die Hilfe an. Gemeinsam stolperten sie zur Reling und klammerten sich daran.

"Danke, Oberst", keuchte der junge Mann, den die Anstrengung atemlos gemacht hatte. Sandiford betrachtete ihn aufmerksam und stellte beruhigt fest, dass der Glanz in den Augen des Leutnants diesmal von der Aufregung und nicht vom Fieber herrührte. "Sieht ganz so aus, als ob ich noch immer wackelig auf den Beinen wäre."

"Sie hätten bei diesem Sturm nicht an Deck kommen sollen." Sandiford milderte seinen Tadel mit einem Lächeln. "Ich möchte nicht, dass Sie eine Meile vor der Küste von Bord gespült werden, nachdem ich über Monate hinweg auf dem Schlachtfeld und im Lazarett Ihr Kindermädchen gespielt habe."

Der Leutnant erwiderte das Lächeln. "Ich vermute, dass es nicht sehr klug von mir war, aber … ich wollte unbedingt einen Blick auf die Heimat erhaschen. Ich muss zugeben, dass es mich überrascht, Sie hier oben zu sehen. Denn ich hatte angenommen, dass Sie bereits im Spanienfeldzug oft genug der Kälte und Nässe ausgesetzt gewesen waren. Sie müssen genauso gespannt sein wie ich."

Die Zurückhaltung, die der Oberst sich in den Monaten des diplomatischen Dienstes beim Duke of Wellington angewöhnt hatte, hielt ihn davor zurück, zu erklären, dass er dem Gerede unter Deck hatte entkommen wollen und deswegen nach oben gegangen war. Stattdessen sagte er: "Wenn Sie gespannt genug sind, es zu riskieren, den Fischen als Fraß zu dienen, muss wohl Lady Barbara selbst am Pier auf Sie warten."

Die eingefallenen Wangen des Soldaten erröteten. "Natürlich nicht, auch wenn es der wunderbarste Willkommensgruß wäre, den ich mir vorstellen kann. Ich … ich kann nur hoffen, dass sie noch immer in London wartet. Bevor ich in das Regiment eintrat, wurde nichts offiziell verkündet. Und jetzt …" Er holte tief Luft und schluckte. "Ihre Eltern wünschen sich vielleicht einen Mann für sie, der noch … noch gesund ist."

Wie oft sich doch die Dinge verändern, während die Soldaten draußen im Kampf sind und sterben. Dieser Gedanke ließ in Sandiford wieder einen Zorn aufsteigen, den er in den letzten drei Jahren nicht völlig hatte überwinden können. Erneut musste er die Antwort, die ihm auf der Zunge lag, unterdrücken. "Unsinn", erwiderte er. Freundlich klopfte er dem Leutnant auf die Schulter. "Ihre Familie könnte sich keinen besseren Mann für ihre Tochter wünschen als einen der unvergleichlichen Helden, die den Tyrannen Napoleon ein für alle Mal verjagt haben. Ein reicher Held noch dazu, wenn das Gerede über den Wohlstand Ihres Vaters zutrifft. Außerdem können Sie jedem erzählen, dass Ihr Pferd viel schlechter davongekommen ist. Das mussten wir schließlich erschießen."

Wie er gehofft hatte, musste der junge Mann lachen. "Trotz der Verletzung an meinem Bein kann ich Gott sei Dank noch immer reiten, wenn ich die Zügel mit meiner gesunden Hand halte. Ganz gleich, wie sich Lady Barbaras Vater entscheidet – ich habe mehr Glück als viele andere gehabt."

Einen Moment lang schwiegen die beiden und dachten daran, wie wenige – unvorstellbar wenige – ihrer Kameraden lebend dem Schlachtfeld von Waterloo entkommen waren.

"Wie steht es mit Ihnen, Oberst? Nach einem langen Jahr in der Fremde wartet doch sicher eine Dame ungeduldig auf Ihre Rückkehr."

Vor Sandifords innerem Auge erschien ein Gesicht, das er jedoch sofort erfolgreich verdrängte. "Ich bin schon viel länger fort gewesen", entgegnete er ausweichend.

"Sie sind also vor dem Rest der Truppe nach Brüssel gekommen?"

"Ich habe den Kontinent nie verlassen. Nach Toulouse wurde der Duke als Botschafter an den Bourbonenhof geschickt und brauchte einen Begleiter. Ich meldete mich freiwillig und blieb dann mit der Duchess und dem Botschaftspersonal in Paris, als Old Hookey zum Wiener Kongress fuhr."

Der Leutnant stieß einen Pfiff aus. "Das muss eine unangenehme Pflicht gewesen sein. Ich habe gehört, dass die Franzmänner sehr unfreundlich wurden, wenn man den Bourbonen Unterstützung zukommen ließ. Besonders unangenehm sollen sie aber den Engländern gegenüber gewesen sein, als Napoleon versuchte, wieder zurückzukehren."

"Madame de Staël und ein paar andere Exilanten, die wiedergekommen waren, boten uns eine amüsante Gesellschaft." Ein paar der hinreißenden Damen im Gefolge der Madame de Staël hatten ihn sogar dazu verführt, für eine Weile alles Vergangene zu vergessen.

Der Leutnant zog eine Augenbraue hoch und lächelte. "Ach so, deshalb sind Sie also länger geblieben. Aber von dem Charme französischer Damen einmal abgesehen – Sie sind doch ein Engländer und werden sich nach der Heimat sehnen."

"Nach jedem verschuldeten Morgen Land", erwiderte Sandiford trocken. Jeffers, sein Offiziersbursche, den er nach der Schlacht von Waterloo nach Hause vorausgeschickt hatte, schrieb ihm immer wieder, dass er seine Angelegenheiten in England dringend in Ordnung bringen müsste. Nachdem nun der Frieden sichergestellt und das Regiment nach Hause beordert worden war, konnte er dieser lästigen Pflicht nicht länger ausweichen. Eine Pflicht, die vielleicht eine Freude gewesen wäre, wenn er die Frau neben sich gewusst hätte, die er liebte. Sarah – der Name stieg wie ein Seufzer in ihm auf.

"So stehen die Dinge also? Das tut mir Leid." Der Leutnant schüttelte den Kopf. "Wenn Sie allerdings keine Liebste haben, die auf Sie wartet, können Sie sich zumindest eine reiche Braut suchen. Ich wage zu behaupten, dass viele Väter sich glücklich schätzen würden, wenn Sie ihrer Tochter den Hof machen würden." Der junge Mann musterte den Oberst von Kopf bis Fuß. "Ein gut aussehender Offizier von ansehnlichem Rang, der in dem besten aller Husarenregimenter, dem ruhmreichen Zehnten, gedient hat."

Die Vorstellung, wegen Geld zu heiraten, erschien Sandiford so fürchterlich, dass er die Zähne zusammenbiss. "Ich bezweifle, dass ein ausgedienter und verarmter alter Soldat, wie ich es bin, ein solch guter Fang sein soll, wie Sie es darstellen. Aber ich werde mein Möglichstes tun."

"Dann werde ich Sie sicher in der Ballsaison in London sehen. Es würde mich freuen. Falls Sie tatsächlich Schwierigkeiten haben sollten, eine Erbin zu finden …" Der Leutnant trat unruhig von einem Bein aufs andere; er musste das Blitzen in Sandifords Augen gesehen haben. "Zögern Sie nicht, meinen Vater anzusprechen. Er ist tatsächlich sehr wohlhabend, und ich schulde Ihnen mehr, als ich jemals …"

"Reden Sie keinen Unsinn! Das ist nicht der Erwähnung wert, auch wenn ich Ihr Angebot zu schätzen weiß. Ich hoffe jedoch, dass es nicht so weit kommen muss."

"Das nehme ich auch nicht an. Aber sehen Sie das? Dort drüben, wo der Nebel ein wenig aufgerissen ist?"

Sandiford drehte den Kopf in die Richtung, in die der Leutnant wies. Plötzlich sah er hohe weiße Klippen in der Ferne, die im Dunst gespenstisch schimmerten. Die Klippen von Dover.

Obgleich er sich innerlich dagegen wehrte, nahm ihn der Anblick seines Heimatlandes gefangen. In dem erstarrten Klumpen, der früher einmal sein Herz gewesen war, rührte sich ein winziger Funken Erregung.

Er kehrte also zu einem bankrotten Besitz und einer verschwenderischen Mutter zurück – zu den unausweichlichen Gegebenheiten, die ihn dazu zwingen würden, seinen Körper und seine gute Herkunft zu verschachern, um die Mitgift einer Braut zu erlangen, die er nicht wollte. Doch für einen Augenblick hatte ihn das Gefühl erfasst, unendlich viele Möglichkeiten vor sich zu haben. Er musste tatsächlich ein "verrückter Engländer" sein, wie es immer hieß.

Eine Woche später ritt Sandiford an einem kühlen Morgen mit seinem letzten übrig gebliebenen Pferd von der Kanzlei seines Advokaten in der Londoner City Richtung Westminster. Wie magisch angezogen, hielt er für einen Augenblick in der Nähe der berittenen Wache vor dem Hauptquartier der Armee an; mit seinem unauffälligen braunen Rock und der abgetragenen Reithose fiel er nicht weiter auf. Die Wachen trugen prachtvolle scharlachrote Uniformjacken mit goldenen Epauletten. Keiner der Männer, die einen Blick in seine Richtung warfen, hätte in dem schäbig gekleideten Mann – er hatte noch jene Kleidungsstücke an, in denen er bereits als Geheimagent aufgetreten war – einen Offizier des Zehnten Husarenregiments vermutet.

Einen ehemaligen Offizier, verbesserte Sandiford im Geiste. Ein leises Bedauern regte sich in ihm, wie es ihn auch am Tag zuvor erfüllt hatte, als er zum letzten Mal seinen blauen Waffenrock und den Offiziersmantel mit dem Pelzbesatz ausgezogen und endgültig weggesperrt hatte. Von nun an war er nicht mehr ein Angehöriger der Armee, wie er das für die letzten sechs Jahre gewesen war.

Dass ihm der Krieg gefehlt hätte, konnte er allerdings nicht behaupten.

Gedankenverloren ließ Sandiford sein Pferd gemächlich weitertrotten. Seine Vorstellungen vom glorreichen Heldentum waren schon vor langer Zeit in ihm dahingeschwunden, genau genommen an jenem Tag, als er den ersten Mann auf dem Schlachtfeld hatte sterben sehen. Während der letzten fünf Jahre war es ein besonders blutiges und grausames Geschäft gewesen. Die Kameradschaft allerdings, die zwischen den Männern entstanden war, die gemeinsam so viel Not und Gefahren durchstehen mussten, und das Gefühl, dass er eine schwierige Aufgabe gut gelöst hatte – all das würde er bestimmt vermissen.

Du sentimentaler Narr, dachte er verärgert. Den unerfreulichen Neuigkeiten nach zu urteilen, die ihm sein Advokat vor einer Stunde eröffnet hatte, war es das einzig Richtige, alles zu verkaufen; selbst die unbeträchtliche Summe, die er dadurch erhielte, würde ihm nützlich sein. Jeffers' lakonische Briefe hatten seine ausweglose finanzielle Situation keineswegs übertrieben ausgemalt. Die Dinge standen anscheinend sogar noch schlechter, als sein ehemaliger Offiziersbursche angenommen hatte.

Mit Ausnahme von Valiant, dem treuen Begleiter vieler harter Märsche, hatte Sandiford seine restlichen Pferde bereits den Angestellten von "Tattersall" für die nächste Versteigerung übergeben, auch wenn ihn das Herz dabei fast wie bei dem Verlust enger Freunde schmerzte. Auch Valiant konnte er nur behalten, wenn er sich an die strengen Richtlinien hielt, die ihm sein Advokat vorgeschlagen hatte.

Der letzte Rat, den ihm der Anwalt mit auf den Weg gegeben hatte, war nicht sehr überraschend gekommen: Er solle sich eine reiche Frau suchen. Mr. Walters hatte mit einem schmalen Lächeln sogar das gleiche Kompliment hinzugefügt, das Alexander bereits auf dem Schiff ausgesprochen hatte – dass es für einen Mann seines Standes keine Schwierigkeit darstellen sollte, eine geeignete Braut zu finden.

Der Advokat hatte sich die schäbige Kleidung seines Klienten angesehen und mit gequälter Miene erklärt, dass Seine Lordschaft für diesen Zweck eine kleine Summe aus dem verschuldeten Besitz abzweigen sollte, um sich für die kommende Saison angemessen einzukleiden.

Herausgeputzt wie ein Hahn, dachte Sandiford grimmig. Ihm wurde klar, dass er trotz all seiner Überlegungen erst jetzt wirklich verstand, was der Bankrott seines Besitztums bedeutete. Er musste eine reiche Erbin heiraten – und zwar rasch.

Daran hatte er während der letzten sechs Jahre – seit dem Tod seines Vaters – zwar gelegentlich gedacht, wenn ihm die katastrophale Verschuldung, die der verstorbene Lord Sandiford hinterlassen hatte, in den Sinn gekommen war. Doch jedes Mal hatte er angewidert gehofft, dass er eines Tages eine angenehmere Lösung für sein Problem finden würde.

Doch die Zeit für eine solche Alternative war verstrichen; das hatte ihm Mr. Walters gerade mit eisiger Klarheit dargelegt. Wenn Michael Peter Sandiford, der Viscount St. John nicht das verbliebene Land und die Besitztümer seiner Vorfahren versteigert sehen wollte, musste er sich überwinden und die unsäglichen gesellschaftlichen Veranstaltungen besuchen, die man so treffend als "Heiratsmarkt" bezeichnete. Dort hatte er sein Aussehen und seinen hohen Stand so schamlos wie eine Hure vor dem "Haymarket-Theater" feilzubieten.

Sandiford holte tief Luft und schluckte; ein bitterer Geschmack nach Galle hatte sich in seinem Mund angesammelt. Angesichts seiner Lage war es nur zu verständlich, dass er so unwillig nach England zurückgekehrt war.

Das reicht, schalt er sich in Gedanken. Es war an der Zeit, sich nicht mehr wie ein Jammerlappen zu benehmen, der zum ersten Mal die Kanonen hört, sondern dieses leidige Unternehmen entschlossen anzugehen.

Er könnte auf seinem Weg zurück zu seinen bescheidenen Mieträumen in der North Audley Street bei den Herrenschneidern am St. James Park vorbeischauen – oder sollte er vielleicht in den "Albany-Herrenclub" gehen, um dort Alexander zu besuchen? Sein junger Leutnant, der stets Geld in der Tasche hatte und sich bereits auf die Saison in London freute, könnte ihm zweifelsohne raten, welchen der Schneider er aufsuchen sollte, um seine Garderobe zu verbessern. Auch wenn Sandiford nicht sehr viel auf Kleidung gab, wusste er doch, dass er in den wenigen zivilen Kleidungsstücken, die er besaß, eher wie ein Reitknecht als ein Gentleman aussah.

Er verkörperte augenblicklich nicht gerade den richtigen Mann, den sich eine aufgeputzte, mit Juwelen behängte Dame als künftigen Gatten vorstellte. Schließlich musste er sich schon bald über parfümierte Hände beugen. Er lächelte sarkastisch, als er sich ausmalte, wie ein solches Geschöpf der Gesellschaft dreinblicken würde, wenn er sich mit seiner abgerissenen Kleidung bei ihr präsentieren müsste.

Inzwischen war er am Piccadilly angelangt. Er fühlte sich jedoch zu unausgeglichen, um die Gesellschaft eines Bekannten aufzusuchen. Vielleicht würde ihm ein rascher Galopp durch die frische Luft des Hyde Parks gut tun. Er lenkte also sein Pferd in Richtung Westen.

Doch anstatt den Piccadilly entlangzutraben, ritt er durch das Getümmel der Händler, die zum Shepherd's Market gingen. Er hielt sich nördlich, bis er die stillere Curzon Street erreichte. Als er sich dem hübschen Haus im georgianischen Stil näherte, das ein wenig von der Straße zurückgesetzt lag, brachte er sein Pferd zum Stehen. Sein Herz klopfte wie wild.

Es sind ohne Zweifel die verwirrenden Veränderungen der letzten Tage, die diese schwarze Stimmung, diese Melancholie ausgelöst haben, redete Sandiford sich ein. Er wollte diesem Gefühl noch einen Moment länger nachgeben und dann weiterreiten.

Gedankenverloren stieg er vom Pferd, schlang Valiants Zügel um einen Pfosten und ging langsam auf das still daliegende Haus zu.

Obgleich zu dieser frühen Stunde die meisten Aristokraten noch im Bett lagen, wusste er, dass Sarah irgendwo hinter diesen Mauern bereits tätig war. Sie war nicht mehr seine Sarah, das Mädchen aus der Nachbarschaft, mit dem er aufgewachsen war, und das ihn als seine Freundin und Vertraute zu Dutzenden von Kindheitsabenteuern angestiftet hatte. Das Mädchen, das sich von einem jungenhaften Wildfang in eine junge Dame verwandelt und ihm das Herz gestohlen hatte. Die Dame, die seit nunmehr drei Jahren und drei Monaten die Frau des Marquess of Englemere war.

Sein Herz schien sich bei dem Gedanken an seine frühere Liebste schmerzhaft zusammenzuziehen. Süße Sarah, meine einzig wahre Liebe.

Sandiford wusste, dass es ihr gut ging. Obgleich er die ersten beiden Briefe, die sie ihm geschrieben hatte, nachdem er seinem Regiment vor drei Jahren wieder beigetreten war, ungelesen vernichten wollte, war es ihm letztendlich doch nicht gelungen. Er hatte dem Bedürfnis nachgegeben, zumindest noch diesen dünnen Faden der Freundschaft mit Sarah zu bewahren. Jeder neue Brief von ihr, der ihm von den interessanten Ereignissen in London berichtete, war rasch zu einem Höhepunkt der zumeist trübsinnigen Routine seiner Tage geworden. Er hatte alle Briefe aufgehoben, einschließlich des letzten, den er vor gerade drei Wochen erhalten hatte. Sie lagen in einem Stapel in seinem Nachtkästchen in der North Audley Street – alle, bis auf einen.

Ein leises Geräusch an der Haustür rüttelte ihn aus seinen Gedanken auf. Er sollte lieber weiterreiten, ehe jemand kam und ihn wie einen Bettler vor ihrer Pforte stehen sah.

Bevor er jedoch auf sein grasendes Pferd steigen konnte, kam ein Reiter im wilden Galopp um die Ecke. Ein Hausierer sprang beiseite, und seine Töpfe fielen scheppernd auf den Bürgersteig. Mehrere Hausmädchen kreischten und ließen ihre Staubwedel fallen, während Sandiford rasch einen Schritt zurückwich, als der große schwarze Hengst schnaubend vor ihm stehen blieb.

Als er aufsah, bemerkte er den Damensattel. Sein Blick wanderte noch höher, und er sah ein weibliches Profil, dessen klassische Vollkommenheit zweifelsohne bei Männern sklavische Ergebenheit und bei weniger vom Schicksal begünstigten Frauen Neid auslöste. Lange Wimpern umrahmten die Augen der Schönheit, deren Blick sich auf das Pferd richtete, dem sie nun den Hals streichelte.

Angewidert verzog sich Sandifords Mund, als er die teuren Kleider der Reiterin bemerkte. Da er genügend Erfahrung mit den hohen Rechnungen seiner Mutter besaß, wusste er, über wie viel Geld die Dame auf dem Pferd verfügen musste. Ihr Reitkostüm, das von einem italienischen Schneider zu stammen schien, war aus feinster Wolle und kostete gewiss mindestens einen Sovereign pro Elle. Die Samthaube mit den Straußenfedern und die fein gearbeiteten Lederstiefel, die in den silbernen Steigbügeln steckten, mussten ebenfalls ein kleines Vermögen wert sein. Der Preis der goldenen Spitze, die nach der Art einer Uniformverzierung in das Jackenoberteil der Dame eingearbeitet war, hätte wohl eine ganze Schwadron für ein Jahr ernähren können.

Und erst der Hengst – Sandiford vermutete, dass dieses stolze Tier, das ungeduldig vor ihm hin und her tänzelte, mindestens seine fünfhundert Pfund wert war. Außerdem schien das Pferd für eine Dame ganz und gar unpassend zu sein, denn sie hatte es nicht einmal geschafft, das Tier im Zaum zu halten, als sie durch die Londoner Straßen ritt.

Hinter der Reiterin sammelte der Hausierer geduldig seine Pfannen ein. In Sandiford stieg plötzlich Zorn auf. Wie gedankenlos musste der Vater dieser Dame sein, ihr ein solches Pferd zu erwerben? Und dann das Mädchen selbst! Wie konnte diese verwöhnte, beschützte und frivole Kreatur es wagen, eine Uniform zu imitieren, die er selbst mit so viel Stolz getragen und mit so viel Bedauern abgelegt hatte! Wie konnte sie eine Jacke tragen, die an den blutigen Kampf so vieler Soldaten erinnerte? Er dachte an Uxbridge, der ein Bein, und an Alastair, der einen Arm verloren hatte.

Während dieses Mädchen zweifelsohne seine Vormittage schlafend in seinem Boudoir, seine Nachmittage vor dem Spiegel und seine Abende auf dem Tanzparkett verbracht hatte, waren viele tapfere Männer auf dem Schlachtfeld gestorben …

Wenn sein Verstand nicht vor Zorn umnebelt gewesen wäre, hätte er vielleicht die funkelnden smaragdgrünen Augen, die sich auf ihn richteten, und die Vollkommenheit der vollen, weichen Lippen bewundert, die sich öffneten, um zu sprechen.

"Helfen Sie mir bitte herunter, und führen Sie dann mein Pferd zu den Ställen."

Sandiford wurde in diesem Moment durch den Butler, der nun die Tür von Sarahs Haus öffnete, abgelenkt. Deshalb bemerkte er erst einen Augenblick später, dass die Schönheit ihn angesprochen hatte.

"Machen Sie das doch selbst, Miss", fuhr er sie an.

Noch immer zu aufgebracht, um klar denken zu können, drehte er sich auf dem Absatz um und ging davon. Er nahm Valiants Zügel vom Pfosten, schwang sich in den Sattel und trieb dann sein Pferd in Richtung des Parks.

Überrascht sah Clarissa Beaumont dem großen blonden Mann hinterher, der verschwand, ohne einen Blick zurückzuwerfen. War er ein Buchhalter, ein Bauer oder – ein Gentleman? Auf jeden Fall war er kein Diener, wie sie vermutet hatte. Auf Grund seiner schäbigen Kleidung und der Tatsache, dass er vor Sarahs Haus stand, wo gewöhnlich ein Stallknecht auf sie wartete, konnte man ihr den Irrtum wohl kaum zum Vorwurf machen.

Mit erfahrenem Auge hatte sie die Schönheit seines Pferdes und die Eleganz bemerkt, mit der er das Tier gelenkt hatte. Vielleicht war er also doch ein Gentleman? Dann war er aber der unhöflichste und am schlechtesten gekleidete Gentleman, dem sie jemals begegnet war.

Und der am wenigsten beeindruckte, folgerte sie mit einem trockenen und ironischen Lächeln. Ihre häufig bewunderte Schönheit hatte anscheinend nichts in ihm ausgelöst – weder Überraschung noch Ergebenheit, wie sie das nach vier Saisons als Ballkönigin gewohnt war.

Dennoch, ihr Interesse war geweckt. Falls er tatsächlich ein Gentleman war und sie ihn wieder treffen würde, könnte es mit ihm recht anregend werden.

Clarissa sah, dass Glendenning an der offenen Tür wartete. Hinter dem Butler erschien ein Stallknecht, der Diablos Zügel nahm und ihr vom Pferd half. Ehe sie sich dem Haus zuwandte, strich sie dem Hengst noch ein letztes Mal über das samtene Maul. "Gib meinem Prinzen bitte eine Ration Futter mehr, Stebbins. Ich hätte ihn beinahe einem Fremden überlassen."

Ein strenger Mund und das Aufblitzen blauer Augen war alles, was ihr von dem Gesicht des Mannes im Gedächtnis geblieben war. Clarissa lächelte amüsiert und stieg die Stufen zum Haus hinauf. Außerdem erinnerte sie sich noch an eine Narbe über seinem rechten Auge. Ein gut aussehender, geheimnisvoller Mann mit einer Narbe – eine abenteuerliche Figur, die aus einem der Romane von Mrs. Edgeworth hätte stammen können.

Clarissas Lachen wandelte sich in ein leises Seufzen. Ihr Leben musste wahrhaftig langweilig sein, wenn sie nun schon anfing, romantische Lektüre mit einem Fremden, den sie zufällig auf der Straße getroffen hatte, in Zusammenhang zu bringen. Zweifellos war der Mann irgendein armer Buchhalter mit einer Frau und einer Familie, den sie niemals wieder sehen würde. Sie schob sein Bild mit einem Gefühl des Bedauerns, das sie selbst überraschte, beiseite.

2. Kapitel

Lady Sarah Stanhope, die Marchioness of Englemere, erwartete sie im Salon, wie Glendenning Miss Beaumont mitteilte. Er öffnete ihr die Tür; doch bevor Clarissa ihre beste Freundin begrüßen konnte, flog schon ein Spielzeuggeschoss knapp an ihrem Kopf vorbei.

"Clarissa! Spiel mit mir Soldat!"

"Aubrey, du hättest sie beinahe getroffen!" rief seine Mutter. "Junge Herren, die eine Dame nicht angemessen begrüßen, werden in das Schulzimmer geschickt, um ihr Benehmen zu verbessern."

"Unsinn, so schnell trifft er mich nicht." Voller Zuneigung für den teuersten Menschen in dem sehr kleinen Kreis von Personen, die ihr nahe standen, kniete Clarissa sich nieder, um ihren Patensohn zu umarmen. "Ich freue mich auch, dich zu sehen, du Prachtexemplar", sagte sie und strich die schwarzen Locken des Jungen zurück, der sie aus ernsten grünen Augen, die beinahe genauso funkelten wie ihre eigenen, ansah. "Wir spielen, sobald ich Tee getrunken habe."

Lady Englemere schüttelte den Kopf. "Also wirklich, Clarissa. Wie kann ich ihn dazu bringen, sich zu benehmen, wenn du ihn so schamlos ermutigst?"

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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